Entscheidungsdatum: 25.01.2018
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 1 312 861
(DE 502 09 710)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2018 durch den Vorsitzenden Engels sowie die Richterin Kopacek und die Richter Dr.-Ing. Krüger, Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder und Dipl.-Phys. Univ. Schmidt
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 1 312 861 wird insoweit mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, als es über die nachfolgende Fassung hinausgeht:
1. Vorrichtung zur thermischen und/oder katalytischen Reinigung von verbrennbare Bestandteile enthaltender Abluft mit einer Längsrichtung (112), umfassend eine Brennkammer (114), mindestens zwei von Gasen durchströmbare Wärmespeichermassen (106) enthaltende Behälter (102) zum Erwärmen der zu reinigenden Abluft (Rohgas) vor deren Eintritt in die Brennkammer (114) bzw. zur Aufheizung der Wärmespeichermasse (106) durch die von der Brennkammer (114) kommende gereinigte Abluft (Reingas), einen Rohgaskanal (128) zum Zuführen des Rohgases zu den Behältern (102) und einen Reingaskanal (156) zum Abführen des Reingases aus den Behältern (102), wobei jeder Behälter (102) mindestens eine Zutrittsöffnung (126), durch welche Rohgas aus dem Rohgaskanal (128) in den Behälter (102) eintritt, und mindestens eine Austrittsöffnung (152), durch welche Reingas aus dem Behälter (102) in den Reingaskanal (156) austritt, aufweist, und wobei die Zutrittsöffnung (126) in eine zwischen der Zutrittsöffnung (126) und der Wärmespeichermasse (106) des Behälters (102) angeordnete Vorkammer (118) mündet, wobei die Flächennormale (136a) mindestens einer Zutrittsöffnung (126) mindestens eines Behälters (102) quer zu der mittleren Strömungsrichtung (138) durch die Wärmespeichermasse (106) des Behälters (102) ausgerichtet ist, wobei die Vorkammer (118) einen Abschnitt (122) mit einem sich zu der Wärmespeichermasse (106) hin erweiternden Querschnitt aufweist, wobei die Vorkammer (118) einen Abschnitt (120) mit einem im Wesentlichen konstanten Querschnitt aufweist, wobei mindestens eine Zutrittsöffnung (126) und/oder mindestens eine Austrittsöffnung (152) des Behälters (102) in den Abschnitt (120) der Vorkammer (118) mit dem im Wesentlichen konstanten Querschnitt mündet und wobei der Abschnitt (120) der Vorkammer (118) mit dem im Wesentlichen konstanten Querschnitt eine vertikale, sich parallel zur Längsrichtung (112) der Vorrichtung erstreckende Seitenwand (124a) aufweist, in welcher die mindestens eine Zutrittsöffnung (126) ausgebildet ist und welche eine seitliche Begrenzungswand des Rohgaskanals (128) bildet.
2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Vorkammer (118) einen im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt aufweist.
3. Vorrichtung zur thermischen und/oder katalytischen Reinigung von verbrennbare Bestandteile enthaltender Abluft, umfassend eine Brennkammer (114), mindestens zwei von Gasen durchströmbare Wärmespeichermassen (106) enthaltende Behälter (102) zum Erwärmen der zu reinigenden Abluft (Rohgas) vor deren Eintritt in die Brennkammer (114) bzw. zur Aufheizung der Wärmespeichermasse (106) durch die von der Brennkammer (114) kommende gereinigte Abluft (Reingas), einen Rohgaskanal (128) zum Zuführen des Rohgases zu den Behältern (102) und einen Reingaskanal (156) zum Abführen des Reingases aus den Behältern (102), wobei jeder Behälter (102) mindestens eine Zutrittsöffnung (126), durch welche Rohgas aus dem Rohgaskanal (128) in den Behälter (102) eintritt, und mindestens eine Austrittsöffnung (152), durch welche Reingas aus dem Behälter (102) in den Reingaskanal (156) austritt, aufweist, und wobei die Zutrittsöffnung (126) in eine zwischen der Zutrittsöffnung (126) und der Wärmespeichermasse (106) des Behälters (102) angeordnete Vorkammer (118) mündet, wobei die Flächennormale (136a) mindestens einer Zutrittsöffnung (126) mindestens eines Behälters (102) quer zu der mittleren Strömungsrichtung (138) durch die Wärmespeichermasse (106) des Behälters (102) ausgerichtet ist, wobei die Vorkammer (118) einen Abschnitt (122) mit einem sich zu der Wärmespeichermasse (106) hin erweiternden Querschnitt aufweist, wobei die Vorkammer (118) einen Abschnitt (120) mit einem im Wesentlichen konstanten Querschnitt aufweist, wobei mindestens eine Zutrittsöffnung (126) und/oder mindestens eine Austrittsöffnung (152) des Behälters (102) in den Abschnitt (120) der Vorkammer (118) mit dem im Wesentlichen konstanten Querschnitt mündet, wobei die Vorkammer (118) einen im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt aufweist und wobei eine Seitenwand (124a) eines unteren Abschnitts (120) der Vorkammer (118) eine seitliche Begrenzungswand des Rohgaskanals (128) und eine gegen die Horizontale geneigte Seitenwand (150a) der Vorkammer (118) eine obere Begrenzungswand des Rohgaskanals (128) bildet.
4. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Flächennormale (136a) mindestens einer Zutrittsöffnung (126) mindestens eines Behälters (102) quer zur Vertikalen ausgerichtet ist.
5. Vorrichtung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Flächennormale (136a) mindestens einer Zutrittsöffnung (126) mindestens eines Behälters (102) im Wesentlichen senkrecht zur Vertikalen ausgerichtet ist.
6. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Flächennormale (136b) mindestens einer Austrittsöffnung (152) mindestens eines Behälters (102) quer zur Vertikalen ausgerichtet ist.
7. Vorrichtung nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Flächennormale (136b) mindestens einer Austrittsöffnung (152) mindestens eines Behälters (102) im Wesentlichen senkrecht zur Vertikalen ausgerichtet ist.
8. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens eine Zutrittsöffnung (126) und/oder mindestens eine Austrittsöffnung (152) mindestens eines Behälters (102) mittels eines Ventils verschließbar ist.
9. Vorrichtung nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass das Ventil als ein Tellerventil (130a, 130b) ausgebildet ist.
10. Vorrichtung zur thermischen und/oder katalytischen Reinigung von verbrennbare Bestandteile enthaltender Abluft, umfassend eine Brennkammer (114), mindestens zwei von Gasen durchströmbare Wärmespeichermassen (106) enthaltende Behälter (102) zum Erwärmen der zu reinigenden Abluft (Rohgas) vor deren Eintritt in die Brennkammer (114) bzw. zur Aufheizung der Wärmespeichermasse (106) durch die von der Brennkammer (114) kommende gereinigte Abluft (Reingas), einen Rohgaskanal (128) zum Zuführen des Rohgases zu den Behältern (102) und einen Reingaskanal (156) zum Abführen des Reingases aus den Behältern (102), wobei jeder Behälter (102) mindestens eine Zutrittsöffnung (126), durch welche Rohgas aus dem Rohgaskanal (128) in den Behälter (102) eintritt, und mindestens eine Austrittsöffnung (152), durch welche Reingas aus dem Behälter (102) in den Reingaskanal (156) austritt, aufweist, und wobei die Zutrittsöffnung (126) in eine zwischen der Zutrittsöffnung (126) und der Wärmespeichermasse (106) des Behälters (102) angeordnete Vorkammer (118) mündet, wobei die Flächennormale (136a) mindestens einer Zutrittsöffnung (126) mindestens eines Behälters (102) quer zu der mittleren Strömungsrichtung (138) durch die Wärmespeichermasse (106) des Behälters (102) ausgerichtet ist, wobei die Vorkammer (118) einen Abschnitt (122) mit einem sich zu der Wärmespeichermasse (106) hin erweiternden Querschnitt aufweist, wobei die Vorkammer (118) einen Abschnitt (120) mit einem im Wesentlichen konstanten Querschnitt aufweist, wobei mindestens eine Zutrittsöffnung (126) und/oder mindestens eine Austrittsöffnung (152) des Behälters (102) in den Abschnitt (120) der Vorkammer (118) mit dem im Wesentlichen konstanten Querschnitt mündet, wobei mindestens eine Zutrittsöffnung (126) und mindestens eine Austrittsöffnung (152) mindestens eines Behälters (102) mittels jeweils eines Ventils verschließbar ist, wobei das Ventil als ein Tellerventil (130a, 130b) ausgebildet ist, wobei die Flächennormale (136a, 136b) mindestens einer Zutrittsöffnung (126) und/oder mindestens einer Austrittsöffnung (152) mindestens eines Behälters (102) im Wesentlichen senkrecht zur Vertikalen ausgerichtet ist und wobei das Tellerventil (130a) zum Verschließen der Zutrittsöffnung (126) einen im Wesentlichen scheibenförmigen Ventilkörper (134) aufweist, welcher in seiner Schließstellung im Wesentlichen parallel zu der Zutrittsöffnung (126) ausgerichtet ist und rohgaskanalseitig an einem Ventilsitz (132) im Wesentlichen gasdicht anliegt und in seiner Offenstellung im Wesentlichen parallel zu der Zutrittsöffnung (126) ausgerichtet ist und im Abstand von dem Ventilsitz (132) innerhalb des Rohgaskanals (128) angeordnet ist.
11. Vorrichtung nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass die Vorkammer (118) einen im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt aufweist.
12. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet, dass das Ventil einen im Wesentlichen scheibenförmigen Ventilkörper (134) aufweist, welcher in seiner Schließstellung im Wesentlichen parallel zu der Zutrittsöffnung (126) bzw. im Wesentlichen parallel zu der Austrittsöffnung (152) ausgerichtet ist.
13. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 8 oder 9, dadurch gekennzeichnet, dass das Ventil einen im Wesentlichen scheibenförmigen Ventilkörper (134) aufweist, welcher in seiner Offenstellung im Wesentlichen parallel zu der Zutrittsöffnung (126) bzw. im Wesentlichen parallel zu der Austrittsöffnung (152) ausgerichtet ist.
14. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 12 oder 13, dadurch gekennzeichnet, dass die Vorrichtung (100) eine Bewegungseinrichtung (140) zum Bewegen des Ventilkörpers (134) von der Offenstellung in die Schließstellung und von der Schließstellung in die Offenstellung umfasst.
15. Vorrichtung nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, dass die Bewegungseinrichtung (140) eine pneumatische und/oder hydraulische Bewegungseinrichtung ist.
16. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 15, dadurch gekennzeichnet, dass die Flächennormale (136a) mindestens einer Zutrittsöffnung (126) mindestens eines Behälters (102) im Wesentlichen senkrecht zu der mittleren Strömungsrichtung (138) durch die Wärmespeichermasse (106) des Behälters (102) ausgerichtet ist.
17. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass die Flächennormale (136b) mindestens einer Austrittsöffnung (152) mindestens eines Behälters (102) quer zu der mittleren Strömungsrichtung (138) durch die Wärmespeichermasse (106) des Behälters (102) ausgerichtet ist.
18. Vorrichtung nach Anspruch 17, dadurch gekennzeichnet, dass die Flächennormale (136b) mindestens einer Austrittsöffnung (152) mindestens eines Behälters (102) im Wesentlichen senkrecht zu der mittleren Strömungsrichtung (138) durch die Wärmespeichermasse (106) des Behälters (102) ausgerichtet ist.
19. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 18, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens eine Zutrittsöffnung (126) und mindestens eine Austrittsöffnung (152) mindestens eines Behälters (102) bezüglich einer Längsmittelebene (154) des Behälters (102) im Wesentlichen symmetrisch zueinander ausgebildet und angeordnet sind.
20. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 19, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens eine Zutrittsöffnung (126) und mindestens eine Austrittsöffnung (152) mindestens eines Behälters (102) zueinander parallele Flächennormale (136a, 136b) durch deren jeweilige Flächenschwerpunkte aufweisen.
21. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 20, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens eine Austrittsöffnung (152) mindestens eines Behälters (102) in eine zwischen der Austrittsöffnung (152) und der Wärmespeichermasse (106) des Behälters (102) angeordnete Vorkammer (118) mündet.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte zu 2/3, die Klägerin zu 1/3.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Patents EP 1 312 861, deutsches Aktenzeichen DE 502 09 710 (Streitpatent), das am 14. November 2002 unter Inanspruchnahme der Priorität DE 20118418 U vom 14. November 2001 angemeldet worden ist und die Bezeichnung „Abluftreinigungsvorrichtung“ trägt. Das im nationalen Beschränkungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt geänderte Patent wurde am 11. Dezember 2014 als geänderte Patentschrift DE 502 09 710 C5 veröffentlicht und umfasst 21 Patentansprüche, die sämtlich angegriffen sind.
Die unabhängigen Patentansprüche 1, 3 und 10 haben in der geltenden Fassung der geänderten Patentschrift DE 502 09 710 C5 (nachfolgend „´C5“) in der Verfahrenssprache Deutsch folgenden Wortlaut:
Wegen des Wortlauts der abhängigen Ansprüche 2, 4 bis 9 und 11 bis 21 wird auf die geänderte Patentschrift ´C5 Bezug genommen.
Die Beklagte hat das Streitpatent in der geltenden Fassung als Hauptantrag sowie mit Hilfsanträgen 1 bis 6 in beschränkter Fassung, jeweils eingereicht mit Schriftsatz vom 20. September 2017, verteidigt.
Zum Wortlaut der Anspruchsfassungen nach Hilfsantrag 1 wird auf den Urteilstenor, im Übrigen bzgl. der Hilfsanträge 2 bis 6 auf den Akteninhalt verwiesen (Bl. 288 ff. d. A.).
Die Klägerin macht geltend, dass die beanspruchten Gegenstände des Streitpatents sowohl in der beschränkten Fassung (nach ´C5) gemäß Hauptantrag als auch in den Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 6 jeweils nicht patentfähig seien (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 52, Art. 54, Art. 56 EPÜ).
Die Klägerin hat folgende Dokumente vorgelegt:
Anlage 1 Geänderte Patentschrift DE 502 09 710 C5
Anlage 2 Merkmalsgliederung Patentanspruch 1
Anlage 3a Vergrößerter „PLAN VIEW“ aus Anlage 3
Anlage 3b Vergrößerter „VIEW C“ aus Anlage 3
Anlage 3c Vergrößerter „VIEW A“ aus Anlage 3
Anlage 4 „Technische Dokumentation“ sowie Zeichnung der LTB-Anlage „Roxitherm Kompakt RTK5/3D“
Anlage 5 Ergänzte Zeichnung gemäß Anlage 4
Anlage 6 Foto Drehklappe im Klappenkasten gemäß Anlage 4
Anlage 7 Foto Rohgas-/Reingaskanal gemäß Anlage 4
Anlage 8 Zeichnung „Vergleich der Gestaltung der Trennwand“
Anlage 9 Merkmalsgliederung Patentanspruch 3
Anlage 10 Merkmalsgliederung Patentanspruch 10
Anlage 11 Modifizierte Figur 3 der D5
Anlage 14 Vergrößerte farbige R.T.O. PLANVIEW aus Anlage 13
Anlage 15 Vergrößerte farbige ELEVATION VIEW aus Anlage 13
Anlage 16 Vergrößerte farbige END SECTION B aus Anlage 13
Anlage 16a Modifizierte Anlage 16 mit violett hinterlegten Verbindungsleitungen
Anlage 16b Modifizierte Anlage 16 mit verschobenem Roh- und Reingaskanal
Anlage 16c Modifizierte Anlage 16 mit ausgefülltem Zwickel
Anlage 17 Eidesstattliche Versicherung von Herrn J… nebst dort genannten Anlagen
Anlage 17a Deutsche Übersetzung der Anlage 17
Anlage 18 Prospekt D… „D… Environmental Systems – komplette Systemlösungen für die Abgasreinigung“
Anlage 19 Eidesstattliche Versicherung des Herrn S…
Anlage 20 Modifizierte Zeichnung gemäß Anlage P8 der Beklagten mit gelb hinterlegter Vorkammer
Anlage 21 Modifizierte Zeichnung gemäß Anlage P8 der Beklagten mit vertikaler Drehklappe
Anlage 22 Modifizierte Abb. 2 der D7 mit Trennungsebene
Anlage 23 Zeichnung Nummer A-R-X-XX-03-0 der K…
Anlage 23a Vergrößerte Darstellung des Schriftfeldes aus Anlage 23
Anlage 24 Bestellformular der H… GmbH vom 24.08.2001
Anlage 25 Auftragsbestätigung der Klägerin vom 03.09.2001
Anlage 26 Eidesstattliche Versicherung von Frau S1…
Anlage 27 Eidesstattliche Versicherung von Herrn G1…
Anlage 28 Übersendungsschreiben der K… an die H… GmbH
Anlage 29 Detailzeichnungen zur D6
Anlage 30 Detailzeichnungen zur D6
Anlage 31 Detailzeichnungen zur D6
Anlage 32 Mängelanzeige per E-Mail des Kunden W…, 03.01.2002
Anlage 33 Fotografie zur Mängelanzeige
Anlage 34 Fotografie zur Mängelanzeige
Anlage 35 Compliance Report, G… Corporation, Feb 22–23, 2001
Anlage 36 Compressor Report, G… Corporation, Feb 24, 2001
Anlage 37 Service Report, G… Corporation, Feb 25, 2001
Anlage 38 E-Mail vom 05.10.2000
Anlage 39 Startup Report G… Corporation, ohne Datum
Anlage 40 Inspection Report G… Corporation, July 25 & 26, 2001
Sie hat ferner zum geltend gemachten Stand der Technik folgende Entgegenhaltungen vorgelegt:
D1 Artikel von Carlowitz, O.: „Thermische Verbrennung mit regenerativer Abgasvorwärmung“ in VDI-Berichte 1241, Tagung Mannheim, 13. bis 15.03.1996, S. 192 bis 208
D2 Offenkundige Vorbenutzung der Abluftreinigungsvorrichtung des Herstellers „G… Corporation, VOC Control Division“ gemäß Zeichnung DWG.NO.072GA01 (Anlagen 3, 3a, 3b und 3c)
D3 Offenkundige Vorbenutzung der Abluftreinigungsvorrichtung des Typs „Roxitherm Compact RTK 5/3 D mit Burnout“ der Herstellerin „L… GmbH“ mit der Kommissionsnummer 44/8142 (Anlagen 4 bis 7)
D4 WO 98/57049 A1 (SMITH ENGINEERING COMPANY, USA)
D5 DE 196 17 790 A1 (F.J. Marolt, S.K. Oh)
D6 Angeführte offenkundige Vorbenutzung der Abluftreinigungsvorrichtung des Herstellers „G… Corporation, VOC Control Division“, gemäß Zeichnungen „DWG.No. 147 MA01“ und „DWG.No. 147 GAO1“
D7 Brandenburgische Umwelt Berichte (BUB 6, S. 91–97, veröffentlicht im Jahr 2000 (ISSN 1434–2375), Herausgeber: Universität Potsdam, Zentrum für Umweltwissenschaften, Potsdam)
D8 Angeführte offenkundige Vorbenutzung der „REGENERATIVEN ABGASREINIGUNGSANLAGE“ gemäß Auftrag-Nr. 420 0463 der K… GmbH, aufgestellt bei der H… GmbH
Die Lehre nach Patentanspruch 1 sei nicht neu, da eine offenkundige Vorbenutzung durch die Abluftreinigungsvorrichtungen in D2, D3 sowie vor allem D6, zu bejahen sei.
Im Hinblick auf die geltend gemachte Vorbenutzung der Abluftreinigungsanlage D6 sei eine Inbetriebnahme am 13. November 2000 auf dem Werksgelände der W… erfolgt. Sowohl das Anbieten und die Verkaufsverhandlun- gen als auch Aufbau und Betrieb der Anlage seien ohne Geheimhaltungsverpflichtung für Kunden und Dritte durchgeführt worden. Die Anlage sei dabei von einem öffentlichen Gelände aus, das sich an das Werksgelände der W… Inc. anschließe, einsehbar gewesen. Während des Aufbaus sei das „Innenleben“ der Anlage, d. h. insbesondere die Geometrie der Vorkammer mit ihren beiden Abschnitten, die Geometrie der Rohgas-Zufuhrkanäle sowie der Reingas-Abfuhrkanäle sowie die Geometrie der Wärmespeicherbehälter, für Dritte erkennbar gewesen. Dies ergebe sich aus der Eidesstattlichen Versicherung von Herrn J… (vgl. Anlagen 17 und 17a), dem Präsidenten der G… Corporation von 1988 bis 2002, der auch als Zeuge angeboten werde. Ein eigenes Interesse an der Geheimhaltung seitens der Abnehmer habe nicht bestanden. Ein entsprechender Geheimhaltungsvermerk sei als rein prophylaktischer Standardtext zu verstehen gewesen. In mündlichen Gesprächen seien die Kunden zumindest implizit von einer Geheimhaltungsverpflichtung entbunden worden. Auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von G… hätten keine Geheimhaltungsverpflichtungen enthalten. Zudem hätten vor dem Prioritätstag mehrere Wartungszyklen stattgefunden, die Einblick in den Aufbau der Anlage gegeben hätten.
