Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.02.2013


BPatG 26.02.2013 - 3 Ni 28/09 (EU)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – zur Bindungswirkung des Bundespatentgerichts nach Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsdatum:
26.02.2013
Aktenzeichen:
3 Ni 28/09 (EU)
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
nachgehend BGH, 9. Juni 2015, Az: X ZR 101/13, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 102 809

(DE 699 25 919)

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung am 26. Februar 2013 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Schramm sowie der Richter Guth, Dipl.-Chem. Dr. Egerer und Dipl.-Chem. Dr. Lange und Dipl.-Chem. Dr. Wismeth

für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 1 102 809 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Berufung.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des am 30. Juli 1999 unter Inanspruchnahme der Priorität der Anmeldung US 127774 vom 31. Juli 1998 beim Europäischen Patentamt angemeldeten und u. a. mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in der Verfahrenssprache Englisch erteilten europäischen Patents EP 1 102 809 B1 (Streitpatent), mit der Bezeichnung "Articles that include a polymer foam and method for preparing same", das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE 699 25 919 geführt wird. Die 38 Patentansprüche des Streitpatents haben in der Verfahrenssprache Englisch folgenden Wortlaut:

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2

Der Senat hat das Streitpatent mit Urteil vom 14. April 2012 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Auf die Berufung der Beklagten hat der Bundesgerichtshof dieses Urteil mit Urteil vom 17. Juli 2012 aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen (BGH GRUR 2012, 1124 - Polymerschaum).

3

Die Klägerin ist der Ansicht, das Streitpatent sei in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Zur Begründung bezieht sie sich auf folgende Dokumente:

4

E01     

DE 195 31 631 A1

E02     

Bericht der RAPRA Technology Ltd. über ein Ein-Tages-Seminar am 19. Februar 1998 mit dem Titel "Blowing Agent Systems: Formulations and Processing".

E03     

Akzo Nobel Technical Bulletin No. 24 "Expancel - Microspheres in Thermoplastics".

E04     

EP 0 802 946 B1

E05     

JP-Kokai 10-152575

E06     

US 4 843 104

E07     

US 4 513 106

E08     

US 5 783 125

E09     

JP-Kokai 10-168401

E10     

DE-OS 2 049 471

E11     

JP-Kokai 8-012888

E11'   

Übersetzung der E11

E12     

US 4 701 370

E13     

DE 44 07 144 A1

E14     

DE 195 21 520 A1

E15     

DE 36 00 041 A1

E16     

DE 198 03 362 A1

E17     

EP 0 692 516 A1

        

Eidesstattliche Erklärung von Herrn Klas Elving vom 11. Februar 2011,

E18     

US 5 100 728

E19     

PCT WO 97/47681 A2

E20     

Landrock, Handbook of Plastic Foams, Noyes Publications, 1995, Inhaltsverzeichnis, Seiten 154, 155

E21     

Kunststoffberater, 6-96, Giesel Verlag für Publizität GmbH, Seiten 3, 18 bis 22

E22     

US 5,593,628 A1

E23     

US 5,574,117 A1

E24     

US 4,855,170 A1

Gutachten Prof. Dr. Ohlendorf vom 18. März 2011

        

Lebenslauf Prof. Dr. Ohlendorf

        

Veröffentlichungsliste Prof. Dr. Ohlendorf

        
                 

K1    

Merkmalsanalyse

K2    

Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Gutachten vom 27. Januar 2013 von Prof. Dr. Ohlendorf

K3    

Affidavit by Klas Elving

5

Druckschriften ohne Kennziffer:

6

WO 00/06637 A1 aus der Streitpatentfamilie

7

WO 96/11226 A2

8

Auszug aus F. R. Schwarzl, Polymermechanik, Springer Verlag Heidelberg 1990, Inhaltsverzeichnis und Seiten 89 bis 91.

9

Die Klägerin ist der Ansicht, die Lehre des Streitpatents sei nicht ausführbar und der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der beim Europäischen Patentamt eingereichten ursprünglichen Fassung hinaus, weil das Merkmal "molten polymer composition" nicht ursprünglich offenbart sei.

10

Nach der Zurückverweisung der Sache an den Senat durch den Bundesgerichtshof könne von ihr neuer Stand der Technik eingeführt werden und das gesamte Streitpatent sei jedenfalls dann unter allen rechtlichen Gesichtspunkten überprüfbar, wenn sich die Auslegung und Beurteilung der Ansprüche des Streitpatents gegenüber der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ändere.

11

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents sei zumindest gegenüber E19 nicht neu und dem Fachmann von einer Kombination dieser und/oder den übrigen von den von der Klägerin genannten Druckschriften E01, E02, E04, E05, E14, E18 bis E21 einzeln oder in Kombination nahegelegt. E24 nehme den Gegenstand des Patentanspruchs 15 neuheitsschädlich vorweg. Gleiches gelte für die Gegenstände der Patentansprüche, mit denen die Beklagte das Streitpatent hilfsweise verteidigt.

12

Die Klägerin beantragt,

13

das europäische Patent 1 102 809 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

14

Die Beklagte verteidigt das Streitpatent beschränkt im Umfang eines Hauptantrags und der ebenfalls in der Verfahrenssprache Englisch abgefassten Hilfsanträge 1, 1a-1 bis 1a-9, 1b, 1b', 1c-1 bis 1c-3, 1d bis 1f sowie 2 bis 8 und beantragt sinngemäß,

15

die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung gemäß den im Schriftsatz vom 20. Februar 2013 wiedergegebenen Haupt- und Hilfsanträgen oder des in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2013 übergebenen Hilfsantrags 1b', der sich nach dem bisherigen Hilfsantrag 1b einreiht, erhält.

16

Außerdem beantragt die Beklagte Vertagung der mündlichen Verhandlung, da sie nicht ausreichend Gelegenheit gehabt hätte, sich mit der erst drei Wochen vor dem Termin eingereichten K2 auseinanderzusetzen.

17

Nunmehr werden gemäß Hauptantrag die Patentansprüche 1 bis 14 in der erteilten Fassung verteidigt, Patentanspruch 15 erhält den Wortlaut:

18

"15. An article comprising the polymer foam obtainable according to the method of claim 1, wherein said polymer foam is an adhesive, and wherein the polymer composition comprises an acrylate or methacrylate adhesive polymer or copolymer.”

19

Die Patentansprüche 16 bis 23 des Hauptantrags entsprechen der erteilten Fassung, Patentanspruch 24 wird gestrichen, die neuen Patentansprüche  24 bis 34 entsprechen im Wortlaut den erteilten Ansprüchen 25 bis 35. Die erteilten Patentansprüche 36 bis 38 entfallen. Wegen des Wortlauts des Hauptantrags wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 20. Februar 2013 verwiesen.

20

Wegen des Wortlauts der Patentansprüche der hilfsweise verteidigten Fassungen des Streitpatents wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 20. Februar 2013 sowie auf die Anlagen zum Protokoll der mündlichen Verhandlung am 26. Februar 2013 verwiesen.

21

Die Beklagte stützt sich auf folgende Dokumente:

22

englische Übersetzung der Druckschrift E05,

23

Gutachten G1 bis G9,

24

handschriftliche Darstellung der Offenbarung der E19.

25

Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen.

26

Der Bundesgerichtshof habe in dem zurückverweisenden Urteil abschließend über die Patentfähigkeit des Patentanspruchs 1 entschieden und bindende Vorgaben für die Prüfung durch den Senat gemacht. Der Sinn und Zweck der neuen Gesetzesnorm des § 119 Abs. 4 PatG verbiete die Einführung und Berücksichtigung neuen Standes der Technik.

27

Sämtliche Merkmale der gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen verteidigten Fassungen des Streitpatents seien in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen offenbart, wie der Fachmann aus dem Zusammenhang der in der Beschreibung des Streitpatents offenbarten Verfahrensschritte erkenne.

28

Die Gegenstände des Hauptantrags und der Hilfsanträge seien gegenüber dem Stand der Technik auch neu, definierten die zeitliche Abfolge der Verfahrensschritte deutlich und enthielten hinreichend präzise, für den Fachmann verständliche Begriffe. Die Gegenstände beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn die in den Entgegenhaltungen offenbarten Lehren beträfen andersartige Verfahren, seien nicht ausführbar oder es gebe wegen der Unterschiedlichkeit der Aufgabenstellungen und Lösungswege keinen Anlass zur Kombination der Entgegenhaltungen.

Entscheidungsgründe

I.

29

1. Die auf die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung, mangelnder Patentfähigkeit sowie mangelnder Ausführbarkeit des Streitpatents (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ und Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. b EPÜ) gestützte Klage ist zulässig.

30

2. Die Klage ist auch begründet. Der von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit führt zur Nichtigkeit des Streitpatents, da die patentgegenständliche Lehre, unabhängig von dem Ergebnis der Prüfung auf Zulässigkeit der vorgenommenen Abänderungen der ursprünglich offenbarten Lehre, sich gegenüber dem Stand der Technik als nicht mehr neu oder demgegenüber jedenfalls als nicht erfinderisch erweist.

31

Soweit die Beklagte das Streitpatent im Wege der zulässigen Selbstbeschränkung nicht mehr verteidigt, war es mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären (zur st. Rspr. im Nichtigkeitsverfahren vgl. z. B. BGH GRUR 2007, 404, 405 - Carvedilol II; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 83 Rdn. 45 m. w. Nachw.; Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 81 Rdn. 132).

32

Gegenstand der Überprüfung sämtlicher Ansprüche des Streitpatents ist auch der von der Klägerin nach der Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof (BGH GRUR 2012, 1124 - Polymerschaum) eingeführte neue Stand der Technik sowie die veränderte Beurteilungsgrundlage im Hinblick auf die Patentfähigkeit von Patentanspruch 1, den der Bundesgerichtshof in der Urteilsbegründung als neu und erfinderisch angesehen hat.

33

Nach § 119 Abs. 4 PatG ist der Senat an die rechtliche Beurteilung, die der Bundesgerichtshof seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, gebunden. Die Bindungswirkung beschränkt sich aber nach der auch unter Geltung neuen Rechts allgemein vertretenen Ansicht auf den Fall, dass der zu beurteilende Sachverhalt gleich bleibt, also der zu berücksichtigende Stand der Technik oder die zu beurteilende Fassung des Streitpatents sich nicht ändern (vgl. Busse, Patentgesetz, 7. Aufl., § 119 Rn. 6; Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 4. Aufl., Seite 246, Rn. 424). Bindung des Bundespatentgerichts besteht außerdem nur für die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt. Im Übrigen ist der Senat frei und an Erwägungen nicht gebunden, die nur anlässlich der Entscheidung geäußert sind, aber die Entscheidung nicht tragen. Die Bindungswirkung ist auf diejenigen Punkte beschränkt, deren rechtsirrtümliche Würdigung durch die Vorinstanz die Aufhebung ihrer ersten Entscheidung unmittelbar herbeigeführt hat (vgl. BGH GRUR 1972, 472, 474). Keine Bindung besteht darum für obiter dicta sowie für Hinweise für die weitere Behandlung des Verfahrens (vgl. Busse, a. a. O. § 108 Rn. 8; Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 108 Rn. 4 m. N.; vgl. auch Keukenschrijver, a. a. O.).

34

Es ist nicht ersichtlich, weshalb - wie die Beklagte meint - § 119 Abs. 4 PatG, der analog § 563 ZPO gebildet ist, nach neuem Recht neues tatsächliches Vorbringen ausschließen sollte. Die Rechtsänderung und Einführung neuer, aber gegenüber den Vorschriften der ZPO wesentlich eingeschränkter Präklusionsmöglichkeiten sollte einer Beschleunigung des Verfahrens dienen und die Klärung des Sachverhalts und des relevanten Stands der Technik zur Entlastung des Bundesgerichtshofs in erster Linie auf das Bundespatentgericht konzentrieren. Damit sollte die Berufungsinstanz von der Aufgabe eigener Tatsachenfeststellungen entlastet werden, um das Berufungsverfahren zu beschleunigen (vgl. BT-Drucks. 16/11339 Seite 17). Es ist daher folgerichtig, wenn - wie auch aus dem zurückverweisenden Urteil ersichtlich - die Zurückverweisung zu einer erneuten und vollständigen Klärung der Sache unter Einbeziehung auch neuen relevanten Standes der Technik durch das Bundespatentgericht führen soll. Dies insbesondere, da dort durch die besondere Sachkunde der technischen Richter die entscheidenden Fragen anders als beim Bundesgerichtshof - häufig ohne verfahrensverzögernde Zuziehung eines gerichtlichen Sachverständigen abschließend geklärt werden können (vgl. dazu auch BGH GRUR 2012, 1124 Rn. 62 - Polymerschaum).

35

Hierfür spricht auch, dass die Gesetzesbegründung ausschließlich Bezug auf die betreffenden revisionsrechtlichen Regelungen der ZPO nimmt (vgl. BT-Drucks. 16/11339 Seite 24, 25), die nach Zurückverweisung eine erneute Überprüfung auch in tatsächlicher Hinsicht vorsehen. Soweit die Beklagte demgegenüber auf die Entscheidung BGH X ZR 99/11 - Fahrzeugwechselstromgenerator verweist, ist diese schon deshalb nicht einschlägig, weil sie sich auf die Voraussetzungen einer Zurückweisung neuen Vorbringens in der Berufungsinstanz gem. §§ 117 PatG, 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO bezieht.

36

In diesem Zusammenhang ist außerdem zu beachten, dass die Zurückverweisung des Bundesgerichtshofs im vorliegenden Fall - entsprechend dem Wortlaut des § 119 Abs. 4 PatG - das gesamte Patent betrifft und in dem Urteil ausdrücklich die Fragen der unzulässigen Erweiterung des Anmeldungsgegenstands von Anspruch 1, die Frage der Auslegung des Gegenstands des Streitpatents, die Ausführbarkeit und die patentrechtliche Beurteilung insbesondere von Patentanspruch 15 offen gelassen worden sind.

