Entscheidungsdatum: 04.12.2012
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das europäische Patent 1 199 020
(DE 501 08 977)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2012 durch den Vorsitzenden Richter Engels sowie den Richter Dr. agr. Huber, die Richterin Dr. Mittenberger-Huber, den Richter Dr.-Ing. Dorfschmidt und den Richter Dipl.-Ing. Nees
für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin und die Nebenintervenientin tragen die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 24. Juli 2001 unter Inanspruchnahme der Priorität des deutschen Patents 100 51 805 angemeldeten, mit Wirkung auch für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents Nr. 1 199 020 B1 (Streitpatent), das ein „WC-Sitzgelenk“ betrifft. Das in deutscher Sprache abgefasste Streitpatent wird vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 501 08 977 geführt. Es umfasst zehn Patentansprüche, von denen die Patentansprüche 1 - 3, 5, 6 und 8 - 10 angegriffen sind. Patentanspruch 1 in der Verfahrenssprache Deutsch hat folgenden Wortlaut:
1. WC-Sitzgelenk zur Befestigung einer WC-Sitzgarnitur (1) an einer Keramik (10), mit einer Schwenkachse (32, 34) für einen Sitz (4) und einen Deckel (2) der Sitzgarnitur (1) und mit einer Dämpfungseinrichtung (11, 12) zum Abstützen der Sitzgarnitur (1) während der Schwenkbewegung, wobei ein Adapterstück (20) mit einem in der Keramik (10) befestigten Befestigungsmittel (26) und drehfest mit der Dämpfungseinrichtung (11, 12) verbunden ist, die in einer Aufnahmebohrung (44, 46) einer Befestigungslasche (40, 42) der Sitzgarnitur (1) aufgenommen ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Adapterstück (20) und die Dämpfungseinrichtung (11, 12) als Schwenkachse (32, 34) für den Deckel (2) oder den Sitz (4) ausgebildet sind, und dass das Adapterstück einen etwa zylinderförmigen Grundkörper hat, in dem eine radiale Sacklochbohrung (24) zum Aufsetzen auf einen Scharnierdorn (28) ausgebildet ist.
Hinsichtlich des Wortlauts der weiteren angegriffenen untergeordneten Patentansprüche wird auf die Patentschrift Bezug genommen.
Mit ihrer Teilnichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, da er nicht erfinderisch sei. Er ergebe sich z. B. aus einer Kombination der Druckschriften D3 und D2. Das Streitpatent sei konstruktiv wie die D3 aufgebaut. Es verfüge lediglich über einen anderen Anschluss der Halterung. Sei dem Fachmann der Aufbau in der D1 zu kompliziert, werde er durch die Sacklochbohrung in der D2 angeregt, diese zu verwenden, wodurch er bei der Erfindung sei. Nahegelegt sei die Erfindung aber auch durch die Druckschrift D4 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen bzw. der Druckschrift D4 in Kombination mit der Druckschrift D2. Auch eine Kombination der Druckschrift D1 mit D15 führe zum selben Ergebnis.
Den abhängigen, angegriffenen Ansprüchen fehle ebenfalls jede erfinderische Tätigkeit.
Die Klägerin beruft sich hierzu auf folgende vorveröffentlichte Druckschriften:
K4 (= D1) DE 37 22 114 C2
K5 (= D2) DE 44 09 516 A1
K6 (= D3) US 5,901,383 A
K7 (= D4) JP 09-164097 A (sowie mit englischer Übersetzung)
K8 (= D5) JP 10-201670 A (sowie mit englischer Übersetzung)
K9 (= D6) JP 08-312694 A (sowie mit englischer Übersetzung)
K10 (= D7) US 2,474,164 A
K11 (= D8) DE 37 01 720 A1
K12 (= D9) US 5,996,132 A
K13 (= D10) US 5,664,286 A
K14 (= D11) WO 99/63874 A1
K15 (= D12) WO 99/63875 A1
K16 (= D13) US 5,768,718 A
K17 (= D14) DE 297 01 545 U1.