In Bezug auf Anspruch 1 des Streitpatents weise die vorbekannte Abluftreinigungsanlage gemäß D6 einzig nicht das Merkmal auf, dass die sich parallel zur Längsrichtung der Vorrichtung erstreckende vertikale Seitenwand eine seitliche Begrenzungswand des Rohgaskanals bilde; bei der Anlage gemäß D6 seien die vertikalen Seitenwände der Vorkammer baulich von den Begrenzungswänden des Rohgaskanals bzw. des Reingaskanals getrennt. Da die Kanäle bei der D6 die Gestalt linearer Sammelkanäle besäßen, komme die D6 dem in Anspruch 1 definierten Patentgegenstand nochmals deutlich näher als die D2, zumal die vertikale Seitenwand der Vorkammer und die seitliche Begrenzungswand des Rohgaskanals bei der D6 bereits sehr nah nebeneinander und parallel zueinander verliefen. Es sei daher im Rahmen des handwerklichen Könnens des Fachmanns gewesen, die Seitenwand der Vorkammer und die seitliche Begrenzungswand des Rohgaskanals zusammenfallen zu lassen.
Darüber hinaus ergebe sich die fehlende erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 wiederum aus einer Zusammenschau der Entgegenhaltungen D6 und D3. Der Fachmann sei nicht daran gehindert, Merkmale von Drei-Bett-Anlagen, wie beispielsweise die Doppelnutzung einer Vorkammer bzw. Kanalwand (wie bei D3 der Fall) auf eine Zwei-Bett-Anlage gemäß D6 (oder D2) zu übertragen.
In Bezug auf Patentanspruch 3 sei das Merkmal, dass die Vorkammer einen im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt habe, auch bereits in der Anlage D6 (sowie D2) verwirklicht, weshalb dem Anspruch 3 gegenüber D6 (und auch D2) somit die Neuheit fehle. Aus den Abbildungen 2 und 3 der D7 ergebe sich, dass die vorbekannte Abluftreinigungsanlage Vorkammern mit einem rechteckigen Querschnitt aufweise, weshalb die erfinderische Tätigkeit auch gegenüber der Kombination von D1 und D7 zu verneinen sei.
Auch dem Anspruch 10 fehle die Neuheit gegenüber D6. Wie bereits in den Unterlagen der vorbenutzen Abluftreinigungsanlage D2 seien auch in den Anlagen 12a, 13a und 14 bis 16 die Antriebe der horizontal verschieblichen Tellerventile mit „A“ gekennzeichnet. Es ergebe sich daher, dass die Anlage gemäß D6 mit Tellerventilen zum Verschluss der Zutritts- und Austrittsöffnungen zu den Vorkammern ausgestattet gewesen sei.
Der Gegenstand des Anspruchs 3 nach den Hilfsanträgen 1 bis 6 weise gegenüber D6 in Kombination mit D3 keine erfinderische Tätigkeit auf.
Der Gegenstand des Anspruchs 10 nach den Hilfsanträgen 1 bis 6 sei gegenüber der Kombination der D6 mit D8 nicht erfinderisch.
Bei der D8 handele es sich um eine regenerative thermische Abgasreinigungsanlage, die vor dem Prioritätstag des Streitpatents angeboten und verkauft worden sei. Aus der Zeichnung Anlage 23 ergebe sich, dass es sich bei dieser Anlage um eine Zwei-Bett-Anlage mit unterhalb der Wärmespeicherbehälter in Längsrichtung der Anlage verlaufenden Kanälen für das Rohgas bzw. Reingas handele. Diese sei ohne Geheimhaltungsverpflichtung zugänglich gemacht worden. Da bei der D6 ohnehin Tellerventile vorhanden seien, werde der Fachmann zur Erhöhung der Flexibilität bei der Ansteuerung der Ventile automatisch auf D8 zurückgreifen und anstelle des bei der D6 verwendeten Einzelantriebs und der dort verwendeten Doppelteller-Ventilanordnung zwei einzelne Tellerventile mit jeweils einem eigenen Antrieb vorsehen. Zudem lehre die D8, das Tellerventil nicht vorkammerseitig, sondern jeweils kanalseitig anzuordnen. Soweit davon auszugehen sei, dass die D8 nicht Stand der Technik geworden sei, stelle die D8 jedenfalls ein Beispiel für eine dem Fachmann sich anbietende Lösung dar.
Die Gegenstände der verbleibenden anhängigen Patentansprüche 2, 4 bis 9 sowie 11 bis 21 beträfen lediglich einfache handwerkliche Ausgestaltungen der Gegenstände der Ansprüche 1, 3 und 10. Die Unteransprüche teilten daher das rechtliche Schicksal der unabhängigen Ansprüche und seien für nichtig zu erklären.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 312 861 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit den Hilfsanträgen 1 bis 6 aus dem Schriftsatz vom 20. September 2017 verteidigt wird.
Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und erachtet das Streitpatent für patentfähig. Die Nichtigkeitsklage sei nicht begründet.
Der Aufbau der Abluftreinigungsanlage D2 sei nicht vor dem Prioritätstag des Streitpatents offenkundig geworden. Die Lieferung der Abluftreinigungsanlage vom Hersteller G… an den Abnehmer „F…“ sei unter einer expliziten Verpflichtung des Abnehmers zu einer Geheimhaltung des Aufbaus der gelieferten Vorrichtung erfolgt. Die Zeichnung der Anlage 3, die von der Klägerin als Nachweis für den Aufbau der Abluftreinigungsanlage D2 vorgelegt worden sei, enthalte einen entsprechenden Geheimhaltungsvermerk. Soweit der Zeuge J… in seiner eidesstattlichen Versicherung (vgl. Anlage 17) versuche, die Geheimhaltungsverpflichtung zu relativieren, komme es auf die tatsächliche Bedeutung der Formulierung an. Die Abluftreinigungsanlage D6 sei aus den im Zusammenhang mit der Abluftreinigungsanlage D2 genannten Gründen nicht vor dem Prioritätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich geworden. Insbesondere seien alle zur Anlage D6 vorgelegten Zeichnungen mit einem Geheimhaltungsvermerk versehen worden, sodass der Inhalt der Zeichnungen vom Abnehmer W… Inc. keinesfalls Dritten habe zugänglich gemacht werden dürfen.
Selbst wenn man hypothetisch unterstellte, dass die Abluftreinigungsanlage D6 in der von der Klägerin behaupteten Weise aufgebaut gewesen und mit diesem Aufbau vor dem Prioritätstag des Streitpatents offenkundig geworden wäre, sei der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents auch dann nicht durch die Abluftreinigungsanlage D6 nahegelegt. Die Abluftreinigungsanlage D6 gebe dem Fachmann keinerlei Anregung dazu, die Stichleitungen zwischen den Verzweigungskammern und den Vorkammern einfach wegzulassen und eine vertikale, sich parallel zur Längsrichtung der Anlage erstreckende Seitenwand der Vorkammern zugleich als eine seitliche Begrenzungswand des Rohgaskanals zu nutzen. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents sei auch nicht durch eine Zusammenschau der Abluftreinigungsanlagen D6 und D3 nahegelegt. Die Abluftreinigungsanlage D6 sei eine Zwei-Bett-Anlage mit zwei von Gas durchströmbaren Wärmespeichermassen enthaltenden Behältern, die Abluftreinigungsanlage D3 sei hingegen eine Drei-Bett-Anlage mit drei von Gas durchströmbaren Wärmespeichermassen enthaltenden Behältern. Das Anlagenkonzept der D2 sei somit hinsichtlich der Anordnung des Rohgaskanals relativ zu den Vorkammern von dem Anlagenkonzept der D6 völlig verschieden. Der Fachmann könne durch die D3 daher nicht angeregt werden, die Anlage D6 entsprechend zu modifizieren.
Soweit die Klägerin die Auffassung vertrete, der Gegenstand des Anspruchs 3 werde bei nachgewiesener Offenkundigkeit der D2 neuheitsschädlich vorweggenommen, treffe dies nicht zu. In der Zeichnung Anlage 3 sei allenfalls der Querschnitt der Außenkontur der Vorkammer dargestellt. Die Gestaltung des Innenraums gehe daraus nicht hervor. Entsprechendes gelte bezüglich der Abluftreinigungsanlage D6. Aus den zur D6 vorgelegten Zeichnungen gehe nicht unmittelbar und eindeutig hervor, welchen horizontalen Querschnitt die durchströmbaren Innenräume der Vorkammern der Wärmespeichermassen-Behälter aufwiesen.
Auch soweit die Klägerin die Auffassung vertrete, der Gegenstand des Anspruchs 10 werde bei nachgewiesener Offenkundigkeit der D2 neuheitsschädlich vorweggenommen, treffe dies nicht zu. Die Zeichnung Anlage 3 genüge nicht dem Erfordernis einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung im Hinblick auf ein Tellerventil zum Verschließen der Zutrittsöffnung bzw. der Austrittsöffnung der jeweiligen Vorkammer. Bei der Ausgestaltung der Ventile zum Verschließen der Zutrittsöffnung und/oder Austrittsöffnung eines der Behälter der Abluftreinigungsanlage mittels eines Tellerventils handele es sich auch nicht um eine rein handwerkliche Weiterbildung der D2. Entsprechendes gelte im Hinblick auf die D6. Keine der von der Klägerin vorgelegten Zeichnungen zeige tellerförmige Abschlussplatten eines Tellerventils.
Die von der Klägerin weiterhin ins Verfahren eingeführte D8 zeige keinerlei Offenbarung von Tellerventile betreffenden Merkmalen vor dem Prioritätstag des Streitpatents. Die Zeichnung gemäß Anlage 23 enthalte keine entsprechende unmittelbare und eindeutige Offenbarung. Außerdem sei festzuhalten, dass der Inhalt der Zeichnung gemäß Anlage 23 einer expliziten Geheimhaltungsverpflichtung unterlegen habe. Darüber hinaus bestreitet die Beklagte ausdrücklich mit Nichtwissen, dass das Schreiben gemäß Anlage 28 zusammen mit der Zeichnung gemäß Anlage 23 vor dem Prioritätstag des Streitpatents, dem 14. November 2001, beim Abnehmer, der H… GmbH, eingegangen sei.