37

Die Bindungswirkung des zurückverweisenden Urteils kann daher nur insoweit bestehen, wie der Bundesgerichtshof entschieden hat. Sie endet, wenn sich der ihr zugrundeliegende relevante Stand der Technik oder die Rechtslage ändert (vgl. Busse, a. a. O., § 108, Rn. 8; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 70. Aufl. 2012, § 563 Rn. 6, 7). Es ist daher schon problematisch, inwieweit auch unter Berücksichtigung der Gründe des zurückverweisenden Urteils die vielfältig miteinander verschränkten und von sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren bestimmten Fragen der Auslegung des Streitpatents, des Umfangs und Inhalts der Offenbarung der geschützten Lehre, der Ausführbarkeit und der Patentfähigkeit überhaupt voneinander getrennt werden können, zumal der vom Bundesgerichtshof nicht beurteilte nebengeordnete Patentanspruch 15 auf Patentanspruch 1 rückbezogen ist. Jedenfalls aber ist der Senat nicht daran gehindert, auch die Problemfelder erneut zu beurteilen, zu denen vom Bundesgerichtshof im zurückverweisenden Urteil bereits konkrete Aussagen gemacht worden sind, wenn sich die Beurteilungsgrundlage aufgrund der Bewertung der Fragen durch den Senat ändert, die Gegenstand der Zurückverweisung waren. Tauchen hierdurch wesentliche neue Gesichtspunkte auf, die dem Berufungsgericht nicht vorlagen und die es bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen konnte, endet die Bindungswirkung.

38

Soweit die beschränkte Verteidigung gemäß den Hilfsanträgen zu beurteilen ist, kann ohnehin keine Bindungswirkung bestehen, da hierüber der Bundesgerichtshof nicht entschieden hat.

II.

39

1. Das Streitpatent betrifft Artikel, die Polymerschaum enthalten, und Verfahren zu deren Herstellung (EP 1 102 809 B1 [0001]), wobei die polymere Schaumstruktur insbesondere mittels expandierbarer polymerer Mikropartikel erzeugt wird.

40

Polymerschäume mit einer erheblich reduzierten Dichte, die vor allem mit Hilfe expandierbarer Mikropartikel als Zusatz zur Polymermasse vor dem Schmelzmischen und dem Extrudieren erzeugt werden, werden u. a. zur Herstellung von Gegenständen für Anwendungen in der Luftfahrt, dem Fahrzeugbau und auf medizinischem Gebiet sowie in vielen anderen Bereichen verwendet. Spezifische Anwendungsbeispiele umfassen schwingungsdämpfende Gegenstände, medizinische Verbände, Klebebandträger, Träger einer reflektierenden Folie, ermüdungsbeständige Vliese, Schleifgegenstandsträger, Klebefelder von erhöhten Fahrbahnmarkierungen, Dichtungsringe und Abdichtmittel (vgl. EP 1 102 809 B1 [0077]). Der Schaum umfasst eine Polymermatrix und ist gekennzeichnet durch eine Dichte, die geringer ist als die Dichte der Polymermatrix selbst. Die Dichtereduzierung wird auf verschiedene Art und Weisen erzielt, einschließlich der Bildung von gasgefüllten Hohlräumen in der Matrix (z. B. mit Hilfe eines Treibmittels) oder Einschluss von polymeren Mikrokugeln (z. B. expandierbare Mikrokugeln) oder von nichtpolymeren Mikrokugeln (z. B. Glasmikrokugeln) (vgl. EP 1 102 809 B1 [0002]). Zum Stand der Technik bezieht sich die Streitpatentschrift dabei auf die DE 195 31 631 A1 (E01 im vorliegenden Nichtigkeitsverfahren). Durch Verwendung unterschiedlicher Komponenten und Verfahrensweisen bei der Herstellung des Schaums können gezielt Gegenstände hergestellt werden, die den Anforderungen für den gewünschten Verwendungszweck genügen.

41

2. Eine explizit formulierte Aufgabe geht aus der Streitpatentschrift nicht hervor. Das zu lösende Problem kann jedoch in Anlehnung an die Ausführungen in der Zusammenfassung der Erfindung in der Bereitstellung eines Erzeugnisses mit glatter Oberfläche gesehen werden, das einen Polymerschaum beinhaltet mit einer Mehrzahl von Mikrokugeln, wenigstens eine davon in Form einer expandierbaren polymeren Mikrokugel (vgl. EP 1 102 809 B1 [0004]), und weiter insbesondere darin, ein Verfahren zur Herstellung eines Polymerschaums bzw. einen solchen Polymerschaum zu entwickeln, bei dem das Aufschäumen mittels expandierbarer Mikrokugeln unter Einhaltung definierter Bedingungen in einem Extruder zumindest teilweise bewirkt und bei dem ein extrudierter Polymerschaum bzw. ein betreffendes Erzeugnis aus einem extrudierten Polymerschaum innerhalb enger Fertigungstoleranzen hergestellt werden kann (vgl. EP 1 102 809 B1 [0021] i. V. m. [0061]).

42

3. Zur Lösung dieser Aufgabe(n) umfasst die Lehre des Streitpatents in der nunmehr nach Hauptantrag verteidigten Fassung Verfahren zur Herstellung eines Polymerschaums gemäß Patentanspruch 1 sowie den darauf rückbezogenen Unteransprüchen, des weiteren Erzeugnisse gemäß dem Product-by-Process Patentanspruch 15 nebst darauf rückbezogenen Unteransprüchen sowie Weiterverarbeitungsprodukte umfassend sogenannte foam-in-place Erzeugnisse entsprechend dem auf Patentanspruch 15 rückbezogenen Patentanspruch 34.

43

a) Gelöst wird die Aufgabe gemäß Patentanspruch 1 in der erteilten und nach Hauptantrag auch weiterhin verteidigen Fassung durch ein

44

1) Verfahren zur Herstellung eines Polymerschaums umfassend das Bereitstellen

45

1.1) von mehreren expandierbaren polymeren Mikrokugeln und

46

1.2) einer geschmolzenen Polymerzusammensetzung (molten polymer composition).

47

2) Die geschmolzene Polymerzusammensetzung enthält weniger als 20% Gew.-% Lösemittel.

48

3) Jede expandierbare polymere Mikrokugel umfasst eine Polymerhülle und ein Kernmaterial, das

49

3.1) aus einem Gas, einer Flüssigkeit oder einer Kombination davon besteht und

50

3.2) beim Erwärmen expandiert, was zur Expansion der Polymerhülle führt.

51

4) Die geschmolzene Polymerzusammensetzung und die mehreren expandierbaren polymeren Mikrokugeln werden schmelzgemischt (melt mixing the molten polymer composition and the plurality of expandable polymeric microspheres), wobei die Prozessbedingungen einschließlich Temperatur und Schergeschwindigkeit so gewählt sind, dass eine Zusammensetzung gebildet wird, die

52

4.1) extrudierbar und

53

4.2) expandierbar ist.

54

5) Die expandierbare extrudierbare Zusammensetzung wird durch eine Düse extrudiert, um den Polymerschaum zu bilden.

55

6) Mehrere der expandierbaren polymeren Mikrokugeln expandieren zumindest teilweise, bevor die expandierbare, extrudierbare Zusammensetzung aus der Düse tritt.

56

b) In den Patentansprüchen 1 der hilfsweise verteidigten Fassungen wird das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch folgende (Teil)Merkmale, einzeln oder in deren unterschiedlicher Kombination, weiter ausgestaltet oder modifiziert:

57

1a) Verfahren zur Herstellung eines polymeren Klebeschaums

58

1a') Verfahren zur Herstellung eines klebenden Polymerschaums

59

1.3) die nicht expandierten polymeren Mikrokugeln werden zu der geschmolzenen Polymerzusammensetzung gegeben

60

1.3.1) die expandierbaren polymeren Mikrokugeln werden zu der geschmolzenen Hot Melt Polymerzusammensetzung gegeben

61

1.3.2) die expandierbaren polymeren Mikrokugeln werden stromabwärts zu der geschmolzenen klebenden Hot Melt Polymerzusammensetzung gegeben

62

1.4) einem Extruder wird eine Polymerzusammensetzung zugeführt und eine Mehrzahl von expandierbaren polymeren Mikrokugeln wird stromabwärts zugegeben

63

1.4.1) einem Extruder wird eine Hot Melt Polymerzusammensetzung zugeführt und eine Mehrzahl von expandierbaren polymeren Mikrokugeln wird stromabwärts zugegeben,

64

1.4.2) einem Extruder wird eine Polymerzusammensetzung zugeführt, die ein klebendes Acrylat- oder ein Methacrylat-Polymer oder -Copolymer umfasst, und eine Mehrzahl von expandierbaren polymeren Mikrokugeln wird stromabwärts zugegeben

65

2.1) die geschmolzene Hot Melt Polymerzusammensetzung enthält weniger als 20 % Lösungsmittel,

66

2.2) die geschmolzene klebende Hot Melt Polymerzusammensetzung enthält weniger als 20 % Lösungsmittel,

67

2.3) die geschmolzene Polymerzusammensetzung enthält weniger als 20 % Lösungsmittel und umfasst ein klebendes Acrylat- oder Methacrylat-Polymer oder -Copolymer,

68

4.3) ohne dass die expandierbaren Mikrokugeln expandieren oder brechen

69

4.4) Transfer der expandierbaren extrudierbaren Zusammensetzung (in den Extruder bzw. im Extruder) zur Extruderdüse

70

4.4.1) Transfer der expandierbaren extrudierbaren Zusammensetzung zur Extruderdüse, ohne das Expandieren der expandierbaren Mikrokugeln zu bewirken

71

4.5) die Temperatur während des Schmelzmischens wird so geregelt, dass die expandierbaren Mikrokugeln nicht expandieren,

72

5.1) die in der Extruderdüse gewählte Temperatur entspricht der Expansionstemperatur der expandierbaren Mikrokugeln oder liegt darüber, so dass die Mikrokugeln expandieren und die Zusammensetzung in der Düse geschäumt wird

73

5.2) Extrudieren der expandierbaren extrudierbaren Zusammensetzung durch eine Düse, um den klebenden Polymerschaum zu formen,

74

5.3) Extrudieren der expandierbaren extrudierbaren Zusammensetzung durch eine Düse, um den polymeren Klebeschaum zu formen,

75

5.4) die Strömungsgeschwindigkeit der expandierbaren extrudierbaren Zusammensetzung durch den Extruder und die Düsenaustrittsöffnung wird so gehalten, dass der Druck in der Düse während der Führung der Zusammensetzung durch die Düse ausreichend niedrig ist, um die Expansion der expandierbaren Mikrokugeln vor dem Austritt der Zusammensetzung aus der Düsenöffnung zu ermöglichen

76

6.1) wobei die expandierbaren polymeren Mikrokugeln (bereits) vor dem Austritt der expandierbaren extrudierbaren Zusammensetzung aus der Düse größtenteils expandiert sind

77

6.1a) wobei die meisten der expandierbaren Mikrokugeln zumindest teilweise expandiert sind, bevor die Zusammensetzung aus der Düse ausgetreten ist

78

7) das Herstellungsverfahren umfasst das Vernetzen der expandierbaren extrudierbaren Zusammensetzung oder das Vernetzen des klebenden geschäumten Polymers.

79

c) Patentanspruch 15 des Hauptantrags, der auf Erzeugnisse umfassend einen nach den Verfahren gemäß Patentanspruch 1 erhältlichen Polymerschaum gerichtet und damit nach Art eines Product-by-Product Anspruchs abgefasst ist, weist neben den vorstehend unter a) aufgeführten Merkmalen die weiteren Merkmale

80

1b) hergestellt wird ein klebender Polymerschaum

81

1.2.1) die Polymerzusammensetzung umfasst ein klebendes Acrylat- oder Methacrylat-Polymer oder -Copolymer

82

auf.

83

d) Das streitpatentgemäße Verfahren sowie die demnach erhältlichen Erzeugnisse in der Fassung des letzten Hilfsantrags, Hilfsantrag 8, weisen zusätzlich zu vorstehend unter 3a bis 3c aufgeführten Merkmalen die folgenden weiteren Merkmale auf:

84

1b) Erzeugnis umfassend ein geschäumtes Polymergemisch, wobei das Polymergemisch ein klebendes Polymer umfasst,

85

1c) Erzeugnis umfassend ein klebendes geschäumtes Polymer, wobei die Polymerzusammensetzung ein klebendes Acrylat- oder Methacrylat-Polymer oder -Copolymer umfasst,

86

1d) Erzeugnis umfassend ein klebendes geschäumtes Polymer, das vernetzt ist, wobei die Polymerzusammensetzung ein klebendes Acrylat- oder Methacrylat-Polymer oder -Copolymer umfasst,

87

1e) Erzeugnis umfassend ein klebendes geschäumtes Polymer,

88

wobei die Polymerzusammensetzung ein klebendes Acrylat- oder Methacrylat-Polymer oder -Copolymer umfasst, und wobei mindestens eine düsengeformte Fläche des geschäumten extrudierten Polymers glatt ist und einen Ra-Wert von weniger als 75 Mikrometern aufweist, gemessen durch Lasertriangulation-Profilmessung,

89

8) mindestens eine düsengeformte Fläche des geschäumten extrudierten Polymers ist glatt und weist einen Ra-Wert von weniger als 75 Mikrometern auf, gemessen durch Lasertriangulation-Profilmessung,

90

4. Als Fachmann ist ein Diplom-Chemiker der Fachrichtung makromolekulare Chemie bzw. Polymerchemie oder ein Diplom-Ingenieur der Verfahrenstechnik mit Schwerpunkt Polymerchemie anzusehen, die jeweils besondere Kenntnisse und langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Kunststofftechnik besitzen und die besonders mit der Herstellung geschäumter extrudierter Polymermassen und -formteile sowie der Herstellung von deren Weiterverarbeitungsprodukten befasst und vertraut sind. Sie arbeiten eingebunden in einem aus betreffenden Fachleuten gebildeten Team.

91

5. Um die vom Bundesgerichtshof in seiner Zurückverweisung angesprochenen Fragen der unzulässigen Erweiterung und der Patentfähigkeit von Anspruch 15 des Streitpatents sowie die Zulässigkeit der Hilfsanträge beurteilen zu können, ist zunächst der Patentgegenstand zu erörtern.