Die Nebenintervenientin hat zudem eingereicht (Bl. 123 d. A.) als weitere Druckschrift
D15 DE 697 22 577 T2 sowie deren vorveröffentlichte Offenlegungsschrift als
D15a EP 0 853 916 A1.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent EP 1 199 020 B1 im Umfang der Ansprüche 1 bis 3, 5, 6 und 8 bis 10 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Patentinhaberin ist der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei patentfähig, da er erfinderisch und nicht nahegelegt sei. Es handele sich um eine innovative und elegante Lösung, die bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet worden sei (vgl. Anl. B1 bis B4).
Der Senat hat den Parteien einen frühen gerichtlichen Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet. Auf den Hinweis vom 7. August 2012 wird Bezug genommen (Bl. 154/160 d. A.).
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt aller Anlagen Bezug genommen.
I.
Die Klage ist zulässig. Die Nebenintervention ist ebenfalls zulässig. Es besteht ein rechtliches Interesse der Streitverkündeten am Beitritt auf der Seite der Klägerin (§ 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 66 Abs. 1 ZPO). Die Nebenintervenientin beliefert die Klägerin mit WC-Sitzgelenken. Die Klägerin wurde wegen dieser - an sie durch die Nebenintervenientin gelieferten - Sitzgelenke durch die Beklagte in einem Verletzungsstreit vor dem Landgericht Düsseldorf aus dem verfahrensgegenständlichen Schutzrecht angegriffen (vgl. BGH, Beschluss vom 17.1.2006 - X ZR 236/01 - Carvedilol, GRUR 2006, 438 ff.).
II.
Die Klage, mit der der in Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Absatz 1 lit a EPÜ i. V. m. Artikel 54 Absatz 1, 2 und Artikel 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist unbegründet.
Weder die Klägerin noch die Nebenintervenientin konnten den Senat davon überzeugen, dass der Durchschnittsfachmann, hier ein Diplomingenieur des allgemeinen Maschinenbaus mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von WC-Sitzgelenken, die in Patentanspruch 1 beanspruchte Lehre in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik unter Einsatz seiner fachlichen Fähigkeiten auffinden konnte. Dies geht zu Lasten der Klägerin. Die durch die ordnungsgemäße Patenterteilung erlangte Rechtsstellung kann der Patentinhaberin nur dann wieder genommen werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass sie diese zu Unrecht erlangt hat (BGH 23.1.1990 X ZR 75/87, GRUR 1991, 522 ff. - Feuerschutzabschluss, m. w. N.), was vorliegend nicht der Fall ist.
1. Nach der Beschreibungseinleitung betrifft die Erfindung gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 ein WC-Sitzgelenk, wie es z. B. aus der DE 3 701 720 A1 (K11) bekannt ist [0001]. Auch bei den weiteren im Stand der Technik bekannten WC-Sitzgelenken (genannt sind u. a. die K14, K15) wird als nachteilig angesehen, dass ein erheblicher vorrichtungstechnischer Aufwand erforderlich ist, um die Schwenkachse der Sitzgarnitur auszubilden [0007].
Gemäß [0008] der Streitpatentschrift liegt dem Patentgegenstand daher die Aufgabe zugrunde, ein WC-Sitzgelenk zu schaffen, das eine zuverlässige Dämpfung der Absenkbewegung eines Sitzes oder eines Deckels bei minimalem vorrichtungstechnischen Aufwand ermöglicht.
Patentanspruch 1 beschreibt demgemäß ein WC-Sitzgelenk mit folgenden Merkmalen:
M1b: WC-Sitzgelenk zur Befestigung einer WC-Sitzgarnitur an einer Keramik
M2b: mit einer Schwenkachse für einen Sitz und einen Deckel der Sitzgarnitur, und
M3b: mit einer Dämpfungseinrichtung zum Abstützen der Sitzgarnitur während der Schwenkbewegung
M4b: mit einem Adapterstück, das mit einem in der Keramik befestigten Befestigungsmittel verbunden ist.
M5b: Das Adapterstück ist drehfest mit der Dämpfungseinrichtung verbunden.