Die jeweiligen Gegenstände der Hilfsanträge seien zulässig und auch patentfähig. Der Gegenstände der Ansprüche 3 und 10 gemäß Hilfsantrag 1 beruhten auf einer erfinderischen Tätigkeit, insbesondere gegenüber D2 und D6. Die Gegenstände der Ansprüche 3 und 10 gemäß Hilfsantrag 2 beruhten auf einer erfinderischen Tätigkeit insbesondere gegenüber D3, für sich genommen oder in Verbindung mit anderem Stand der Technik. Die Gegenstände der Ansprüche 3 und 10 gemäß Hilfsantrag 3 beruhten auf einer erfinderischen Tätigkeit, insbesondere gegenüber D2, D6 und D1.
Die Gegenstände der Ansprüche 3 und 10 gemäß Hilfsantrag 4 beruhten auf einer erfinderischen Tätigkeit, insbesondere gegenüber D2 und D6. Dies gelte auch im Hinblick auf die Gegenstände der Ansprüche 3 und 10 gemäß Hilfsantrag 5. Die Gegenstände der Ansprüche 3 und 10 gemäß Hilfsantrag 6 beruhten auf einer erfinderischen Tätigkeit, insbesondere gegenüber D2, D3 und D6.
Die abhängigen Ansprüche 2, 4 bis 9 und 11 bis 21 erfüllten schon aufgrund ihres Rückbezugs auf die unabhängigen Ansprüche 1, 3 und 10 die Erfordernisse von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik.
Zur Stützung ihres Vorbringens verweist die Beklagte u. a. auch auf die von ihr eingereichten Anlagen P1 bis P9.
Auf die Nichtigkeitsklage der Klägerin vom 20. April 2016, eingegangen am 26. April 2016, und den Widerspruch der Beklagten vom 14. Juli 2016 (auch eingegangen) hat der Senat den Parteien einen qualifizierten Hinweis vom 18. Juli 2017 nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den Hinweis des Senats nach § 83 Abs. 1 Satz 1 PatG vom 18. Juli 2017 sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 25. Januar 2018 Bezug genommen.
Der Senat hat durch uneidliche Vernehmung des Zeugen J… Be- weis erhoben u. a. über die Frage, ob die Abluftreinigungsanlage, so wie sie in der Entgegenhaltung D6 dargestellt ist, durch offenkundige Vorbenutzung vor dem Prioritätstag des Streitpatents, dem 14. November 2001, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Insoweit wird ebenfalls auf das Sitzungsprotokoll vom 25. Januar 2018 Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist insoweit begründet, als das Streitpatent in der erteilten Fassung nach Hauptantrag verteidigt wird, weil die dort beanspruchte Lehre der unabhängigen Patentansprüche 3 und 10 gegenüber dem Stand der Technik nicht neu ist (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, § 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ, Art. 52, Art. 54 EPÜ).
Soweit das Streitpatent in der Fassung gemäß Hilfsantrag 1 verteidigt wird, ist die Klage abzuweisen, denn der Senat konnte nicht feststellen, dass der zulässig beschränkte Gegenstand des Streitpatents in dieser Fassung wegen des von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes der fehlenden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, § 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ, Art. 52, Art. 56 EPÜ) sich als nicht bestandsfähig erweist.
Auf die Zulässigkeit und Patentfähigkeit der Anspruchsfassungen gemäß den Hilfsanträgen 2 bis 6 kam es bei dieser Sachlage nicht an.
I.
1. Gegenstand des Patents ist eine Vorrichtung zur thermischen und/oder katalytischen Reinigung von Abluft mit verbrennbaren Bestandteilen. Die Vorrichtung umfasst eine Brennkammer und mindestens zwei Behälter, die von Gasen durchströmbare Wärmespeichermassen enthalten. Die Behälter dienen dabei zum Erwärmen der zu reinigenden Abluft (Rohgas) vor deren Eintritt in die Brennkammer bzw. zum Aufheizen der Wärmespeichermasse durch die von der Brennkammer kommende gereinigte Abluft. Sie umfasst einen Rohgaskanal zum Zuführen des Rohgases zu den Behältern und einen Reingaskanal zum Abführen des Reingases aus den Behältern. Jeder Behälter weist mindestens eine Zutrittsöffnung auf, durch welche Rohgas aus dem Rohgaskanal in den Behälter eintritt, und mindestens eine Austrittsöffnung, durch welche Reingas aus dem Behälter in den Reingaskanal austritt. Dabei mündet die Zutrittsöffnung in eine zwischen der Zutrittsöffnung und der Wärmespeichermasse des Behälters angeordnete Vorkammer (Abs. 0001 ´C5).
2. Aufgabe der Erfindung ist es, eine Vorrichtung zu schaffen, bei der die Wärmespeicherkapazität der Wärmespeichermasse gegenüber dem Stand der Technik besser ausgenutzt wird (Abs. 0008 ´C5). Als bekannten Stand der Technik gibt die Patentschrift hierzu die Druckschriften DE 195 19 868 A1 (Abs. 0002 ´C5), die D4 (Abs. 0005 ´C5) sowie die D1 (Abs. 0007 ´C5) an.
3. Die Aufgabe wird jeweils gelöst durch eine Vorrichtung nach der Lehre eines der Ansprüche 1, 3 und 10, wie nachfolgend für den Hauptantrag und den Hilfsantrag 1 wiedergegeben und nach Merkmalen gegliedert:
1.1 |
Vorrichtung zur thermischen und/ oder katalytischen Reinigung von verbrennbare Bestandteile enthaltender Abluft mit einer Längsrichtung (112), umfassend |
3.1 |
Vorrichtung zur thermischen und/oder katalytischen Reinigung von verbrennbare Bestandteile enthaltender Abluft, umfassend |
|
1.2 3.2 10.2 |
eine Brennkammer (114), |
|||
1.3 3.3 10.3 |
mindestens zwei von Gasen durchströmbare Wärmespeichermassen (106) enthaltende Behälter (102) |
|||
1.3.a 3.3.a 10.3.a |
zum Erwärmen der zu reinigenden Abluft (Rohgas) vor deren Eintritt in die Brennkammer (114) bzw. |
|||
1.3.b 3.3.b 10.3.b |
zur Aufheizung der Wärmespeichermasse (106) durch die von der Brennkammer (114) kommende gereinigte Abluft (Reingas), |
|||
1.4 3.4 10.4 |
einen Rohgaskanal (128) zum Zuführen des Rohgases zu den Behältern (102) |
|||
1.5 3.5 10.5 |
und einen Reingaskanal (156) zum Abführen des Reingases aus den Behältern (102), |
|||
1.6 3.6 10.6 |
wobei jeder Behälter (102) mindestens eine Zutrittsöffnung (126), durch welche Rohgas aus dem Rohgaskanal (128) in den Behälter (102) eintritt, und mindestens eine Austrittsöffnung (152), durch welche Reingas aus dem Behälter (102) in den Reingaskanal (156) austritt, aufweist, und |
|||
1.7 3.7 10.7 |
wobei die Zutrittsöffnung (126) in eine zwischen der Zutrittsöffnung (126) und der Wärmespeichermasse (106) des Behälters (102) angeordnete Vorkammer (118) mündet, |
|||
1.8 3.8 10.8 |
wobei die Flächennormale (136a) mindestens einer Zutrittsöffnung (126) mindestens eines Behälters (102) quer zu der mittleren Strömungsrichtung (138) durch die Wärmespeichermasse (106) des Behälters (102) ausgerichtet ist, |
|||
1.9 3.9 10.9 |
wobei die Vorkammer (118) [aufweist] |
|||
1.9.a 3.9.a 10.9.a |
einen Abschnitt (122) mit einem sich zu der Wärmespeichermasse (106) hin erweiternden Querschnitt (aufweist), |
|||
1.9.b 3.9.b 10.9.b |
(wobei die Vorkammer (118)) einen Abschnitt (120) mit einem im Wesentlichen konstanten Querschnitt (aufweist), |
|||
1.10 3.10 10.10 |
wobei mindestens eine Zutrittsöffnung (126) und/oder mindestens eine Austrittsöffnung (152) des Behälters (102) in den Abschnitt (120) der Vorkammer (118) mit dem im Wesentlichen konstanten Querschnitt mündet und |
|||
1.11 |
wobei der Abschnitt (120) der Vorkammer (118) mit dem im Wesentlichen konstanten Querschnitt eine vertikale, sich parallel zur Längsrichtung (112) der Vorrichtung erstreckende Seitenwand (124a) aufweist, |
|||
1.11.a |
in welcher die mindestens eine Zutrittsöffnung (126) ausgebildet ist und |
|||
1.11.b |
welche eine seitliche Begrenzungswand des Rohgaskanals (128) bildet. |
|||
3.11 |
wobei die Vorkammer (118) einen im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt aufweist. |
|||
10.11 |
wobei mindestens eine Zutrittsöffnung (126) und/oder mindestens eine Austrittsöffnung (152) mindestens eines Behälters (102) mittels eines Ventils verschließbar ist, |
|||
10.12 |
wobei das Ventil als ein Tellerventil (130a, 130b) ausgebildet ist und |
|||
10.13 |
wobei die Flächennormale (136a, 136b) mindestens einer Zutrittsöffnung (126) und/oder mindestens einer Austrittsöffnung (152) mindestens eines Behälters (102) im Wesentlichen senkrecht zur Vertikalen ausgerichtet ist. |
Während der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 (Hi1) identisch zum Anspruch 1 der beschränkten Fassung nach ´C5 und damit dem Hauptantrag ist, enthält der Anspruch 3 (nach Hilfsantrag 1) das folgende zusätzliche Merkmal:
Hi1_3.12 |
und wobei eine Seitenwand (124a) eines unteren Abschnitts (120) der Vorkammer (118) eine seitliche Begrenzungswand des Rohgaskanals (128) und eine gegen die Horizontale geneigte Seitenwand (150a) der Vorkammer (118) eine obere Begrenzungswand des Rohgaskanals (128) bildet. |
Der Anspruch 10 nach Hilfsantrag 1 enthält das folgende gegenüber dem Anspruch 10 nach Hauptantrag geänderte Merkmal Hi1_10.11 und das den Merkmalen 10.12 und 10.13 nachfolgende zusätzliche Merkmal Hi1_10.14:
Hi1_10.11 |
wobei mindestens eine Zutrittsöffnung (126) und/oder mindestens eine Austrittsöffnung (152) mindestens eines Behälters (102) mittels jeweils eines Ventils verschließbar ist, |
Hi1_10.14 |
und wobei das Tellerventil (130a) zum Verschließen der Zutrittsöffnung (126) einen im Wesentlichen scheibenförmigen Ventilkörper (134) aufweist, |
4. Als für den vorliegenden Patentgegenstand zuständiger Fachmann ist ein Ingenieur des Maschinenbaus, Fachrichtung Verfahrenstechnik, anzusehen, der über einen Abschluss an einer Fachhochschule oder Master-Abschluss an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften sowie über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Auslegung und Konstruktion von Luftreinhaltungsanlagen verfügt.
