Entscheidungsdatum: 11.03.2019
Polymerschaum III
1. Sind die Merkmale eines Patentanspruchs im Hinblick auf die Festlegung seines geschützten Gegenstands weit gefasst, so berührt dies nicht die Frage der „Klarheit“ oder der „Ausführbarkeit“ der Lehre, sondern nur die Breite des geschützten Patentgegenstands, der danach zwar einen entsprechend weiten Schutzumfang genießt, jedoch andererseits auch insoweit nur eine eingeschränkte Abgrenzbarkeit zum Stand der Technik leistet – hier die product-by-process-Merkmale eines Polymerschaums mit darin enthaltenen im Zuge des Verfahrens expandierten polymeren Mikrokugeln im Hinblick auf nicht festgelegte Messmethoden und -parameter, die Wahl üblicher Extrusionsparameter sowie Auswahl der Qualitäten der Mikrokugeln.
2. Die Frage der Identifizierbarkeit der Lehre kann für erteilte Patente und damit im Patentnichtigkeitsverfahren dann von Bedeutung sein, wenn ihr Fehlen der ausführbaren Offenbarung der Erfindung entgegensteht, was auch der Fall sein kann, wenn nicht die Nacharbeitbarkeit der zutreffend ausgelegten Lehre als solche in Frage steht, sondern sich die fehlende Ausführbarkeit der Lehre daraus ergibt, dass z. B. der Umfang des erfindungsgegenständlichen Patentgegenstands und damit auch der Schutzumfang oder die Abgrenzbarkeit der Lehre vom Stand der Technik nicht festzustellen ist und sich deshalb die Lehre als nicht ausführbar erweist – hier zur Frage der Feststellbarkeit der anspruchsgemäßen product-by-process-Merkmale anhand mikroskopischer Parameter für die expandierbaren polymeren Mikrokugeln („most of“ und „mostly“) als Frage der Ausführbarkeit (im Anschluss an BGH GRUR 2009, 749 – Sicherheitssystem).
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 2 500 375
(DE 699 45 390)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2018 durch den Vorsitzenden Richter Engels, den Richter Dipl.-Chem. Dr. Egerer, die Richterin Kopacek sowie die Richter Dipl.- Chem. Dr. Wismeth und Dipl.-Chem. Dr. Freudenreich für
Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 2 500 375 wird für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 2 500 375, deutsches Aktenzeichen DE 699 45 390 (Streit- bzw. Klagepatent), das am 30. Juli 1999 angemeldet worden ist. Das Streitpatent trägt in der Verfahrenssprache Englisch die Bezeichnung „ARTICLES THAT INCLUDE A POLYMER FOAM AND METHOD FOR PREPARING SAME“ und betrifft Artikel mit einem Polymerschaum und ein Herstellungsverfahren dafür.
Das Streitpatent beruht auf der europäischen Patentanmeldung EP 2 500 375 mit der Anmeldenummer 12156739.0, die als Teilanmeldung EP 2 500 375 A2 aus der Teilung der ursprünglichen europäischen Patentanmeldung, der Stammanmeldung mit Anm. Nr. 99937685.8 neben einer weiteren Teilanmeldung EP 1 471 105 A2 mit der Anm. Nr. 04016306.5 hervorgegangen ist. Mit rechtskräftigem Urteil des 3. Senats des BPatG vom 26. März 2013, Az. 3 Ni 28/09 (EU), welches der Senat informationshalber beigezogen hat, ist das aus der Stammanmeldung hervorgegangene Patent EP 1 102 809, das die Beklagte auch in beschränkter Fassung verteidigt hatte, mangels Patentfähigkeit für nichtig erklärt worden. Der Bundesgerichtshof hat dies im Berufungsverfahren mit der Entscheidung „Polymerschaum II“ (GRUR 2015, 868) im Ergebnis bestätigt.
Das Streitpatent nimmt die Priorität der US-amerikanischen Patentanmeldung US 127774 vom 31. Juli 1998 in Anspruch. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 19. September 2012, die der Patenterteilung am 19. August 2015. Ein von Seiten der Klägerin beim Europäischen Patentamt gegen das Patent mit Schriftsatz vom 10. Februar 2016 eingelegter Einspruch wurde am 12. Juli 2016 zurückgenommen und das Einspruchsverfahren am 19. Januar 2017 durch das Europäische Patentamt eingestellt.
Das Streitpatent umfasst sieben Patentansprüche mit den auf einen Polymerschaum, einen diesen enthaltenden Gegenstand und auf ein Verfahren zur Herstellung des Polymerschaums gerichteten unabhängigen Patentansprüchen 1, 5 und 7. Die in vollem Umfang angegriffenen Patentansprüche 1 bis 7 haben in der maßgeblichen englischen Verfahrenssprache den folgenden Wortlaut:
Die Klägerin hat in der Klageschrift geltend gemacht, dass der Gegenstand des Klagepatents nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a und Art. 56, 57 EPÜ wegen mangelnder Patentfähigkeit, insbesondere wegen fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit, für nichtig zu erklären sei. Im weiteren Verlauf des Nichtigkeitsverfahrens hat sie ferner nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG geltend gemacht, dass das Streitpatent wegen unzulässiger Änderung des Inhalts der früheren Anmeldung, der Stammanmeldung WO 00/06637 vom 30. Juli 1999, für nichtig zu erklären sei.
Die Klägerin stützt die Nichtigkeitsklage auf folgende Dokumente (übernommen wird die Nummerierung der Entgegenhaltungen aus dem Nichtigkeitsverfahren das Stammpatent betreffend):
E01 DE 195 31 631 A1
E02 ELFVING, Klas: Foaming Plastics With Expancel Microspheres. In: Rapra Technology Ltd. Blowing Agent Systems: Formulations and Processing, A One-Day Seminar, Shawbury, Shrewsbury, Shropshire, UK, 19. Februar 1998, 1 S. Deckblatt, Paper 9, S. 1-5
E03 ELFVING, Klas: Expancel Microspheres In Thermoplastics. In: Technical Bulletin no 24, Sundsvall, 18. November 1996, 2 S. Deck- und Rückblatt, S. 2 und 4
E04 WO 96/11226 A2
E05 JP H10-152575 A (engl. Übersetzung)
E06 US 4 843 104
E07 US 4 513 106
E11’ JP 08-012888 A (dt. Übersetzung)
E17 EP 0 692 516 A1
E18 US 5 100 728 A
E19 WO 97/47681 A2
G5 O…, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Gutachten zur Vorlage beim Bundesgerichtshof, 23. März 2012, 32 S. und Anlage (84 S.)
G6 …, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Gutachten für die 3… GmbH, 8. Mai 2012, 1 S. Deckblatt und 13 S.
G8 O…, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Gutachten zur Vorlage beim Bundesgerichtshof, 21. Juni 2012, 22 S. und Anlage (49 S.)
-- LG D…, AZ … vom 21. Juli 2017
-- LG D…, AZ … vom 18. August 2017
-- OLG D…, AZ … vom 7. September 2017
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass das Streitpatent sowohl in der Fassung des neuen Hauptantrags als auch in den jeweiligen Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 3 für nichtig zu erklären sei.
Sie erachtet den Inhalt der Anmeldung wegen des Merkmals „measure“ im erteilten Patentanspruch 1 als unzulässig erweitert. Darüber hinaus erachtet sie das Merkmal P.3.3/V.3.3 („wherein most of the expandable polymeric microspheres are at least partially expanded before the polymer composition exits the die“) als unklar, da eine mikroskopische Überprüfung der Parameter nicht möglich sei und aus der „makroskopischen“ Dichtereduzierung nicht auf das beanspruchte, sich in den beiden Variablen widerspiegelnde „mikroskopische“ Verhalten geschlossen werden könne.
Im Hinblick auf die von ihr geltend gemachte fehlende Ausführbarkeit vertritt die Klägerin die Ansicht, dass das Merkmal P.3.3/V3.3 nicht nacharbeitbar sei, da keine Messmethode für die Feststellung der Erfüllung des Merkmals vorliege. Weil die Herstellung polymerer Mikrokugeln nur mit einer erheblichen Streuung der Kugelgrößen möglich sei, könne schon wegen der Größenverteilung weder die Mindestanzahl bereits expandierter Teilchen (wegen des Merkmals „most of...“) noch die Bestimmung des geforderten minimalen Expansionsgrads (wegen des Merkmals „mostly expanded“) definiert erfolgen.
Den Neuheitsangriff wegen fehlender Patentfähigkeit stützt die Klägerin auf E01 bis E07, E11´ sowie E17 bis E19. Sie führt aus, die Schrift E01 sei neuheitsschädlich; dies habe auch der 3. Senat in seinem Urteil vom 26. Februar 2013 angenommen. Der BGH sei dieser Beurteilung lediglich wegen des Merkmals „molten polymer composition“ der Merkmalsanalyse nicht gefolgt, das aber nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens sei. Der BGH habe weiterhin die Lehre des Patentanspruchs 1 mit den Merkmalen 1 bis 6 des Stammpatents durch eine Kombination von E01 und E18 als nahegelegt angesehen. Diese Betrachtung gelte auch für die Merkmale der Patentansprüche 3 und 4. Die Entgegenhaltung E02 nehme ebenfalls alle Patentansprüche 1 bis 7 des Streitpatents neuheitsschädlich vorweg. Die Veröffentlichung der Firmenschrift sei von der Beklagten in einem früheren Nichtigkeitsverfahren gegen das erteilte Stammpatent 1 102 809 nicht bestritten worden. Der Vortrag auf dem Seminar und der veröffentlichte Artikel befassten sich mit der Verwendung von Expancel Mikrokugeln aus thermoplastischem Kunststoff, die gemischt mit thermoplastischen Polymeren durch Extrusion oder Spritzgießen verarbeitet würden. E04 offenbare die Herstellung eines thermoplastischen Materials mit einer verringerten Dichte durch die Zuführung von expandierbaren Mikrokugeln, die während der Extrusion (während des Schmelzmischens) bei einer solchen Temperatur für eine solche Einwirkzeit gehalten würden, dass der Expansionsprozess der Mischung während des Extrusionsschritts gestartet werde. E04 nehme damit die Patentansprüche 1, 2, 5 und 7 neuheitsschädlich vorweg. E05 offenbare ein geschäumtes Erzeugnis, bei dem die Schäumung mittels thermisch expandierbarer Mikrokapseln erfolge (Abs. [0008]). Die Mikrokapseln expandierten, während der thermoplastische Grundstoff schmelze. Die Expansion finde während des Schmelzmischens im Extruder statt. Die E05 weise insbesondere auf die Nachteile einer Expansion nach dem Austritt aus der Düse hin und biete zugleich eine Lösung durch die Verwendung kleiner Kugeln an, womit eine Expansion im Extruder gelehrt werde. Damit seien die Patentansprüche 1 und 2, 5 und 7 neuheitsschädlich vorweggenommen. Die Entgegenhaltung E19 befasse sich mit der Herstellung von Haftklebstoffen, die extrudierbar seien; dazu gehörten auch Acryl-Klebstoffe. Die Lösung der E19 bestehe darin, das Schäumen dieser Materialien durch die Verwendung von expandierbaren Mikrohohlkugeln vorzunehmen. Insbesondere sei in E19 die Expansion der Mikrokugeln vor dem Austritt der Düse gelehrt, wobei nahezu alle Teilchen expandierten und auch das Merkmal P3.3/V3.3 umfasst sei. Diesbezüglich verweist die Klägerin auch auf das Gutachten G1, S. 5. Damit seien alle Merkmale des Patentanspruchs 1 und der übrigen Patentansprüche neuheitsschädlich vorweggenommen.
Das Verfahrensprodukt nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag beruhe nach Ansicht der Klägerin ausgehend von einer der Schriften E18, E19, E05 und E04 sowie E02 als Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Es sei für den Fachmann zumindest naheliegend, Mikrokugeln zu verwenden und diese vollständig im Extruder vor dem Austritt der Polymermischung aus der Düse expandieren zu lassen bzw. eine Nachexpansion nach dem Austritt aus der Düse zu vermeiden, um eine maßgenaue Fertigung und schöne Oberfläche zu erreichen. Als Ausgangspunkt für die Überlegungen des Fachmanns sei die E18 zugrunde zu legen, zu der er auch die E2 im Hinblick auf die expandierbaren Mikrokugeln heranziehen würde. E18 gebe dem Fachmann zusätzliche Hinweise, wie die Zugabe und Mischung materialschonend erfolgen könne. Die mit Merkmal P3.3/V3.3 geforderte Lehre einer Expansion sei für den Fachmann aufgrund seines fachmännischen Wissens nahegelegt gewesen, wobei die Schriften E17, E04 und E05 sowie auch E19 dieses Wissen belegten. Ferner seien E04 und E05 insbesondere in Verbindung mit E02 oder E19 heranzuziehen, um zur Lehre des Streitpatents zu gelangen, da beide das Aufschäumen von Acrylklebstoffen offenbarten; die Freiheit von Urethan- und Urea-Links ergebe sich für den Fachmann naheliegend, wenn er intrinsisch klebende Acrylatklebstoffe verwende.
Die gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 geltend gemachten jeweiligen Fassungen des Streitpatents seien ebenfalls nicht geeignet, eine Patentfähigkeit zu begründen, da die jeweiligen Patentansprüche neuheitsschädlich vorweggenommen, zumindest aber nahegelegt seien.
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 2 500 375 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage abzuweisen soweit das Streitpatent mit dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 11. Juni 2018, verteidigt wird,
hilfsweise in die Fassungen des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 2 zum Merkmal P.3.1 („melt mixing said polymer composition and said plurality of expandable polymeric microspheres under process conditions including temperature, pressure and shear rate, selected to form an expandable extrudable composition“) vor dem Begriff „pressure“ einzufügen den Begriff „measure“, mit der folgenden Vorgabe zur Prüfungsreihenfolge der geltenden Anspruchsfassungen:
1. Zunächst den vollständigen Anspruchssatz nach Hauptantrag,
2. dann den vollständigen Anspruchssatz nach Hilfsantrag 1,
3. Patentanspruch 6 des Hauptantrages,
4. Patentanspruch 4 des Hilfsantrages 1,
5. Hilfsantrag 2,
6. Hilfsantrag 3,
wobei sich die Wiederaufnahme des Merkmals „measure“ immer dem jeweiligen Antrag direkt anschließt, soweit er Patentanspruch 1 umfasst.
Die mit Hauptantrag und den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen der jeweiligen unabhängigen Patentansprüche des Streitpatents lauten wie folgt:
Hauptantrag:
Patentanspruch 1
Patentanspruch 6
Patentanspruch 4
Hilfsantrag 1
Den Merkmalen der Stoff- und Verfahrensansprüche nach Hauptantrag wird jeweils das Merkmal
hinzugefügt. Die Unteransprüche 2 und 3 nach Hauptantrag sind gestrichen und die übrigen Patentansprüche bezüglich Nummer und Rückbezug angepasst.
Hilfsantrag 2
Den Merkmalen der Stoff- und Verfahrensansprüche nach Hilfsantrag 1 wird jeweils das Merkmal
hinzugefügt. Die Unteransprüche entsprechen Hilfsantrag 1.
Hilfsantrag 3
unterscheidet sich von Hilfsantrag 2 durch Streichung der Sachansprüche und weist nur noch einen Verfahrensanspruch auf.
Die Beklagte legt folgende Dokumente vor:
G2 S…, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Gutachten für die 3… GmbH, 8. Januar 2011, 1 S. Deckblatt und 12 S.
-- US 5 695 837 A
G13 S…, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Gutachten für die 3… GmbH, 9. Februar 2018, 1 S. Deckblatt, 25 S.
G14 S…, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Gutachten für die 3… GmbH, 13. Februar 2018, 1 S. Deckblatt, 11 S.