M6b: Die Dämpfungseinrichtung ist in einer Aufnahmebohrung einer Befestigungslasche der Sitzgarnitur aufgenommen.
M7b: Das Adapterstück und die Dämpfungseinrichtung sind als Schwenkachse für den Deckel oder den Sitz ausgebildet.
M8b: Das Adapterstück hat einen etwa zylinderförmigen Grundkörper, in dem eine radiale Sacklochbohrung zum Aufsetzen auf einen Scharnierdorn ausgebildet ist.
2. Zuständiger Fachmann für die sich vorliegend objektiv stellende und auch in der Patentschrift angegebene Aufgabe ist ein Diplom-Ingenieur des allgemeinen Maschinenbaus mit Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von WC-Sitzgelenken.
3. Nach dessen maßgeblichem Verständnis und einer am Gesamtzusammenhang orientierten Betrachtung (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 18.11.2010, Xa ZR 149/07 - Rn. 29, GRUR 2011, 129 - Fentanyl-TTS; Urt. v. 3.6.2004, X ZR 82/03, GRUR 2004, 845 - Drehzahlermittlung, m. w. N.) ist zu beurteilen, welche technische Lehre Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist und welcher technische Sinngehalt den Merkmalen des Patentanspruchs 1 im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit zukommt (BGH, Urt. v. 12.3.2002, X ZR 168/00, GRUR 2002, 515, 517 - Schneidmesser I; Urt. v. 7.11.200o, X ZR 145/98, GRUR 2001, 232, 233 - Brieflocher, jeweils m. w. N.). Den Grundsätzen zu Art. 69 Abs. 1 EPÜ folgend, ist bei der Auslegung eines europäischen Patents der Patentanspruch in seinem technischen Sinn und nicht etwa in seiner rein philologischen Bedeutung aufzufassen. Insoweit ist hier im Einzelnen von folgendem Verständnis auszugehen:
Während die ersten Merkmale des Patentanspruchs 1 allgemein die Befestigung der WC-Sitzgarnitur an einer Keramik (M1b), eine Schwenkachse für Sitz und Deckel (M2b) sowie eine Dämpfungseinrichtung für die Schwenkbewegung und deren Aufnahme in der Sitzgarnitur (M3b, M6b) beschreiben, sind die folgenden Merkmale (M4b, M 5b, M7b und M8b) ausschließlich auf Lage und Ausgestaltung eines sog. Adapterstücks gerichtet, worin auch der Kern der patentgemäßen Lehre und dem was diese gegenüber dem Stand der Technik aufgabengemäß leistet gesehen werden kann. Daher kommt diesem Adapterstück für die Auslegung des Patentanspruchs 1 eine besondere Beachtung zu.
Unter einem Adapterstück ist im vorliegenden technischen Gesamtzusammenhang ein Bauteil eines WC-Sitzgelenks zu verstehen, durch das einerseits die in technischem Sinne adaptierte, also spezifisch angepasste Anbindung einer Dämpfungseinrichtung an den Adapter selbst realisiert wird und durch das andererseits die Verbindung zu der Keramik des WC-Grundkörpers in direkter oder indirekter Weise gewährleistet wird. Demgemäß ist in Merkmal M4b von einem Adapterstück die Rede, das mit einem in der Keramik befestigten Befestigungsmittel verbunden ist, während nach Merkmal M5b das Adapterstück drehfest mit der Dämpfungseinrichtung verbunden ist.
Das Adapterstück ist nach Merkmal M4b eindeutig ein Bauteil des in Merkmal M1b beschriebenen WC-Sitzgelenkes (vgl. „mit einem Adapterstück, …“ in Merkmal M4b), wobei ein einzelnes in Patentanspruch 1 beanspruchtes Sitzgelenk jeweils nur ein solches Adapterstück aufweist (vgl. Merkmale M4b „mit einem Adapterstück“ und Merkmale M5b, M7b sowie M8b „das Adapterstück“) und auch die übrigen Unterlagen des Streitpatents keine Hinweise auf weitere Adapterstücke in ein und demselben einzelnen WC-Sitzgelenk geben.