92

Gegenstand des Streitpatents in den verteidigten Fassungen sind Herstellungsverfahren gemäß Patentanspruch 1, die sowohl stofflich als auch verfahrenstechnisch im Rahmen der Anspruchsmerkmale nahezu unbegrenzt breit gestaltbar sind, sowie Produkte und Weiterverarbeitungsprodukte und damit Erzeugnisse gemäß den jeweiligen antragsgemäßen Sachansprüchen, die nach diesen Herstellungsverfahren unter Berücksichtigung der stofflichen und funktionellen Maßgaben erhältlich sind.

93

Sofern in der Beschreibung des Streitpatents konkrete Ausführungen oder Anhaltspunkte zur Auslegung der in den Patentansprüchen verwendeten Begriffe und der Anspruchsgegenstände fehlen, ist auf das Grundwissen des Fachmanns sowie ggf. auf im Verfahren befindliche unabhängige, weil vor dem Zeitrang des Streitpatents und damit ohne Kenntnis des Streitgegenstands verfasste Fachliteratur zurückzugreifen.

94

a) Die Breite der beanspruchten Herstellungsverfahren ergibt sich zwangsläufig und offensichtlich aus der Breite der einzelnen, nachfolgend unter Beachtung des technisch Machbaren ausgelegten stofflichen und verfahrenstechnischen Begriffe bzw. (Teil)Merkmale unter Berücksichtigung des jeweiligen Kontexts sowie im Kontext der gesamten Ansprüche und der gesamten Patentbeschreibung, deren Sinngehalt sich weitestgehend aus dem Grundwissen eines Fachmanns erschließt.

95

Der Begriff "a molten polymer composition" (vgl. Merkmale 1.2, 1.3, 1.3.2, 2, 2.1, 2.2, 2.3, 4) ist allein schon wegen der stofflichen Breite bzw. Variabilität und/oder der stofflichen Unbestimmtheit des Teilbegriffs "polymer composition" und den offen formulierten Verfahrensbedingungen nicht durch eine genau definierte Schmelztemperatur bzw. nicht durch einen eng festlegbaren Schmelzbereich gekennzeichnet, weder im Fall eines einzigen, die Polymermatrix bildenden Polymeren oder Copolymeren noch für die Polymermatrix bildende Gemische komplexer Polymer- und/oder Copolymerzusammensetzung und -struktur. Eine andere Bewertung der stofflichen Unbestimmtheit und der daraus resultierenden mangelnden Definition eines Schmelzpunkts bzw. Schmelzbereichs ergibt sich auch nicht aus der nicht erschöpfenden Aufzählung von (Co)Polymeren, die als Komponenten der Polymermatrix in Frage kommen, in der Beschreibung des Streitpatents (vgl. EP 1 102 809 B1 [0041] bis [0048]).

96

Ein Schmelzpunkt im herkömmlichen Sinn existiert für Polymere in der Regel nicht, erst recht nicht für komplexe Polymerzusammensetzungen.

97

Bei den meisten Thermoplasten findet der Übergang vom festen in den flüssigen Zustand nicht bei einer bestimmten genau definierten exakten Temperatur, sondern in einem von Fall zu Fall unterschiedlich breit ausgeprägten Temperaturbereich statt. Sie weisen meist einen breiten Erweichungsbereich vom festen über den viskosen, schwer flüssigen hin zum verflüssigten Zustand auf (vgl. z. B. R.B Schwarzl, Polymermechanik, Springer Verlag 1990 S. 91 Abb. 5.11; E01 Sp. 1 Z. 6 bis 10). So weisen die unter die Polymerzusammensetzungen gemäß den Patentansprüchen 1 in den verschiedenen beantragten Fassungen subsumierbaren Polyethylene, Polyacrylnitrile, Polyvinylchlorid, Polycarbonate (vgl. EP 1 102 809 B1 S. 7 Z. 6 bis 14) relativ breite Erweichungs- bzw. Schmelzbereiche zwischen 110 und 135oC, 130 bis 150oC, 75 bis 90oC auf, im Fall von Polycarbonat einen Erweichungs- bzw. Schmelzbereich von 220 bis 230oC. Sie liegen damit im Bereich oder über den gemäß Streitpatent eingesetzten Extrudertemperaturen (vgl. EP 1 102 809 B1 S. 13 Z. 14, Z. 25 ff. Beisp. 1 bis 96).

98

Eine gewisse Ausnahmestellung nehmen die ebenfalls vom Streitpatent erfassten Polyamide und Polyurethane ein (vgl. EP 1 102 809 B1 S. 7 Z 13 bis 14), die einen relativ scharfen Verflüssigungspunkt aufweisen, unterhalb dessen sie zäh und fest sind und oberhalb dem sie schnell in einen leicht flüssigen Zustand übergehen.

99

Beeinflussbar ist die Viskosität und der Phasenzustand zudem durch verschiedene Hilfsstoffe wie Lösungsmittel und Plastifizierungsmittel.

100

Der Übergang vom festen in den flüssigen bzw. vollständig geschmolzenen Bereich lässt sich nur durch verschiedene physikalische Parameter, aber nicht durch eine exakt bestimmte Schmelztemperatur kennzeichnen. Der Schermodul sinkt mit Beginn des Erweichungsbereichs über den gummielastischen Bereich hinein in den mit der Fließtemperatur Tf beginnenden Bereich einer Schmelze mit zunehmender Temperatur gegen Null, in Abhängigkeit von der Art und der stofflichen Beschaffenheit des Polymeren, bei einem bestimmten Polymeren in Abhängigkeit von dessen Molekulargewicht und Molekulargewichtsverteilung. Vicat-Erweichungstemperaturen kennzeichnen in Abhängigkeit von der mechanischen Belastung und dem jeweiligen Messverfahren das Erweichungs- bzw. Fließverhalten eines thermoplastischen Polymeren.

101

Die das Fließverhalten einer Polymerschmelze besonders kennzeichnende Größe ist jedoch die Viskosität, die mit steigender Temperatur abnimmt (vgl. R.B. Schwarzl, Polymermechanik, Springer Verlag 1990 S. 89 bis 91, insbes. Abb. 5.11). Schmelzindices bzw. Schmelzfließindices dienen der Charakterisierung des Fließverhaltens eines thermoplastischen Polymeren bei bestimmten Druck- und Temperaturbedingungen. Sie sind ein Maß für die Viskosität der Kunststoffschmelze. Daraus lässt sich auch auf den Polymerisationsgrad, also die mittlere Anzahl von Monomereinheiten in einem Molekül schließen. Prüfverfahren, wonach der Schmelzefluss pro Zeiteinheit unter Standardbedingungen ermittelt wird, finden in der Regel bei weitaus höheren Temperaturen statt als den im Streitpatent angegebenen Extrudertemperaturen, bei Polyethylenvinylacetate (EVA) beispielsweise über 125 und 150oC.

102

Besonders komplex ist das Erweichungs-, Verflüssigungs- und Schmelzverhalten bei Gemischen von Polymeren unterschiedlicher chemischer Struktur sowie in Gegenwart der vom Verfahren des Streitpatents mit umfassten Zusatz- bzw. Hilfsstoffen.

103

In der Beschreibung sowie in den Ausführungsbeispielen des Streitpatents fehlen, soweit überhaupt Bezug auf derartige Parameter genommen wird (vgl. EP 1 102 809 B1 S. 4 [0025], S. 12 Z. 17 bis 18, S. 16 Z. 37 bis 40), konkrete Ausführungen zur Relevanz dieser Größen im Zuge des Herstellungsverfahrens gemäß Patentanspruch 1. Dies gilt auch für die ursprünglichen Unterlagen (vgl. WO 00/06637 A1), dort insbesondere für die Frage des Phasenzustands der Polymerzusammensetzung vor Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln bzw. in Relation zum Zustand der expandierbaren Mikrokugeln.

104

Die Temperaturen der Schmelz- bzw. Verflüssigungsbereiche sind zahlenmäßig zudem abhängig vom jeweils angewandten Messverfahren.

105

Deshalb weisen die unter den Patentanspruch 1 subsumierbaren Matrix(co)polymere, von wenigen Ausnahmen abgesehen, mehr oder weniger ausgeprägt breite Erweichungs- bzw. Verflüssigungsbereiche auf, innerhalb derer die betreffenden Polymere oder Polymerengemische zwar so weich sind, dass sie im Kneter oder im Extruder mit anderen Zusatzstoffen relativ gut gemischt und verarbeitet werden können. Ein geschmolzener Zustand liegt jedoch noch nicht vor und ist für die Verarbeitung auch nicht zwingend erforderlich. Auch die in der Fachliteratur häufig für Polymere zu findenden Tg-Werte (Glasübergangstemperaturen) geben keinen Hinweis auf einen Schmelzpunkt oder einen zahlenmäßig bestimmt gehaltenen Schmelzbereich, sondern markieren lediglich den Beginn der Auflösung der kristallinen Phase des betreffenden Polymers. Deswegen kennzeichnet ein Tg-Wert, der für zahlreiche in der Beschreibung des Streitpatents expressis verbis benannten Matrix(co)polymeren unter 0oC, teilweise sogar erheblich darunter liegt (vgl. z. B. die dem Gutachten G9 beiliegende Druckschrift J.Brandrup, Polymer Handbook, 2nd Ed., 1975 Verlag J.Wiley, Tabelle von Tg-Werten), eine geschmolzene Polymerzusammensetzung im Sinne des Patentanspruchs 1 des Streitpatents oder den Schmelzpunkt einer Polymerzusammensetzung ebenso wenig wie der Erweichungspunkt bzw. -bereich. An den Erweichungsbereich schließt sich ein gummielastischer Bereich an, der mit der Fließtemperatur Tf wiederum an den Bereich der Schmelze angrenzt (vgl. z. B. R.B. Schwarzl, Polymermechanik, Springer Verlag 1990 insbes. S. 91 Abb. 5.11). Entscheidend ist, dass die Viskosität mit steigender Temperatur, ggf. unter dem Einfluss von zugesetzten verflüssigenden Hilfsmitteln, abnimmt und damit die Verarbeitbarkeit zunimmt. Die Frage, ob ein Matrix(co)polymeres oder eine Matrix(co)polymerzusammensetzung bei einer bestimmten Temperatur bereits geschmolzen vorliegt oder ab welcher konkreten Temperatur der Phasenzustand eines Matrix(co)polymeren oder einer Matrix(co)polymerzusammensetzung als geschmolzen zu bezeichnen ist, tritt demgegenüber in den Hintergrund und ist in vielen, wenn nicht gar in den meisten Fällen nicht zuletzt aufgrund der Komplexität der Zusammensetzung der Polymermatrix nicht oder nur schwer festzulegen, im vorliegenden Streitfall letztlich aber ohne Bedeutung.

106

Der Begriff "a molten polymer composition containing less than 20 wt.% solvent" (vgl. Merkmale 2, 2.1, 2.2, 2.3) umfasst Polymerzusammensetzungen, die bis zu 20 Gewichtsprozent und damit erhebliche Mengen eines beliebigen Lösungsmittels enthalten. Dieser Teilaspekt des Gegenstands des Patentanspruchs steht damit nicht ohne weiteres im Einklang mit der betreffenden Textstelle in der Beschreibung, wonach die Polymerzusammensetzung im Wesentlichen frei von Lösungsmitteln sein soll (vgl. EP 1 102 809 B1 S. 3 Z. 58). Üblicherweise und dem Fachmann geläufig können bis zu 20 Gew.-% konventionelle Lösemittel wie Toluol, Hexan, Pentan, Ethylacetat bei beispielsweise radikalischen Polymerisationen aus Gründen der Herabsetzung der während des Polymerisationsvorgangs ohnehin ansteigenden Gesamtviskosität und damit genau in dem maßgeblichen anspruchsgemäßen Bereich zugesetzt sein. Dies könnte auch der Grund für diesen im Streitpatent gewählten Zahlenbereich sein. Hinzu kommt, dass neben den konventionellen Lösemitteln für Polymere auch die als Zusatzstoffe gemäß Streitpatent in Frage kommenden (vgl. EP 1 102 809 B1 S. 7 Z. 56 bis S. 8 Z. 3) und damit vom Gegenstand der Patentansprüche umfassten Weichmacher bzw. Verflüssiger (Plasticizer) und Klebrigmacher (Tackifier) in der Regel zu einer Veränderung der Erweichungstemperatur, zu einer Erniedrigung der Viskosität und damit zu einer verbesserten Verarbeitbarkeit der Polymerzusammensetzungen bei niedrigeren Temperaturen im Kneter bzw. im Extruder führen, sodass auch deswegen die Festlegung einer Temperatur, bei der bzw. ab der eine konkrete Polymermatrix in geschmolzenem Zustand vorliegt, und damit auch die Definition eines geschmolzenen Zustands nicht möglich ist. Entsprechendes gilt für die stets anwesenden, nicht umgesetzten, niedrigschmelzenden und deshalb bei Raum- oder Reaktionstemperatur flüssigen Monomeren, beispielsweise für Acrylsäureester, die zudem als Lösemittel fungieren und die Viskosität erniedrigen. Man spricht dann von Reaktivlösemitteln im Gegensatz zu konventionellen bzw. nicht-reaktiven Lösemitteln.

107

Die Anwesenheit von Lösemitteln in dem anspruchsgemäßen Zahlenbereich erhöht im Übrigen den Wärmetransport in dem Extruder, beispielsweise auch in einem sogenannten Reaktivextruder, aber auch in jedem anderen Reaktionsgefäß.