II.
Aufgrund der nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen Auslegung des Inhalts der Patentansprüche und der sich am technischen Sinn- und Gesamtzusammenhang der Patentschrift orientierenden Betrachtung und Auslegung der Patentansprüche durch den angesprochenen Fachmann legt der Senat den nachfolgenden erläuterungsbedürftigen Merkmalen folgendes Verständnis zu Grunde:
Nach den Merkmalen 1.1/3.1 bzw. 10.1 muss die Vorrichtung geeignet sein zur thermischen und/oder katalytischen Reinigung von verbrennbare Bestandteile enthaltender Abluft. Das ausschließlich im Anspruch 1 enthaltene Merkmal „mit einer Längsrichtung (112)“ findet sich auch im dortigen Merkmal 1.11 wieder.
Der Merkmalskomplex 1.3-1.5 bzw. 3.3.-3.5 bzw. 10.3.-10.5 fordert, dass die anspruchsgemäße Vorrichtung einen Rohgaskanal (128) zum Zuführen des Rohgases zu den Behältern (102) und einen Reingaskanal (156) zum Abführen des Reingases aus den Behältern (102) umfasst. Der Roh- und der Reingaskanal befinden sich also außerhalb der Behälter.
Der Merkmalskomplex 1.6 mit 1.7 bzw. 3.6 mit 3.7 bzw. 10.6 mit 10.7 wiederum fordert eine Zutrittsöffnung, die in eine zwischen der Zutrittsöffnung und der Wärmespeichermasse des Behälters angeordnete Vorkammer mündet. Da gemäß Merkmal 1.6 bzw. 3.6 bzw. 10.6 jeder der Behälter eine Zu- und eine Austrittsöffnung aufweist, ist die Vorkammer zum einen Teil des Behälters. Zum anderen definiert das Merkmal 1.7 bzw. 3.7 bzw. 10.7, dass die Vorkammer zwischen der Zutrittsöffnung und der Wärmespeichermasse angeordnet ist.
Wie die im Merkmal 1.8 bzw. 3.8 bzw. 10.8 aufgeführte „Flächennormale“ zu verstehen ist, erläutert die geänderte Patentschrift DE 502 09 710 C5 (nachfolgend: „´C5“) in Abs. 0009: „Im Falle einer nicht ebenen Zutrittsöffnung ist dabei unter der Flächennormale der Zutrittsöffnung die mittlere Flächennormale der Zutrittsöffnung zu verstehen“.
Das im Merkmal 1.8 ebenfalls aufgeführte „quer“ bedeutet nicht zwingend „senkrecht“, wie aus Anspruch 5 ´C5 in Verbindung mit Anspruch 4 ´C5 hervorgeht.
Der weitere Merkmalskomplex 1.9.-1.10 bzw. 3.9-3.10 bzw. 10.9-10.10 beansprucht, dass die Vorkammer einen Abschnitt mit einem sich zu der Wärmespeichermasse hin erweiternden Querschnitt aufweist, wobei die Vorkammer einen Abschnitt mit einem im Wesentlichen konstanten Querschnitt aufweist und wobei mindestens eine Zutrittsöffnung und/oder mindestens eine Austrittsöffnung des Behälters in den Abschnitt der Vorkammer mit dem im Wesentlichen konstanten Querschnitt mündet. Daraus, dass Zutritts- (126) und Austrittsöffnung (152) in den Vorkammerabschnitt (120) mit dem konstanten Querschnitt münden, folgt auch, dass der Vorkammerabschnitt mit dem sich zu der Wärmespeichermasse hin erweiternden Querschnitt (122) zwischen dem Vorkammerabschnitt mit dem konstanten Querschnitt (120) und dem Behälterteil mit der Wärmespeichermasse (106) angeordnet ist.
Dies zeigen auch die schematischen Schnitte eines Ausführungsbeispiels nach Fig. 1 und Fig. 3. ´C5.
Figuren 1 und 3 aus der ´C5-Schrift
Bei dem im Merkmal 1.9.b bzw. 3.9.b bzw. 10.9.b aufgeführten „Abschnitt der Vorkammer mit im Wesentlichen konstantem Querschnitt“ handelt es sich nach Abs. 0010 ´C5, um den senkrecht zur mittleren Strömungsrichtung durch die Wärmespeichermasse des zugehörigen Behälters „genommenen“ Querschnitt. Damit ist nicht der Querschnitt des Behälters oder des Wärmespeichers gemeint, sondern lediglich die Lage des betrachteten Querschnitts der Vorkammer. Unter „Querschnitt der Vorkammer“ ist also jeweils ein solcher Querschnitt der Vorkammer zu verstehen, der sich „senkrecht zur mittleren Strömungsrichtung durch die Wärmespeichermasse des zugehörigen Behälters“ befindet.
Nach Merkmal 3.11 gemäß Anspruch 3 ist die Vorkammer in jedem ihrer Querschnitte im Wesentlichen rechteckig, also auch in dem sich erweiternden Teil. Querschnitte, die z. B. wie im Ausführungsbeispiel durch eine Zutrittsöffnung (126) oder eine Austrittsöffnung (152) unterbrochen sind, sieht der Fachmann durch die Formulierung „im Wesentlichen“ mitumfasst. Das Merkmal „im Wesentlichen rechteckige[r] Querschnitt“ fordert nämlich nur eine vom Fachmann zu erkennende Grundgeometrie. Folglich sind somit Abweichungen von der idealen Rechteckform, einschließlich von Unterbrechungen des Umrisses, zu ignorieren, solange die geforderte Kontur erkennbar ist.
III.
Die auf den Klagegrund fehlender Patentfähigkeit gestützte Klage hat insoweit Erfolg, als zumindest der Gegenstand des unabhängigen Patentanspruchs 3 gemäß der nach Hauptantrag verteidigten Fassung der geänderten Patentschrift ´C5 sich gegenüber der Vorbenutzung der Vorrichtung nach D6 als nicht neu erweist (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a, 52, 54 EPÜ).
1. Vorbenutzung D6 als neuheitsschädlicher Stand der Technik
Nach Art. 54 Abs. 2 EPÜ bildet den Stand der Technik alles, was vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist. Dazu zählt nach Überzeugung des Senats auch die Abluftreinigungsvorrichtung des Herstellers „G… Corporation“ (vgl. Entgegenhaltung D6), deren Existenz die Beklagte bestritten hat.
1.1) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen J… (U…) steht zur Überzeugung des Senats fest, dass auf dem Werksgelände der „W… Inc.“ in F… (S2…) in O… (U…) die Abluftreinigungsanlage D6 im Herbst 2000 auf- gebaut und am 13. November 2000 in Betrieb genommen wurde, deren Konstruktion den von der Klägerin eingereichten Zeichnungen der Anlagen 12, 13 entsprach.
So hat der Zeuge J…, der von 1988 bis 2002 Präsident und Haupteigentü- mer der Firma G… war, bekundet, dass er selbst für die Verkaufsverhandlungen mit der Abnehmerin der Abluftreinigungsanlage gemäß D6, der Firma W…, zuständig war. Daher war er sowohl mit den technischen Details als auch mit dem Projektmanagement sehr vertraut. Nach seiner Erinnerung wurden der Auftrag mit der Firma W… im April 2000, das Design und die Ausgestaltung direkt danach verhandelt. Die Herstellung und Errichtung der Anlage war im November 2000 abgeschlossen, sodann wurde die Anlage in Betrieb genommen.
Nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen J… stand die Anlage unter freiem Himmel und konnte auch von außerhalb des Geländes eingesehen werden. Zudem konnte das Firmengelände nach den Gepflogenheiten der Firma W… auch sehr ungezwungen betreten werden. Wie der Zeuge J… weiterhin glaubhaft ausgeführt hat, gab es kein Verbot bezüglich des Zugangs zur Anlage unter Vertraulichkeitsaspekten. Es gab auch keine Vereinbarungen, die es der Firma W… verboten hätten, Externe hinzuzuziehen, um an der Anlage zu arbeiten. Soweit der Zeuge J… bekundet hat, dass von den Auftragnehmern keine Vertraulichkeitsvereinbarungen oder entsprechende Erklärungen verlangt wurden, woraufhin ihm vom Beklagtenvertreter die klägerseitig ohne weitere Bezugnahme mit der E-Mail vom 22. Januar 2018 eingereichte Anlage „CONSTRUCTION SERVICES CONTRACT # 147-01“ (Datei „F… Refractory Const Contract.doc“) vorgehalten wurde, die indes unter dortigem Pkt. 5 eine solche Vertraulichkeitsvereinbarung enthalten hat, hat der Zeuge J… nachvollziehbar versichert, dass er sich an diese kurze Passage im Vergleich zu den heutzutage üblichen ausführlicheren Vertraulichkeitsvereinbarungen nicht mehr erinnern konnte.
Aufgrund der insgesamt glaubhaften, ausführlichen und in sich nicht widersprüchlichen Bekundungen des Zeugen J… ist demnach davon auszugehen, dass zumindest das äußere Erscheinungsbild der Abluftreinigungsanlage gemäß D6 zum Prioritätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich war.
1.2) Insbesondere steht auch aufgrund der Aussage des Zeugen J… zur Überzeugung des Senats fest, dass die Vorrichtung D6 wie in der Vorder- und Seitenansicht nach der von der Klägerin eingereichten Zeichnung gemäß Anlage 13 beschaffen und durch Zugänglichkeit für Dritte vor dem Prioritätszeitpunkt der Erfindung offenkundig vorbenutzt war.
2. Fehlende Neuheit des Anspruchs 3 gegenüber D6
Der Senat hat die Beklagte sowohl im qualifizierten Hinweis wie auch in der mündlichen Verhandlung auf einen eventuell fehlenden Rechtsbestand des nach Hauptantrag verteidigten Patentanspruchs 3 hingewiesen. Die Beklagte hat trotzdem das Streitpatent nachrangig nur im Umfang des gesamten Anspruchssatzes nach Hilfsantrag 1, dagegen die unabhängigen Ansprüche 1, 3 und 10 nach Hauptantrag vorrangig und diese auch nicht isoliert verteidigt.