In Merkmal M7b wird das Adapterstück weiter dadurch charakterisiert, dass es selbst und die Dämpfungseinrichtung als Schwenkachse für den Deckel oder den Sitz ausgebildet ist. Damit ist eine axiale Ausrichtung des Adapterstücks in Richtung der Gelenkachse des WC-Sitzgelenks definiert, was durch die Lagebeschreibung der Dämpfungseinrichtung noch unterstrichen wird, welche gemäß Merkmal M6b in einer Aufnahmebohrung einer Befestigungslasche der Sitzgarnitur aufgenommen werden soll.
Die Struktur und räumliche Ausgestaltung des Adapterstücks wird in Merkmal M8b angegeben. Demnach hat das Adapterstück einen etwa zylinderförmigen Grundkörper. Wie in Merkmal M8b weiter angegeben ist, ist in diesem (etwa) zylinderförmigen Grundkörper eine radiale Sacklochbohrung ausgebildet. Diese dient - wie ebenfalls in Merkmal M8b angegeben - zum Aufsetzen auf einen Scharnierdorn, der wiederum in der WC-Keramik verankert ist (vgl. z. B. Abs. 0025 der Streitpatentschrift). Somit wird in Merkmal M8b auch die Art und Weise der Verbindung des Adapterstücks mit dem WC-Grundkörper (Keramik) detailliert als Steckverbindung zwischen dem Scharnierdorn, der Keramik und der Sacklochbohrung des Adapterstücks beschrieben.
III.
Der Senat konnte nicht feststellen, dass der - aufgrund seiner Zweckbestimmung ohne Zweifel gewerblich anwendbare - Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik jeweils vollumfänglich vorweggenommen und deshalb nicht neu ist oder sich hieraus in nahe liegender Weise ergibt und damit nicht patentfähig i. S. v. Art. 138 (1) a) EPÜ ist.
1. Das WC-Sitzgelenk nach dem erteilten Patentanspruch 1 ist gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu.
Seitens der Klägerin und der Nebenintervenientin wurde keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften als neuheitsschädlich geltend gemacht. Auch der Senat sieht in den im Verfahren befindlichen Druckschriften sämtliche Merkmale der erfindungsgemäßen Lehre nicht vorweggenommen.
Von dem Stand der Technik nach der DE 37 22 114 C2 (D1) unterscheidet sich der Gegenstand nach dem erteilten Patentanspruch 1 zumindest in der Befestigung des Adapterstücks an dem WC-Grundkörper (Keramik), die derart ausgestaltet ist, dass das etwa zylinderförmige Adapterstück eine radiale Sacklochbohrung zum Aufsetzen auf einen Scharnierdorn aufweist (Merkmal M8b; s. o unter II.1. Merkmalsauflistung).
Ein nach Merkmal M8b ausgestaltetes und auf den Scharnierdorn der Keramik aufsetzbares Adapterstück ist auch durch die US 5 901 383 A (D3) nicht bekannt geworden, so dass sich der Patentgegenstand auch von diesem Stand der Technik hierdurch unterscheidet.
Das WC-Sitzgelenk nach der DE 44 09 516 A1 (D2) weist zwar ein Adapterstück zum Aufsetzen auf einen Scharnierdorn auf, wobei das Adapterstück (14) selbst auch im Wesentlichen einen zylinderförmigen Grundkörper erkennen lässt. Anders als beim Patentgegenstand nach dem erteilten Anspruch 1 ist dieses Adapterstück jedoch mit einer axialen Sacklochbohrung (31) zum Aufsetzen auf den Scharnierdorn (18) (Fig. 1 bis 3) versehen, so dass sich der Patentgegenstand hiervon ebenfalls bereits in Merkmal M8b unterscheidet. Das WC-Sitzgelenk nach D2 ist darüber hinaus nicht mit einer Dämpfungseinrichtung ausgestattet, so dass sich der Patentgegenstand von diesem Stand der Technik noch in allen auf eine Dämpfungseinrichtung gerichteten Merkmalen, nämlich M3b, M5b, M6b und M7b, unterscheidet.