108

Der Begriff "a molten polymer composition" ist deshalb im Kontext des beanspruchten Verfahrens nicht nur unbestimmt, sondern vielmehr zur Kennzeichnung und insbesondere zur Abgrenzung vom Stand der Technik ungeeignet. Denn mangels Existenz eines konkreten scharfen Temperaturwerts, oberhalb der eine Polymerzusammensetzung als geschmolzen bzw. vollständig verflüssigt zu bezeichnen ist, stellt sich die beanspruchte Lehre auch insofern als aufgabenhaft heraus, als nicht feststellbar ist, zu welchem Zeitpunkt und bei welcher Temperatur die expandierbaren Mikrokugeln zuzugeben sind, damit Merkmal 4.3 "ohne dass die expandierbaren Mikrokugeln expandieren" erfüllbar ist. Der Temperaturwert des Beginns der Expansion der Mikrokugeln ist in erster Linie von der speziellen ggf. maßgeschneiderten Ausführung der Polymerhülle einschließlich der Füllung abhängig, daneben aber auch von der Verweilzeit im Reaktionsgefäß bzw. im Extruder und den übrigen physikalischen Parametern im Zusammenwirken mit dem komplexen Stoffgemisch der Polymermatrix und daher nicht pauschal für die unzähligen, unter den Patentanspruch 1 subsumierbaren Ausführungsformen vorhersagbar.

109

Der Begriff "melt-mixing" (vgl. Merkmale 4, 4.5) bezeichnet das Mischen verschiedener Komponenten in niedrigviskosem, verflüssigtem Zustand unabhängig von einem bestimmten zeitlichen und örtlichen Temperaturverlauf während des Mischvorgangs. Gewöhnlich werden die zu mischenden Komponenten in den gegebenenfalls vorgeheizten Mischbehälter, beispielsweise auch in einen Extruder in dem Phasenzustand hineingefördert, in dem sie bei Raumtemperatur vorliegen. Die Vorlage einer der oder aller zu mischenden Komponenten im bereits erweichten, flüssigen oder gar in einem geschmolzenem Zustand, welcher Temperaturbereich damit auch immer verbunden sein mag, ist mit dem Begriff Schmelzmischen nicht verbunden.

110

Ausweislich des Wortlauts des Verfahrensteils (b) des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist das Schmelzmischen nicht an einen Extruder gebunden (vgl. Merkmale 4, 4.1, 4.2). Auch die aufgabenhaft gehaltenen Verfahrensbedingungen lassen nicht den Schluss zu, dass das Schmelzmischen zwingend in einem Extruder durchzuführen ist. Denn Schergeschwindigkeit und Temperatur sind auch beim Verarbeiten in jedem anderen Mischgefäß zu beachtende Parameter.

111

Nichts anderes gilt für das Zusammenbringen der Polymerzusammensetzung und der expandierbaren extrudierbaren polymeren Mikrokugeln, auch nicht unter Berücksichtigung der im Übrigen wegen der stofflichen Breite bzw. stofflichen Unbestimmtheit aufgabenhaften Verfahrensbedingungen des gesamten Patentanspruchs 1.

112

Von den Begriffen "expandable polymeric microspheres" (Merkmal 1.1) und "each including a polymer shell and a core material in the form of a gas, liquid, or combination thereof, that expands upon heating, with the expansion of the core material, in turn, causing the shell to expand" (Merkmale 3, 3.1, 3.2) sind expandierbare polymere Mikrokugeln in allen denkbaren stofflichen Ausführungsformen umfasst, soweit sie die betreffenden Funktionsangaben erfüllen, und damit weder auf die allgemeinen (vgl. EP 1 102 809 B1 [0010] und [0011]) noch auf die aufgezählten speziellen Ausbildungen beschränkt, auch nicht auf den prozentualen Anteil an der Gesamtmasse der Erzeugnisse (vgl. EP 1 102 809 B1 [0049] bis [0053]). Im Hinblick auf die Angaben in der Beschreibung des Streitpatents und wegen der offenen Formulierung des Patentanspruchs 1 umfasst das beanspruchte Verfahren und dessen Verfahrens- und Weiterverarbeitungsprodukte, neben den expandierbaren polymeren Mikrokugeln, sogar den Einsatz von Mikrokugeln aus Glas (vgl. EP 1 102 809 B1 [0010]).

113

Der Begriff "expandable extrudable composition" benennt Zustand bzw. Eigenschaften der sämtliche Komponenten enthaltenden Gesamtmischung bezüglich Expansion und Extrusion, wegen des Wortlauts der Anspruchs- bzw. Verfahrensteile b, c und d sowohl unabhängig vom Zeitpunkt der Beobachtung der Gesamtmischung auf ihrem Weg durch den Extruder als auch unabhängig von ihrem Zustand während des Schmelzmischens. Der Begriff besagt nicht, dass vor dem Austritt aus dem Extruder eine Expansion der Gesamtmischung noch nicht stattgefunden hat, schließt die Möglichkeit einer Weiterverarbeitung durch weitere Expansion, beispielsweise im Zuge des "foam-in-place"-Verfahrens allerdings ebenso wenig aus wie eine Weiterverarbeitung durch erneute Extrusion. Eine Festlegung auf einen definierten Zustand einer Teilmischung oder der Gesamtmasse zu einem bestimmten Verfahrenszeitpunkt bzw. zu einem bestimmten Zeitpunkt auf dem Weg durch den Extruder ist weder mit dem Begriff "expandable extrudable composition" noch mit dem übrigen Wortlaut des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag verbunden.

114

Im Übrigen ist der Expansionsgrad von expandierbaren Mikrokugeln - je nach deren chemischer Beschaffenheit - insbesondere von der Temperatur und der Verweilzeit bei einer bestimmten Temperatur (vgl. E02 S. 4 Fig. 3, 4), und damit von Parametern einschließlich dem Druck abhängig, die keinerlei Eingang in die Patentansprüche und in die Beschreibung des Streitpatents gefunden haben.

115

Der Begriff "a plurality of" bedeutet im Kontext der erteilten Patentansprüche (Verfahrensteile a, b, d), der Patentbeschreibung und der hilfsweise verteidigten Anspruchsfassungen eine beliebig große Menge bzw. Anzahl expandierbarer polymerer Mikrokugeln. Von einer gleichen Bedeutung dieses Begriffes in unterschiedlichen Textstellen ist mangels anderweitiger Ausführungen und Definitionen auszugehen.

116

Der Begriff "at least partially expanding a plurality of the expandable polymeric microspheres" aus dem Verfahrensteil (d) des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag bedeutet eine zumindest teilweise Expansion der expandierbaren Mikrokugeln, und umfasst im Kontext der erteilten Patentansprüche, der Patentbeschreibung und der hilfsweise verteidigten Anspruchsfassungen von der Expansion eines äußerst geringen Anteils der Gesamtmenge der Mikrokugeln und einer volumenmäßig geringen, erst beginnenden Expansion einer einzelnen oder aller eingesetzten Mikrokugeln bis hin zu einer vollständigen, also volumenmäßig maximalen Expansion jeder einzelnen Mikrokugel, d. h. auch die vollständige Expansion aller eingesetzten Mikrokugeln.

117

Aus dem weiteren Wortlauts des Verfahrensteils (d) "before the expandable extrudable composition exits the die" folgt demnach, dass selbst derjenige Sonderfall von dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag umfasst ist, in dem die gesamte expandierbare Polymermasse bereits vor dem Austritt aus der Extruderdüse vollständig expandiert ist. Denn "at least partially expanded" schließt die vollständige Expansion mit ein.

118

Nichts anderes ergibt sich aus der Beschreibung des Streitpatents, insbesondere aus der Beschreibung des Extrusionsverfahrens an sich (vgl. EP 1 102 809 B1 S. 8 Z. 28 bis S. 10 Z. 46). Denn dem Wortlaut der Beschreibung nach kann es zum Einen vorteilhaft sein, wenn die meisten, wenn nicht sogar alle der expandierbaren Mikrokugeln bereits teilweise oder fast vollständig expandiert sind, bevor die Gesamtmasse die Extruderdüse verlässt (vgl. EP 1 102 809 B1 S. 9 Z. 14 bis 15). Zum anderen kann es ebenso erwünscht sein, dass Druck und Temperatur innerhalb der Düse und dem Transferrohr so genau kontrolliert werden, dass die Mikrokugeln vor dem Düsenaustritt nicht nennenswert, sondern erst beim foam-in-place Weiterverarbeitungsverfahren expandieren (vgl. EP 1 102 809 B1 S. 9 Z. 42 bis 46).

119

Entsprechendes gilt für die Ausbildungen des Verfahrensteil (d) in den verschiedenen Hilfsanträgen.

120

Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag umfasst deshalb sowohl Verfahrensprodukte im vollständig expandierten, endgeformten Zustand als auch Verfahrensprodukte, die erst teilweise expandiert sind und als Zwischenprodukte, beispielsweise durch ein sogenanntes "foam-in-place"-Verfahren, erst danach unter vollständiger Expansion zum Endprodukt weiterverarbeitet werden. Ausweislich des Anspruchswortlauts sind die Verfahrensbedingungen zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der Zeitachse des Verfahrens auf dem Weg von dem ersten Zusammenbringen der Edukte bis hin zum Austritt der Gesamtmasse aus der Extruderdüse und damit über den gesamten Verlauf des Verfahrens nicht festgelegt.

121

b) Soweit die beanspruchten (Zwischen)Produkte und Weiterverarbeitungsprodukte in einigen Anspruchsfassungen durch das Merkmal "the polymer composition comprises an acrylate or methacrylate polymer or copolymer" ausgebildet sind, stellt dieses Merkmal im Hinblick auf den Passus "umfassend" ("comprises") weder eine eindeutige und abschließende stoffliche noch eine mengenmäßige Definition dar und ermöglicht damit auch nicht eine Festlegung auf konkrete stoffliche Verfahrens- und Weiterverarbeitungsprodukte. Acrylat und Methacrylat bedeuten dabei nichts anderes, als dass Acrylat- oder Methacrylatderivate als Monomere eingesetzt werden, in beliebiger Menge bzw. Konzentration bezogen auf die übrigen, das Copolymer bildenden Monomere und in beliebigen Anteilen an der gesamten Polymerzusammensetzung.

122

Entsprechendes gilt für den Begriff "Hot Melt" als Bestandteil der Merkmale 1.3.1, 1.3.2, 1.4.1, 2.1 und 2.2 sowie für kennzeichnende funktionelle Merkmale, beispielsweise das Merkmal einer klebenden Funktion (vgl. "said polymer foam is an adhesive" - Merkmale 1a', 1 b). Im Übrigen ergibt sich die stoffliche Breite der beanspruchten (Zwischen)Produkte und Weiterverarbeitungsprodukte und damit der beanspruchten Erzeugnisse aus der Breite der nach Art eines Product-by-Process Anspruchs in Bezug genommenen und insoweit einbezogenen Herstellungsverfahren, die allerdings - wegen fehlender Festlegung jedweder charakteristischer physikalischer Parameter - letztlich sämtliche vorhandenen Freiheitsgrade ausschöpfen.

123

Die Unbestimmtheit des Begriffs "a molten polymer composition" wird nicht dadurch konkretisiert, dass die Polymerzusammensetzung ein Acrylat- oder Methacrylat-Polymer oder -Copolymer umfasst. Denn die betreffenden Acrylat- oder Methacrylat-Polymere oder -Copolymere weisen einen breiten Erweichungs-, Verflüssigungs- bzw. Schmelzbereich auf, der oftmals sehr viel höher liegt als die Tg-Werte (vgl. die dem Gutachten G9 beiliegende Druckschrift J.Brandrup, Polymer Handbook, 2nd Ed., 1975 Verlag J.Wiley, Tabelle von Tg-Werten), sodass auch diesbezüglich eine Korrelation zwischen Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln und dem (Zeitpunkt des) Vorliegen(s) einer Schmelze nicht gegeben ist, erst recht nicht bei Polymerzusammensetzungen, die lediglich teilweise und mit zahlenmäßig unterschiedlichen Anteilen aus Acrylat- oder Methacrylat-Polymeren oder -Copolymeren bestehen. Beispielsweise können Ethylen-Acrylat-Copolymere und damit Matrixcopolymere gemäß der Lehre des Streitpatents (vgl. EP 1 102 809 B1 S. 2 Z. 47 bis 48) ausweislich der im Verfahren befindlichen Druckschrift E01 bereits Schmelz- oder Erweichungsbereiche aufweisen, die unter 375 K und damit unter 102oC liegen (vgl. E01 Sp. 8 Anspr. 3 i. V. m. Anspr. 2).

124

Daraus kann jedoch kein Rückschluss gezogen werden auf das Erweichungs-, Verflüssigungs- und Schmelzverhalten solcher Polymergemische an sich und der daraus nach Zugabe von Hilfsstoffen, jedoch noch ohne die expandierbaren polymeren Mikrokugeln erhaltenen Polymerzusammensetzungen. Denn bekanntlich verändert die Anwesenheit weiterer, von den geltenden Patentansprüchen umfasster Komponenten bzw. Hilfsstoffe das Erweichungs-, Verflüssigungs- und Schmelzverhalten von Polymerzusammensetzungen erheblich.

125

c) Die beanspruchten Verfahren und die demnach erhältlichen (Zwischen)Produkte und Weiterverarbeitungsprodukte umfassen deshalb als allgemein gehaltene Verfahrensschritte lediglich das Bereitstellen einer zur Ausbildung der Polymermatrix geeigneten Polymerzusammensetzung und das Bereitstellen geeigneter expandierbarer polymerer Mikrokugeln, das ausweislich des Wortlauts des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag nicht an einen Extruder gebundene Schmelzmischen dieser bereitgestellten Edukte bzw. Eduktgemische sowie die Extrusion der erhaltenen expandierbaren und extrudierbaren (Gesamt)Zusammensetzung durch eine Extruderdüse unter Ausbildung eines Polymerschaums.

126

Damit stützen sich sowohl das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 in den Fassungen der jeweiligen Anträge als auch die (Zwischen)Produkte und Weiterverarbeitungsprodukte in dem nebengeordneten Sachanspruch in den Fassungen der jeweiligen Anträge im Wesentlichen auf Begriffe und aus diesen gebildete Merkmale, die letztlich die gesamte stoffliche und verfahrenstechnische Breite ausschöpfen.