E20 Webster’s Encyclopedic Unabridged Dictionary of the English Language, Gramercy Books, New York, 1989, S. 933 “mostly”. ISBN – 0-517-68781-X
E21 Schrifts. der Beklagten an das Europäische Patentamt
EP… vom 7. Juni 2018 und 22. Juni 2018 betreffend Korrekturantrag nach Regel 140 EPC zu Merkmal „measure“
E22 Polymer Engineering Technologien und Praxis. Eyerer P., Hirth, Th., Elsner, P. [Hrgs.], Springer, 2008, S. 143 zu „Hohle Mikro-Glaskugeln“. ISBN – 978-3-540-72402-5
E23 Die Kunststoffe und ihre Eigenschaften. Domininghaus, Hans, 5. Aufl., Springer, New York, 1998, S. 75 zu „Massive und hohle Mikrokugeln“. ISBN 978-3-662-06664-5
E24 Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 31. Juli 2018 mit Genehmigung der angefragten Korrektur
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und erachtet das Streitpatent in den jeweils verteidigten Fassungen für patentfähig. Die Nichtigkeitsklage sei nicht begründet. Sowohl der neue Hauptantrag als auch die jeweiligen Fassungen gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 erwiesen sich als patentfähig.
Eine unzulässige Erweiterung aufgrund der Verwendung des Begriffs „measure“ sei insbesondere nicht gegeben, weil insoweit ein Veröffentlichungsfehler des DPMA infolge eines Scanfehlers vorgelegen habe. Des Weiteren sei Patentanspruch 1 aufgrund des Merkmals P3.3/V3.3 nicht unklar. Es sei zu betonen, dass der Patentanspruch zwar die technischen Mittel erwähne, mit denen die Expansion hervorgerufen werde, nicht aber eine mikroskopische Festlegung im engeren Sinn lehren wolle oder sich sogar darauf beschränke. Kern der Erfindung sei die Expansion vor dem Austritt aus der Düse. Eine fehlende Ausführbarkeit sei ebenfalls nicht gegeben. Insoweit verweist die Beklagte auf die Entscheidung „Polymerschaum II“ des BGH (Rn. 65).
Soweit die Klägerin die mangelnde Patentfähigkeit des Streitpatents auf die Schriften E01 bis E07, E11´ und E17 bis E19 stütze, könnten diese keine Nichtigkeit des Streitpatents begründen. In der Entscheidung „Polymerschaum II“ habe der BGH nicht die Neuheitsschädlichkeit von E01, E02 und E17 festgestellt. Der BGH stütze seine Entscheidung auf mangelnde erfinderische Tätigkeit des Streitpatents im Hinblick auf den Offenbarungsgehalt von E18 in Kombination mit E02.
E01 sei nicht neuheitsschädlich, auch der BGH habe eine Neuheitsschädlichkeit verneint. E02 enthalte keine Details zum Herstellungsverfahren eines Polymerschaums. Zudem sei der Schrift nicht das erfindungsgemäße Merkmal, dass die meisten der expandierbaren polymeren Mikrokugeln wenigstens teilweise expandiert würden, bevor die Polymerzusammensetzung aus der Düse austrete, zu entnehmen. Soweit die Klägerin E04 offensichtlich so interpretiere, dass eine Expansion der Mikrokugeln während der Schmelzmischens stattfinde, werde der Begriff Extrusion mit Schmelzmischen gleichgesetzt, was nicht richtig sei. E04 und E05 seien nicht neuheitsschädlich, da sie ebenfalls nicht offenbarten, dass die Expansion der meisten Mikrokugeln zumindest teilweise erfolge, bevor die Polymerzusammensetzung die Düse verlasse. Zudem mangele es den Schriften E04 und E05 an einer nacharbeitbaren Offenbarung i. S. v. § 34 Abs. 4 PatG (Art. 83 EPÜ). In E05 sei der Ausgangspunkt ein Treibmittel. Die Schrift lehre nicht, dass die Düse den Schaum forme, auch sei nicht gelehrt, dass die Expansion vor dem Austritt der Polymermischung aus der Düse erfolge. Eine gegenteilige Auffassung stelle eine rückschauende Betrachtung dar. Auch die E18 stehe der Patentfähigkeit des Streitpatents nicht entgegen. Die Extrusionsprozesse der E18 seien mit dem Abdampfen zugesetzten Lösungsmittels verbunden (vgl. E18: Sp. 3 Z. 61 - Sp. 4 Z. 2; Bsp. II). Daraus folge, dass eine Zugabe von expandierbaren Mikrokugeln erst nach dem Abdampfen der Lösungsmittel möglich sei, da das zum Abführen des Lösungsmittels eingesetzte Vakuum die Mikrokugeln zerstöre. Nach dem Abdampfen müssten die expandierbare Mikrokugeln in eine hochviskose Polymermischung (vgl. E18: Sp. 11 Z. 52-66) eingebracht werden. Dies verhindere die Expansion der Mikrokugeln vor dem Austritt aus der Düse und erlaube auch keine homogene Einmischung der kleinen nicht expandierten Mikrokugeln, welche eine lange Mischstrecke voraussetze.
E19 offenbare ebenfalls nicht, das Mischen und Schäumen zusammen in einem Extruder durchzuführen. Die Klägerin kombiniere insoweit unzulässiger Weise einzelne, nicht zusammen offenbarte Merkmale der E19 und wende damit eine Mehrfachauswahl in Kenntnis der Erfindung des Streitpatents an. In E19 sei ein Mehrstufenverfahren offenbart, die erfindungsgemäßen Merkmale, insbesondere dass die Expansion der Polymermischung vor dem Austritt aus der Düse erfolge, sei nicht offenbart und für den Fachmann auch nicht nahegelegt. Insbesondere habe die das Herstellungsverfahren betreffende Passage auf S. 4 Z. 7-20 den Charakter eines Forschungsauftrags. Es sei gleichgültig, welches der dort genannten Formungsverfahren zum Einsatz komme und wann das Erhitzen der Mischung und somit das Expandieren der Mikrokugeln erfolge. Das Expandieren der Mischung vor dem Austritt aus der Düse sei nicht herausgestellt. Auch gehe bei neutraler Bewertung aus der E19 das Merkmal „before the polymer composition exits the die“ (Merkmal P.3.3) nicht hervor und das Mischen im Extruder nach Merkmal P.3.0 sei nicht angegeben. Gutachtlich E01 warne der Stand der Technik vor einer Expansion der Kugeln vor dem Austritt aus der Düse, so dass der Fachmann diese Lehre ohnehin nicht in Betracht ziehe. Weiter gingen aus der E19 auch die patentgemäß mit dem „transfer tubing“ und „der Expansion der Kugeln innerhalb der Düse 14“ (vgl. B1-Schrift: Abs. [0063] und Fig. 7) verwirklichten apparativen Voraussetzungen nicht hervor. Dazu komme, dass auch die Klägerin schriftsätzlich eingeräumt habe, dass eine Temperaturerhöhung der Mikrokugeln enthaltenden Polymermasse über die Expansionstemperatur, keine sofortige Expansion dieser Mikrokugeln nach sich ziehe, sondern, dass diese erst mit Verzögerung auftrete. Bei Anwendung dieser Erkenntnis auf die Passage der E19 sei mit Bestimmtheit davon auszugehen, dass eine Temperaturerhöhung unmittelbar vor der Extrusion aufgrund der Zeitverzögerung der Mikrokugel-Expansion, das erfindungsgemäße Merkmal P.3.3 nicht erfüllen könne.
Ebenso beruhe der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit, denn die Expansion der Mikrokugeln vor dem Austritt aus der Düse biete insbesondere den Vorteil einer einfachen Herstellung von Schäumen mit im wesentlichen glatter Oberfläche und einer besseren Einhaltung von Dichte- und Dicke-Toleranzen. Der zitierte Stand der Technik lege dabei weder das Verfahren noch den damit erhaltenen Polymerschaum nahe. Zwar werde nicht in Abrede gestellt, dass auch E05 sich außer der Aufgabe einer schöneren Oberfläche die weitere Aufgabe einer maßgenauen Fertigung gestellt habe. Es sei aber zu verneinen, dass es für den Fachmann eine naheliegende Anregung gegeben habe, außer zur Lösung, Mikrokugeln zu verwenden, diese auch vor dem Austritt aus der Düse expandieren zu lassen. Allein das Patent lehre erstmals den „Mehrwert“, eine Expansion der Polymermischung vor dem Austritt aus der Düse durchzuführen.
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt allen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2018 verwiesen.
Der Senat hat den Parteien einen frühen qualifizierten Hinweis vom 4. Mai 2018 nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Die Klage ist zulässig. Der Senat sieht die in der nachträglichen Geltendmachung des weiteren Nichtigkeitsgrunds der unzulässigen Änderung des Inhalts der früheren Anmeldung nach Art. II § 6 Nr. 3 IntPatÜG liegende Klageänderung nach § 263 ZPO als sachdienlich und die Klageänderung deshalb als zulässig an.Nachdem das Einspruchsverfahren vor dem EPA am 19. Januar 2017 rechtswirksam eingestellt worden ist und das noch bei Klageerhebung bestehende Zulassungshindernis nach § 81 Abs. 2 Satz 1 PatG entfallen ist, erweist sich die Nichtigkeitsklage als zulässig; maßgebend für den Klageausschluss nach § 81 Abs. 2 Satz 1 PatG ist, da dieser Sachurteilsvoraussetzung ist, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (BGH GRUR 2011, 848 – Mautberechnung; BGH Beschl. vom 13. Januar 2004, X ZR 124/02; Urteil des Senats vom 14. November 2006, 4 Ni 22/05; BPatG Urteil vom 11. November 2012, 2 Ni 31/09).
Die Klage ist auch begründet, da der Gegenstand des Streitpatents im Umfang des geschlossenen Anspruchssatzes nach Hauptantrag gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a) EPÜ nicht patentfähig ist. Soweit das Streitpatent von der Beklagten mit dem Verfahrensanspruch nach Hauptantrag, dem geschlossenen Anspruchssatz nach Hilfsantrag 1, dem Verfahrensanspruch nach Hilfsantrag 1 sowie mit den geschlossenen Anspruchssätzen nach Hilfsanträgen 2 bis 3 verteidigt wird, können auch diese dem Streitpatent nicht zu einem teilweisen Erhalt verhelfen. Deren Gegenstände erweisen sich in gleicher Weise wie der Hauptantrag als nicht patentfähig. Das Streitpatent war somit sowohl in der Fassung nach Hauptantrag als auch in den hilfsweise verteidigten Fassungen für nichtig zu erklären.
I.
1. Das Streitpatent betrifft Polymerschaum enthaltende Erzeugnisse und Verfahren zu deren Herstellung (vgl. B1-Schrift: Abs. [0001]). Solche Polymerschaum enthaltenen Gegenstände waren im Prioritätszeitpunkt des Streitpatents bereits bekannt und fanden Anwendung in unterschiedlichen Bereichen, wie beispielsweise in der Luftfahrt, im Fahrzeugbau, auf medizinischem Gebiet oder als Klebebänder (vgl. B1-Schrift: Abs. [0002], [0076] und zum Stand der Technik E02, S. 2 Tab. 1; E04: S. 11 Z. 13-31; E05: Abs. [0047]; E11‘: Abs. [0008]; E17: Sp. 3 Z. 37-48; E18: Abstract; E19: Titel). Polymerschaum zeichnet sich dadurch aus, dass er eine geringere Dichte aufweist als die in ihm enthaltende Polymermatrix für sich (vgl. B1-Schrift: Abs. [0007]). Eine Verringerung der Dichte wird mit unterschiedlichen Verfahrensweisen erreicht, so durch die Erzeugung von gasgefüllten Hohlräumen in der Matrix (z. B. mit Hilfe eines Treibmittels) oder durch das Zusetzen polymerer Mikrokugeln (z. B. expandierbarer Mikrokugeln) oder nichtpolymerer Mikrokugeln (z. B. gläserner Mikrokugeln). Die Streitpatentschrift verweist in diesem Zusammenhang auf die deutsche Offenlegungsschrift DE 195 31 631 A1 (E01), die ein Verfahren zur Herstellung eines thermoplastischen Polymerschaums mittels Extrusions- oder Spritzgussmaschinen betrifft (vgl. B1-Schrift: Abs. [0003]) und auf die Europäische Patentanmeldung EP 0 692 516 A1 (E17), die einen thermoplastischen Doppelschaum beschreibt, bei dem handelsüblichen Schaumformulierungen ein expandierendes microballonbildendes Schaumkonzentrat beigegeben wird (vgl. B1-Schrift: Abs. [0004] und E17: Patentansprüche 1 und 2).
2. In der Streitpatentschrift wird – ebenso wie im Stammpatent EP 1 102 809 B1 – nicht ausdrücklich angegeben, welches technische Problem das Streitpatent betrifft. Dies ist unschädlich, weil das technische Problem ohnehin aus dem zu entwickeln ist, was die beanspruchte Erfindung tatsächlich gegenüber dem Stand der Technik leistet (BGH GRUR 2010, 607, Tz. 18 – Fettsäurezusammensetzung; BGH GRUR 2010, 602, Tz. 27 – Gelenkanordnung; BGH GRUR 2010, 814 – Fugenglätter), wobei der Stand der Technik sowie Vorteile der Erfindung und Nachteile vorbekannter Lösungen Grundlage für die Formulierung sind (vgl. Schulte PatG § 1 Rdn. 63 und 65, Busse PatG 6. Aufl. § 1 Rdn. 88, 92 bis 94, Benkard PatG 10. Aufl. § 1 Rdn. 55a, 56; § 34 Rdn. 18 bis 20, BGH GRUR 2003, 693 – Hochdruckreiniger sowie BPatG GRUR 2004, 317 – Programmartmitteilungen).
Der Bundesgerichtshof hat das technische Problem zum Stammpatent dahingehend formuliert, ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, bei dem das Aufschäumen mittels expandierbarer Mikrokugeln zuverlässig und ohne Zerstörung der Mikrokugeln möglich ist.
Diesem Ansatz folgend kann die Aufgabe auch aus der Sicht des Senats vorliegend unter Berücksichtigung der Vorteilsschilderung in den Abs. [0005] („… substantially smooth surface.“) und [0065] („… , the resulting extruded foam foam can be produced to within tighter density and thickness (caliper) tolerances.“) der B1-Schrift in der Bereitstellung eines Verfahrens und eines mit diesem Verfahren gewinnbaren Polymerschaums mit glatter Oberfläche gesehen werden, bei dem eine Polymermatrix sowie eine Mehrzahl von Mikrokugeln, darunter expandierbare Mikrokugeln, zuverlässig und zerstörungsfrei unter Einhaltung definierter Bedingungen und innerhalb enger Fertigungstoleranzen für die Erzeugnisse verschäumt werden können. Dabei wird der Fachmann bei der Entwicklung des Verfahrens im Sinne eines bestimmungsgemäßen Gebrauchs stets darauf bedacht sein, die die Schaumbildung ermöglichenden expandierbaren Mikrokugeln möglichst nicht zu zerstören. Allerdings lehrt das Streitpatent zu dieser Problematik keine Maßnahmen.
Die Beklagte geht in Bezug auf die erfindungsgemäße Aufgabe selbst von einer Polymermatrix mit expandierbaren Mikrokugeln aus, wie es der Senat in seiner Aufgabenformulierung auch berücksichtigt hat. Die Aufgabe des Streitpatents sei insbesondere darin zu sehen, die Oberfläche des erhaltenen Polymerschaumes (weiter) zu verbessern.
Zur Lösung dieser technischen Aufgabe gibt das Streitpatent in der Fassung des Hauptantrags ein Erzeugnis, nämlich einen Polymerschaum, gemäß dem unabhängigen Patentanspruch 1 und ein Verfahren zur Herstellung des Erzeugnisses in dem unabhängigen Patentanspruch 6 an. Die Patentansprüche 4 und 5 betreffen einen den Polymerschaum nach Patentansprüchen 1 bis 3 umfassenden Gegenstand.
3. Als zuständigen Fachmann berufen sieht der Senat unverändert wie in der Stammanmeldung einen Diplom-Chemiker der Fachrichtung Makromolekulare Chemie bzw. Polymerchemie oder einen Diplom-Ingenieur der Verfahrenstechnik mit Kenntnissen und mehrjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Kunststofftechnik, insbesondere der Herstellung geschäumter extrudierter Polymermassen und -formteile.
II.