Damit bedurfte es bezüglich des Hauptantrags nur der Feststellung, dass Anspruch 3 nach Hauptantrag durch die Vorbenutzung D6 neuheitsschädlich getroffen ist und sich deshalb als nicht rechtsbeständig erweist (BGH GRUR 2016, 1143 – Photokatalytische Titandioxidschicht; GRUR 2016, 365 – Telekommunikationsverbindung und GRUR 2017, 57 – Datengenerator).
Der Gegenstand nach Anspruch 3 des Hauptantrags ist nicht neu. Die offenkundig vorbenutzte Vorrichtung nach D6 zeigt sämtliche Merkmale dieses Anspruchs.
Nach glaubhafter Aussage des Zeugen J… (s. o.) war die Anlage bei der Firma W… bis auf geringe Unterschiede so gebaut worden, wie sie auf den Konstruktionszeichnungen (Anlagen 12, 13) zu sehen ist; die Zeichnungen kommen der Anlage sehr nahe. Trotz der Isolierung war erkennbar, dass die Vorkammern einen im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt aufwiesen. Wie der Zeuge J… ausgeführt hat, waren die Vorkammern insbesondere auch aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Der Fachmann konnte von der äußeren pyramidenstumpfförmigen Gestaltung darauf schließen, dass auch unter der Verkleidung eine entsprechende ähnliche Gestaltung vorliegt.
So zeigt sich die vor dem Prioritätstag des Patents errichtete Anlage D6 dem vor der Anlage stehenden Betrachter wie in der Ansicht gemäß nachfolgender „Elevation View“ (Seitenansicht). Nach Aussage des Zeugen J… kann auch davon ausgegangen werden, dass ein beliebiger Dritter vor dem Prioritätstag die Anlage in einer Ansicht schräg links und rechts davon stehend einsehen konnte (s. Fig. unten).
hier „Plan View“, „Elevation View A“ und „End Section“ der Anlage nach Entgegenhaltung D6 (Amerikanische Projektion)
Dem vor der Vorrichtung nach D6 (siehe obige Figuren) stehenden Fachmann erschließt sich aufgrund der Anordnung vor dem Kamin (2), der Zuleitung vom Fertigungsgebäude und den beiden Behältern ohne weiteres, dass es sich hier um eine Vorrichtung zur thermischen Reinigung von verbrennbare Bestandteile enthaltender Abluft handelt (Merkmal 3.1). Denn die Anlage ähnelt in ihrem grundsätzlichen Aufbau dem Fachmann bekannten Anlagen, wie in D5, Fig. 2, gezeigt.
D5, Fig. 2
Die Vorrichtung nach D6 weist in ihrem oberen Teil ersichtlich eine Brennkammer 114 auf (Merkmal 3.2) und mindestens zwei von Gasen durchströmbare Wärmespeichermassen (106) enthaltende Behälter (102) (Merkmal 3.3). Für den Fachmann ist ersichtlich (vgl. D5), dass jeweils der eine der beiden Behälter zum Erwärmen der zu reinigenden Abluft (Rohgas) vor deren Eintritt in die Brennkammer (114) (Merkmal 3.3.a), dagegen der jeweils andere Behälter zur Aufheizung der Wärmespeichermasse (106) durch die von der Brennkammer (114) kommende gereinigte Abluft (Reingas) dient (Merkmal 3.3.b).
Auch weist die vorbekannte Anlage nach D6 mit der hinteren der beiden dominierenden ebenerdigen Leitungen mit einer von der Fertigungshalle kommenden Leitung erkennbar einen Rohgaskanal zum Zuführen des Rohgases zu den Behältern (102) auf (Merkmal 3.4). Dagegen führt die vordere Leitung offensichtlich weiter zum Kamin und stellt damit den Reingaskanal (156) zum Abführen des Reingases aus den Behältern (102) dar (Merkmal 3.5).
Dass dabei jeder Behälter – je nach Schaltstellung der laut dem Zeugen prominent herausragenden und damit klar sichtbaren Aktuatoren – mindestens eine Zutrittsöffnung (126), durch welche Rohgas aus dem Rohgaskanal (128) in den Behälter (102) eintritt, und mindestens eine Austrittsöffnung (152), durch welche Reingas aus dem Behälter (102) in den Reingaskanal (156) austritt, aufweist (Merkmal 3.6), ist ebenso offensichtlich.
Zumindest aus der Schrägansicht der Vorrichtung nach der D6 sieht der Fachmann, dass die Zutrittsöffnung (126) in eine zwischen der Zutrittsöffnung (126) und der Wärmespeichermasse (106) des Behälters (102) angeordnete Vorkammer (118) mündet (Merkmal 3.7).
Aufgrund der in der D6 ersichtlich rechtwinkligen Anordnung des Roh- wie auch des Reingaskanals zur jeweils zwischen dem Roh- bzw. Reingaskanal angeordneten Zwischenleitung und der Anordnung dieser Zwischenleitung zur Vorkammer, ist offensichtlich, dass die Flächennormale (136a) mindestens einer Zutrittsöffnung (126) mindestens eines Behälters (102) quer zu der mittleren Strömungsrichtung (138) durch die Wärmespeichermasse (106) des Behälters (102) ausgerichtet ist (Merkmal 3.8).
Aus dem obigen „Plan View“ geht sowohl die offensichtlich pyramidenstumpfartige Erweiterung der Vorkammer hervor, die einen Abschnitt (122) der Vorkammer mit einem sich zu der Wärmespeichermasse (106) hin erweiternden Querschnitt belegt (Merkmal 3.9.a), wie auch der darunter befindliche quaderförmige Teil der Vorkammer (118), und damit ein Abschnitt (120) mit einem im Wesentlichen konstanten Querschnitt (Merkmal 3.9.b).
Wie der Zeuge J… dazu aussagt, sind die Kanten der Isolierung des klar erkennbaren quaderförmigen Unterteils wie auch des pyramidenstumpfartigen Oberteils beider Vorkammern einem links oder rechts schräg vor der Anlage stehenden Betrachter offen und klar ersichtlich. Daher erkennt der Fachmann trotz vollständiger Isolierung der beiden Vorkammern (118) auch die Grundform jedes einzelnen Kammerabschnitts und somit, dass jede Vorkammer einen im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt aufweist.
Denn anders als von der Klägerin behauptet, ist bei Umrissen der hier vorliegenden Bauteilgröße eine an die (Grund-)Form des zu isolierenden Behälters angepasste Isolierung üblich. Bei diesen genannten Körpern zeigt sich somit, wie anspruchsgemäß, ein im Wesentlichen rechteckiger Querschnitt der jeweiligen Vorkammer (Merkmal 3.11).
Der vor der Vorrichtung stehende Fachmann sieht auch, dass die Austrittsöffnung (152) des Behälters in den Abschnitt (120) der Vorkammer (118) mit dem im Wesentlichen konstanten Querschnitt mündet (Merkmal 3.10). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das jeweils klar ersichtliche Verbindungsrohr zwischen Roh-/ Reingaskanal und Vorkammer auch noch in diese Vorkammer hineinragt oder mit dieser bündig abschließt. Denn die Austrittsöffnung der Vorkammer befindet sich unabhängig davon in der im Querschnitt unterbrochenen Linie des rechteckigen Querschnitts der Vorkammer.
Denn wie bereits erläutert, ist durch die Formulierung des Merkmals 3.11, wonach die Vorkammer einen „im Wesentlichen rechteckigen Querschnitt“ aufweist, lediglich eine für den Fachmann zu erkennende Grundgeometrie, hier ein rechteckiger Querschnitt, beschrieben. Daher sind Abweichungen von der idealen Rechteckform, einschließlich von Unterbrechungen des Umrisses, zu ignorieren, solange die geforderte Kontur erkennbar ist.
3. Ansprüche 1 – 21 nach Hilfsantrag 1
3.1) Zulässigkeit der geänderten Ansprüche
Soweit die mit Hilfsantrag 1 verteidigten Ansprüche gegenüber der infolge des Beschränkungsverfahrens geltenden Fassung (´C5) geändert worden sind, erweisen sich diese sämtlich als zulässig. Hierbei waren die bereits im isolierten Beschränkungsverfahren nach § 64 PatG vorgenommenen Änderungen keiner erweiterten Zulässigkeitsprüfung zu unterziehen, da die insoweit geltende Fassung ebenso wie ein im Einspruchsverfahren geändertes Patent, im Nichtigkeitsverfahren nur auf die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe hin der Überprüfung bedarf (BGH GRUR 2011, 607 – kosmetisches Sonnenschutzmittel III; GRUR 2010, 709 – Proxyserversystem).
Da die Zulässigkeit des Anspruchs 1 (und des Unteranspruchs 2) der beschränkten Fassung (´C5), die auch der Fassung des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 entspricht, nicht angegriffen ist, erübrigt sich hierzu eine entsprechende Zulässigkeitsprüfung des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1.
Der gegenüber der beschränkten Fassung (´C5) geänderte Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 3 nach Hilfsantrag 1 mit dem zusätzlichen Merkmal Hi1_3.12 ist zulässig. Denn er ist ursprünglich offenbart, sein Schutzumfang ist gegenüber dem Anspruch 1 in der erteilten Fassung (s. Patentschrift EP 1 312 861 B1; nachfolgend „´B1“) nicht erweitert.
Der Anspruch 3 nach Hilfsantrag 1 umfasst dabei die Merkmale des erteilten Anspruchs 1 (s. ´B1; Merkmale 1.1 bis 1.10) mit einem geänderten Merkmal 3.1 (s. o.) und zusätzlichen Merkmalen 3.11 sowie Hi1_3.12.
Dass die Vorrichtung des Anspruchs 3 gemäß Hilfsantrag 1 im Merkmal 3.1 – gegenüber dem Gegenstand des Anspruchs 1 der Offenlegungsschrift (EP 1 312 861 A2; nachfolgend „OS“) und dem erteilten Anspruch 1 (´B1) – eine Längsrichtung aufweist, geht ursprünglich hervor aus Abs. 0040 OS, insb. Z. 1–5, und entsprechend aus Abs. 0039 ´B1.
Die beim erteilten Patent (´B1) zur ursprünglichen Fassung des Anspruchs 1 (Merkmale 1 hinzugenommenen Merkmale 3.9.b und 3.10 gehen hervor aus den ursprünglichen Ansprüchen 16 und 17 (OS)).
Der Gegenstand mit dem Merkmal 3.11 des Anspruchs 3 gemäß Hilfsantrag 1 geht hervor aus Anspruch 18 OS/´B1.