Das beide WC-Sitzgelenke verbindende Querelement (11) nach der DE 697 22 577 T2 (D15) bzw. der vorveröffentlichten EP 0 853 916 A1 (D15a) ist rohrförmig ausgestaltet (vgl. z. B. Fig. 6, 10, 11, 12, 13) und weist eine radiale Bohrung in dem Rohrmantel auf, die der Aufnahme eines scharnierdornartigen Verankerungsstiftes (1) dient, welcher an seinem Ende einen geformten Kopf (7) trägt und an diesem dann mit Hilfe (verschiebbarer) Verriegelungselemente in dem Querelement verriegelt werden kann. Das beide Sitzgelenke verbindende, quer verlaufende Adapterstück weist zwar eine radiale Bohrung auf, die jedoch angesichts der rohrförmigen Struktur dieses Querelements keine Sacklochbohrung darstellen kann, so dass sich der Patentgegenstand von diesem Stand der Technik in Merkmal M8b unterscheidet. Nachdem bei den WC-Sitzgelenken nach der D15 bzw. D15a Dämpfungseinrichtungen nicht vorgesehen sind, unterscheidet sich der Gegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 1 von diesem Stand der Technik zudem in allen seinen, auf eine Dämpfungseinrichtung gerichteten, Merkmalen (M3b, M5b, M6b, M7b).
Auch die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften, zu denen die Klägerin und die Nebenintervenientin in der mündlichen Verhandlung nichts mehr vorgetragen haben, können ein WC-Sitzgelenk mit sämtlichen Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 nicht aufzeigen. Insbesondere vermag auch die JP 09-164097 A (D4) das streitpatentgemäße WC-Sitzgelenk nicht neuheitsschädlich vorweg zu nehmen, denn das dort dargestellte und beschriebene Adapterstück (2) ist ebenfalls nicht über eine Sacklochbohrung mit einem Scharnierdorn der Keramik verbunden (Merkmal M8b).
2. Die nach Patentanspruch 1 beanspruchte Lehre beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit; sie ergab sich für den angesprochenen Fachmann zum Zeitrang der Anmeldung nicht in naheliegender Weise aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik (Art. 56 EPÜ).
Ansatzpunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist das Auffinden des zu Grunde liegenden technischen Problems, das aus dem zu entwickeln ist, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik tatsächlich leistet (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 15.5. 2012, X ZR 98/09, GRUR 2012, 803 - Calcipotriol-Monohydrat; Urt. v. 4.2.2010, Xa ZR 36/08 - Tz. 31, GRUR 2010, 602 - Gelenkanordnung), wobei die Wahl des Ausgangspunktes der Rechtfertigung bedarf und auch verschiedene Ausgangspunkte in Betracht zu ziehen sein können (BGH, Urt. v. 16.12.2008, X ZR 89/07 - Tz. 51, GRUR 2009, 382 - Olanzapin; Urt. v. 18.6.2009, Xa ZR 138/05 - Tz. 20, GRUR 2009, 1039 - Fischbissanzeiger; BPatG,, Beschluss v. 26.2.2003, 20 W (pat) 46/01, GRUR 2004, 317 - Programmartmitteilung).