Die jeweiligen zueinander in Nebenordnung stehenden Patentansprüche nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 lassen sich, wo erforderlich, wie folgt gliedern (Änderungen zur B1-Schrift sind nachfolgend durch Kursivdruck gekennzeichnet; mit den hochgestellten Ziffern wird angegeben, ab welchem Hilfsantrag das Merkmal in die Fassung eines Patentanspruchs aufgenommen ist):
1. Hauptantrag:
Patentanspruch 1
Merkmal |
EN |
P |
A polymer foam comprising |
P.1 |
a polymer matrix and |
P.2 |
a plurality of expandable polymeric microspheres |
P.3 |
said polymer foam is obtainable by |
P.3.0 |
providing a polymer composition and a plurality of expandable polymeric microspheres in an extruder |
P.3.1 |
melt mixing said polymer composition and said plurality of expandable polymeric microspheres under process conditions including temperature, pressure and shear rate, selected to form an expandable extrudable composition; |
P.3.2 |
extruding the composition through a die to form a polymer foam; |
P.3.3 |
wherein most of the expandable polymeric microspheres are at least mostly expanded before the polymer composition exits the die |
Patentanspruch 4
-- |
An article comprising the polymer foam according to any of claims 1 to 3 |
Patentanspruch 6
MM |
EN |
V |
A method for preparing a polymer foam according to any of claims 1 to 3 comprising |
V.3.0 |
providing a polymer composition and a plurality of expandable polymeric microspheres in an extruder |
V.3.1 |
melt mixing said polymer composition and said plurality of microspheres, one or more of which is an expandable polymeric microsphere , under process conditions including temperature, pressure and shear rate, selected to form an expandable extrudable composition; |
V.3.2 |
extruding the composition through a die to form a polymer foam; and |
V.3.3 |
at least mostly expanding most of the expandable polymeric microspheres before the polymer composition exits the die. |
2. Hilfsantrag 1
Den Merkmalen P.3.3 und V.3.3 der Stoff- und Verfahrensansprüche nach Hauptantrag wird jeweils das Merkmal
P.3.4 I wherein the polymer foam is an adhesive foam and wherein the polymer
V.3.4 I is an acrylate or methacrylate adhesive polymer or copolymer
hinzugefügt.
3. Hilfsantrag 2
Der Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von Hilfsantrag 2 durch die Streichung der Sachansprüche und weist nur noch einen Verfahrensanspruch auf.
hinzugefügt.
5. Modifizierte Anspruchsfassungen
Gemäß den antragsgemäß und hilfsweise weiter modifizierten Anspruchsfassungen wird das Merkmal des Patentanspruchs 1 nach der B1-Schrift, „measure“, wieder in die Patentansprüche 1 nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 bis 2 aufgenommen. Damit lautet das Merkmal P.3.1 als modifiziertes Merkmal P.3.1 M :
P.3.1 M |
melt mixing said polymer composition and said plurality of expandable polymeric microspheres under process conditions including temperature, measure, pressure and shear rate, selected to form an expandable extrudable composition; |
III.
Die Merkmale der unabhängigen Patentansprüche nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 erfordern eine Auslegung durch den maßgeblichen Fachmann. Dabei unterscheidet sich die vorliegend angegriffene Lehre nur in einigen Merkmalen von derjenigen des aus der Stammanmeldung hervorgegangenen Patents EP 1 102 809 (Stammpatent). Von den im Vergleich zum Stammpatent neu hinzugekommenen Merkmalen ist insbesondere das Verständnis der Merkmale P.3.3/V.3.3 zwischen den Parteien streitig.
1. Merkmale P.3.3 / V.3.3 :
Gemäß den Merkmalen „most of the expandable polymeric microspheres are at least mostly expanded before the polymer composition exits the die“ bzw. „at least mostly expanding most of the expandable polymeric microspheres before the polymer composition exits the die” liegen die meisten („most of“) und damit mehr als die Hälfte der polymeren Mikrokugeln „größtenteils“ expandiert („mostly expanded“) vor, bevor sie aus der Düse austreten.
1.1 Das Streitpatent definiert die Begriffe „most of“ und „mostly“ nicht weiter. Beide Parameter lenken den Fachmann auf eine Betrachtung in einem „mikroskopischen Sinn“. Sein Blick richtet sich dabei aber nicht auf die praktisch nicht zu erfassende einzelne Mikrokugel, sondern auf deren Kollektiv. Danach besagt das Merkmal „most of“ als quantitative Angabe oder Mengenangabe, dass die Mehrzahl der in der Polymermatrix vorhandenen Mikrokugeln in einem beliebigen Umfang expandiert vorliegt. Das Merkmal „mostly expanded“ ist auf den Grad der Expansion gerichtet und bezeichnet eine überwiegende Volumenexpansion der anteilsmäßig angegebenen Mikrokugeln als quantitatives Ergebnis, ohne dabei festzulegen, welche Kugel im Einzelnen in welchem Umfang expandiert vorliegt.
Hierbei seien zunächst die beiden Parameter am Beispiel der polymeren Expancel-Mikrokugeln näher erläutert (vgl. E02: S. 1 Fig. 1 und E19: S. 8 Z. 20-29): Nicht expandierte Expancel-Mikrokugeln weisen einen durchschnittlichen Durchmesser von etwa 10 µm (genauer 12 µm) auf, (voll)expandierte Mikrokugeln einen durchschnittlichen Durchmesser von 40 µm, wonach sich, wie in E19 dargelegt, nach der Expansion ein Volumenzuwachs von 43 = 64fach errechnet. Das Kollektiv der Mikrokugeln beansprucht in expandierter Form mit seinem größeren Volumen mehr Platz, weist aber kaum Gewicht auf, was je nach Matrix (Polymer, Flüssigkeit etc.), in welcher die Mikrokugeln vorliegen, zu einer Dichtereduktion im „makroskopischen Sinn“ führt.
Liegen beispielsweise nach der Expansion im Extruder entgegen dem Merkmal „most of“ nur 40 % von 100 Mikrokugeln vollständig expandiert und der verbleibende Rest im Wesentlichen unverändert vor, ergibt sich ein Volumenzuwachs von 40*64 = 2560 statt 6400 (100*64) bei voller Expansion. Derselbe Volumenzuwachs ergibt sich rechnerisch, wenn 80 % der Mikrokugeln („most of“) nur auf den 3,175 fachen Wert des ursprünglichen Durchmessers expandiert werden, (80*3,1753 = 2560). Der erste Fall erfüllt nicht die Vorgabe nach den Merkmalen P.3.3/V.3.3, der zweite hingegen sehr wohl, da die meisten Mikrokugeln expandiert vorliegen.
1.2 Auf Basis einer derart gebotenen Betrachtung im „mikroskopischen Sinn“ unter Beachtung des sich im „makroskopischen“ Sinn ergebenden Volumenzuwachses mit resultierender Dichtereduktion, die für sich betrachtet aber keine Abgrenzung der beiden Parameter voneinander erlaubt, erweist sich der Einwand der Klägerin fehlender „Klarheit“ der Lehre als unbegründet, da die technische Lehre einen eindeutigen technischen Inhalt vermittelt. Wie ausgeführt, wird in einer Polymermatrix durch die Expansion der Mikrokugeln auch eine Reduktion der Dichte erzielt. Diese im Ergebnis erzielte Dichtereduktion ist allerdings – abweichend zum anspruchsgemäß maßgeblichen Volumenzuwachs – nicht beansprucht und stellt sich, den Wechselwirkungen von polymeren Mikrokugeln, Polymermatrix, Zusatzstoffen und Verarbeitungsparametern (z.B. partielle Zerstörung der Mikrokugeln) geschuldet, in nicht stets mit dem eingesetzten Kollektiv an polymeren Mikrokugeln korrelierbaren Umfang ein.
Das angeführte Rechenbeispiel spiegelt das Geschehen bei der Expansion von polymeren Mikrokugeln nur in idealisierter Form wider. Auch wenn es sich nur um eine Art gleich zusammengesetzter polymerer Mikrokugeln handelt, können und werden sie bei unterschiedlichen Verfahrensbedingungen verschieden reagieren. Dabei kann ein nur geringer Teil, ein überwiegender Teil oder nahezu die Gesamtzahl der Mikrokugeln expandiert werden. Selbstverständlich sind sämtliche Übergangsstufen möglich. Was den Grad der Expansion der einzelnen Mikrokugeln anbelangt, kann die Expansion teilweise bis hin zu größtenteils gleichermaßen mit allen Übergangsstufen erfolgen. Da schon die einzelnen Kugeln eines Typs (eine Charge) polymerer Mikrokugeln produktionsbedingt einen unterschiedlichen Aufbau (Größe, Wanddicke, Durchmesser etc.) aufweisen, kann dies bei sonst gleichen Bedingungen während des Schmelzmischens und/oder Extrusion zu einem je nach Art der Mikrokugeln abweichenden Expansionsverhalten führen. Dies gilt umso mehr für Gemische polymerer Mikrokugeln unterschiedlichen Typs.
Es trifft deshalb nicht zu, dass die Merkmale P.3.3/V.3.3 „unklar“ seien, weil eine mikroskopische Überprüfung der Parameter nicht möglich sei und aus der „makroskopischen“ Dichtereduzierung nicht auf das beanspruchte, sich in den beiden Variablen widerspiegelnde „mikroskopische“ Verhalten geschlossen werden könne. Soweit die Klägerin in Wahrheit auf die Überprüfbarkeit und Identifizierbarkeit der Lehre abgestellt hat und ihre Ausführbarkeit anspricht, wird hierzu an späterer Stelle Stellung genommen.
1.3 Auch der von der Beklagten vertretenen Ansicht kann nicht gefolgt werden. Die Beklagte sieht in der Expansion der Mikrokugeln vor dem Austritt aus der Düse den Kern der Erfindung, der sich im Stand der Technik nicht beschrieben finde, möchte aber mit diesen Merkmalen keine mikroskopische Betrachtung und auch keine sich aus der B1-Schrift erschließende Betrachtung singulärer Mikrokugeln verbunden sehen (vgl. dazu B1-Schrift: Patentanspruch 7 „… , one or more of which is an expandable polymeric microsphere, …“; Unterstreichung hinzugefügt), sondern, ohne numerische Werte, lediglich die Steuerung der mehr oder weniger starken Expansion der Mikrokugeln vor dem Austritt aus der Düse verstanden wissen, die erfindungsgemäß zu einer makroskopisch beobachtbaren und messbaren Dichtereduktion beim extrudierten Produkt führt.
Dieser offenen Auslegung kann nicht gefolgt werden, da sie den Wortlaut des Patentanspruchs außer Acht lässt und auch im Widerspruch zum eigenen Verständnis der Beklagten von der Bedeutung des Zusammenspiels des Merkmals P.3.3/V.3.3 und des „product-by-process“-Merkmals P.3 steht, wonach diese Lehre sich gerade in den Produkteigenschaften niederschlagen soll und sie als unterscheidendes Merkmal zum Stand der Technik abgrenzt (vgl. unten, III. 2.). Denn dann würde den beiden Parametern „most“ und „mostly“ im Merkmal P.3.3/V.3.3 keine differenzierende technische Bedeutung zukommen und sich die Lehre in einem makroskopischen Volumenzuwachs und nachfolgenden Dichtereduktion erschöpfen.
Auch der Einwand der Beklagten, das oben ausgeführte und in der Verhandlung diskutierte Beispiel, wonach nur 40 % der polymeren Mikrokugeln voll expandiert vorlägen und zur selben Dichtereduktion im „makroskopischen“ Sinn führten wie eine Dichtereduktion der Mehrzahl der polymeren Mikrokugeln, gehe an der Praxis vorbei, in der so ein Fall nicht auftrete, vermag nicht zu überzeugen. Gerade beim Einsatz unterschiedlicher Qualitäten von polymeren Mikrokugeln können sich die Expansionstemperaturen von zwei Qualitäten signifikant voneinander unterscheiden (vgl. E02: S. 2 Fig. 4), so dass nach Bedarf ein Teil der polymeren Mikrokugeln den Extruder im Wesentlichen nicht expandiert durchläuft (vgl. B1-Schrift: insb. Abs. [0016] und Abs. [0032]-[0034]; „foam-in-place“ articles).
Neben dem Vorliegen nicht expandierter Kugeln nach dem Durchgang durch den Extruder kann der extrudierte Polymerschaum zudem einen beliebigen Anteil nicht expandierbarer polymerer Mikrokugeln aufweisen (vgl. B1-Schrift: Abs. [0012], [0020], [0026]) und folglich auch beispielsweise kommerziell erhältliche expandierte polymere Mikrokugeln, die nicht von Mikrokugeln zu unterscheiden sind, welche im Extruder weitgehend expandiert wurden.
1.4 Aus dem Wortsinn des Merkmals „at least mostly expanding most of the expandable polymeric microspheres” ergibt sich folglich insbesondere in den Grenzbereichen keine exakte Vorgabe für Anteil und Umfang der Expansion. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine mikroskopische Betrachtung völlig vernachlässigt werden kann, wie die Beklagte meint.
Es erfolgt, vereinfacht ausgedrückt, eine merkliche Expansion des Polymerschaums vor dem Austritt aus der Düse und zwar in einem größeren Umfang als es der das Fachwissen dokumentierende und in der B1-Schrift mit E01 zitierte Stand der Technik bei der beginnenden Expansion in Gegenwart noch nicht geschmolzener Partikel in der Aufschmelzzone umschreibt (vgl. E01: Sp. 3 Z. 3-13, 25-29). Auch die E02 spricht davon, dass zur Schäumung von Polymeren vorgesehene Mikrokugeln im Extruderzylinder bei der Extrusion zu expandieren beginnen (vgl. E02: S. 3 li. Sp. Abs. 2 unter „EXTRUSION“). Ob diese Expansion dann zu einer Dichtereduktion im gebildeten Polymerschaum von rechnerisch 25 % der maximal zu erzielenden Dichtereduktion führt, wie es die Klägerin auf Basis der numerischen Angaben ausführt und wie mangels weiterer Angaben im Streitpatent als Untergrenze anzusetzen ist, oder zu 50 %, wie es die Beklagte annimmt, ist für die Bewertung der beanspruchten Gegenstände gegenüber dem ausgewiesenen Stand der Technik ohne Belang, wie noch gezeigt wird.
2. „product-by-process“ ( P.3 ; P.3.0 )
Mit der Formulierung „ obtainable by…“ des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag durch „product-by-process“-Merkmale ist keine Festlegung auf die Einhaltung dieses Verfahrens zur Herstellung des Produkts verbunden, da derartige „product-by-process“-Merkmale regelmäßig lediglich der Definition des Erzeugnisses dienen, aber nicht selbst Gegenstand der geschützten Lehre sind (vgl. BGH Urteil vom 8. Juni 2010, X ZR 71/08 – Substanz aus Kernen oder Nüssen; GRUR 1992, 375 – Tablettensprengmittel), was vorliegend zudem durch die Formulierung „obtainable by…“ deutlich gemacht wird. Die Merkmale umschreiben vielmehr nur diejenigen körperlichen oder funktionellen Eigenschaften des Erfindungsgegenstandes, die sich aus der Anwendung des Verfahrens bei seiner Herstellung ergeben, so dass das Erzeugnis selbst - unabhängig von seinem Herstellungsweg - die Voraussetzungen der Patentierbarkeit erfüllen muss (BGH GRUR 2001, 1129 – Zipfelfreies Stahlband; GRUR 1993, 651, 655 – tetraploide Kamille; Meier-Beck GRUR 2011, 857, 864; BGH GRUR 1972, 80 – Trioxan).
Die nach den Patentansprüchen 1 und 6 gemäß Hauptantrag das Produkt oder das als Weiterverarbeitungsprodukt dienende Zwischenprodukt bereit stellenden Verfahrensschritte umfassen das Bereitstellen einer zur Ausbildung der Polymermatrix geeigneten Polymerzusammensetzung nebst Zusatzstoffen und die Bereitstellung geeignet expandierbarer polymerer Mikrokugeln, das nun an einen Extruder gebundene Schmelzmischen dieser bereitgestellten Edukte oder Eduktgemische (Merkmal P.3.0) sowie die Extrusion der erhaltenen expandierbaren und extrudierbaren (Gesamt)Zusammensetzung durch eine Extruderdüse unter Ausbildung eines Polymerschaums, bei dem die meisten der expandierbaren, polymeren Mikrokugeln zumindest größtenteils expandiert sind, bevor die Polymerzusammensetzung die Düse verlässt.