Das Merkmal Hi1_3.12 ist offenbart im Abs. 0058 OS und in Abs. 0057 ´B1 aufgezeigt.
Die Gegenstände der auf den Anspruch 3 rückbezogenen Unteransprüche 4 bis 9 nach Hilfsantrag 1 sind ursprünglich offenbart und auch im erteilten Patent beschrieben, siehe zu den Unteransprüchen 4 und 5 des Hilfsantrags 1 den ursprünglichen Anspruch 3 und die erteilten Ansprüche 3, 4; zu den geltenden Unteransprüchen 6 und 7 den ursprünglichen Anspruch 6 und die erteilten Ansprüche 7, 8; zum geltenden Unteranspruch 8 den ursprünglichen Anspruch 9 und den erteilten Anspruch 11 sowie zum geltenden Unteranspruch 9 den ursprünglichen Anspruch 10 und den erteilten Anspruch 12.
Auch der Gegenstand nach dem unabhängigen Anspruch 10 gemäß Hilfsantrag 1 ist zulässig.
Die Merkmale 10.1 bis 10.10 entsprechen denen des Anspruchs 3 nach Hilfsantrag (Merkmale 3.1 bis 3.10).
Die Merkmale H1_10.11, 10.12 und 10.13 sowie Hi1_10.14 gehen hervor aus den ursprünglichen Ansprüchen 9, 10, 3 mit 6 bzw. 11 mit 12 und Abs. 0054 OS bzw. den erteilten Ansprüchen 11, 12, 3 mit 8 bzw. 13 mit 14 und Abs. 0053 der Patentschrift ´B1.
Der Gegenstand des Anspruchs 11 nach Hilfsantrag 1 ist ursprünglich und im erteilten Patent offenbart in Anspruch 18 OS/´B1. Die Gegenstände nach den Ansprüchen 12 bis 15 gehen hervor aus den Ansprüchen 11 bis 14 OS sowie 13 bis 16 ´B1, die Ansprüche 16 bis 21 aus den ursprünglichen Ansprüchen 2, 4, 5, 7, 8 und 15 OS bzw. 2, 5, 6, 9, 10 und 17 ´B1.
3.2) Patentfähigkeit der unabhängigen Ansprüche 1, 3 und 10 nach Hilfsantrag 1
Die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1, 3 und 10 gemäß Hilfsantrag 1 erweisen sich als patentfähig.
3.2.1) Patentfähigkeit des unabhängigen Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1
Keine der im Verfahren befindlichen und von der Klägerin diesbezüglich vorgebrachten Entgegenhaltungen, einschließlich der angeführten Vorbenutzungen, zeigt einen Gegenstand wie nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 oder kann diesen nahelegen.
3.2.1.1) Ausgangspunkt D6 (auch D2) und Fachwissen
Auch in der Zusammenschau oder in Verbindung mit Fachwissen können die angeführten Entgegenhaltungen keinen solchen Gegenstand mit den Merkmalen 1.11/1.11.a/1.11.b nahelegen. Unabhängig davon, welche Details der D6 (D2) offenkundig geworden sind, weist selbst die angeführte Vorbenutzung D6, die der Erfindung am nächsten kommt, in sämtlichen hierzu vorliegenden Zeichnungen keine vertikale, sich parallel zur Längsrichtung der Vorrichtung sich erstreckende Seitenwand im konstanten Abschnitt der dortigen Vorkammer auf, die wie nach Merkmal 1.11.a eine Zutrittsöffnung aufweist und insbesondere zugleich wie nach Merkmal 1.11.b eine seitliche Begrenzungswand des Rohgaskanals bildet. Denn bei der als offenkundig angeführten Vorbenutzung nach D6 (D2) befindet sich zwischen Vorkammer und Rohgaskanal eine Verbindungsleitung. Somit kann bei der Vorrichtung nach D6 eine Wand der Vorkammer nicht gleichzeitig eine seitliche Begrenzungswand des Rohgaskanals bilden.
Hierzu behauptet die Klägerin, dass es dem Fachmann nahegelegen habe, zur Materialersparnis auf diese Verbindungsleitung zwischen Vorkammer und Rohgaskanal der D6 zu verzichten und beide unmittelbar aneinander angrenzend vorzusehen. Dem kann jedoch nicht beigetreten werden, denn aus dem Stand der Technik fehlt hierzu jegliche Anregung und auch ein Nachweis, weswegen dies der Fachmann aus seinem Fachwissen heraus vorsehen würde.
Zwar bildet die D6 (auch D2) einen möglichen Ausgangspunkt und ein Sprungbrett zur erfindungsgemäßen Lösung. Zu beachten ist aber, dass ein Naheliegen voraussetzt, dass sich für den Fachmann auf der Suche nach einer Problemlösung auf dem Weg der Erfindung über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichende Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe ergeben müssen (BGH GRUR 2009, 746 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung) oder aber sich die erfindungsgemäße Lösung als ein Standard-Repertoire erweist (BGHZ 200, 229 = GRUR 2014, 461 – Kollagenase I), welches als maschinenbautechnische Lösung für ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Ingenieurs gehört und sich die Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände feststellbar sind, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (BGH GRUR 2014, 647 – Farbversorgungssystem). Auch für eine derartige Annahme fehlen jegliche Feststellungen, welche die Klägerin darzulegen hätte (BGH Urteil v. 26.9.2017, X ZR 109/15 – Spinfrequenz).
3.2.1.2) Ausgangspunkt D6 und D3 bzw. D3 und D6 (oder D2)
Ausschließlich schriftsätzlich verweist die Klägerin auf eine aus ihrer Sicht für den Fachmann naheliegende Kombination der Vorbenutzungen D6 mit der D3 bzw. umgekehrt. In der mündlichen Verhandlung hat diese Argumentation keine Rolle gespielt.
Die Klägerin gibt an, bei dem von ihr angeführten Ausgangspunkt mit einer Anlage wie nach D6, bei der der Rohgaskanal und der Reingaskanal über kurze Verbindungsleitungen (Stichleitungen) an die jeweilige Vorkammer angeschlossen sind (somit fehlt das Merkmal 1.11.b), würde dem Fachmann, dem die Aufgabe gestellt ist, diese Anlage besonders kompakt und energieeffizient zu gestalten, durch die D3 konkret an die Hand gegeben, dass Rohgaskanal-Begrenzungswand und Vorkammer-Seitenwand von einer einzigen gemeinsamen Wand gebildet werden könnten.
Hierzu verweist die Klägerin auf die Anlage 20, die einen Querschnitt durch die Anlage nach D3 zeigen soll.
Figur aus Anlage 20 der Klägerin;
Darstellung des Innenaufbaus einer Anlage wie nach D3 gem. Anlage P8 der Beklagten; Vorkammer von Klägerin gelb markiert
Dabei gibt die Klägerin sinngemäß an, dass der gelb markierte und zusätzlich schraffierte Abschnitt zwischen den „Vorkammer-Seitenwänden“ 124a/124b den Merkmalen 1.11 und 1.11.b entspräche. Hingegen fehlt auch nach ihrer Auffassung der Figur in Anlage 20 das Merkmal 1.11.a, demgemäß in diesem Abschnitt der Vorkammer mit dem im Wesentlichen konstanten Querschnitt mindestens eine Zutrittsöffnung ausgebildet sein muss.
Die Klägerin führt hierzu aber an, dass dem Fachmann durch seine Fachkunde ohnehin, durch die D3 aber ganz konkret an die Hand gegeben wird (s. o.), dass Rohgaskanal-Begrenzungswand und Vorkammer-Seitenwand von einer gemeinsamen Wand gebildet werden können, und dass hierdurch bei einem „´Zusammenrücken´ bzw. ´Zusammenschieben´ von Rohgaskanal und/oder Reingaskanal an die jeweilige Vorkammer-Seitenwand die Öffnungen zu den Verbindungsleitungen, die in beiden zunächst noch getrennt vorhandenen Wänden ohnehin in deckungsgleicher Form vorhanden sind, durch das Zusammenrücken zu vollständiger Überdeckung gelangen.“
Der Senat kann dieser Auffassung nicht folgen. Denn unabhängig davon, ob die D3 aufgrund behaupteter offenkundiger Vorbenutzung überhaupt als Stand der Technik angesehen werden kann, vermittelt diese dem Fachmann ausschließlich, dass der Rohgas-/Reingasanschluss auch an der Stirnseite einer in Längsrichtung ausgerichteten Abgasreinigungsanlage angeschlossen sein kann und dabei Rohgas- und Reingaskanal durch mit der Anlage in Längsrichtung verlaufende Seitenwände und innenliegende Wände gebildet werden können. Dabei sind in der D3 aber über die dortigen Klappenöffnungen die Zutrittsöffnungen zur Vorkammer in dem sich erweiternden Abschnitt der Vorkammer ausgebildet und nicht wie anspruchsgemäß in dem Abschnitt der Vorkammer mit konstantem Querschnitt (fehlende Merkmale 1.10, 1.11.a i. V. m. 1.11).
Daraus ergibt sich keine Anregung, die jeweiligen Konzepte der D6 und D3 aufeinander zu übertragen, da beide Anlagen in der Konstruktion zu unterschiedliche Anlagenkonzepte zeigen. Auch fehlen von beiden Anlagentypen Beschreibungen, die den Fachmann ohne weiteres Zutun auf eine besonders günstige konstruktive und/oder verfahrenstechnische Gestaltung auch für bisher konstruktiv abweichende Anlagetypen schließen lassen und ihm somit eine entsprechende Anregung geben könnten.
So unterscheiden sich die Anlagen nach D3 und D6 nicht nur schaltungstechnisch (D3: Drei-Bett-Anlage mit jeweils individuell schaltbaren Schwenkklappen; D6: Zwei-Bett-Anlage mit einem 3/2-Wege-Tellerventil pro Behälter, das nur eine der beiden Öffnungen der Vorkammer zum Roh- bzw. Reingaskanal verschließen kann). Sie unterscheiden sich auch durch die Zu-/Abführungsstellen des Roh-/ Reingases, die bei der D3 nur an der Stirnseite der Gesamtanlage, bei der D6 dagegen an den Seiten jedes einzelnen Behälters liegen. Bei der D3 sind auch Roh- und Reingaskanal mit dem Behälter kombiniert und bilden ein monolithisches Äußeres, bei der D6 bildet dagegen jeweils eine außerhalb des Behälters liegende Rohrleitung den Roh- bzw. den Reingaskanal, wobei hiervon wiederum jeweils eine Stichleitung zur Vorkammer jedes einzelnen Behälters abzweigt. Auch verwenden beide Anlagen unterschiedliche Armaturen, um die Stoffströme zu schalten, bei der D3 einzeln schaltbare Klappen, bei der D6 offensichtlich ein einziger Ventilteller pro Behälter. Diese Armaturen sind zudem an unterschiedlichen Stellen der Vorkammern angeordnet, bei der D3 mit schrägem Dichtsitz, bei der D6 offensichtlich mit vertikalem Dichtsitz.