a) Den Ausgangspunkt des Standes der Technik, den der Fachmann bei seinem Bemühen um die objektive und auch im Streitpatent angesprochene Problemlösung heranzog, mag danach - entsprechend dem Vortrag der Klägerin sowie der Nebenintervenientin - einerseits die DE 37 22 114 C2 (D1) bilden, weil sie ein WC-Sitzgelenk mit den Merkmalen M1b bis M7b des Patentanspruchs 1 des Streitpatents lehrt. Der vergrößerte Endabschnitt (5‘‘) des inneren Zylinders (5) mag zusammen mit seiner axialen Verlängerung durch den Federhalter (20) grundsätzlich als Adapterstück im patentgemäßen Sinne zu betrachten sein (vgl. Fig. 13 der D1), wobei in diesem Adapterstück auch die Dämpfungsvorrichtung (3) aufgenommen ist. Allerdings ist dieses Adapterstück (5‘‘, 20) - anders als beim Patentgegenstand - nicht direkt mit einem Befestigungsmittel der WC-Keramik, wie einem Scharnierdorn o. ä., verbunden, sondern wird von zwei Anschlagschultern (22) getragen, die ihrerseits auf einer darunter angeordneten Basisplatte (10) ruhen. Zur Verbindung mit dem WC-Grundköper (Keramik) wird die Basisplatte (10) über herkömmliche Verschraubungen, wie sie in Fig. 1 der D1 zeichnerisch dargestellt sind, befestigt. Der Inhalt dieser Druckschrift kann deshalb dem Fachmann für sich gesehen keine Anregung dazu geben, das Adapterstück (5‘‘, 20), welches zweifellos einen in etwa zylinderförmigen Grundkörper aufweist, mit einer radialen Sacklochbohrung zum Aufsetzen auf einen Scharnierdorn zu versehen. Vielmehr lehrt die D1, das Adapterstück jeweils eines Sitzgelenks - anders als beim Patentgegenstand - auf zwei Seiten über Anschlagschultern (22) abzustützen und über Kerben in den jeweiligen Endstücken des Adapterstücks, also dem Endabschnitt (5‘‘) des Innenzylinders (5) und dem Federhalter (20) drehfest auf den Anschlagschultern zu lagern (vgl. Sp. 4, Zeilen 55 bis 59) und diese Anschlagschultern (22) wiederum auf einer Basisplatte (10), welche ihrerseits auf dem WC-Grundkörper aufliegt, zu positionieren.
aa) In seinem aufgabengemäßen Bestreben, den vorrichtungstechnischen Aufwand bei einem bekannten WC-Sitzgelenk mit Dämpfungseinrichtung nach der D1 zu verringern, findet der Fachmann - anders als von der Klägerin sowie der Nebenintervenientin vorgetragen - in dem zweifellos vereinfacht ausgestalteten WC-Sitzgelenk nach der DE 44 09 516 A1 (D2), welches nicht mit einer Dämpfungseinrichtung ausgestattet ist, kein Vorbild für eine Befestigung des Adapterstücks i. S. d. Merkmals M8b. Zum einen ist das zylinderförmige Adapterstück (14) (vgl. Fig. 1 bis 3) der D2 nicht mit einer radialen, sondern einer axialen Sacklochbohrung (31) zum Aufsetzen auf einen Scharnierdorn (18) ausgestattet. Zum anderen könnte die WC-Gelenkanordnung nach D2 den Fachmann allenfalls dazu anregen, die Basisplatte des WC-Gelenks nach D1 mit Sacklochbohrungen für Scharnierdorne zu versehen und durch diese Maßnahme die Verschraubung gegen eine leichter handhabbare Steckverbindung auszutauschen. Eine Maßnahme hingegen, die - wie von der Klägerin und der Nebenintervenientin vorgetragen - mit einer Sacklochbohrung an dem Endstück (5‘‘) ansetzt, um so eine Verbindung zu einem Scharnierdorn nach dem Vorbild der D2 herzustellen, würde weit außerhalb des Griffbereichs des Durchschnittsfachmanns liegen, denn zum einen müsste hierzu die tragende Unterkonstruktion, bestehend aus Basisplatte (10) und Anschlagschultern (22) auf beiden Seiten des Adapterstücks (5‘‘, 20) fort gelassen werden, was für sich genommen schon eine Mehrzahl von durch den Stand der Technik nicht nahe gelegte Schritte erfordert. Zum anderen müsste die beidseitige Lagerung und Lastableitung des Adapterstücks (5‘‘, 20) nach der D1 dahingehend berücksichtigt werden, dass das Endstück (5‘‘) und das Endstück (20), also der Federhalter des Adapterstücks, jeweils mit einer radialen - als solche durch die D2 nicht vorgegebenen - Sacklochbohrung versehen werden. Diese Maßnahme wäre auf Seiten des Endstücks (5‘‘), welches aus Vollmaterial gefertigt ist, in technischer Hinsicht zumindest noch denkbar, während dies im Fall des hohlzylindrisch ausgeführten Federhalters (20), der die drehbare Welle (19) in sich trägt (vgl. Fig. 13), technisch schon nicht mehr realisierbar wäre. Hinzu kommt, dass nach Durchführung aller dieser Maßnahmen das Adapterstück - anders als beim Gegenstand nach dem erteilten Patentanspruch 1 - dann an zwei Sacklochbohrungen und damit über zwei Punkte auf Scharnierdornen zu lagern wäre.