Der Wortlaut des Patentanspruchs 1 sieht weder vor, dass alle Mikrokugeln expandiert sind, noch, dass sie vollständig expandiert sind. Eine auch zeitlich beliebige weitere Expansion des Polymerschaums nach dem Durchtritt des Produktes durch die Düse ist somit möglich und auch gewünscht (vgl. B1-Schrift: Abs. [0016]: „… foam-in-place article. … further activate, the expandable microspheres or blowing agent.“).
Dem steht nicht entgegen, dass gemäß einigen Varianten dieser Vorgehensweise die Expansion der Mikrokugeln im Extruder weitgehend unterbunden wird (vgl. B1-Schrift: Abs. [0034], [0068]; „… expansion of the microspheres is minimized or suppressed.“, „… expansion does not occur to any appreciable extent.“).
Für das Verfahrensprodukt ist es unerheblich, ob das Mischen der expandierbaren polymeren Mikrokugeln mit den Bestandteilen der Polymermatrix in einem separaten Mischgefäß oder in einem Extruder stattfindet (Merkmal P.3.0). Beim Mischen kommt es lediglich auf eine homogene Verteilung der Mikrokugeln an, die nachfolgend im Extruder vor dem Austritt aus der Düse expandiert werden. Das Streitpatent trifft keine speziellen Vorkehrungen oder macht Angaben, die mit diesem Verfahrensschritt evtl. verbundene Eigenschaften des Polymerschaums in räumlich-körperlicher Hinsicht, im Sinne der Beschaffenheit, struktureller oder sonstiger Eigenschaften, feststellbar machen. Auch die Beklagte, die den Mischvorgang im Extruder zwar als erfindungswesentlichen Schritt wertet, hat nichts dazu ausgeführt, wie dieser Schritt zu Unterschieden in den Produkteigenschaften führen könnte. Vorliegend ist somit weder erkennbar noch plausibel, dass die Art der Mischvorrichtung zu nachweisbaren Unterschieden in der Verteilung der Mikrokugeln oder in den sonstigen Produkteigenschaften führt. Mithin spielt dieser Verfahrensschritt nur für die Bewertung des Verfahrens nach Patentanspruch 6, nicht aber für die Produkteigenschaften des verfahrensgemäß erhaltenen beanspruchten Polymerschaums eine Rolle.
Soweit die Beklagte die Sichtweise vertritt, dass sich aus dem Zusammenspiel des Merkmals P.3.3 und des „product-by-process“-Merkmals P.3 ein unterscheidendes Merkmal zum Stand der Technik ergebe, welches sich in den Produkteigenschaften niederschlage, kann dem nicht gefolgt werden. Die Beklagte führt zur Begründung ihrer Auffassung eine Passage der B1-Schrift an (vgl. B1-Schrift: Abs. [0022], Z. 46-49), wonach die polymeren Mikrokugeln vor dem Verlassen der Düse expandiert werden, was zu verbesserten Toleranzen im Schaumerzeugnis führe (vgl. die gegenteilige Aussage in E02, S. 3, li. Sp. Abs. 2 unter „EXTRUSION“ und re. Sp. Fig. 5 und Abs. 1 darunter, wonach die Kugeln im Extruder zu expandieren beginnen, wegen der Nachexpansion nach Durchtritt durch die Düse aber grobe Schaumstrukturen erhalten werden). Die Beklagte führt aus, dass grobe Oberflächenstrukturen durch die nivellierende Wirkung der Düse unterdrückt würden.
Der angeführten Passage der B1-Schrift ist zu entnehmen, dass schon eine beliebige Expansion der Mehrzahl der polymeren Mikrokugeln im Extruder zu den geltend gemachten fertigungstechnischen Toleranzen führt. Was das Merkmal „mostly expanded“ anbelangt, findet sich dort im Zusammenhang mit dem in Z. 47 genannten Ausdruck „at least partially expanded“ kein unmittelbar ersichtlicher Zusammenhang mit den Produkteigenschaften. Wenn die Beklagte dazu ausführt, dass sich die erfindungsgemäßen Eigenschaften des gebildeten Polymerschaums auch bei nicht ausgeschöpftem Expansionsvermögen der polymeren expandierbaren Mikrokugeln einstellen, ist diese Erkenntnis aus technischer Sicht als trivial zu bewerten.
Nach technischem Verständnis gelingt die Einhaltung von Fertigungstoleranzen selbstverständlich umso genauer, wenn möglichst wenige der polymeren Mikrokugeln nach Austritt aus der Düse, also dort, wo sie nicht mehr dem nivellierenden Einfluss der Düsengeometrie unterliegen, nachexpandieren können. Ein Beispiel für das Nachexpandieren nach Düsendurchtritt bildet der im Bereich des Hausbaus verwendete Fugenschaum, der nach Austritt aus der Düse aufschäumt und ersichtlich keine glatte Oberfläche mit engen Fertigungstoleranzen des Produkts ermöglicht. Die Produktion von Polymerschäumen gelingt zwar auch durch Expansion des Treibmittels nach dem Durchgang durch die Extruderdüse, für den Erhalt glatter Oberflächen ist dann aber ein Zusatzschritt notwendig, beispielsweise das Kalandrieren, also das Hindurchführen eines ggf. bahnförmigen Schaums durch ein System aus mehreren aufeinander angeordneten beheizten und polierten Walzen. Auch das Streitpatent stellt diese Methode als geläufig und für die erfindungsgemäßen Schäume zur weiteren Glättung der Oberfläche anwendbar dar (vgl. B1-Schrift: Abs. [0067], Satz 1).
Zusammenfassend ist für die Bewertung der Neuheit des Polymerschaums nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag hinsichtlich Merkmal P.3.0 keine einschränkende Bedeutung ersichtlich, während dem Merkmal P.3.3 nach der gebotenen Auslegung für das Kollektiv der Mikrokugeln eine Abgrenzung zum Stand der Technik erlaubende Bedeutung zukommt.
3. Polymerschaum/-matrix/-zusammensetzung und Zusammensetzung
Mit Polymerschaum („polymer foam“; P, V) wird ein Gegenstand/Artikel bezeichnet, dessen Dichte gegenüber der reinen Polymermatrix erniedrigt ist (vgl. B1-Schrift: Abs. [0007]). Das Merkmal Zusammensetzung („composition“; P.3.2, V.3.2) bezeichnet das Gemisch aus Polymer und Mikrokugeln. Der Begriff Polymerzusammensetzung („polymer composition“; P.3.1, P.3.3, V.3.1, V.3.3) wird in Patentanspruch 1 nicht immer in derselben Weise verwendet. Nach den Merkmalen P.3.1/V.3.1 wird die Polymerzusammensetzung mit den Mikrokugeln gemischt, wonach es getrennte Komponenten sind, während nach den Merkmalen P.3.3 und V.3.3 die Polymerzusammensetzung aus der Düse austritt und damit die Mikrokugeln enthält. Die Polymerzusammensetzung nach den Merkmalen P.3.1/V.3.1 erschließt sich dem Fachmann damit als Matrixmaterial entsprechend Merkmal P.1.
Zudem können im Polymerschaum weitere übliche Zusatzstoffe sowie beliebige wärme- oder strahlungsaktivierbare Treibmittel (vgl. B1-Schrift: Abs. [0014]) und, wie bereits ausgeführt, zusätzlich nicht expandierbare polymere oder nicht-polymere Mikrokugeln wie Glasmikrokugeln vorhanden sein. Soweit die Polymerzusammensetzung lösungsmittelfrei sein soll, bedeutet dies in bevorzugter Form weniger als 20 % Lösemittelgehalt (vgl. B1-Schrift: Abs. [0023]). Dabei bleibt offen, ob sich dieser Gehalt auf die Polymerzusammensetzung vor oder nach dem Extrudieren bezieht.
4. Schmelzmischen ( P.3.0 , V.3.0 , P.3.1 , V.3.1 )
Der fachübliche Begriff des Schmelzmischens („melt(-)mixing“) lässt offen, in welchem Zustand die zu mischenden Komponenten in dem Verfahren des Schmelzmischens vorgelegt werden. Üblicherweise werden beim Schmelzmischen die zur Herstellung von Polymermischungen bzw. „Polymerblends“ eingesetzten Polymere gewöhnlich in ihrem Ist-Zustand bei Raumtemperatur in dem ggf. vorerhitzten Mischgefäß (Schneckenextruder, Rührkessel, Mikrocompounder) vorgelegt und dann in der bei einer gewählten Temperatur entstehenden bzw. entstandenen (Teil)Schmelze über einen mehr oder weniger langen Zeitraum gemischt, im Extruder gegebenenfalls bei einem sich über die Extruderstrecke einstellenden und erstreckenden geeigneten Temperaturprofil, wobei eine möglichst homogene Schmelze entstehen soll. Zum Erzielen einer homogenen Mischung durch Schmelzmischen ist es selbstverständlich notwendig, dass während des Mischvorgangs die Erweichungstemperaturbereiche der Polymerbestandteile der Matrix überschritten werden, wozu ggf. Lösemittel und/oder Plastifizierungsmittel zugesetzt werden. Diese mischende Vereinigung der Komponenten Mikrokugeln, Polymermatrix und Zusatzstoffe in viskosem, (teil)verflüssigtem Zustand unter den durch ggf. einen von Normalbedingungen abweichenden Druck, durch Temperatur und Schergeschwindigkeit im Wesentlichen bestimmten Verfahrensbedingungen ermöglicht zu einer extrudierbaren expandierbaren Zusammensetzung zu gelangen.
Soweit nach dem Wortlaut des Streitpatents in der erteilten Form (B1-Schrift) die Verfahrensschritte P.3.1 und V.3.1 noch nicht an einen Extruder gebunden waren, erfolgt das Mischen der Komponenten in Verbindung mit den Merkmalen P.3.0 und V.3.0 nun zwingend in einem Extruder, in den die Komponenten zum Zweck der Mischung vorgelegt werden. Für das Schmelzmischen muss dann die Polymerzusammensetzung nicht im strengen Sinne geschmolzen sein, sondern funktionell ihre Viskosität so weit herabgesetzt werden, dass sie im Extruder verarbeitet werden kann und mit den Mikrokugeln mischbar ist.
Dies kann bereits einen Einfluss auf das Expansionsverhalten der Mikrokugeln haben, da nach der im Streitpatent zitierten Druckschrift E01 ein der Expansion der Mikrokugeln im Extruder entgegenstehender Druckaufbau erst dann möglich ist, wenn ein relativ hoher Schmelzeanteil zwischen den noch festen Kunststoffpartikeln vorliegt (vgl. E01: Sp. 3 Z. 3-21).
5. Expandierbare polymere Mikrokugeln
Die mit den Merkmalen P.2, P.3.0, P.3.1, P.3.3, V.3.0, V.3.1, V.3.3 beanspruchten polymeren Mikrokugeln enthalten nur vorzugsweise einen von Luft verschiedenen wärmeexpandierbaren Stoff wie ein Gas, eine Flüssigkeit oder deren Gemische (vgl. B1-Schrift: Abs. [0009], [0013]). Ihre Hüllen bestehen aus Polymeren, die bevorzugt keine Vinylidenchlorid-Einheiten beinhalten (vgl. B1-Schrift: Abs. [0013]). Die polymeren expandierbaren Mikrokugeln können unter den Verfahrensbedingungen teilweise oder ganz expandiert werden. Zu ihrem Expansionsverhalten wurde bereits ausgeführt.
6. Nach den gemäß Hilfsantrag 1 weiter aufgenommenen Merkmalen „wherein the polymer foam is an adhesive foam and wherein the polymer is an acrylate or methacrylate adhesive polymer or copolymer“ (Merkmale P.3.4 I /V.3.4 l ) wird der hergestellte Polymerschaum funktionell als Klebeschaum bestimmt. Dazu sind als Polymere Acrylat- oder Methacrylat-Klebstoff-Polymere oder -copolymere vorgegeben.
Adhäsiv wird im Streitpatent im Zusammenhang mit dem den Polymerschaum umfassenden Artikel (vgl. Unteransprüche 2 bis 3 nach Hilfsantrag 1) dahingehend definiert, dass die Klebewirkung bereits bei Raumtemperatur oder alternativ beim Erhitzen eintritt (vgl. B1-Schrift: Abs. [0010]). Soweit die Beklagte im Zusammenhang mit der Druckschrift E19 ausführt, dass die Acrylat-Polymere nach Streitpatent „selbstklebend“ seien, werden damit die in dieser Passage beschriebenen zwei Möglichkeiten umfasst, die selbstklebende Wirkung zu erzielen. Der Einwand der Beklagten, Abs. [0010] die B1-Schrift biete für diese Sichtweise keine Stütze, vermag damit nicht zu überzeugen.
Acrylat und Methacrylat bedeuten nichts anderes, als dass Acrylat- oder Methacrylatderivate und somit Ester der Acrylsäure oder Methacrylsäure als Monomere eingesetzt werden, in beliebiger Menge bezogen auf die übrigen, das Copolymer bildenden Monomere.
7. Das nach Hilfsantrag 2 den Hilfsantrag 1 ergänzende Merkmal „wherein the polymer foam is free of urethane crosslinks and urea crosslinks“ (Merkmale P.3.5 II und V.3.5 Il ) gibt an, dass sich in der Polymermatrix keine -NH-C=O-O- (Urethan-) bzw. -NH-C=O-NH- (Harnstoff-) Verknüpfungen finden dürfen.
Dies ist unabhängig davon zu sehen, ob diese Strukturelemente durch Reaktion von Isocyanaten mit Alkoholen oder Aminen gebildet wurden, wie sich aus Abs. [0011] der B1-Schrift erschließt.
Bei den handelsüblichen Meth(Acrylat)-Klebern liegen derartige Strukturelemente bekanntermaßen nicht vor (vgl. E18: Patentansprüche 1-2 und Sp. 5 Z. 5-28; E19: Patentansprüche 1 und 7, S. 5 Z. 4-6). Dem steht nicht entgegen, dass manche Polyacrylate mit klebrig machenden Substanzen behandelt werden, um ihre Klebewirkung zu ermöglichen (vgl. die von der Beklagten ohne Nummerierung eingeführte Druckschrift US 5 695 837 A: Patentansprüche 1, 13 und 14).
8. Der Verfahrensanspruch nach Hilfsantrag 3 beinhaltet die bereits oben ausgelegten Merkmale und wird daher nicht weiter behandelt.
IV.
Die vorliegend angegriffene Lehre des aus der Teilanmeldung hervorgegangenen Streitpatents unterscheidet sich nur in einigen Merkmalen von derjenigen des aus der Stammanmeldung hervorgegangenen Patents EP 1 102 809 (Stammpatent), über welches bereits eine rechtskräftige Entscheidung zur angegriffenen Patentfähigkeit vorliegt und welches im Verfahren 3 Ni 28/09 (EU) sowie im Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof in beschränkter Anspruchsfassung (BGH, Urteil vom 9. Juni 2015, X ZR 101/13 – Polymerschaum II) verteidigt wurde. Die Lehre des Stammpatents war im Hinblick auf die Polymerzusammensetzung und die Ausgestaltung der expandierbaren polymeren Mikrokugeln in der Berufung bereits nach Hauptantrag enger gefasst worden als die vorliegend mit Hauptantrag beantragten Gegenstände der Patentansprüche 1, 4 und 6 des Streitpatents. Dies allein schon deshalb, weil demgegenüber weder der Zustand der Polymerzusammensetzung noch Anteile von Lösungsmittel im Gemisch festgelegt sind. Was die Verfahrensschritte anbelangt, erfolgten auch gemäß Hauptantrag vor dem Bundesgerichtshof in der Stammanmeldung beide Verfahrensschritte des Schmelzmischens der Polymerzusammensetzung und der expandierbaren polymeren Mikrokugeln sowie der nachfolgenden Extrusion in einem Extruder.