127

6. Mit den im Verlauf des Berufungsverfahrens vor dem Bundesgerichtshof seitens der Berufungsführerin und Beklagten durch Streichung der erteilten, auf spezielle "foam-in-place"-Weiterverarbeitungsprodukte gerichteten Patentansprüche 36 bis 38 vorgenommenen Änderungen im Hauptantrag sind keinerlei Einschränkungen des Patentgegenstands verbunden. Denn aufgrund des sowohl in dem Verfahrensanspruch 1 als auch in den verbleibenden Sachansprüchen jeweils vorangestellten Passus "comprising" erstrecken sich sowohl die beanspruchten Verfahren als auch die beanspruchten Erzeugnisse auch auf diese speziellen Weiterverarbeitungsprodukte und umfassen damit weiterhin die "foam-in-place"-Erzeugnisse der gestrichenen Patentansprüche 36 bis 38 (vgl. insbes. Patentanspruch 35 des Hauptantrags). Diese Auslegung ergibt sich auch aufgrund der von den beanspruchten Verfahren weiterhin umfassten Option einer vollständigen Expansion erst nach dem Austritt der Masse aus der Extruderdüse, die - wie in der Beschreibung des Streitpatents (vgl. EP 1 102 809 B1 S. 9 Z. 40 bis 46) ausgeführt - durch einen anschließenden, beispielsweise durch ein Recess speziell ausgestalteten "foam-in-place"-Verfahrensschritt erfolgen kann (vgl. Patentansprüche 36 bis 38 der erteilten Fassung).

III.

128

Der Gegenstand des Streitpatents ist in Form des Merkmals "molten polymer composition" gegenüber dem Gegenstand der ursprünglich eingereichten Fassung unzulässig abgeändert.

129

Die Aufnahme dieses Merkmals in die Anspruchsfassungen der Hilfsanträge führt auch zu deren Unzulässigkeit.

130

Unabhängig von dem Ergebnis der Zulässigkeitsprüfung hat das Streitpatent außerdem sowohl in der nach Hauptantrag verteidigten Fassung als auch in den Fassungen der Hilfsanträge mangels Patentfähigkeit keinen Bestand.

131

1. Der vorgebrachte Nichtigkeitsgrund einer in der beanspruchten Breite fehlenden Ausführbarkeit, deren Vorliegen der Bundesgerichtshof offen gelassen hat, greift nicht.

132

Dem Vorbringen der Klägerin ist zwar insofern beizutreten, als in weiten Bereichen der zueinander in Nebenordnung stehenden Patentansprüche 1 und 15 nach Hauptantrag, aber auch nach den entsprechenden Ansprüchen der Hilfsanträge, offen bleibt, unter welchen Verfahrensbedingungen Erzeugnisse erhalten werden können, die den in der Beschreibung gestellten Anforderungen genügen. Schon insofern gleicht die beanspruchte Lehre aufgrund der aufgabenhaften Formulierung einzelner Verfahrensschritte bzw. Merkmale in den Patentansprüchen sowohl in der nach Hauptantrag als auch in den hilfsweise verteidigten Fassungen (vgl. hierzu EPA T 1063/06 v 3.2.2009; BPatG GRUR 2010, 995 - Ophthalmische Linse), so beispielsweise auch die Auswahlregeln einer glatten Oberfläche sowie eines Dichte- und Dickenverhältnis (vgl. Merkmale 1e, 3 und 4), lediglich einem Forschungs- und Entwicklungsauftrag zur Bereitstellung von Stoffgemischen und Erzeugnissen geeigneter Polymerzusammensetzung unter Anwendung geeigneter Verfahrensbedingungen. Außerdem steht die Unbestimmtheit der zur Bereitstellung einer geschmolzenen Polymerzusammensetzung im beanspruchten stofflichen Umfang erforderlichen Temperatur in einem unauflösbaren Widerspruch zu denjenigen Ausführungsformen der Lehre des Streitpatents, bei denen die Temperatur während des Schmelzmischens derart geregelt werden soll, dass die Mikrokugeln nicht expandieren (vgl. Merkmal 4.5) oder im Wesentlichen erst nach dem Austritt aus der Extruderdüse expandieren. Denn bei Regelung auf eine Temperatur, bei der die Mikrokugeln noch nicht oder nicht wesentlich expandieren, dürfte der Verflüssigungsbereich der gesamten Polymerzusammensetzung bzw. der Bereich einer vollständig geschmolzenen Polymerzusammensetzung oftmals nicht erreicht werden. Bei Unzulässigkeit des Merkmals "a molten polymer composition" und dessen Nichtberücksichtigung bestünde dieser Widerspruch dagegen ersichtlich nicht.

133

Die unüberschaubare Breite des erteilten Patentanspruchs steht der Ausführbarkeit seiner Lehre nach den für das Nichtigkeitsverfahren geltenden Grundsätzen der "Taxol"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2001, 813, 818) nicht entgegen, weil das Streitpatent dem Fachmann auf der Grundlage der Verfahrensführung und der Vorrichtung gemäß Figur 7 in der speziellen Ausgestaltung der zahlreichen Ausführungsbeispiele entsprechend viele konkrete Wege aufzeigt, wie er jedenfalls im Einzelfall Erzeugnisse herstellen kann, die auch die Maßgaben bzw. Auswahlregeln der Merkmale 1e, 8, 8.1 und 9 erfüllen, wobei es nicht darauf ankommt, ob dem Fachmann bereits andere Wege zur Durchführung zur Verfügung standen (vgl. auch BGH Urteil v. 8.6.2010 Az. X ZR 71/08, Rn. 39, 44, veröffentlicht in juris; vgl. auch BGH GRUR 2010, 916 - Klammernahtgerät; BGH GRUR 2010, 414, 415 - Thermoplastische Zusammensetzung).

134

2. Der Gegenstand des Streitpatents ist in Gestalt des Merkmals "molten polymer composition" - vom Bundesgerichtshof offen gelassen und zur Überprüfung durch den Senat gestellt - gegenüber dem Gegenstand der ursprünglich eingereichten Fassung unzulässig abgeändert.

135

Eine in zulässiger Weise geänderte Fassung der Patentansprüche setzt, ebenso wie eine wirksame Inanspruchnahme der Priorität einer früheren Anmeldung, voraus, dass den ursprünglichen Unterlagen, ebenso wie den Prioritätsunterlagen, die Gesamtheit der Merkmale der durch den Patentanspruch umschriebenen technischen Lehre als zur Erfindung gehörend zu entnehmen sind. Hierfür ist erforderlich, dass der Fachmann die im erteilten Patentanspruch bzw. in den Anmeldeunterlagen bezeichnete technische Lehre bereits den Ursprungs- bzw. den Prioritätsunterlagen unmittelbar und eindeutig als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann. Wird die erfindungsgemäße Lehre durch eine in den ursprünglichen Unterlagen bzw. in den Prioritätsunterlagen nicht oder nicht deutlich offenbarte Eigenschaft eines ihrer Bestandteile charakterisiert, die dem Fachmann eine zielgerichtete Auswahl geeigneter Ausführungsformen erlaubt, fehlt es an einer vollständigen Offenbarung selbst dann, wenn zwar die Eigenschaft objektiv auch einem dort offenbarten Ausführungsbeispiel zukommt, sie jedoch für den Fachmann nicht, jedenfalls nicht ohne Weiteres zu erkennen ist. Die Verallgemeinerung eines ursprungsoffenbarten Beispiels ist zwar möglich, die Grenze des Zulässigen ist jedoch überschritten, wenn mit der Abstraktion auf eine als solche nicht genannte oder für den Fachmann nicht ohne Weiteres erkennbare Eigenschaft abgehoben wird (BGH GRUR 2012, 1133, 1135 f. - UV-unempfindliche Druckplatte; vgl. auch BGH GRUR 2012, 1124, 1129 - Polymerschaum).

136

Ob eine zulässige Änderung des Gegenstands des Streitpatents gegenüber der ursprünglichen Offenbarung seiner Lehre vorliegt, ist durch Vergleich des Inhalts der ursprünglichen Anmeldeunterlagen, hier anhand der Offenlegungsschrift WO 00/06637 A1, mit dem Inhalt der Streitpatentschrift EP 1 102 809 B1 zu prüfen. Dieser Vergleich konzentriert sich im vorliegenden Fall auf den Offenbarungsnachweis des Teilmerkmals "providing a molten polymer composition", und zwar vor der Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln, in der WO 00/06637 A1. Zum Einen konzentriert sich dieser Vergleich auf den rein textlichen Nachweis entsprechend dem Wortlaut in dem Patentanspruch und zum Anderen auf einen möglicherweise nur in einem speziellen Zusammenhang aufzufindenden, gegebenenfalls auch impliziten Offenbarungsnachweis eines geschmolzenen Zustands der Polymerzusammensetzung vor der Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln.

137

Die WO 00/06637 A1 stellt die internationale Veröffentlichung der internationalen Anmeldung dar und entspricht damit den ursprünglichen Unterlagen des vorliegenden Streitpatents (vgl. Europäisches Patentamt, Patentregister, Erstantrag vom 4. Februar 2000, Veröffentlichungstag der internationalen Anmeldung 10. Februar 2000).

138

a) Der Begriff "a molten polymer composition" kommt in der Beschreibung und in den Ansprüchen der WO 00/06637 A1 nicht vor, weder in dieser Wortfolge noch in einer anderen gleichbedeutenden Formulierung. Vielmehr wurde dieser Begriff erst nachträglich im Verlauf des Prüfungsverfahrens vor dem Europäischen Patentamt - aus nicht erkennbaren Gründen - in die gegenüber der ursprünglichen Anspruchsfassung neuformulierten und umstrukturierten Patentansprüche der erteilten Fassung aufgenommen.

139

In denjenigen Textpassagen der Beschreibung und der Ansprüche der WO 00/06637 A1, in denen der Begriff "…polymer composition(s)…" in allgemeiner Form und ohne den Zusatz "molten" vorkommt, finden sich auch keine Hinweise oder Anhaltspunkte dafür, dass es sich dabei um geschmolzene Polymerzusammensetzungen handelt (vgl. WO 00/06637 A1 S. 3 Z. 8 bis 9, S. 5 Z. 7 bis 32, insbes. Z. 8, 13, 15, 18, 19, 23, S. 6 Z. 1 bis 8; S. 52 Anspr. 15, S. 53 Anspr. 22 und 23, S. 54 Anspr. 29 bis 32). Diese Textpassagen geben deshalb keinen Anlass für die in der erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 im Verlauf des Prüfungsverfahrens vor dem Europäischen Patentamt vorgenommenen Änderungen.

140

Das Teilmerkmal "a molten polymer composition" ergibt sich auch nicht aus der ursprünglichen Beschreibung im Sinne einer abgeänderten Lehre derart, dass die Polymerzusammensetzung ausschließlich in bereits geschmolzenem Zustand bereitgestellt (vgl. "…providing… a molten polymer composition…") und erst danach die expandierbaren Mikrokugeln ausschließlich der bereits geschmolzenen Polymermasse zugegeben werden, und lässt sich daraus auch nicht herleiten.

141

Die allgemeine Beschreibung betreffend die Herstellung streitpatentgemäßer Erzeugnisse liefert hierfür keinerlei Hinweise und Anhaltspunkte (vgl. WO 00/0637 A1 S. 5 Z. 7 bis S. 6 Z. 8). Der darin mehrfach verwendete Passus "melt mixing a polymer composition and a plurality of microspheres…under process conditions, including temperature, pressure and shear rate, selected to form an expandable extrudable composition" lässt sich nicht dahin auslegen, dass die Polymerzusammensetzung bereits vor der Zugabe bzw. dem Zumischen der Mikrokugeln in einem geschmolzenen Zustand vorliegt bzw. bereits in einem geschmolzenen Zustand bereitgestellt wird.

142

Der in den ursprünglichen Unterlagen verwendete und damit ursprünglich offenbarte, fachübliche Begriff des Schmelzmischens (melt(-)mixing) gibt per se noch keine Auskunft darüber, in welchem Zustand die zu mischenden Komponenten in dem Verfahren des Schmelzmischens vorgelegt werden. Insbesondere kann aus der Verwendung des Begriffs Schmelzmischen nicht auf den Einsatz einer bereits vor der Zugabe der Mikrokugeln in den Extruder geschmolzenen Polymerzusammensetzung geschlossen werden. Denn beim Schmelzmischen werden die zur Herstellung von Polymermischungen, sogenannter Polymerblends, eingesetzten Polymere gewöhnlich in ihrem Ist-Zustand bei Raumtemperatur in dem gegebenenfalls vorerhitzten Mischgefäß (Schneckenextruder, Rührkessel, Mikrocompounder) vorgelegt und dann in der bei einer gewählten bzw. gewünschten Temperatur entstehenden bzw. entstandenen Schmelze über einen mehr oder weniger langen Zeitraum gemischt, im Extruder gegebenenfalls bei einem sich über die Extruderstrecke einstellenden und erstreckenden geeigneten Temperaturprofil, wobei eine möglichst homogene Schmelze entstehen soll. Zum Erzielen einer homogenen Mischung durch Schmelzmischen ist es selbstverständlich notwendig, dass während des Mischvorgangs die Erweichungstemperaturbereiche der Polymerbestandteile der Matrix überschritten werden, ggf. unter Zusatz von Lösemitteln und/oder Plastifizierungsmitteln. Ist ein Polymerbestandteil bzw. eine Matrixkomponente bei Raumtemperatur bereits ausreichend fließfähig bzw. flüssig, erübrigen sich jedenfalls diesbezügliche Überlegungen zu dem Phasenzustand zu Beginn des Schmelzmischens.

143

b) Auch eine implizite Offenbarung des Erfordernisses eines geschmolzenen Zustands der Polymerzusammensetzung vor der Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln lässt sich nicht aus der WO 00/06637 A1 und damit nicht aus den ursprünglichen Unterlagen des Streitpatents herleiten, und zwar weder aus Zusammensetzungen der Polymermatrix in der beanspruchten Breite noch aus den konkreten Ausführungsbeispielen.

144

Wegen des vorstehend dargelegten Fehlens expliziter Angaben sind diejenigen Textpassagen, die sich in allgemeiner oder spezieller Weise mit der Durchführung der Extrusion befassen (vgl. WO 00/06637 A1 S. 16 Z. 1 bis S. 21 Z. 18, S. 26 Z. 1 bis 15), sowie die einzelnen Ausführungsbeispiele auf das mögliche Vorliegen eines geschmolzenen Zustands der jeweiligen Polymermatrix vor der Zugabe der Mikrokugeln zu untersuchen und des Weiteren insbesondere daraufhin zu prüfen, ob dieser gegebenenfalls geschmolzene Zustand der Polymermatrix vor der Zugabe der Mikrokugeln ohne Weiteres als notwendiger Bestandteil der erfindungsgemäßen Lehre und damit als zur Erfindung gehörend erkennbar ist.