Somit konnte der Fachmann, ausgehend vom Stand der Technik nach D1, auch unter Hinzuziehung der Merkmale der D2 keine Anregungen erhalten, um in naheliegender Weise zum Gegenstand des Streitpatents nach Anspruch 1 zu gelangen, insbesondere im Hinblick auf Merkmal M8b.
bb) Dasselbe gilt sinngemäß auch beim Stand der Technik nach D1, wiederum als Ausgangspunkt, und der Hinzuziehung des Standes der Technik nach der DE 697 22 577 T2 (D15) bzw. EP 0 853 916 A1 (D15a). Zwar lehrt die D15/D15a eine radiale Bohrung in ein rohrförmiges Querteil (11) zur Aufnahme des Kopfes (7) eines Scharnierstiftes (1), welche insoweit auch an der in Merkmal M8b des Patentanspruchs 1 angegebenen Richtung, also radial, ansetzt, jedoch keine Sacklochbohrung bilden kann, weil sie in dem Hohlraum des rohrförmigen Körpers endet. Auch eine Übernahme dieser Lehre nach D15/D15a würde den Fachmann aber ungeachtet dessen hinsichtlich der beidseitigen Lastableitung des WC-Gelenks nach der D1 vor genau die Fragen stellen, die bereits für eine zusammenschauende Betrachtung von D1 mit D2 beschrieben worden sind, nämlich ob und in wie weit die in D1 beschriebene und dargestellte Unterkonstruktion bestehend aus zwei Anschlagschultern und einer Basisplatte fortgelassen werden kann und wie mit der beidseitigen Lastableitung am Adapterstück nach der D1 zu verfahren ist.
Nach alledem konnte auch eine Zusammenschau der technischen Lehren nach D1 und D15/D15a einen Fachmann nicht in nahe liegender Weise zum Gegenstand des Streitpatents nach Anspruch 1 führen.
b) Auch die US 5 901 383 A (D3) kann als Ausgangspunkt der Problemlösung den Fachmann, selbst unter Berücksichtigung seines Fachwissens, nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Streitpatents führen. Zwar mag das in Fig. 16 der D3 detailliert dargestellte Teil mit der Bezugsziffer 262, welches die Abstützung des WC-Sitzgelenks bewirkt und mit der Dämpfungseinrichtung (300) drehfest verbunden ist (Merkmal M5b) und zusammen mit dieser die Schwenkachse für den Deckel oder den Sitz bildet (Merkmal M7b) als Adapterstück im patentgemäßen Sinne aufzufassen sein. Jedoch befindet sich dieses Bauteil nicht in der Nähe der WC-Keramik, sondern ist von dem Toilettenschüsselkörper (202) durch einen großen und weiträumigen Gehäusekörper (214) mit einer senkrechten Wand (256) darauf, aus der dieses Bauteil über einen Rücksprung (252) über einen weiteren flacheren Teil des Gehäusekörpers (214) hinaus ragt, getrennt, wie in Fig. 9 insgesamt zu erkennen ist. Das Bauteil (262) weist darüber hinaus keinen etwa zylindrischen Grundkörper auf, wie z. B. in den Fig. 11 und 17 bis 19 erkennbar ist. Eine radiale Sacklochbohrung zum Aufsetzen auf einen Scharnierdorn einer WC-Keramik ist ebenfalls nicht vorgesehen und ist bei dieser von einer weitläufigen Gehäuseunterkonstruktion (214) getragenen Gelenkmechanik auch nicht erforderlich. Somit vermag der Stand der Technik nach D3 für sich betrachtet dem maßgeblichen Fachmann keinerlei Anregungen im Hinblick auf Merkmal M8b des erteilten Patentanspruchs 1 zu vermitteln, denn das Adapterstück nach D3 bedarf keiner Halterung in einem Scharnierdorn einer WC-Keramik, weil es von einer umfangreichen Gehäusestruktur getragen wird.