Der einzige Unterschied besteht danach in einer Änderung der Angabe des Zustands der expandierbaren polymeren Mikrokugeln vor dem Austritt aus der Extruderdüse und damit in einer quantitativen Angabe bei den nunmehr zu beurteilenden geltenden Verfahrens- und Sachansprüchen, die sich trotz der unterschiedlichen Kategorie in ihrem Kern der Lehre und wesentlichen Inhalt von der Stammanmeldung insoweit nicht unterscheiden.
Gemäß Stammanmeldung expandieren mehrere der expandierbaren polymeren Mikrokugeln zumindest teilweise, bevor die expandierbare extrudierbare Zusammensetzung aus der Düse tritt. Der mit Hauptantrag beantragte Verfahrensanspruch 6 des Streitpatents unterscheidet sich von dem nach Hauptantrag verteidigten Verfahrensanspruch 1 des Stammpatents über die Einschränkung des Merkmals V.3.3 dadurch, dass es nunmehr heißt „at least mostly expanding most of the polymeric microspheres before the polymer composition exits the die.“.
Hinsichtlich des Merkmals „most of“ hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung „Polymerschaum II“ bereits darauf hingewiesen, dass die insoweit abweichende Formulierung „most“ statt „a plurality“ für die Beurteilung der Patentfähigkeit und das Naheliegen der Lehre ausgehend von der Druckschrift E02 irrelevant ist (vgl. a. a. O.: Rn. 65, 69).
Was die Formulierung der Hilfsanträge 1 bis 3 und die mit den Merkmalen P.3.4 I und V.3.4 I hinzugekommene Einschränkung anbelangt, wonach der Polymerschaum ein Klebeschaum ist und das Polymer ein klebendes (Meth)Acrylat-Polymer oder –Copolymer ist, beschränkt die Zusammensetzung den Verfahrensablauf nicht, wie der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Polymerschaum II zu dem dortigen nach Hilfsantrag IV verteidigten Verfahrensanspruch des Stammpatents ausgeführt hat (vgl. a. a. O.: Rn. 68). Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs war diese Lehre für den Stoffanspruch durch E18 mit dem in E02 dokumentierten Wissen nahegelegt (vgl. a. a. O.: Rn. 61, 62, 66), weshalb er den dortigen nach Hilfsantrag IV verteidigten Sachanspruch 15 als nicht bestandsfähig angesehen hat.
V.
Der von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung des Inhalts der Anmeldung nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit c) EPÜ hinsichtlich des Merkmals „measure“ im erteilten Patentanspruch 1 greift nicht, da das Streitpatent nicht mehr in der erteilten Form und vorliegend auch mit modifizierten Anspruchsfassungen verteidigt wird, die das Merkmal „measure“ dem Merkmal „pressure“ an die Seite stellen (vgl. Merkmal P.3.1 M ). Damit ist kein Austausch eines erteilten Merkmals gegen ein anderes Merkmal festzustellen.
Die weiteren Änderungen sind zulässig. Im erteilten Patent (B1-Schrift) sind mit Ausnahme des Merkmals „measure“ alle erteilten Merkmale in den Anmeldeunterlagen offenbart. Als Basis dienen die ursprünglich der Stammanmeldung beigefügten Unterlagen (Anm. Nr. 99937685.8 im Folgenden ‘685 sowie die PCT-Anmeldung WO 00/06637 A1 im Folgenden ‘637), in denen sich die weiteren Merkmale der erteilten Patentansprüche 1 und 7 zweifelsfrei wiederfinden (vgl. ‘685 oder ‘637: S. 5 Z. 7-15 und Z. 16 hinsichtlich des Produkts) und auch der Gegenstand des Patentanspruchs 2 hervorgeht. Gleichermaßen sind die Merkmale der Patentansprüche 3 bis 6 ursprünglich offenbart (vgl. ‘685 oder ‘637: S. 2 Z. 12-21 zu den Patentansprüchen 3, 5 und 6 sowie S. 11 Z. 27-28 und S. 12 Z. 4-5 zu Patentanspruch 4).
Ebenso gehen die neu hinzugenommenen Merkmale P.3.0/V.3.0 („providing a polymer composition and a plurality of expandable polymeric microspheres in an extruder“) zulässig auf das Streitpatent (vgl. B1-Schrift: Abs. [0022] i. V. m. [0060]) oder die ursprünglichen Unterlagen (vgl. ‘685 oder ‘637: S. 5 Z. 7-17 i. V. m. S. 16 Z. 9-17) zurück. Die Streichung des Merkmals „… , one or more of which is an expandable polymeric microsphere, …“ gemäß Merkmal V.3.1 erschließt sich dem Fachmann bereits durch den Bezug auf Patentanspruch 1 (dort Merkmal P.2) als zulässig. Auch die Änderung in den Merkmalen P.3.3/V.3.3 („mostly expanded/expanding” statt „partially expanded/expanding“) ist in Abs. [0065] i. V. m. Patentanspruch 1 des Streitpatents und auch ursprünglich (vgl. ‘685 oder ‘637: S. 17 Z. 26-27) offenbart. Ebenfalls zulässig sind die die funktionale und stoffliche Beschaffenheit des Polymerschaums näher spezifizierenden Merkmale P.3.4 I , V.3.4 I , P.3.5 II , V.3.5 II , die den Unteransprüchen 3 und 4 sowie Abs. [0011] der B1-Schrift entnommen sind (vgl. auch ‘685 oder ‘637: S. 7 Z. 12-14, S. 11 Z. 27-28 sowie S. 2 Z. 22-23).
Die Merkmale der Patentansprüche 2 bis 5 entsprechen den Merkmalen 3 bis 6 der B1-Schrift, die auch zulässig auf die Anmeldeunterlagen zurückgehen (vgl. ‘685 oder ‘637: S. 2 Z. 12-21 zu den Patentansprüchen 3, 5 und 6 sowie S. 11 Z. 27-28 und S. 12 Z. 4-5 zu Patentanspruch 4).
VI.
Soweit sich der Nichtigkeitsangriff der Klägerin hinsichtlich der Merkmale P.3.3/V.3.3 gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit b) EPÜ auf fehlende Ausführbarkeit der Gegenstände gemäß geltenden Patentansprüchen 1 und 4 bis 6 zu richten scheint, bleibt der Angriff ohne Erfolg.
1. Der Senat teilt die Rechtsansicht der Klägerin nicht, dass das Merkmal P.3.3 kein nacharbeitbares Merkmal sei, da keine Messmethode für die Feststellung der Erfüllung des Merkmals vorliege. Weil die Herstellung polymerer Mikrokugeln nur mit einer erheblichen Streuung der Kugelgrößen möglich sei, könnte schon wegen der Größenverteilung weder die Mindestanzahl bereits expandierter Teilchen (wegen des Merkmals „most of...“) noch die Bestimmung des geforderten minimalen Expansionsgrads (wegen des Merkmals „mostly expanded“) definiert erfolgen.
Denn eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung ist nach ständiger Rechtsprechung gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs auf Grund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird (BGH, Urteil vom 4. Oktober 1979 – X ZR 3/76, GRUR 1980, 166, 168 – Doppelachsaggregat; Urteil vom 11. Mai 2010 – X ZR 51/06, GRUR 2010, 901 Rn. 31 – Polymerisierbare Zementmischung).
Nach der gebotenen Auslegung kann kein Zweifel darüber bestehen, dass durch die Wahl der üblichen Extrusionsparameter sowie durch entsprechende Auswahl der Qualitäten expandierbarer polymerer Mikrokugeln ggf. unter Zugabe expandierter Mikrokugeln in den Extruder vor Austritt des Gemisches aus der Düse, die Mehrzahl der Mikrokugeln vor dem Austritt aus der Düse größtenteils expandiert vorliegt. Denn schon die Druckschriften E02 und E03 vermittelten dem Fachmann die notwendigen Parameter zur Verfahrenssteuerung anhand der dort beschriebenen Expancel-Mikrokugeln. So entnahm der Fachmann der Lehre der E02 den Einsatz dieser Kugeln in Extrusionsverfahren (vgl. E02: S. 1 li. Sp. Abstract) sowie als Richtschnur einen Temperaturbereich von 120-180°C, in dem die freien Mikrokugeln zu expandieren beginnen (vgl. E02: S. 2 li. Sp. le. Abs.- re. Sp., Fig. 4). Speziell wird darauf hingewiesen, dass es sich dabei nicht um Temperaturen handelt, die der Verarbeitung des Plastikmaterials entsprechen. Zwar wird in der E02 von Temperaturen über 200°C abgeraten, aber ausgeführt, dass es wesentlich auf die Verarbeitungsgeschwindigkeit und damit auf die Dauer der thermischen Belastung der Zusammensetzung („dwell time“) ankommt (vgl. E02: S. 3 re. Sp. Abs. 2 unter Fig. 5). Entsprechend empfiehlt dann auch die Druckschrift E03 Extrusionstemperaturen von 170°C bis hinauf zu 200°C (vgl. E03: S. 4 „Temperatures“). Beide Druckschriften weisen den Fachmann auf den zweiten, wiederholt von der Beklagten angesprochenen Parameter des Drucks im Extruder hin. Die E02, indem sie ausführt, dass die Expansion der Kugeln bereits im Zylinder beginnt, der größte Teil der Expansion aber erst mit dem Druckabfall nach der Düse erfolgt (vgl. E02: S. 3 li. Sp. Abs. 2 nach „Extrusion“) und die E03, die im Zusammenhang mit „Injection Moulding“ darauf hinweist, dass Druck die Expansion der Mikrokugeln verhindert (vgl. E03: S. 4 re. Sp. Pkt. 3). Damit vermag der Fachmann nach Belieben auch eine Expansion der Mikrokugeln im Zylinder steuern, und zwar über die Parameter Druck, Temperatur und Extrusionsgeschwindigkeit/Scherrate, die ebenfalls in E02 und E03 angesprochen ist (vgl. E02: S. 3 re. Sp. Abs. 2 unter Fig. 5 „dwell time“; E03: S. 4 li. Sp. vorle. Abs. „A long dwell time calls for a lower temperature“).
Auch die in der B1-Schrift zitierte E01 führt aus, dass die Expansion der Mikrokugeln je nach Typ bei 350-395 K (77-122°C) in der Aufschmelzzone des Extruders erfolgt und dass die Expansion der Mikrokugeln durch Druckaufbau verhindert wird, was aber vollständig geschmolzene Kunststoffpartikel voraussetzt, die den Raum zwischen Schneckenkern und Zylinderwandung ausfüllen (vgl. E01: Sp. 3 Z. 3-13 und 25-29).
Mit diesen aus dem Stand der Technik bekannten Angaben wird der Fachmann insbesondere auch ohne erfinderisches Zutun (BGH, Urt. vom 11. Mai 2010, X ZR 51/06, GRUR 2010, 901 – Polymerisierbare Zementmischung), in die Lage versetzt, die Expansion der Mikrokugeln anteilig und hinsichtlich des Expansionsgrads vor dem Düsenaustritt nach Belieben einzustellen, insbesondere durch einen im Extruder herrschenden, messbaren, vergleichsweise niedrigen Druck in Verbindung mit erhöhten Temperaturen, die erfindungsgemäße Lehre also mittels geläufiger Maßnahmen unter zumutbarem Aufwand praktisch realisieren können (BGH, Urt. vom 25. Februar 2010 – Xa ZR 100/05, GRUR 2010, 414 – Thermoplastische Zusammensetzung; Urt. vom 8. Juli 2010, Xa ZR 126/07, GRUR 2010, 916 – Klammernahtgerät), insbesondere ohne erfinderisches Zutun (BGH, Urt. vom 11. Mai 2010, X ZR 51/06, GRUR 2010, 901 – Polymerisierbare Zementmischung).
Die Tatsache, dass mangels Festlegung einer Lehre auf bestimmte Messmethoden und -parameter und/oder der Wahl der üblichen Extrusionsparameter sowie der Auswahl der Qualitäten expandierbarer polymerer Mikrokugeln die Ergebnisse schwanken können, betrifft nicht die Frage der Ausführbarkeit der Lehre, also der Nacharbeitbarkeit, sondern nur diejenige der Breite des geschützten Patentgegenstands, der danach zwar entsprechend weit gefasst sein kann und einen entsprechend weiten Schutzumfang genießt, jedoch andererseits auch insoweit nur eine eingeschränkte Abgrenzbarkeit zum Stand der Technik leistet (vgl. auch Keukenschrijver/Busse PatG, 8. Aufl. § 34 Rn. 87; a. A. Moufang/Schulte PatG 10. Aufl., § 34 Rn. 352 ). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn mangels Festlegung der Lehre mehrere Möglichkeiten der darunter fallenden konkreten Ausführung bestehen, wobei auch hier grundsätzlich ausreicht, wenn dem Fachmann ein ausführbarer Weg der Nacharbeitung aufgezeigt wird (vgl hierzu BGH GRUR 2009, 749 – Sicherheitssystem), ohne dass zudem eine Ausführbarkeit über die gesamte Anspruchsbreite oder für sämtliche Ausführungsbeispiele bestehen müsste (BGH GRUR 2010, 414 – Thermoplastische Zusammensetzung; GRUR 2010, 901 – Polymerisierbare Zementmischung; GRUR 2003, 223 – Kupplungsvorrichtung II; BPatG GRUR 2011, 905, – Buprenorphinpflaster; a. A. Moufang/Schulte PatG 10. Aufl., § 34 Rn. 353). Soweit die Grenzen ausreichender Offenbarung dort zu ziehen sein können, wo der Patentschutz einer verallgemeinerten Lehre über den geleisteten Beitrag der Erfindung zum Stand der Technik hinausgeht (BGH GRUR 2010, 901, Tz. 36 – Polymerisierbare Zementmischung; GRUR 2010, 414, Tz. 23 – Thermoplastische Zusammensetzung), steht dies hier nicht in Rede.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass es technisch unmöglich ist, aus der makroskopischen Dichtereduzierung auf das mikroskopische Verhalten der beiden mit den Angaben „most“ und „mostly“ verbundenen Variablen und damit auf das Verhalten einzelner und nicht zählbarer Mikrokugeln zu schließen, und die Lehre deshalb auch keine Abgrenzung zum Stand der Technik erlaube, betrifft auch dies nicht die Frage der Klarheit der Lehre oder der vom Ergebnis der Auslegung eines mehrdeutigen Aussagegehalts der Lehre abhängigen Ausführbarkeit. Angesprochen ist mit der makroskopischen und messbaren Reduzierung der Dichte des gebildeten Polymerschaums, welche auf die beiden mikroskopischen Parameter zurückgeht, allenfalls die Frage der Identifizierbarkeit der zutreffend ausgelegten Lehre, nicht jedoch einer hinsichtlich ihres Aussagegehalts unscharfen oder gar unklaren Lehre i. S. v. Art. 84 EPÜ. Denn wie bereits zur Auslegung ausgeführt, vermitteln die Merkmale P.3.3/V.3.3 in Verbindung mit P.3/V.3 eine eindeutige technische Lehre.
Die Frage der Identifizierbarkeit kann jedenfalls für erteilte Patente und damit im Patentnichtigkeitsverfahren nur dann von Bedeutung sein, wenn ihr Fehlen der ausführbaren Offenbarung der Erfindung entgegensteht. Das kann auch der Fall sein, wenn nicht die Nacharbeitbarkeit der zutreffend ausgelegten Lehre als solche in Frage steht, sondern sich die fehlende Ausführbarkeit der Lehre daraus ergibt, dass z.B. der Umfang des erfindungsgegenständlichen Patentgegenstands und damit auch der Schutzumfang oder die Abgrenzbarkeit der Lehre vom Stand der Technik nicht festzustellen ist (Bacher/Benkard PatG 11. Aufl., § 1 Rn. 74b; Melullis/Benkard EPÜ 3. Aufl., Art. 52 Rn. 117) und sich deshalb die Lehre als nicht ausführbar erweist (hierzu BGH GRUR 2009, 749 – Sicherheitssystem, abgrenzend zu BGHZ 92, 129, – Acrylfasern; BGHZ 57, 1, 3 – Trioxan; vgl. auch Keukenschrijver/Busse PatG, 8. Aufl. § 34 Rn. 84; § 1 Rn. 14) – hier der Feststellbarkeit der anspruchsgemäßen product-by-process-Merkmale anhand mikroskopischer Parameter für die expandierbaren polymeren Mikrokugeln („most of“ und „mostly“) als Frage der Ausführbarkeit.