145

Diese Anforderungen einer gegebenenfalls impliziten Offenbarung werden weder von der nach Hauptantrag verteidigten, erteilten Fassung noch von den einzelnen hilfsweise verteidigten Fassungen im jeweils beanspruchten Umfang erfüllt.

146

Aus der Anspruchsfassung der WO 00/06637 A1 gehen keinerlei Anhaltspunkte hervor für eine implizite Offenbarung, dass bereits vor Zugabe der Mikrokugeln eine geschmolzene Polymerzusammensetzung bereitzustellen ist. Die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 22 sowie 26, 33 und 34 sind Sachansprüche, die ausnahmslos durch stoffliche Merkmale und/oder Eigenschaften ohne Berücksichtigung des Phasenzustands der Polymerzusammensetzung gekennzeichnet sind. Auch die ursprünglichen Verfahrensansprüche 23 bis 25 und 27 bis 32 befassen sich nicht mit dem Phasenzustand der matrixbildenden Polymerzusammensetzung. Soweit sich Verfahrensteil (a) des Anspruchs 23 auf das Schmelzmischen der Polymerzusammensetzung und der Mikrokugeln bezieht, lässt sich daraus das Vorliegen bzw. Bereitstellen einer bereits vor Zugabe der Mikrokugeln geschmolzenen Polymerzusammensetzung nicht herleiten.

147

Soweit in der ursprünglichen Beschreibung das Extrusionsverfahren näher erläutert wird (vgl. WO 00/06637 A1 S. 16 Z. 1 bis S. 21 Z. 18 sowie S. 26 Z. 1 bis 15), erschließen sich dem fachkundigen Leser auch daraus keine Anhaltspunkte oder Hinweise dahin, dass die Polymerzusammensetzung bereits vor Zugabe der Mikrokugeln in einem geschmolzenen Zustand bereitzustellen ist, weder für Polymermassen beliebiger Zusammensetzung noch für die speziellen Hot Melt Zusammensetzungen 1 bis 10.

148

Im Einzelnen wird unter Bezugnahme auf Figur 7 ausgeführt, dass das in beliebig geeigneter Form bereitgestellte Polymerharz in einem (ersten) Extruder erweicht und extrusionsgerecht zerkleinert wird (vgl. S. 16 Z. 4 bis 8). In diesem erweichten, zerkleinerten Zustand werden die Harzpartikel und alle anderen Zusatzstoffe, ausgenommen die expandierbaren Mikrokugeln, einem zweiten Extruder zugeführt, wo sie bei geeigneter Temperatur unter Kneten gemischt werden, wobei dann eine unter der Expansionstemperatur der Mikrokugeln liegende Temperatur gewählt wird, wenn die Mikrokugeln zugegeben werden (vgl. S. 16 Z. 9 bis 20). Beim anschließenden Schmelzmischen werden die Parameter, so auch die Temperatur, in Abhängigkeit von der Polymerzusammensetzung und den Mikrokugeln so gewählt, dass die Mikrokugeln nicht expandieren und nicht brechen (vgl. S. 16 Z. 22 bis S. 17 Z. 2). Diese Angaben bedeuten nicht, dass die Polymerzusammensetzung vor Zugabe der Mikrokugeln in vollständig geschmolzenem Zustand vorliegt, und implizieren einen solchen Zustand auch nicht. Die weiteren Ausführungen betreffen das Vorgehen entsprechend dem Merkmal 6 sowie weitere optionale Arbeitsschritte wie das Vernetzen (vgl. S. 17 Z. 3 bis S. 21 Z. 18).

149

Unter Bezugnahme auf die Hot Melt Zusammensetzungen 1 bis 10 (vgl. WO 00/06637 A1 S. 24 Z. 4 bis S. 25 Z. 29) sowie dabei zitierte Patentliteratur (vgl. S. 24 Z. 9 bis 11, 29 bis 30, S. 25 Z. 20) wird der Extrusionsprozess über die gesamte Extruderstrecke bei 93,3oC durchgeführt, wobei die expandierbaren Mikrokugeln nach etwa drei Viertel der Wegstrecke zugegeben werden. Die Temperatur in dem anschließenden Rohr und in der Extruderdüse wird in jedem Beispiel individuell eingestellt, was jedoch auf den Phasenzustand vor Zugabe der Mikrokugeln ersichtlich ohne Einfluss ist. Unabhängig von der stofflichen Zusammensetzung der polymerisierten Pakete der Hot Melt Zusammensetzungen 1 bis 10 lässt sich aus der angegebenen Temperatur von 93,3oC ein geschmolzener Zustand nicht ableiten. Hierfür sind erheblich höhere Temperaturen erforderlich, was sich beispielsweise aus der im Streitpatent in Bezug genommenen und als Teil der Offenbarung des Streitpatents herausgestellten US 5 804 610 ableiten lässt (vgl. EP 1 102 809 B1 S. 12 Z. 9 bis 12; WO 00/06637 A1 S. 24 Z. 9 bis 11). Demnach soll die Polymerfolie, die die Pakete mit den Hot Melt Zusammensetzungen umhüllt, bei einer Temperatur schmelzen, die unterhalb der Fließtemperatur der Hot Melt Zusammensetzung liegt. Angegeben sind für die Polymerfolie Temperaturen von unter 170oC und damit Fließ- bzw. Verarbeitungs- bzw. Schmelztemperaturen für die Hot Melt Zusammensetzungen von über 170oC (vgl. US 5 804 610 Sp. 10 Z. 9 bis 14 i. V. m. z. B. Sp. 17 Z. 51 bis 55).

150

Auch die weiteren Angaben in den Ausführungsbeispielen 1 bis 96 lassen keinen Schluss auf einen geschmolzenen Zustand der jeweiligen Polymerzusammensetzung vor Zugabe der Mikrokugeln zu.

151

Die in der Beschreibung in dem Abschnitt " Extrusion Process" (vgl. WO 00/06637 A1 S. 26 Z. 1 bis 15) angegebenen Bedingungen erlauben ebenfalls nicht einmal einen Rückschluss auf den Phasenzustand solcher Polymerzusammensetzungen, die Poly(meth)acrylat-(co)polymere beliebiger Primärstruktur in nicht definierter Anteilsmenge an der Polymerzusammensetzung enthalten.

152

Auch ist festzuhalten, dass aus der allgemeinen Beschreibung und aus den Ausführungsbeispielen keinerlei Hinweise auf eine Relevanz von physikalischen Parametern hervorgehen, die das Erweichungs-, Fließ- und Schmelzverhalten der Zusammensetzung der Polymermatrix in Relation zu den expandierbaren Mikrokugeln und in Relation zu deren Zugabe herausstellen.

153

c) Der Einwand der Beklagten, wonach dieses Merkmal aus den ursprünglichen Unterlagen abzuleiten sei, insbesondere sich aus sämtlichen Ausführungsbeispielen, die Hot Melt Polymerzusammensetzungen betreffen, sowie der vorangestellten allgemeinen Anweisung die Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln zum bereits geschmolzenen Polymer ergebe (vgl. Schrifts. d. Bkl. vom 8. April 2011 S. 13 le. Abs. bis S. 14 vollst. Abs. 1), greift nicht, weil selbst eine Einschränkung hinsichtlich der eingesetzten Polymerzusammensetzung (z. B. auf Hot Melt Polymere) und eine Einschränkung der Verfahrensführung, insbesondere der Temperatur in den einzelnen Verfahrensschritten, im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln, weder aus der Gesamtschau des Streitpatents in der erteilten Fassung noch aus seinen ursprünglichen Unterlagen hervorgeht.

154

d) Patentanspruch 1 des Streitpatents in der Fassung gemäß Hauptantrag enthält daher ein nicht in den ursprünglichen Unterlagen offenbartes Merkmal. Dieses Merkmal stellt jedoch keine Erweiterung, sondern eine Einschränkung dar. Im Übrigen führt die Aufnahme und Berücksichtigung bzw. Beachtung dieses Merkmals zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit. Denn der Einsatz der Polymerzusammensetzung in geschmolzenem Zustand, zumal noch vor Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln, stellt lediglich eine Ausgestaltung von vielen unter die ursprüngliche Lehre subsumierbaren Gestaltungsmöglichkeiten dar, so dass die im Erteilungsverfahren vorgenommene Festlegung des Patentgegenstands auf diese nicht offenbarte Gestaltungsform die ursprüngliche Lehre zwangsläufig und offensichtlich einschränkt, aber nicht erweitert.

155

Die Streichung dieses zwar einschränkenden, jedoch ursprünglich nicht offenbarten und damit unzulässigen Merkmals aus der erteilten Fassung würde zu einer unzulässigen Erweiterung des Schutzbereichs des Patents führen.

156

Nach der Rechtsprechung kommt eine Nichtigerklärung des Patents nicht in Betracht, wenn die Einfügung eines in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbarten Merkmals zu einer bloßen Einschränkung des angemeldeten Gegenstands führt. In solchen Fällen ist den berechtigten Interessen der Öffentlichkeit Genüge getan, wenn das einschränkende Merkmal im Patentanspruch verbleibt und zugleich dafür Sorge getragen werde, dass im Übrigen, also was die Entstehung von Patentrechten anbelangt, aus der Änderung Rechte nicht hergeleitet werden könnten (BGH, GRUR 2001, 140 [142 f.] - Zeittelegramm). Nicht ursprünglich offenbarte Merkmale, die im Patenterteilungsverfahren aufgenommen worden sind, können somit im Patentanspruch verbleiben und führen nicht zur Nichtigerklärung, wenn diese nur einschränkende Wirkung haben. Sie können jedoch nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden bzw. dazu nichts beitragen (vgl. dazu ausführlich BGH GRUR 2011, 40, 41 insbes. Rn. 16 ff., 21 - Winkelmesseinrichtung; BGH GRUR 2011, 1003 - Integrationselement Rn. 19, 24 ff., jeweils mit Bezugnahme auf BGH "Zeittelegramm").

157

Allerdings darf durch die unzulässige Änderung bzw. Einschränkung kein Aliud entstanden sein. Ein Aliud liegt nicht nur dann vor, wenn der offenbarte und der patentierte Gegenstand in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander stehen (exklusives Aliud), sondern auch, wenn die Hinzufügung einen technischen Aspekt betrifft, der den ursprünglich eingereichten Unterlagen in seiner konkreten Ausgestaltung oder wenigstens in abstrakter Form nicht als zur Erfindung gehörend zu entnehmen ist (BGH GRUR 2011, 1003 - Integrationselement Rn. 29 ff.). Dies ist hier nicht der Fall.

158

Der hier vorliegende Patentgegenstand und der ursprüngliche Anmeldungsgegenstand stehen nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis zueinander und zwar schon deshalb nicht, weil die ursprünglich nicht offenbarte Ausgestaltung einer bereits vor Zugabe der Mikrokugeln geschmolzenen Polymerzusammensetzung ein Teil des gesamten Verfahrenskollektivs, des Kollektivs  der Verfahrensparameter bzw. des Kollektivs der Gestaltungsmöglichkeiten des Verfahrens in seiner Gesamtheit darstellt. Die betreffende ursprünglich nicht offenbarte Ausgestaltung betrifft auch nicht einen technischen Aspekt, der - entweder in konkreter oder wenigstens in abstrakter Form - den ursprünglich eingereichten Unterlagen zwar zu entnehmen, jedoch nicht als zur Erfindung gehörend anzusehen ist. Denn wie vorstehend unter 2a und 2b ausgeführt, ist das unter das Gesamtkollektiv der Gestaltungsmöglichkeiten des Verfahrens fallende Merkmal des geschmolzenen Zustands weder konkret noch in abstrakter Form aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen.

159

3. Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten und damit nach Hauptantrag verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1, der - wie vorstehend dargelegt - zum Einen gegenüber dem Anmeldungsgegenstand unzulässig abgeändert ist und zum Anderen kein Aliud darstellt, ist somit ohne Berücksichtigung dieser im Patentanspruch zwar verbleibenden einschränkenden, jedoch unzulässigen Änderungen auf seine Patentfähigkeit gegenüber dem vorgebrachten Stand der Technik hin zu untersuchen (BGH GRUR 2011, 40, 41 insbes. Rn. 16 ff., 21 - Winkelmesseinrichtung; BGH GRUR 2011, 1003 - Integrationselement Rn. 19, 24 ff., jeweils mit Bezugnahme auf BGH "Zeittelegramm").

160

Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten und damit nach Hauptantrag verteidigten Fassung, der ein Verfahren zur Herstellung von Polymerschäumen betrifft, geht - bei Nichtberücksichtigung des beizubehaltenden unzulässigen Merkmals - in seiner Verfahrensführung nicht über den Stand der Technik hinaus mit der Folge, dass das beanspruchte Verfahren bereits nicht mehr neu, jedenfalls mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig ist.

161

Die die Patentfähigkeit von Patentanspruch 1 betreffenden Ausführungen im zurückverweisenden Urteil stehen der erneuten Beurteilung dieser Frage durch den Senat nicht entgegen. Denn - anders als in der Berufungsinstanz - ist nunmehr davon auszugehen, dass das Merkmal "a molten polymer composition" nicht zu berücksichtigen ist.