Sofern der Fachmann die in D3 dargestellte und beschriebene Konstruktion eines WC-Sitzgelenks und dessen Befestigung an einer WC-Keramik vereinfachen wollte, würde er, angeregt durch die bekannten einfachen Lösungen zur Verbindung von WC-Sitzgelenk und Keramikgrundkörper gemäß der D2 bzw. der D15/D15a, möglicherweise die dort beschriebene Verbindung über einen Scharnierdorn über Bohrungen an der Unterseite der Gehäusestruktur (214) der D3 verwirklichen. Somit würde aber auch die Hinzuziehung des Standes der Technik nach D2 bzw. D15/D15a allenfalls zu einer anderen als in Merkmal M8b beschriebenen konstruktiven Lösung führen.
An einer Befestigung des Adapterstücks gemäß der D3 direkt auf einem Scharnierdorn, wie in D2 bzw. D15/D15a für einfache WC-Gelenke ohne Dämpfungseinrichtung vorbeschrieben, wäre der Fachmann indes bereits durch eine dann notwendige umfangreiche Umkonstruktion der gesamten Gelenkanordnung unter Weglassen der komplexen Gehäusestruktur der D3, welche u. a. auch das Adapterstück trägt, gehindert. Selbst wenn der Fachmann überhaupt eine Kombination der Lehren nach D3 und D2 bzw. D15/D15a in Erwägung ziehen würde, wären auch in diesem Falle zu viele in naheliegender Weise - und zudem nicht angeregte - Schritte erforderlich, um auf der Grundlage dieses Standes der Technik zu einer technischen Maßnahme wie in Merkmal M8b beschrieben, zu gelangen. Somit kann selbst eine Kombination, ausgehend von der D3 in Verbindung mit der D2 oder der D15/D15a den Fachmann nicht zum Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents führen.
c) Die übrigen im Zuge des Verfahrens in Betracht gezogenen Druckschriften, die von der Klägerin bzw. der Nebenintervenientin auch in der mündlichen Verhandlung nicht aufgegriffen worden sind, liegen - wie bereits im qualifizierten Hinweis ausgeführt - weiter ab vom Gegenstand des Streitpatents und stehen deshalb dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 ebenfalls nicht patenthindernd entgegen. Dies gilt auch für eine fachmännische Zusammenschau des Standes der Technik nach D1 bzw. D3, jeweils mit D4, denn auch eine derartige Zusammenschau kann zumindest nicht zu einem Gegenstand mit dem Merkmal M8b führen. Die beanspruchte Lehre war auch nicht durch fachübliche Erwägungen ohne weiteres auffindbar, sondern bedurfte darüber hinaus gehender Gedanken und Überlegungen, die auf erfinderische Tätigkeit schließen lassen.
Der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung hat daher Bestand.
3. Die ebenfalls angegriffenen Unteransprüche 2, 3, 5, 6 und 8 bis 10, die Ausgestaltungen der Erfindung nach Patentanspruch 1 enthalten, werden vom bestandsfähigen Hauptanspruch getragen, ohne dass es hierzu weiterer Feststellungen bedurfte (BPatG, Urt. v. 17.5.1994, 3 Ni 25/93 - BPatGE 34, 215).
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 Abs. 2 S. 2 PatG i. V. m. §§ 91 Abs. 1 S. 1, 101 Abs. 2, 100 Abs. 1 ZPO. Die Nebenintervenientin gilt als Streitgenossin der Klägerin i. S. v. § 69 ZPO (BGH, Urt. v. 16.10.2007, X ZR 226/02 - GRUR 2008, 60 - Sammelhefter II) und haftet deshalb für die Kostenerstattung. Die Entschei-dung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG, § 709 ZPO.