Dies ist aus Sicht des Senats jedoch vorliegend nicht der Fall. Denn es kann eine nicht an der einzelnen Mikrokugel ausgerichtete statistische Überprüfung erfolgen, ob mehr als die Hälfte der Mikrokugeln größtenteils expandiert ist, und zwar mit Hilfe elektronenmikroskopischer Untersuchungen im Rahmen der mit dieser Untersuchungsmethode vorgegebenen Genauigkeit anhand nicht expandierter und expandierter Proben (vgl. E02: S. 1 Fig. 1). Diese statistische Bestimmung mag dabei technisch aufwändig, komplex und in den Grenzbereichen ungenau sein. Eine technische Unmöglichkeit und daraus folgende fehlende Identifizierbarkeit und Abgrenzbarkeit der Lehre, wie sie von der Klägerin geltend gemacht wurde, ist jedoch nicht zu erkennen.
Was den eigentlichen Vorgang der Expansion polymerer Mikrokugeln im Extrusionszylinder („barrel“) vor Austritt aus der Düse betrifft, hat die Beklagte hinsichtlich des Standes der Technik darauf abgestellt, dass die dortigen Lehren Offenbarungsmängel aufwiesen. Zutreffend ist zwar der rechtliche Ansatz, dass nur eine ausführbare Lehre als Stand der Technik der Patentfähigkeit entgegenstehen kann, nicht zutreffend sind jedoch die konkreten Rügen zur Ausführbarkeit. Dies gilt insbesondere deshalb, weil für die von der Patentinhaberin z. B. bemängelte Ausführbarkeit u. a. in Bezug auf die Bestimmung der Expansion der Mikrokugeln im Extrusionszylinder („barrel“) vor dem Austritt aus der Düse nichts anderes gilt als für das Streitpatent.
Auch das Streitpatent lässt jede Angabe vermissen, wie die Expansion im Extruder vor Austritt aus der Düse bestimmt werden könnte. Die im Streitpatent vorgestellten Versuche lassen insoweit keine Aussage zum Ort der Expansion der Mikrokugeln zu. Die Forderung des Patentanspruchs 1 und die Aussagen in den Abs. [0022] und [0063] der B1-Schrift sind somit nicht experimentell belegt, sondern können lediglich dadurch plausibel gemacht werden, dass nach dem Austritt des Polymerschaums aus der Düse keine nennenswerte Expansion des extrudierten Polymerschaums mehr stattfindet. Dieser Fall bildet aber nur eine Ausgestaltung des Patentanspruchs 1 ab, nämlich die weitgehend vollständige Expansion weitgehend aller unter den im Extruder herrschenden Bedingungen expandierbaren polymeren Mikrokugeln. Allerdings schließt der Wortlaut des Patentanspruchs 1 ein weiteres Expandieren des Polymerschaums nach Durchtritt durch die Düse nicht aus.
Dazu kommt, dass sich auch aus der Beschreibung des Streitpatents keine vertiefte Lehre zu den Vorgängen im Extruder ergibt. Denn die beispielhaft in der B1-Schrift gegebenen Erläuterungen (vgl. B1-Schrift: Abs. [0063]), wonach beim Eintritt der Polymerzusammensetzung aus dem Übertragungsrohr („transfer tubing“) in eine beheizte Düse ein Druckabfall erfolgt, der zum Expandieren der Mikrokugeln innerhalb der Düse führt, der Druck beim Durchgang des Materials durch die Düse weiter fällt und somit eine weitere Expansion der Mikrokugeln ermöglicht, vermitteln wegen einer nicht erkennbaren ggf. besonderen räumlich-körperlichen Ausgestaltung der Düse (vgl. auch Fig. 7 der B1-Schrift) keine insoweit nutzbaren Informationen.
Folglich sind an die durch Fachwissen und Fachkönnen des Fachmann getragenen Kenntnisse jenseits des Offenbarungsgehalts der Schriften dieselben Anforderungen zu stellen wie im Stand der Technik, weil der Offenbarungsbegriff grundsätzlich ein einheitlicher ist und sich nur die weiteren Anforderungen im Kontext der unterschiedlicher Fragestellungen unterscheiden. Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung (BGH GRUR 2004, 407 – Fahrzeugleitsystem). Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann unmittelbar und eindeutig offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zugrunde gelegt wird (BGHZ 179, 168, GRUR 2009, 382 – Olanzapin).
VII.
1. Das Verfahrensprodukt nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist jeweils nicht neu gegenüber den Druckschriften E19, E05 und E04.
1a. Soweit die Beklagte zum Fachwissen des Fachmanns im Wesentlichen vorträgt, dass die im Streitpatent als Stand der Technik zitierte Druckschrift E01 den Fachmann jedenfalls davon abbringen würde, gasgefüllte Hohlkörper wie expandierbare Mikrokugeln in thermoplastischen Kunststoffen im Extruder vor dem Austritt aus der Düse zu expandieren, da diese, wie Mikrohohlglaskugeln, durch die hohen Scherkräfte vor dem Schmelzen des Kunststoffs zerstört würden, teilt der Senat diese Auffassung nicht.
Die Lehre der E01 spricht zwar die Empfindlichkeit expandierter polymerer Mikrokugeln an, macht aber nicht die von der Beklagten geltend gemachte exklusive Aussage, dass eine Expansion der Mikrokugeln vor dem Austritt aus der Extruderdüse stets zu vermeiden sei. Insoweit stellt die E01 dar, dass die Verwendung von gasgefüllten Hohlkörpern in thermoplastischen Kunststoffen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist (vgl. E01: Sp. 2 Z. 35-39), weil bereits vorexpandierte Mikroballons durch die hohen Scherkräfte vor dem Schmelzen der Kunststoffe zerstört würden (vgl. E01: Sp. 4 Z. 39-45), während nicht expandierte Mikroballons einwirkenden Scherkräften weitaus besser standhielten als expandierte oder solche, die sich gerade im Zustand der Expansion befinden (vgl. E01: Sp. 4 Z. 39-42). Dem Fachmann erschließt sich aus der Lehre der E01 die geläufige Erkenntnis, dass empfindlichere Mikrokugeln im Zuge der Extrusion leichter Schaden nehmen als weniger empfindliche. Hinsichtlich der Empfindlichkeit stellt die E01 vorexpandierte Mikroballons in eine Reihe mit Mikrohohlglaskugeln. Ebenfalls erschließt sich dem Fachmann aus den Angaben der E01, dass im Extruder vor dem Austritt aus der Düse expandierende Mikrokugeln zunehmend empfindlicher werden. Die Lehre der E01 geht dann dahin, dem Gemisch aus nichtexpandierten Mikroballons und Massekunststoff weiche oder niedrigschmelzende Polymere zugesetzt, die den Aufbau von Drücken im Extruder erlauben, welche die Entstehung scherempfindlicher expandierter Mikroballons im Extruder vor Austritt aus der Düse verhindern (vgl. E01: Patentansprüche 1, 7) und die Expansion erst nach dem Durchtritt durch die Düse erfolgt. Unstreitig schildert die E01 somit die Expansion von polymeren Mikrokugeln im Extruder vor dem Austritt aus der Extruderdüse als nachteilig.
Wie dies schon im Rahmen der gebotenen Auslegung diskutiert wurde, ist dem Fachmann bewusst, dass die Einhaltung von Fertigungstoleranzen bei Polymerschäumen umso genauer gelingt, wenn expandierbare polymere Mikrokugeln nur noch zu einem geringen Teil nach dem Austritt aus der Düse expandieren. Auch die Beklagte stimmt insoweit mit der Sichtweise des Senats überein, dass die Expansion nach Düsendurchtritt zu groben Oberflächen führt und führt in diesem Zusammenhang die ebenfalls Fachwissen des Fachmanns beschreibende Druckschrift E02 an, die den Zusammenhang der Expansion polymerer Mikrokugeln nach Düsendurchtritt mit einer groben Oberfläche des erhaltenen Schaums zum Thema hat (vgl. E02: S. 3 re. Sp. Fig. 5 und Abs. 1 unter Fig. 5).
Aufgrund seines Fachwissens steht der Fachmann damit immer vor der Problematik abzuwägen, ob er die Mikrokugeln nach Durchtritt durch die Düse nachexpandieren lässt und die damit verbundenen Mängel in der Fertigungstoleranz und der Oberflächengüte in Kauf nimmt oder ob er die Mikrokugeln im Extruder vor dem Austritt aus der Düse expandieren lässt mit den verbundenen Problemen der Zerstörung der Mikrokugeln durch die Scherwirkung.
1b. Die Druckschrift WO 97/47681 A2 (E19) beschreibt druckempfindliche Klebeschaummassen in Streifenform aus einem thermoplastischen Matrixpolymer und expandierbaren Mikrokugeln (vgl. E19: Bezeichnung, Abstract, Patentansprüche 6-7; P - P.2). Zur Herstellung eines klebenden Polymerschaums wird ausgeführt, dass die Mischung aus Matrixpolymerzusammensetzung und expandierbaren polymeren Mikrokugeln, die ggf. schon vorexpandiert zum Einsatz gebracht werden können (vgl. E19: S. 7 Z. 7 - S. 8 Z. 12 und S. 8 Z. 20-29 „Expancel® polymeric microspheres“), bereits noch vor dem Extrudieren („just prior to“), während des Extrudierens oder erst nach dem Extrudieren auf eine Temperatur gebracht werden, bei der im Wesentlichen alle der expandierbaren Mikrokugeln expandieren (vgl. E19: S. 4 Z. 7-20; P.3, P.3.1 - P.3.3; „… substantially all of the particulate material expands.“). In einem der Ausführungsbeispiele (vgl. E19: Bsp. 3) ist die Bereitstellung der Matrixzusammensetzung in geschmolzener Form vor der Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln und danach ein Mischen in diesem Zustand ohne Lösemittel beschrieben (vgl. E19: S. 19 Z. 4 - S. 21 Z. 25), bei dem allerdings kein Extruder zum Einsatz kommt.
Die Passage der E19 auf S. 4 Z. 16-20 beschreibt somit explizit, im Wesentlichen alle expandierbaren Mikrokugeln unmittelbar vor dem Extrudieren zu expandieren, was dem Fachmann erkennbar keine geringe und nicht zu vermeidende Expansion in der Anfangsphase, wie in E01 geschildert, vermittelt, sondern eine merkliche Expansion der überwiegenden Zahl der Mikrokugeln innerhalb des Extruders. Damit wird eine Dichteverminderung auf unter 40 % der Ausgangsdichte des Materials ermöglicht (vgl. E19: S. 3 Z. 15-18), was den beanspruchten Grad der Expansion vorwegnimmt. Dass die Extrusion stets durch eine Düse erfolgt, bedarf keiner gesonderten Erwähnung, wonach das (Teil)Merkmal „before the polymer composition exits the die“ aus E19 bekannt ist. Der Fachmann verwendet für das Mischen der Polymermatrix und der polymeren Mikrokugeln auch den in der aufgeführten Passage genannten Extruder („the mixture can … be heated just prior to … extrusion“; Merkmal P.3.0), da Extruder standardmäßig mit Zuführungen für das Mischen von Komponenten versehen sind. Zudem spielt der Mischvorgang nach der gebotenen Auslegung für die Eigenschaften des Verfahrensprodukts keine Rolle. Auch die Tatsache, dass die Passage auf S. 4 Z. 7-20 der E19 dem Fachmann mehrere gleichberechtigte Methoden der Schaumbildung in überschaubarer Darstellung an die Hand gibt, kann an der Offenbarung des Verfahrensmerkmals P.3.3 nichts ändern.
Soweit die Beklagte geltend macht, dass die Lehre des Streitpatents der E19 nur durch eine Vielfachauswahl zu entnehmen sei, vermögen auch diese Argumente nicht zu überzeugen. Zu den Merkmalen P.3.3 und P.3.0 wurde oben bereits ausgeführt. Zudem führt der Verweis der Beklagten auf apparative Angaben im Streitpatent nicht weiter, denn die Düse 14 nach Streitpatent ist räumlich-körperlich nicht weiter ausgestaltet, sondern durch eine Wirkung gekennzeichnet. Auch wenn die Klägerin eine verzögerte Expansion der die expandierbaren Mikrokugeln enthaltenden Polymermasse bestätigt hat, ergibt sich daraus im Hinblick die vorgenannte Passage der E19 nicht die von der Beklagten gezogene Folgerung, die E19 sei nicht neuheitsschädlich. Denn wenn im Wesentlichen alle expandierbaren Mikrokugeln bereits unmittelbar vor dem Extrudieren expandiert vorliegen, handelt es sich nicht nur, wie es die Beklagte sehen will, um das unmittelbare Herauspressen aus der formgebenden Düse, sondern, wie angegeben, um den Zeitpunkt vor dem Extrudieren, also um den Gesamtvorgang. Die Verzögerung der Expansion spielt aber für die Extrusion, die nicht nur auf den unmittelbaren Durchtritt durch die Düse beschränkt ist, keine Rolle. Aber selbst wenn sich dem Fachmann aus der genannten Passage nur der unmittelbare Durchtritt durch die Düse erschließen sollte, führt die E19 den Fachmann in Kenntnis der verzögerten Expansion gleichermaßen dahin, die Extrusionsbedingungen so zu wählen, dass alle expandierbaren Partikel vor dem Austritt aus der Düse größtenteils expandieren, was er durch sein Fachwissen ohne Weiteres bewerkstelligt. Dabei berücksichtigt er selbstredend, dass das Expandieren der Mikrokugeln erst dann möglich ist, wenn der Innendruck den Umgebungsdruck übersteigt. Dies gelingt durch Temperaturerhöhung. Insoweit beachtet er auch das von der Beklagten angesprochene Zusammenspiel von Temperatur und Außendruck.
Zur geltend gemachten Mehrfachauswahl ist festzustellen, dass die E19 zutreffend dem Fachmann mehrere fachbekannte Möglichkeiten der Formgebung und des Erhitzens an die Hand gibt, aus denen er auswählen kann. Dass fachüblichen Methoden dabei keine besondere Würdigung zukommen muss, versteht sich von selbst, insbesondere wenn im Wesentlichen zwei Standardmethoden (Extrusion und Beschichten) gleichrangig näher beschrieben sind (vgl. E19: S. 4 Z. 8-14). Was damit das Mischen im Extruder anbelangt, gilt, wie bei der auf dem Gebiet der Proteintrennung geläufigen Methode der Gefriertrocknung, dass durch eine Veröffentlichung auch dasjenige offenbart ist, was im Patentanspruch und in der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus Sicht des Fachmanns jedoch für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf, sondern mitgelesen wird (BGH GRUR 2014, 758-764, Ls. 2 – Proteintrennung).
Soweit die Beklagte dann noch ausführt, dass der Fachmann von einer Expansion der Kugeln im Extruder aufgrund seines Fachwissens absehen würde, beruht diese Argumentation auf einer selektiven Beschränkung des Fachwissens auf die Lehre der E01, nicht jedoch auf die dem Fachmann stets gewärtige und oben ausgeführte Abwägung der Vor- und Nachteile des Ortes der Mikrokugelexpansion.
Als weiteren Unterschied zum Streitpatent hat die Beklagte zunächst bei der E19 ein mehrstufiges Verfahren geltend gemacht, diesen Einwand aber im Licht der ebenfalls mehrere im Extruder durchzuführende Verfahrensschritte zum Einsatz bringenden Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens nach Fig. 7 des Streitpatents nicht weiter verfolgt.
1c. Auch die Druckschrift E05 beschreibt das Verfahrensprodukt nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag mit allen seinen Merkmalen.