Mangels naheliegender gegenseitiger Übertragbarkeit greift auch nicht die Argumentation der Klägerin, die es als im Belieben des Fachmanns ansieht, von dem Konzept der „Schrägeinströmung“ gemäß der D3 zu dem Alternativkonzept der horizontalen „Quereinströmung“ gemäß den Entgegenhaltungen D1, D2 oder D6 überzuwechseln (vgl. Anlage 21 der Klägerin).
Figur aus Anlage 20 der Klägerin
Figur aus Anlage 21 der Klägerin
(hier: von ihr modifizierte Figur der Anlage 20)
Diese Anregung soll der Fachmann nach Auffassung der Klägerin aus der D2 oder D6 erhalten haben.
Wie bereits oben angeführt, zeigen die D3 einerseits und die D6 (oder auch D2) andererseits unterschiedliche Anlagenkonzepte. Dabei weist die D3 unmittelbar in Roh- und Reingaskanal angeordnete Schwenkklappen auf. Die D2 und D6 dagegen offenbaren nur ein einziges Tellerventil, dessen Ventilteller in der Vorkammer angeordnet ist und lediglich zwischen der Stichleitung des Rohgaskanals und der Stichleitung des Reingaskanals hin- und herschalten kann. Aufgrund dieser unterschiedlichen, voneinander abweichenden Anlagenkonzepte und konstruktiven Lösungen für die Leitung und Schaltung der Stoffströme kann der Fachmann daraus keine Anleitung für eine Modifikation der Vorrichtung nach Anlage 20 im Sinne der Anlage 21 ableiten, ohne dabei erfinderisch tätig werden zu müssen.
3.2.2) Patentfähigkeit des unabhängigen Anspruchs 3 nach Hilfsantrag 1
Auch der Gegenstand nach Anspruch 3 gemäß Hilfsantrag 1 ist neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.
3.2.2.1) Ausgangspunkt D6 mit Fachwissen bzw. mit D3
Die dem Gegenstand nach Anspruch 3 nächstkommende D6 kann – wie die D2 – diesen Gegenstand gemäß Hilfsantrag 1 weder vorwegnehmen noch, auch nicht in Zusammenschau mit dem übrigen im Verfahren von der Klägerin angeführten Entgegenhaltungen oder in Verbindung mit Fachwissen, nahelegen.
Die D6 weist nicht das Merkmal Hi1_3.12 auf, demnach eine Seitenwand eines unteren Abschnitts der Vorkammer eine seitliche Begrenzungswand des Rohgaskanals und eine gegen die Horizontale geneigte Seitenwand der Vorkammer eine obere Begrenzungswand des Rohgaskanals bildet. Denn bei der Vorrichtung nach D6 befindet sich zwischen der jeweiligen Vorkammer und dem Rohgaskanal eine Verbindungsleitung (Stichleitung), die senkrecht auf die Vorkammer zuläuft. Bereits von daher kann eine Seitenwand der Vorkammer keine Begrenzungswand des Rohgaskanals bilden. Der Gegenstand nach Anspruch 3 ist daher neu.
Für die Behauptung der Klägerin, für den Fachmann habe es nahegelegen, z. B. aus Gründen der Materialersparnis bei der Vorrichtung wie nach D6 auf diese Verbindungsleitung zwischen Rohgaskanal und jeweiliger Vorkammer zu verzichten, findet sich – genauso wie oben zum Anspruch 1 angegeben – bei der im Verfahren befindlichen und hierzu angeführten Entgegenhaltung (D3) aufgrund zu unterschiedlicher Anlagenkonzepte und fehlender konkret beschriebener Vorzüge kein nachvollziehbarer Beleg, der diese Rechtsbehauptung in tatsächlicher Hinsicht stützen könnte und für eine derartige Anregung sprechen könnte.
3.2.3) Patentfähigkeit des unabhängigen Anspruchs 10 nach Hilfsantrag 1
Auch der unabhängige Anspruch 10 nach Hilfsantrag 1 ist neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.
3.2.3.1) Ausgangspunkt D6 mit D7
Aus der von der Klägerin angeführten, eine offenkundige Vorbenutzung zeigenden D6, die dem erfindungsgemäßen Gegenstand am nächsten kommt, geht auch keine Vorrichtung hervor, die das Merkmal 10.14 aufweist. Denn der Fachmann – dem die Betriebsweise solcher Zwei-Bett-Abluftreinigungsanlagen wie nach D6 geläufig ist, und dem deshalb bewusst ist, dass zu jeder Vorkammer eine Ventileinrichtung vorhanden sein muss, die abwechselnd entweder die Zutrittsöffnung oder die Austrittsöffnung verschließen kann – sieht bei dieser Anlage D6, dass dort erwartungsgemäß nur ein Aktuator (A) zur Ventilbetätigung pro Vorkammer vorgesehen ist. Er setzt deshalb voraus, dass dieser (lediglich) einen Ventilteller betätigt, der zwischen Zutrittsöffnung und Austrittsöffnung in der Vorkammer angeordnet ist, und der durch den einen Aktuator mittels einer Stange hin und her verschoben werden kann, um so abwechselnd entweder die Zutrittsöffnung oder die Austrittsöffnung zu verschließen.
Zwar wäre es prinzipiell auch denkbar, dasselbe mit zwei Ventiltellern statt einem Ventilteller zu bewerkstelligen, wobei die zwei Ventilteller ebenfalls an ein und derselben vom Aktuator betätigten Stange, aber jeweils außerhalb der Zutritts- bzw. Austrittsöffnung anzuordnen wären. Diese Möglichkeit, allerdings mit doppeltem Aufwand – zwei Ventilteller statt nur einem – die gleiche Wirkung zu erzielen, zieht der Fachmann jedoch nicht in Betracht.
Auch die von der Klägerin angeführte Argumentation, dass es für den Fachmann naheliegend sei, bei einer Erweiterung der Anlage nach D6 auf drei Behälter, wie aus der D7, S. 94, bekannt, dort dem Merkmal 10.14 entsprechende Tellerventile vorzusehen, läuft ins Leere.
D7, S. 94, Abb. 2
Zwar weist die Anlage nach D7 drei Behälter auf, deren Ströme durch Tellerventile gesteuert werden. Allerdings öffnen diese nach innen in die Vorkammer hinein. Sie sind damit, abweichend vom Merkmal 10.14, in der Offenstellung nicht im Abstand von dem Ventilsitz innerhalb des Rohgaskanals bzw. des Reingaskanals angeordnet, sondern in der Vorkammer. Somit kann die D7 keine Anregung für die Vorrichtung nach D6 liefern, dort Tellerventile entsprechend dem Merkmal 10.14 vorzusehen.
3.2.3.2) Ausgangspunkt D6 mit D1
Die von der Klägerin angeführte Kombination von D6 mit D1 führt ebenfalls nicht in naheliegender Weise zu einer Vorrichtung wie nach Anspruch 10 gemäß Hilfsantrag 1. Denn die aus der D1, Bild 10, bekannte Anlage mit drei Behältern weist anstelle von (verschiebbaren) Tellerventilen verdrehbare Klappen auf. Die Kombination liegt damit noch weiter ab als die oben angeführte Kombination aus D6 mit D7.
D1, Bild 10
3.2.3.3) Ausgangspunkt D6 mit D8
Auch eine Übertragung von Tellerventilen wie nach D8 auf eine Vorrichtung wie nach D6 führt nicht in naheliegender Weise zu einer Vorrichtung wie nach Anspruch 10 gemäß Hilfsantrag 1. Denn unabhängig davon, ob die nach dem Prioritätstag errichtete Vorrichtung nach D8, der es zumindest an den Merkmalen 10.8, 10.9/10.9.a sowie 10.13 fehlt, aufgrund einer von der Klägerin behaupteten offenkundigen Vorbenutzung überhaupt als Stand der Technik anzusehen ist, ist eine Übertragung der dortigen offenbar rohgaskanalseitig angeordneten Ventilkörper auf eine Vorrichtung wie nach D6 – anders als von der Klägerin angeführt – nicht naheliegend. Die D8 zeigt wie die D6 eine Zwei-Bett-Anlage mit zwei Behältern, die sich jedoch in nur einem Gehäuse befinden (siehe Darstellung in Anlage 23/D8 links unten, dortiges mit „REGETAR“ bezeichnetes, rechtes, größeres Gehäuse neben dem linken, kleineren „Pufferbehälter“).
D8 (Anlage 23)
Eine Veranlassung, überhaupt die dortigen vertikal angeordneten Ventile/Ventilantriebe auf eine Anlage wie nach D6 zu übertragen und dabei aber die aus der D8 bekannten Ventile bzw. deren Antriebe horizontal statt vertikal anzuordnen, fehlt.
Auch liegt für den Fachmann kein Anlass vor, die aus der D6 bekannte Ansteuerung der Ventile sowie ihre konstruktive Anordnung und Ausgestaltung abzuändern.
3.2.4) Unteransprüche nach Hilfsantrag 1
Die geltenden Unteransprüche sind jeweils zweckmäßige Ausgestaltungen des Gegenstands nach dem jeweiligen unabhängigen Anspruch, auf den sie rückbezogen sind, und werden von diesem mitgetragen. Daher sind die Unteransprüche ebenfalls patentfähig.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass insbesondere der nach Hilfsantrag 1 als schutzfähig verbleibende Patentgegenstand nach Anspruch 3 gegenüber dem beim Deutschen Patent- und Markenamt im Rahmen eines Beschränkungsverfahrens beschränkten Gegenstand in einem nicht unerheblichen Maße eingeschränkt ist und zwar auf Vorrichtungen zur thermischen und/oder katalytischen Reinigung mit nun konstruktiven Vorgaben für die Verbindung von Vorkammer und Rohgaskanal, demnach wie gemäß Merkmal 3.12 eine Seitenwand eines unteren Abschnitts dieser Vorkammer eine seitliche Begrenzungswand des Rohgaskanals und eine gegen die Horizontale geneigte Seitenwand der Vorkammer eine obere Begrenzungswand des Rohgaskanals bildet.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG in Verbindung mit § 709 ZPO.