162

a) Gemäß der vorveröffentlichten Druckschrift E01, die ein Verfahren zur Herstellung thermoplastischer Kunststoffschäume mit syntaktischer Schaumstruktur betrifft, wird ein geschäumtes Polymer bzw. ein geschäumtes Erzeugnis dadurch erhalten (Merkmal 1), dass ein thermoplastisches Polymer bzw. eine thermoplastische Polymerzusammensetzung sowie expandierbare polymere Mikrokugeln bereitgestellt werden (Merkmale 1.1 und 1.2), und das Gemisch ohne Zusatz von (konventionellen) Lösemitteln (Merkmal 2) extrudiert wird (vgl. E01 z. B. Sp. 1 Z. 3 bis 12 i. V. m. Sp. 5 bis 6 Beisp. 2). Bei den gemäß E01 zum Einsatz gelangenden expandierbaren polymeren Mikrokugeln handelt es sich um Produkte mit einer Hülle aus Acrylnitril(co)polymeren und einer Gasfüllung aus Isopentan und damit, wie auch in sämtlichen Ausführungsbeispielen des Streitpatents, um Mikrokugeln nach Art der unter dem Markennamen "Expancel" vertriebenen Handelsprodukte, (vgl. E01 Beisp. 1 bis 9, i. V. m. Sp. 1 Z. 43 bis Sp. 2 Z. 59, insbes. Sp. 1 Z. 49 bis 50 u. Sp. 2 Z. 21 bis 22; EP 1 102 809 B1 S. 7 Z. 31 bis 50, insbes. Z. 33 bis 36, 47 bis 51 i. V. m. S. 19 ff.), sodass auch die Merkmale 3, 3.1 und 3.2 erfüllt sind.

163

Da in dem Extruder dabei ersichtlich ein Mischen der Bestandteile nach Art eines Schmelzmischens stattfindet und bei der Verarbeitung der so erhaltenen Polymermasse in dem Extruder - bei fachkundigem Vorgehen - insbesondere auch die Temperatur und die Schergeschwindigkeit so eingestellt werden müssen, dass eine extrudierbare expandierbare Zusammensetzung entsteht, die selbstverständlich durch eine Düse extrudiert wird und einen Polymerschaum bildet (vgl. E01 Beisp. 2 i. V. m. den Bedingungen des Beisp. 1 sowie Anspr. 7), sind gemäß der Lehre der E01 auch die Merkmale 4, 4.1, 4.2 und 5 erfüllt.

164

Über das Merkmal 6 ist der Gegenstand des Streitpatents gemäß Patentanspruch 1 nicht von der Lehre der E01 abgrenzbar. Die Maßgaben des Verfahrensteils (d) des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag bzw. des Merkmals 6 bedeuten, dass eine Mehrzahl, also eine zahlenmäßig unbestimmt gehaltene Teilmenge der Gesamtzahl der expandierbaren polymeren Mikrokugeln zumindest teilweise, also gemessen an ihrem ursprünglichen Durchmesser bzw. Volumen entweder nur wenig, z. B. etwa zu 1 %, oder vollständig - beide Extrema sind von dem Wortlaut "at least partially" umfasst - expandiert sind, bevor die Gesamtmasse aus der Düse des Extruders austritt. Wo genau diese gegebenenfalls vollständige Expansion einer Teilmenge der Mikrokugeln vor dem Austritt aus der Düse stattfindet, geht aus dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der Fassung des Hauptantrags nicht hervor. Demnach können an irgendeiner Stelle im Extruder, einschließlich in der Extruderdüse, nur einige wenige der expandierbaren Mikrokugeln bereits zu einem lediglich geringen Prozentsatz ihres expandierbaren Gesamtvolumens oder nahezu alle der expandierbaren Mikrokugeln vollständig expandiert sein. Aufgrund dieser Bandbreite des Verfahrensteils (d) bzw. des Merkmals 6 ist das Ausmaß der Expansion der Mikrokugeln im Verfahrensablauf gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents in der nach Hauptantrag verteidigten Fassung nicht auf einen besonderen, ausgezeichneten Bereich festgelegt, und das streitpatentgemäße Verfahren umfasst deshalb sowohl die Ausführungsform, dass nahezu die gesamte Expansion bereits vor dem Austritt der Polymermasse aus der Extruderdüse stattgefunden hat, als auch die Ausführungsform, dass vor dem Austritt aus der Düse nur eine geringfügige Expansion erfolgt ist und erst nach dem Düsenaustritt - im Zuge einer Nachbehandlung bzw. Weiterverarbeitung des erhaltenen Extrudats (Zwischenprodukt) - die vollständige Expansion, z. B. als sogenannter "foam-in-place article" (vgl. Patentanspruch 35) bewirkt wird.

165

In dieser Bandbreite des Merkmals 6 bewegt sich auch die Lehre der E01, insbesondere hinsichtlich einer Expansion nach dem Austritt aus der Düse (vgl. E01 Sp. 4 Z. 22 bis 47), sodass dieses Merkmal die Patentfähigkeit demgegenüber, aber auch im Übrigen nicht zu begründen vermag.

166

Ohne Belang sind auch die gemäß E01 beigemischten Lösemittel, Plasticizer und weichen hochsiedenden Kunststoffe (vgl. E01 Sp. 3 Z. 63 bis 67, Sp. 6 Z. 44 bis 46, Sp. 6 Z. 58 bis 62), da solche Maßnahmen auch von der streitpatentgemäßen Lehre umfasst sind (vgl. EP 1 102 809 B1 S. 7 Z. 56 bis S. 8 Z. 3 sowie Merkmal 2).

167

Damit fallen letztlich sämtliche von der Lehre der E01 umfassten Ausführungsformen des Extrusionsverfahrens, sowohl ein nur teilweises als auch ein nahezu vollständiges Expandieren der Mikrokugel-haltigen Schmelze erst nach dem Austritt aus dem Extrusionswerkzeug (vgl. E01 Sp. 3 Z. 25 bis 29 im Kontext des Einsatzes von Polymerzusammensetzungen, deren Schmelz- bzw. Erweichungstemperatur im Bereich der Expansionstemperatur der Mikrokugeln oder darüber liegt; Sp. 5 Z. 4 bis 7), unter das Merkmal 6 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten und nach Hauptantrag verteidigten Fassung.

168

Alle hinsichtlich Eduktzusammensetzung, Produktzusammensetzung und Verfahrensführung aus der E01 auswählbaren Ausführungsformen lassen sich unter das breite Dach des Patentanspruchs 1 des Streitpatents subsumieren.

169

Ob die Polymerzusammensetzung bereits in geschmolzenem Zustand vor der Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln bereitgestellt wird, bleibt wegen der Unzulässigkeit dieses Merkmals für die Bewertung der Patentfähigkeit unberücksichtigt.

170

Deshalb kann auch dahinstehen, dass die Temperaturführung in den Ausführungsbeispielen der Druckschrift E01, in denen die Temperaturen im Extrusionszylinder bei 395 bis 405 K und damit jedenfalls oberhalb des Schmelz- bzw. Erweichungsbereichs der eingesetzten Polyethylene liegen (vgl. E01 Sp. 5 Beisp. 2 i. V. m. den Bedingungen des Beisp. 1, Sp. 6 Beisp. 6, Sp. 7 Beisp. 9), sich nicht wesentlich von der Temperaturführung in den Ausführungsbeispielen des Streitpatents unterscheidet (vgl. EP 1 102 809 B1 z. B. S. 13 Z. 14, Z. 48 bis 49, Z. 54 bis 55).

171

Das Herstellungsverfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist somit gegenüber E01 nicht abgegrenzt und damit demgegenüber nicht mehr neu.

172

b) Dem Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach geltendem Hauptantrag mangelt es bei Nichtberücksichtigung des unzulässigen Merkmals auch an der erforderlichen Neuheit gegenüber jeder einzelnen der vorveröffentlichten Druckschriften E02, E04 und E05.

173

Aus der Druckschrift E02, die mittels "Expancel"-Mikrokugeln geschäumte Polymermassen und damit, für den Fachmann erkennbar, bereits ausweislich ihres Titels Produkte eines Verfahrens mit den Merkmalen 1, 1.1, 1.2, 3, 3.1, 3.2 betrifft, gehen aufgrund ihres weiteren Offenbarungsgehalts auch die übrigen Merkmale des streitgegenständlichen Verfahrens hervor. Demnach expandieren die "Expancel"-Mikrokugeln im Fall der Herstellung durch Extrusion, selbstverständlich durch eine wie auch immer geartete Düse (vgl. E02 S. 3 li. Sp. Abschnitt Extrusion, Abs. 2 - Merkmal 5), schon teilweise im Extruderzylinder und damit vor dem Austritt aus der Extruderdüse (vgl. E02 S. 3 li. Sp. Abschnitt Extrusion Abs. 2 - Merkmal 6), wobei das Ausmaß der Expansion (Expansionsgrad) der verschiedensten Expancel-Typen nicht nur von der Temperatur, sondern beispielsweise auch von der Verweilzeit im Extruder abhängt (vgl. E02 S. 2 li. Sp. le. Z. bis re. Sp. Abs. 1 i. V. m. Fig. 2 bis 4). Die im Übrigen aufgabenhaft gehaltenen Merkmale 4, 4.1 und 4.2 tragen das Verfahren nicht. Denn diese Merkmale stellen lediglich selbstverständliche Ausgestaltungen bei jeder Extrusion von mit expandierbaren Mikrokugeln versehenen Thermoplasten dar, die zudem jeder Extrusion mit expandierbaren Mikrokugeln ohnehin immanent sind und von dem Fachmann mitgelesen werden. Insofern bedarf es hierfür keiner Ausführungen in der E02. Eine Abgrenzung von dem Stand der Technik ist dadurch jedenfalls nicht möglich. Gleichwohl ergibt sich dieser Sachverhalt aufgrund der Temperaturangaben und dem fachkundigen Leser geläufiger Erweichungs- und Schmelzbereiche der gemäß E02 einzusetzenden thermoplastischen Elastomere, beispielsweise des auch im Streitpatent eingesetzten SEBS, sowie aufgrund der Expansionstemperaturen darauf abgestimmter "Expancel"-Mikrokugeln (vgl. E02 S. 3 li. Sp. le. Abs. i. V. m. Fig. 4 und Fig. 2; EP 1 102 809 B1 S. 17 Z. 48 bis 52 Beisp. 52). Entsprechendes gilt mangels diesbezüglicher Angaben für den Lösemittelgehalt der in E02 angestrebten Polymerzusammensetzung und damit für das Merkmal 2.

174

In der Druckschrift E04, die ein Verfahren zur Herstellung eines thermoplastischen Kunststoffes und dessen Anwendung zur Herstellung eines medizinischen Immobilisierungselements betrifft, ist die Verarbeitung einer Mischung aus thermoplastischem Polymermaterial als Matrix und gasgefüllten expandierbaren polymeren Mikrokugeln zur Schäumung und damit Dichtereduktion im Extruder bei vorgegebener Temperatur und Verweilzeit beschrieben (vgl. E04 Anspruch 1 - Merkmale 1, 1.1, 1.2, 3, 3.1, 3.2). Da die Verarbeitung im Extruder über die Verweilzeit und Verfahrenstemperatur bezüglich des Expansionsgrades individuell beispielsweise so gesteuert werden kann, dass die Expansion vollständig im Extruder und damit vor dem Austritt aus der Düse stattfindet (vgl. E04 Anspr. 1 i. V. m. Anspr. 5, S. 2 Sp. 2 Z. 58 bis S. 3 Sp. 3 Z. 18), ist auch das Merkmal 6 erfüllt und zwar insofern, als dieses Merkmal, wie vorstehend unter II.5 ausgeführt, auch die vollständige Expansion in dem Extruder einschließt bzw. umfasst.

175

Entsprechendes gilt für den Lösemittelgehalt der extrudierbaren Zusammensetzungen (Merkmal 2) und für die ohnehin triviale Verfahrensführung umfassend die Merkmale 4, 4.1, 4.2 und 5.

176

Auch nach der Lehre der Druckschrift E05 werden Verfahren umfassend die Merkmale 1 bis 6 eingesetzt, um einen Polymerschaum der Gattung des Streitpatents zu erhalten, sodass das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach geltendem Hauptantrag auch demgegenüber nicht mehr neu ist. Denn gemäß E05 werden geschäumte Polymerformmassen aus dem Gemisch eines thermoplastischen Materials als Polymermatrix und expandierbaren polymeren Mikrokugeln des Typs "Expancel" unter Schmelzmischen bei geeigneten üblichen Bedingungen, die selbstverständlich Temperatur und Scherbedingungen umfassen, im Extruder ohne den Zusatz von Lösemitteln hergestellt (vgl. E05 Abstract Solution i. V. m. der Maschinenübersetzung von E05 [0022] bis [0041]), sodass die Merkmale 1, 1.1, 1.2, 2, 3, 3.1, 3.2, 4, 4.1, 4.2 erfüllt sind. Auch die Maßgaben des Merkmals 6 sind insofern erfüllt, als gemäß der Lehre von E05 selbstverständlich auch verschiedene Expansionsgrade einschließlich der vollständigen Expansion vor dem Austritt aus der Düse des Extruders einstellbar sind (vgl. E05 [0018]). Das Merkmal 5 ist ohnehin platt selbstverständlich.

177

c) Die demgegenüber schriftsätzlich sowie in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten und nachfolgend näher erörterten Einwände der Beklagten können schon deshalb nicht überzeugen, weil die Merkmale des Patentanspruchs 1 des Streitpatents weder in ihrer stofflichen noch in ihrer verfahrenstechnischen Ausgestaltung über die Lehre der ausnahmslos geschäumte Polymere aus Polymerzusammensetzungen und expandierbaren polymeren Mikrokugeln vom Typ "Expancel" betreffenden Druckschriften E01, E02, E04 und E05 hinausgehen. Tatsächlich erschöpft sich die ausschließlich durch die Merkmale 1 bis 6 im Rahmen üblicher Stoffkomponenten ausgestaltete Lehre des Patentanspruchs 1 in dem Fachmann geläufigen Arbeitsweisen, die je nach einzelnen stofflichen Vorgaben (Edukte) und Zielsetzungen (Produkte) und damit in jedem der unzähligen Einzelfälle auf übliche Weise individuell auszugestalten sind.