Die JP 10-152575 A (E05) beansprucht ein Verfahren, bei dem ein beliebiges (vgl. E05: Abs. [0009]) thermoplastisches Harz in einem Extrusionsverfahren oder im Spritzgussverfahren geformt wird und die thermisch expandierbaren Mikrokugeln im Extrusionsprozess oder im Spritzgussprozess verknetet und geschmolzen werden, um die Mikrokugeln zu expandieren und die dann erhaltene Mischung geformt wird (vgl. E05: Patentanspruch 1 und Abs. [0008]; P - P.3). Dazu kommen beispielhaft Expancel Mikrokugeln mit einer Expansionstemperatur von 80-150°C zum Einsatz (vgl. E05: Abs. [0026], [0030], Tab. 1 Z. 6), die mit einem thermoplastischen Urethan Elastomer (TPU) gemischt und bei 160°C Düsentemperatur, also deutlich oberhalb der Expansionstemperatur, extrudiert werden (vgl. E05: Abs. [0025], [0031], Tab. 2 Z. 5).
Die E05 lehrt den Fachmann, dass die Mikrokugeln durch die Scherung der fraglos stromaufwärts zum Düsenausgang angebrachten Extruderschraube beschädigt werden können und empfiehlt daher eine entsprechende Auswahl der Mikrokugelgröße (vgl. E05: Abs. [0016], Abs. [0020]: „… the shape of thermally expandable microcapsules mixed in the thermoplastic resin is kept extremely small.“). Zudem beschreibt sie, dass sich die Mikrokugeln bei der Extrusion, wenn die Mischung durch die Wärmeeinwirkung der Extruderschraube geschmolzen wird, erwärmen und expandieren (vgl. E05: Abs. [0010] „at the time of extrusion … when the mixture is thermally melted by screw and the like, …, the microcapsules which form the outer shell expand …”; Unterstreichung hinzugefügt). Dabei wird auch der Expansionsgrad der Mikrokugeln explizit genannt (vgl. E05: Abs. [0020]). Somit erschließt sich dem Fachmann eine Expansion gemäß P.3.3/V.3.3.
Das Argument der Beklagten, dass in den Beispielen lediglich die Düsentemperatur angegeben sei, wonach die Expansion erst nach dem Durchtritt der Zusammensetzung durch die Düse erfolgt, kann ebenso wenig überzeugen, wie ihre Meinung, dass sie dem Abs. [0010] der E05 keine Expansion der Mikrokugeln vor der Düse entnehmen könne. Denn die Expansion wird nach der Beschreibung der E05 durch den Kontakt mit der Extruderschraube verursacht. Ganz offensichtlich wäre der Hinweis der E05 auf die Wahl der geeigneten Kugelgröße sinnlos, wenn nicht bereits die Expansion der Mikrokugeln im Extruder erfolgen würde, so dass die Merkmale P.3.1 bis P.3.3 aus der E05 hervorgehen. Schließlich werden nach der Lehre der E05 Produkte mit einer ansprechenden Oberfläche erhalten (vgl. E05: Abs. [0017]), was, der Argumentation der Beklagten und dem zugrunde liegenden technischen Verständnis der Fachmanns einer möglichst kompletten Expansion vor Austritt des Gemisches aus der Extruderdüse folgend, gerade auf das erfindungsgemäße Verfahren zurückzuführen ist.
Soweit nach Meinung der Beklagten die Lehre der E05 nicht ausführbar sei und sie deswegen keinen Stand der Technik bilde (vgl. Gutachten und Gegengutachten G2, G5, G8), stellt auch der Gutachter Prof. Stommel nicht in Abrede, dass in E05 Ausführungsbeispiele beschrieben sind. Es stellt kein Hindernis für die Ausführbarkeit dar, dass die Beispiele und die übrige Beschreibung der E05 nach seiner Meinung nahezu keine Informationen zur Gestaltung des Extrusions- oder Spritzgießvorgangs enthalten und die Anlagentechnik nicht beschrieben ist. Denn der Fachmann wird den Extruder basierend auf den geläufigen Techniken zur Expansion polymerer Mikrokugeln in fachüblicher Weise bedienen und Druck, Temperatur und Scherrate auf deren bekannte Empfindlichkeit abzustimmen haben. Auch wenn geltend gemacht wird, dass die wichtigen Größen, auf die das Patent abzielt, namentlich die Oberflächenqualität und die Schaumstruktur über dem Produktquerschnitt nur deskriptiv und damit nicht nachvollziehbar bzw. objektiv bewertet seien, geht die Lehre des Streitpatents insoweit ebenfalls nicht über die der E05 hinaus.
1d. Weiter wird das erfindungsgemäße Produkt in Schrift E04 offenbart. Die E04 ist auf die zulängliche Kontrolle des Expansionsprozesses expandierbarer Mikrokugeln unter Erhalt brauchbarer Schaumprodukte gerichtet (vgl. E04: S. 4 Z. 30-35), wobei die Ausgangsmaterialien im Extruder gemischt werden (vgl. E04: S. 3 Z. 34 – S. 4 Z. 3). Offenbart wird die Herstellung eines thermoplastischen Materials mit einer verringerten Dichte durch die Zuführung von expandierbaren Mikrokugeln, die während der Extrusion (während des Schmelzmischens) bei einer solchen Temperatur für eine solche Einwirkzeit gehalten werden, dass der Expansionsprozess der Mischung während des Extrusionsschritts gestartet wird (vgl. E04: S. 3 Z. 33 - S. 4 Z. 13). Dabei wird der Expansionsprozess mit Hilfe der genannten Parameter so gesteuert, dass er mit der Extrusion beendet ist (vgl. auch E04: Patentanspruch 8). Es soll als wesentlicher Teil der Lehre eine Nachexpansion verhindert werden, die unerwünschte Maß- oder Formenänderungen mit sich bringt (vgl. E04: S. 9 Z. 28 - S. 10 Z. 1). Die Schäumung mit den Mikrokugeln erfolgt somit während des Extrusionsschritts im Extruder (vgl. E04: Patentanspruch 4).
Dies wird dadurch belegt, dass Schwellenwerte für die Aufenthaltsdauer („residence time“) des Gemisches im Extrusionsschritt angegeben sind (vgl. E04: S. 4 Z. 7-13), die eine Expansion der Mikrokugeln ermöglichen, aber kein Verbrennen der Mischung zulassen. Die Aufenthaltsdauer ist aber zwingend die Zeit, die das Gemisch im Extruder zubringt (vgl. E04: S. 8 Z. 27-34 „residence time of the product in the extruder“; Unterstreichung hinzugefügt). Bei Temperaturen an der Grenze zur Verbrennung, die zur Feststellung der Schwellenwerte anzuwenden sind, erfolgt dann zwingend die Expansion der meisten Mikrokugeln zum größtmöglichen Teil (vgl. E04: S: 3 Z. 23-27, S. 11 Z. 10-12) gemäß Merkmal P.3.3. Auch die elektronenmikroskopische Untersuchung belegt, dass die Mikrokugeln in der Polymermatrix gleichmäßig expandiert vorliegen (vgl. E04: S. 11 Z. 6-9).
Die Beklagte bestreitet, dass die in E04 geschilderten Extrusionsschritte bzw. das Extrusionsverfahren am Ausgang des Extruders enden, räumt aber ein, dass die E04 die gesamte Expansion im Extrusionsschritt verlangt. Soweit sie allerdings nur noch von „Ereignissen“ spricht, die bei dem extrudierten Material beim Austritt aus der Düse und in einiger Entfernung stromabwärts von der Düse aufträten und bei einer von ihr vorgenommenen Unterstellung einer Expansion im Extruder lediglich bemängelt, dass es der Beschreibung der E04 an der Angabe einer Stelle im Extruder oder von Prozessbedingungen mangele, aus denen der Fachmann feststellen könne, wo im Extruder die Expansion der Mikrokugeln erfolgt, macht sie Parameter geltend, die auch das patentgemäß beanspruchte das Verfahrensprodukt bereit stellende Verfahren offen hält. Aus der E04 gehen somit alle das Verfahrensprodukt bestimmenden Merkmale P bis P.3.3 hervor, insbesondere auch das Merkmal P.3.0.
Was die mit den Gutachten und Gegengutachten bestrittene oder als ausführbar zugestandene technische Lehre und damit die Bewertung der E04 als Stand der Technik anbelangt, liefert diese Druckschrift dezidierte Angaben zu den einzusetzenden thermoplastischen Polymeren, deren Eigenschaften, zu den Anteilen zuzusetzender polymerer Mikrokugeln sowie zu den Verfahrensparametern und notwendigen Vorrichtungen (vgl. E04: Patentansprüche: 3, 10, 11, 13, 29, 30, 35 und S. 3 Z. 23-27, S. 8 Z. 18). Der Fachmann kann mit diesen Angaben, die sich in die bekannten bereits zur Ausführbarkeit diskutierten Angaben aus dem Stand der Technik zur Expansion von Mikrokugeln im Extruder ohne Auffälligkeiten einfügen, die Lehre der E04 in die Praxis umsetzen, auch wenn keine Ausführungsbeispiele angegeben sind.
2. Das Verfahrensprodukt nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag beruht ausgehend von einer der Druckschriften E18, E19, E05 und E04 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wie bereits bei der Darlegung des fachmännischen Könnens und Wissens ausgeführt wurde, bildet die Lehre der E01 nur einen Ausschnitt der dem Fachmann gewahren Problematik ab. Insoweit wird der Fachmann, vor die Aufgabe gestellt, eine ansprechende Oberflächenstruktur und hohe Fertigungstoleranzen für Polymerschäume zu schaffen, aufgrund seines Fachwissens somit gerade nicht bei der Lehre der E01 Halt machen, da er sonst aufwändige weitere Verarbeitungsschritte wie das bereits angesprochene Kalandrieren zum Glätten der Oberflächen in Kauf nehmen muss. Sofern er folglich die nahe liegende nivellierende Wirkung der Extruderdüse zur Generierung ansprechender Oberflächenstrukturen des Polymerschaums nützen möchte, kommt er nicht umhin, die Expansion der Mikrokugeln im Extruder vor dem Austritt aus der Düse vorzunehmen.
Dass diese Expansion im Extruder vor dem Austritt aus der Düse ohne allzu großen Schaden für die Mikrokugeln möglich ist, zeigt ihm bereits die Druckschrift E05 auf, indem dort, wie ausgeführt, die Wahl einer geeigneten (kleinen) Größe der einzusetzenden expandierbaren Mikrokugeln empfohlen wird.
2a. Gleichermaßen ins Auge fällt ihm die ein Extrusionsverfahren zur Herstellung von Klebeschäumen beschreibende Druckschrift E18.
Die US 5 100 728 A (E18) ist auf Haftklebebänder und ihre Herstellung gerichtet, insbesondere geschäumte (vgl. E18: Sp. 1 Z. 14) Haftklebebänder mit einer Polymermatrix auf Acryl- oder Kautschukbasis als Trägerschicht (vgl. E18: Sp. 2 Z. 18-20), die extrudiert wird (Sp. 3 Z. 8-15). Die zur Schaumbildung eingesetzten Mikrokugeln haben eine niedrige Dichte (vgl. E18: Sp. 2 Z. 13-15), bestehen aus Keramik, Polymer, Glas, Kohlenstoff oder einem anderen geeigneten Material (vgl. E18: Sp. 2 Z. 25-28) und können fest, hohl oder porös, starr oder elastisch und klebrig oder nicht klebrig sein (vgl. E18: Sp. 2 Z. 29-31; Sp. 6 Z. 31-50). Bevorzugt zum Einsatz gebracht werden hohle Mikrokugeln, insbesondere hohle Keramikmikrokugeln, da sie hohe Bruchfestigkeit aufwiesen und im Allgemeinen preisgünstiger seien als Glas-, Polymer- und Kohlenstoffmikrokugeln (vgl. E18: Sp. 7 Z. 12-17). Wie nach der Lehre des Streitpatents in Merkmal P.3.0/V.3.0 gemäß Hauptantrag können ein oder mehrere der Füllstoffe zu der bereits im Extrusionszylinder befindlichen Polymerzusammensetzung gegeben werden (vgl. E18: Sp. 10 Z. 38-43). Für zerbrechliche Mikrokugeln mit niedriger Dichte wird die Zugabe am hinteren Ende des Extruders empfohlen (vgl. E18: Sp. 10 Z. 62-67; "... to add the filler at the downstream end of the extruder, …"), um die Bruchgefahr zu vermindern. Expandierbare Mikrokugeln werden in der E18 nicht genannt. Wie das Streitpatent beschäftigt sich die E18 damit, großvolumige und damit expandierten polymeren Mikrokugeln in der Größe gleichkommende Mikrokugeln (vgl. E18: Sp. 2 Z. 25-34, Sp. 7 Z. 18-20) möglichst ohne Schaden zu nehmen, innerhalb des Extruders mit der Polymermatrix zu mischen und dann zu extrudieren. Nach den dort angegebenen Handlungsempfehlungen zur Einarbeitung lassen sich diese im Extruder gut verarbeiten, wenn Tangentialschrauben zum Einsatz kommen (vgl. E18: Sp. 10 Z. 10-13 „tangential screws“), wenn die Schrauben vor Zugabe des Füllstoffs mit Polymer benetzt werden (vgl. E18: Sp. 10 Z. 43-61 „.. reduces … and possible crushing of the filler by unwetted screws“) und, wie ausgeführt, wenn der empfindliche Füllstoff erst spät am Ende der Extruderstrecke zugegeben wird (vgl. E18: Sp. 10 Z. 62-67 „… add the filler at the downstream end“).
Soweit die Beklagte geltend macht, dass die E18 keinen in Betracht zu ziehenden Ausgangspunkt bilde, weil sie sich nicht mit expandierbaren Mikrokugeln befasse und das Problem der Fertigungstoleranzen nur bei expandierbaren Mikrokugeln auftrete, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Wie vorstehend dargelegt, werden bereits nach den Angaben der im Streitpatent zitierten E01 expandierbare Mikrokugeln und Hohlglaskugeln hinsichtlich der Empfindlichkeit in eine Reihe gestellt. Zudem legt die E02 den Zusammenhang von Nachexpansion und groben Schaumoberflächen dar, so dass beide Einwände der Beklagten nicht zu überzeugen vermögen. Bereits expandierte Mikrokugeln expandieren nicht weiter und gefährden somit nicht die Einhaltung von Fertigungstoleranzen.
Auch die weiteren Einwände der Beklagten dahin, dass die E18 dem Fachmann bei der Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe im Hinblick auf Zugabe von expandierbaren Mikrokugeln erst nach dem Abdampfen der Lösungsmittel nicht weiter helfe, überzeugen nicht, da die E18 dem Fachmann eine Vielzahl von Möglichkeiten nennt, der Zerstörung expandierter Kugeln im Extruder vor Austritt aus der Düse zu begegnen.
Vor die erfindungsgemäße Aufgabe gestellt, lag es für den Fachmann im Lichte seines Fachwissens nahe, das in E18 beschriebene Verfahren auch und gerade mit expandierbaren Mikrokugeln durchzuführen, insbesondere, da diese erst im Zuge der Extrusion expandiert werden, und sich ihre Empfindlichkeit somit erst allmählich erhöht, wie aus E01 bekannt. Die in E18 offenbarten Maßnahmen ermöglichen eine weitgehend beschädigungsfreie Extrusion von schon expandierten Mikrokugeln, wonach beim Einsatz nicht expandierter Mikrokugeln, die im Sinne der aufgabengemäßen Fertigungstoleranzen entsprechend im Extruder vor Austritt aus der Düse weitgehend und „größtenteils“ zu expandieren sind, keine Schwierigkeiten zu befürchten waren. Somit leitet die E18 den Fachmann beim Einsatz von expandierbaren Mikrokugeln explizit dahin, diese in der Gänze und möglichst vollständig zu expandieren, nicht jedoch dahin, die Mikrokugeln erst nach Verlassen der Düse zu expandieren, da dies nahe liegender und sicherer wäre, wie die Beklagte meint.
Daran ändert auch das Argument der Beklagten nichts, dass das Verfahren der E18 Klebstoffe betreffe, die zutreffend zunächst einen hohen Lösungsmittelgehalt aufweisen, der mittels sogenannter „solvent removal units“ mit Vakuumpumpen (vgl. E18: Sp. 3 Z. 16-25) entfernt wird. Soweit die Beklagte, ohne einen Beleg dafür anzubringen, die Gefahr der Zerstörung der expandierbaren Mikrokugeln durch den angelegten Unterdruck geltend macht, übersieht sie, dass der im Übrigen regelbare Unterdruck nur lokal an Entlüftungsöffnungen angelegt ist, an denen die erhitzte Polymermasse mit durch die Verdampfung des Lösungsmittels erzeugtem Überdruck vorbeigeführt wird. Der sich ergebende Gesamtdruck spielt für die Expansion der Mikrokugeln keine Rolle, sondern unterstützt im Gegenteil die gewünschte vollständige Expansion. Selbst wenn der Fachmann diesbezüglich Bedenken haben sollte, wird er aufgrund seines Fachwissens für eine gute Durchmischung entweder durch eine längere Mischstrecke nach dem Entlüften unter Zugabe von ggf. weiterem Lösungsmittel sorgen, oder das Vakuum reduzieren. Zudem kann er die Mikrokugeln in Form eines „masterbatch“ einbringen, was eine homogene Durchmischung erleichtert und die eingebetteten Mikrokugeln auch im Übrigen besser schützt.
Somit beruht das beanspruchte verfahrensgemäße Erzeugnis im Lichte der E18 in Kombination mit dem Fachwissen des Fachmanns auf keiner erfinderischen Tätigkeit.
Auch gegenüber der Kombination der E18 mit E19 versteht der Fachmann die Passage auf S. 4 Z. 16-20 der E19 genau mit dem dort wiedergegebenen Wortlaut, das expandierbare Material in seiner Gesamtheit vor der Extrusion zu expandieren. Selbst wenn sich, wie die Beklagte vorbringt, der Expansionsgrad („mostly expanded“), nicht unmittelbar aus dieser Passage ergeben sollte, liegt dieser im Belieben des Fachmanns. Dabei wird er den Expansionsgrad immer so weit fahren, dass das Expansionsvermögen der Mikrokugeln unter Beachtung ihrer Empfindlichkeit nach Möglichkeit ausgenutzt wird.
In diesem Zusammenhang stellt die E19, soweit darin nicht bereits alle Merkmale des Erfindungsgegenstands nach Hauptantrag offenbart sein sollten, gleichermaßen einen für den Fachmann geeigneten Ausgangspunkt für die Lösung der erfindungsgemäßen Aufgabe dar. Denn die E19 beschäftigt sich mit der Herstellung von Polymerschäumen mittels Extrusion und hat, ebenso wie das Streitpatent, die Herstellung von Klebeschäumen als besonderes Ziel (vgl. E19: S. 2 Z. 18-23). Dass auch bei der Herstellung von Klebeschäumen enge Fertigungstoleranzen gefordert sind, versteht sich von selbst, wenn sie als Klebebänder auf dem Markt, insbesondere bei Spezialanwendungen, konkurrenzfähig sein sollen. Der Beklagten ist zuzustimmen, dass die E19 im Schwerpunkt auf die Herstellung selbstklebender Schaumprodukte gerichtet ist, die sich bei Kompression reversibel deformieren (vgl. E19: S. 2 Z. 18-23) und im Vergleich zum Stand der Technik besser auf unpolaren Plastikoberflächen haften (vgl. E19: S. 2 Z. 6-8 und Bsp. 3). Die E19 betrifft aber gattungsgemäß ein Verfahren zur Herstellung von Polymerschäumen unter Verwendung expandierbarer polymerer Mikrokugeln (vgl. E19: S. 2 Z. 25-29, S. 3 Z. 1-8). Damit ist nach den obigen Ausführungen auch durch Kombination der E19 mit E18 eine erfinderische Tätigkeit nicht festzustellen.
Sofern sich im Übrigen die Art des Mischens von polymeren Mikrokugeln und Polymerzusammensetzung in den Produkteigenschaften niederschlagen sollte und sich dem Fachmann aus der Passage auf S. 4 Z. 7-20 der E19 der Misch- und Extrusionsvorgang im Extruder nicht selbstverständlich als erste Wahl aufdrängt, beruht dieser Verfahrensschritt nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Wie auch die Beklagte einräumt, formuliert die E19 den Mischvorgang in allgemeiner Weise (vgl. E19: S. 4 Z. 7-8: „The foam is produced by first mixing a pressure sensitive adhesive composion with expandable particulate materials“). Ihre Auffassung, dass der Fachmann den zum Mischen sich aufdrängenden beschriebenen Extruder nicht berücksichtigt, kann nicht überzeugen. Gerade wenn die Beklagte meint, dass der Fachmann zu diesem Thema Bekanntes berücksichtigt hätte, vergisst sie die in E18 (auch in E01, E02 oder E05) vermittelten und fachüblichen Lehren, den Misch- und den Extrusionsvorgang zu kombinieren. Insbesondere stellt die das Fachwissen repräsentierende E02 eine nach Anspruchswortlaut zulässige Zugabe der Mikrokugeln als masterbatch als vorteilhaft heraus (vgl. E02: S. 3 li. Sp. Abs. 3 unter „EXTRUSION“).
2b. Auch ausgehend von den Druckschriften E05 und E04 kommt dem Verfahrensprodukt und dem Verfahren nach Hauptantrag keine erfinderische Tätigkeit zu, sofern diese Druckschriften insoweit nicht bereits die Neuheit in Frage stellen.
Wie das Streitpatent, stellt die E05 einen thermoplastischen Polymerschaum mit ansprechender Oberfläche (vgl. E05: Abstract; „beautiful surface“) bereit, indem Mikrokugeln und Polymermatrix im Extruder mischend vereinigt und expandiert werden (vgl. E05: Abs. [0014]). Sollte sich mit den Angaben zur Expansion der Mikrokugeln durch Kontakt mit der Extruderschraube (vgl. E05: Abs. [0010]) und dem Hinweis auf den Einsatz kleiner expandierbarer Mikrokugeln (vgl. Abs. [0016], [0020]) dem Fachmann nicht ohnehin eine Expansion der Mikrokugeln innerhalb des Extruders vor Austritt aus der Düse nicht unmittelbar erschließen, kann dieses Vorgehen keine erfinderische Tätigkeit begründen, denn, wie ausgeführt, stellt es nach E02 Fachwissen dar, dass die Expansion nach der Düse zu unregelmäßigen Oberflächen führt. Er wird somit den in E05 beschriebenen Weg gehen, die Expansion der Mikrokugeln in dem dort angegebenen Umfang (vgl. E05: Tab. 1 in Abs. [0030]) im Extruder vor Austritt aus der Düse durchzuführen, selbst wenn Merkmal P.3.3/V.3.3 dort nicht wörtlich wiedergegeben ist. Auch im Lichte der Kombination der E05 mit den zu berücksichtigenden Handlungsanweisungen in E18 wird er dabei nicht durch die in E01 vorgetragenen Bedenken in seinem Handeln gehindert.
Dasselbe Bild ergibt sich ausgehend von der E04, die ebenso wie das Streitpatent ein zweckmäßiges bzw. brauchbares Endprodukt (vgl. E04: S. 10 Z. 18-24 „serviceable“) bereit stellt und nach den Ausführungen zur Neuheit explizit die Expansion der Mikrokugeln im Extruder lehrt, indem sie, wie das Streitpatent, die Nachexpansion als problematisch darstellt (vgl. E04: S. 4 Z. 14-21). Die Beklagte macht geltend, dass nach Patentanspruch 4 der E04 die Expansion der Mikrokugeln im Extruder nur gestartet würde. Gerade die in E04 dargestellte Notwendigkeit, Schwellenwerte für die Expansion der Mikrokugeln im Extruder zu ermitteln (vgl. E04: S. 4 Z. 7-13) führt ihn unweigerlich zu einer Expansion der Mikrokugeln im Ausmaß der Merkmale P.3.3/V.3.3, so dass diese Verfahrensführung kein erfinderisches Zutun erfordert und ausgehend von E04 in Kombination mit der Lehre der E18, die dem Fachmann beachtliche, das Verfahren erleichternde Maßnahmen vorschlägt, den Fachmann insoweit anregt, diesen Weg einzuschlagen. Von der Beklagten weiter vorgebrachte Unterschiede zum Streitpatent dahin, dass die E04 keine genaue Stelle im Extruder angebe, an welcher die Expansion stattfindet und der Mischvorgang nicht zwingend im Extruder stattfinden müsse, sowie, dass die E04 nichts zu den anzulegenden Drücken sage, sind hinsichtlich des geltenden Anspruchswortlauts lediglich insoweit von Bedeutung, als der Mischvorgang im Extruder durchgeführt wird, was aber nach der Lehre der E04 als bevorzugt ausgewiesen wird (vgl. E04: Patentansprüche 1 und 4).
3. Das in Patentanspruch 6 nach Hauptantrag beanspruchte Verfahren unterliegt in seiner Beurteilung den gleichen Aspekten wie der als „product-by-process“ gekennzeichnete Erzeugnisanspruch 1.
Somit ist auch der Verfahrensanspruch nach den obigen Ausführungen wegen fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig.
4. Die weiteren Patentansprüche nach Hauptantrag sind nicht gesondert zu prüfen, da die Beklagte den geschlossenen Anspruchssatz nach Hauptantrag und den Verfahrensanspruch 6 als gesondert zu prüfen beantragt hat.
VIII.
Nach den Hilfsanträgen sollen die Gegenstände der Stoff- und Verfahrensansprüche auf die Herstellung eines klebenden Polymerschaums („adhesive polymer foam“) beschränkt werden. Die Polymerzusammensetzung soll dabei nach Hilfsantrag 1 ein "acrylate or methacrylate adhesive polymer or copolymer" umfassen (Merkmale P.3.4 I , V.3.4 I ), das gemäß Hilfsantrag 2 frei von Urethan- und Harnstoff-Vernetzungen ist (Merkmale P.3.5 II , V.3.5 II ), während der Gegenstand des Hilfsantrags 3 das Verfahren nach Hilfsantrag 2 ist.
Bei diesen Gegenständen handelt es sich lediglich um die Beschreibung einer möglichen Zusammensetzung des verwendeten Polymers, nicht aber um eine Änderung des Verfahrensablaufs. Somit unterscheiden sich die das Verfahren betreffenden Schritte in der Sache nicht von den entsprechenden Schritten nach Hauptantrag. Die Ausführungen zu den Verfahrensschritten nach Hauptantrag gelten insoweit und sinngemäß auch für die Gegenstände der Hilfsanträge.
Auch die stofflichen Aspekte des Polymerschaums können den Gegenständen der Hilfsanträge nicht zur Patentfähigkeit verhelfen.
1. So offenbart die E19 in Patentanspruch 7 ein selbstklebendes Acrylat-Polymer als Material für den nach Patentanspruch 1 beanspruchten Klebeschaum und spricht auch in der Beschreibung von Acrylaten („acrylics“) als inhärent klebende Polymere, die mit und ohne „tackifier“, also klebrig machenden Substanzen, zum Einsatz kommen (vgl. E19: S. 5 Z. 4-6).
Damit sind die Gegenstände des Patentanspruchs 1 und des gesondert zu prüfenden Verfahrensanspruchs 4 nach Hilfsantrag 1 aus der E19 bekannt oder beruhen zumindest, und wie ausgeführt, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Denn das Verfahrensprodukt und das Verfahren sind nach den obigen Ausführungen durch die wechselseitige Kombination der E19 mit der E18 nahe gelegt. Auch nach der Lehre der E18 kommt eine Haftklebepolymermatrix auf Acrylbasis zum Einsatz (vgl. E18: Patentansprüche 1, 12, Sp. 2 Z. 8-20 und Sp. 3 Z. 54-61 „a carrier layer which may or may not be a PSA composition“).
Eine auf möglicherweise bevorzugte Ausgestaltungen eingeschränkte Betrachtung der Offenbarung der E19, wie sie die Beklagte bei der Interpretation des Patentanspruchs 7 i.V. m. mit Patentanspruch 8 und die Ausführungsbeispiele vornimmt, kann nicht überzeugen. Die E19 stellt insoweit selbstklebende Polymermassen auf Isocyanatbasis und solche auf Polyolefinbasis in eine Reihe (vgl. auch E19: S. 2 Z. 25-35 und S. 3 Z. 1-6).
Nach der Lehre der E05 kommen unterschiedliche thermoplastische Materialien, für das Schaumerzeugnis wie z.B. EEA (Ethylen-Ethylacrylat-Copolymer) zum Einsatz (vgl. E05: Abs. [0009]). Wie oben ausgeführt, legen ihm die zu berücksichtigenden Handlungsanweisungen nach E18 dabei auch die Ausbildung des Acrylats als selbstklebendes Material nahe, wonach die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 4 nach Hilfsantrag 1 auch gegenüber der Kombination aus E05 und E18 auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhen.
Gleiches gilt ausgehend von der Lehre der E04. Das dort zur Verfügung gestellte geschäumte Material dient als Element der Immobilisierung und als Schutzschicht für Körperteile (vgl. E04: Patentanspruch 33). Auch in diesem Fall führt die Kombination der E04 mit E18, welche selbstklebende Acrylschäume vorstellt, die sich dem Fachmann insbesondere mit der gewünschten Schutzwirkung des Erzeugnisses der E04 aufdrängen, ohne erfinderisches Zutun zu den Gegenständen der Patentansprüche 1 und 4 nach Hilfsantrag 1.
Die weiteren Patentansprüche nach Hilfsantrag 1 sind nicht gesondert zu prüfen, da die Beklagte den geschlossenen Anspruchssatz nach Hilfsantrag 1 und den Verfahrensanspruch 4 als gesondert zu prüfen beantragt hat.
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 2 ist ebenfalls nicht patentfähig. Hilfsantrag 2 entspricht im Wesentlichen Hilfsantrag 1, wobei der Gegenstand von Patentanspruch 1 nunmehr auf (Meth)Acrylatkleber frei von Urethan- und Harnstoff-Vernetzungen gerichtet ist. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob mit diesem Merkmal eine Überbestimmung verbunden ist, weil gängige als Haftkleber zum Einsatz kommende (Meth)Acrylate, von der Beklagten nicht weiter bestritten, derartige Vernetzungen nicht aufweisen.
Wie ausgeführt, weisen weder die in E18 noch die in E19 als separate Gruppe offenbarten Haftklebeschäume solche Struktureinheiten auf. Somit sind die bei der Bewertung des Gegenstände nach den Patentansprüchen 1 und 4 nach Hilfsantrag 1 aufgezeigten Gründe ohne weiteres auf den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 anzuwenden.
Die weiteren Patentansprüche nach Hilfsantrag 2 sind nicht gesondert zu prüfen, da die Beklagte den geschlossenen Anspruchssatz beantragt hat.
3. Schließlich ist auch der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 3 nicht patentfähig. Dieser Hilfsantrag setzt auf Hilfsantrag 2 auf, in dem alle Patentansprüche bis auf den Verfahrensanspruch gestrichen sind.
Nach den Ausführungen oben wirkt sich chemische Zusammensetzung des Polymerschaums gerade nicht auf die Verfahrensschritte aus, wonach sich ausgehend von der Bewertung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 keine unterschiedliche Bewertung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 3 ergibt.
IX.
Die von den Beteiligten vorgelegten Privatgutachten müssen nicht im Detail gewürdigt werden. Denn sie rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Diese sind lediglich als urkundlich belegter substantiierter Parteivortrag (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 33. Aufl., Vorbem. § 402 Rn. 3, 5) und deshalb nur als vertiefende Stellungnahme der Verfahrensbeteiligten anzusehen und gelangen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Außerdem enthalten die Gutachten rechtliche Würdigungen, die dem Senat obliegen. Der sach- und fachkundig besetzte Senat konnte demgegenüber – wie oben im einzelnen dargelegt – auf die verständlichen technischen Ausführungen in den unabhängigen, weil vor dem Zeitrang des Streitpatents und damit ohne Kenntnis des Streitgegenstands verfassten Druckschriften sowie sein Fachwissen zurückgreifen, um die vorgebrachten Nichtigkeitsgründe zu prüfen und die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents zu beurteilen.
X.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.