178

Unbeachtlich für die Bewertung der Neuheit des Gegenstands des Streitpatents ist insbesondere auch, ob nach der E01 eine vollständige Expansion bereits vor dem Austritt aus der Extruderdüse stattfindet oder nicht. Denn aufgrund der Breite des Patentanspruchs 1 in Bezug auf das Merkmal 6 fallen letztlich alle mit Mikrokugeln geschäumten Verfahrensprodukte des Standes der Technik darunter, unabhängig davon, welcher genaue Expansionsgrad zu welchem Zeitpunkt des Extrusionsverfahrens vorliegt. Dies ergibt sich auch aus dem Streitpatent, wonach das Extrusionsprodukt als Zwischenprodukt, aufgrund der Möglichkeit des mindestens teilweisen Expandierens nach dem Austritt aus der Düse noch eine bestimmte Expansionsfähigkeit besitzt, aber auch bereits vor dem Austritt aus der Düse größtenteils oder vollständig expandiert sein kann (vgl. EP 1 102 809 B1 Anspr. 4, 19 sowie Anspr. 2).

179

Festzuhalten ist, dass der Wortsinn des Merkmals 6 bzw. der betreffenden Textstellen des Patentanspruchs 1, wonach mehrere der expandierbaren polymeren Mikrokugeln zumindest teilweise expandieren, auch die vollständige Expansion der Mikrokugeln vor dem Austritt aus der Düse umfasst.

180

Der Einwand der Beklagten, die Druckschrift E01 könne dem Gegenstand des Streitpatents nicht neuheitsschädlich entgegenstehen, da sie keine nacharbeitbare Lehre offenbare, greift ebenfalls nicht. Denn die Lehre der E01 offenbart nicht nur die Polymerzusammensetzung der Matrix des Polymerschaums sowie die expandierbaren extrudierbaren polymeren Mikrokugeln und damit die zur Durchführung des Verfahrens erforderlichen Edukte, sondern auch einen ebenso wie im Streitpatent breit gesteckten Rahmen zur Verfahrensführung im Extruder, innerhalb dem es dem fachkundigen Anwender anheimgestellt bleibt, die für das gewünschte Verfahrensprodukt maßgeschneiderten Verfahrensbedingungen einzustellen. Letztlich ist der Anspruchswortlaut des Streitpatents bezüglich seiner sämtlichen kennzeichnenden Verfahrensmerkmale (vgl. insbes. 4, 4.1, 4.2, 5 und 6) aufgabenhaft und/oder unbestimmt gehalten und geht jedenfalls diesbezüglich nicht über die Lehre der E01 hinaus. Im Übrigen sind an die Ausführbarkeit einer Lehre des Standes der Technik und damit an die Offenbarung die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Ausführbarkeit der Lehre des Streitpatents im beanspruchten Umfang nach der Entscheidung "Taxol" (BGH a. a. O.). Denn die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 27 f. - Polymerschaum). Der Offenbarungsbegriff in diesem Zusammenhang ist darum kein anderer, als er auch sonst im Patentrecht zugrunde gelegt wird (vgl. BGH GRUR 2004, 407, 411 - Fahrzeugleitsystem; BGH GRUR 2009, 382, 383 - Olanzapin; Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 3 Rdn. 20 f., 28; Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 3 Rn. 93 ff.). Wegen der Ausführungsbeispiele der E01 sind jedenfalls die demnach an die Ausführbarkeit der Lehre eines Patents zu stellenden Anforderungen - wie oben erörtert - ohne weiteres erfüllt.

181

d) Selbst wenn man der Meinung der Beklagten folgte und die Neuheit des Gegenstands gemäß Patentanspruch 1 gegenüber E01, E02, E04 und E05 anerkennen wollte, so hat ein Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ausgehend von der Lehre der E02 für einen Fachmann nahegelegen, sodass dieser Patentanspruch jedenfalls mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand hat.

182

Die Druckschrift E02 gibt nicht nur die Anregung, Extrudate aus geeigneten thermoplastischen Polymerzusammensetzungen als Polymermatrix und expandierbaren extrudierbaren polymeren Mikrokugeln der Marke Expancel herzustellen, sondern vermittelt darüber hinaus auch eine ausreichende technische Lehre (vgl. E02 S. 3 li. Sp. bis re. Sp. Abschnitt "Extrusion"), damit ein Fachmann, unter Zuhilfenahme seines Wissens und Könnens, ohne weiteres zu für den jeweiligen Anwendungszweck maßgeschneiderten Verfahren bzw. Verfahrensprodukten mit sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag gelangen konnte.

183

Insbesondere die Parameter Temperatur im Extruder bzw. das Temperaturprofil über die Extruderstrecke, sowie Druck und Verweilzeit sind für jedes Eduktgemisch und für jedes gewünschte Produkt individuell aufzufinden und festzulegen, eine Aufgabe, die das routinemäßig wiederkehrende Optimieren von gattungsgemäßen Verfahren nicht übersteigt, wofür es keines erfinderischen Zutuns bedarf. Nichts anderes kommt in dem Patentanspruch 1 des Streitpatents zum Ausdruck, in dem weder Edukte, Produkte und die nähere Ausgestaltung der Mikrokugeln noch konkretisierte Verfahrensbedingungen festgelegt sind, und der sich lediglich in aufgabenhaften Umschreibungen üblicher Teilverfahren erschöpft.

184

Der Fachmann wird außerdem - in Kenntnis des Strömungsgesetzes von Bernoulli - die Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit bei gleichzeitiger Abnahme des Drucks in der sich verengenden Extruderdüse bei gleich bleibendem Massefluss oder jedenfalls einem so niedrigen Druck in der Düse selbstverständlich in Betracht ziehen und ohne Weiteres erkennen, dass schon allein deshalb die expansionsfähigen Mikrokugeln zumindest partiell vor dem Austritt aus der Extruderdüse expandieren können.

185

Dahinstehen kann deshalb auch die im Streitpatent nicht explizit angegebene Aufgabe (vgl. vorstehend Punkt II.2), die jedenfalls auch darin zu erkennen ist, dass die Herstellung eines Polymerschaums, bei dem das Aufschäumen mittels expandierbarer Mikrokugeln zumindest teilweise bewirkt wird, in einer eng definierten Weise bezüglich des Aufschäumungsgrades ermöglicht wird, und außerdem eine möglichst glatte Oberfläche erzeugt werden kann. Denn die Möglichkeit der kontrollierbaren Aufschäumung einer Polymermatrix mittels expandierbarer Mikrokugeln ist bereits im Stand der Technik erkannt und verwirklicht (vgl. z. B. E06 Abstract), ebenso die Möglichkeit der Fertigung von Erzeugnissen mit einer möglichst glatten Oberfläche (vgl. z. B. E05 [0017] und [0032] i. V. m. Table 2).

186

Unerheblich ist, dass unter dem sehr breiten Dach des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nach Hauptantrag, abgesehen von den Ausführungsbeispielen, weitere besonders vorteilhafte, neue und erfinderische Ausgestaltungen verborgen liegen mögen, und zwar sowohl hinsichtlich der stofflichen als auch der verfahrenstechnischen Ausgestaltung. Ein auf eine solche vorteilhafte, gegenüber dem Stand der Technik neue und erfinderische Ausführungsform eingeschränkter Patentanspruch ist in keinem der Anträge erkennbar. Insofern stellt der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung des Patentanspruchs 1 lediglich einen Forschungs- und Entwicklungsauftrag zur Bereitstellung solcher vorteilhafter Stoffgemische und Erzeugnisse mit geeigneter Polymerzusammensetzung unter Anwendung geeigneter Verfahrensbedingungen dar, was von der Rechtsprechung nicht beanstandet wird (vgl. hierzu EPA T 1063/06 v. 3.2.2009; BPatG GRUR 2010, 995 - Ophthalmische Linse).

187

e) Die weiteren Patentansprüche des Hauptantrags bedürfen in Anbetracht der insgesamt 25 Hilfsanträge keiner weiteren, isolierten Prüfung, weil die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie den Hauptantrag und auch die Hilfsanträge als jeweils geschlossene Anspruchssätze versteht und das Streitpatent in der gewählten Reihenfolge der Hilfsanträge verteidigt (vgl. BGH GRUR 2007, 862, 864 - Informationsübermittlungsverfahren II; BPatG GRUR 2009, 46 - Ionenaustauschverfahren).

188

4. Aber selbst wenn man das Teilmerkmal "a molten polymer composition", entgegen den vorstehenden Gründen, als zulässig bewerten würde, mangelt es dem Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag im Hinblick auf den neu vorgebrachten Stand der Technik in Form der E19 an der erforderlichen Patentfähigkeit.

189

a) Die vorveröffentlichte Druckschrift E19, die druckempfindliche Klebeschaummassen aus einem thermoplastischen Matrixpolymer und expandierbaren Mikrokugeln und damit Produkte der Gattung des Streitpatents betrifft (vgl. E19 z. B. Abstract), beschreibt die Herstellung eines klebenden Polymerschaums unter anderem dadurch, dass die Mischung aus Matrixpolymerzusammensetzung und expandierbaren Mikrokugeln der streitpatentgemäßen Art bereits noch vor dem Extrudieren, während des Extrudierens oder erst nach dem Extrudieren auf eine Temperatur gebracht werden, bei der im Wesentlichen alle der expandierbaren Mikrokugeln expandieren (vgl. E19 S. 4 Z. 7 bis 20 - Merkmale 3 bis 3.2, 6). Aus einem der Ausführungsbeispiele geht explizit die Bereitstellung der Polymerzusammensetzung der Matrix in geschmolzener Form vor der Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln und danach ein Mischen in diesem Zustand ohne Lösemittel hervor (vgl. E19 S. 19 Z. 4 bis S. 21 Z. 25, insbes. S. 19 Z. 28 bis S. 20 Z. 3 - Merkmale 1 bis 1.2 und 2). Im Hinblick darauf, dass es sich bei den Merkmalen 4 bis 4.2 und 5 um implizite Maßgaben eines jeden bereits bekannten Extrusionsverfahrens aus der Gattung des Streitpatents handelt, umfasst die Lehre der E19 ein Verfahren zur Herstellung eines Polymerschaums, bei dem sämtliche Merkmale 1 bis 6 erfüllt sind.

190

Aber selbst wenn man die Neuheit gegenüber E19 anerkennen wollte, weil das betreffende Ausführungsbeispiel nicht in einem Extruder durchgeführt wird, mangelt es einem Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag demgegenüber jedenfalls an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit. Denn es lag für den Fachmann auf der Hand, das Verfahren unter der Bedingung einer Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln zur bereits flüssigen bzw. geschmolzenen Polymerzusammensetzung nicht in einem Brabender Mischer, sondern in einem Extruder durchzuführen. Die Anregung hierzu erhält der Fachmann aus der allgemeinen Beschreibung der E19 selbst (vgl. E19 S. 4 Z. 7 bis 14).

191

b) Der in der Fassung des Hauptantrag verteidigte, nach Art eines Product-by-Process Anspruchs auf Patentanspruch 1 bezogen formulierte Patentanspruch 15, ist über die in Bezug genommenen Verfahrenmaßnahmen hinaus gekennzeichnet durch die klebende Funktion des Polymerschaums (vgl. Merkmal 1b) sowie die Anwesenheit von Acrylat- oder Methacrylat-Polymeren oder -Copolymeren (vgl. Merkmal 1.2.1). Er verleiht dem darin bezeichneten Erzeugnis absoluten Stoffschutz, unabhängig von dem Verfahren seiner Herstellung (BGH GRUR 1972, 80 - Trioxan; Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 34 Rn. 156). Patentanspruch 15 zeichnet sich, wie für einen Product-by-Process Anspruch üblich, dadurch aus, dass das beanspruchte Erzeugnis zumindest teilweise durch das Verfahren zu seiner Herstellung beschrieben wird, aber nur mittelbar dadurch charakterisiert ist.

192

Das Erzeugnis eines Product-by-Process Anspruchs ist grundsätzlich nicht auf das bezogene Verfahren beschränkt und muss gegenüber dem Stand der Technik daher auch in stofflicher Hinsicht abgegrenzt sein. Schwierig gestaltet sich die Übersetzung der Verfahrensmerkmale in stoffliche Eigenschaften, durch die das Erzeugnis zur Begründung seiner Patentfähigkeit von Erzeugnissen des Standes der Technik abgegrenzt sein muss. Funktionsangaben bedingen dagegen in der Regel keine Abgrenzung chemischer Erzeugnisse.

193

Das in Patentanspruch 15 bezeichnete Erzeugnis, das einen nach Patentanspruch 1 erhältlichen Polymerschaum umfasst, muss deshalb, unabhängig von der Neuheit eines oder mehrerer Verfahrensschritte des Patentanspruchs 1, in seiner Konstitution selbst neu sein. Diese Bedingung ist schon wegen des stofflich allumfassenden und in den Arbeitsschritten allgemein und in weiten Bereichen aufgabenhaft gehaltenen Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 selbst unter Einbeziehung der klebenden Funktion (Merkmal 1b) und der Anwesenheit von Acrylat- oder Methacrylat-Polymeren und -Copolymeren (Merkmal 1.2.1) nicht erfüllt (vgl. E19 S. 5 Z. 4 bis 5 i. V. m. S. 25 Anspr. 7).

194

Weder die unbestimmt breit gehaltenen stofflichen Merkmale 1.1, 3 bis 3.2 der Mikrokugeln und der Merkmale 1.2, 1.2.1 und 2 der die Polymermatrix bildenden Polymerzusammensetzung noch die im Wesentlichen übliche Arbeitsweisen umfassenden Verfahrensmerkmale 4 bis 6 sind von den betreffenden stofflichen und verfahrenstechnischen Maßgaben der vorveröffentlichten Druckschrift E19 abgegrenzt, insbesondere nicht durch die Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln zur bereits flüssigen bzw. geschmolzenen Polymerzusammensetzung, wobei vollumfänglich auf die Ausführungen zu E19 unter Punkt 4a verwiesen wird.

195

Im Übrigen verleiht Patentanspruch 15 dem darin bezeichneten Erzeugnis absoluten Schutz, unabhängig von dem Verfahren seiner Herstellung gemäß Patentanspruch 1 (BGH GRUR 1972, 80 - Trioxan; Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 34 Rn. 156). Das darin bezeichnete Erzeugnis muss deshalb, unabhängig von der Neuheit eines oder mehrerer Verfahrensschritte bei seiner Herstellung, selbst in seiner Konstitution neu sein. Insofern sind bei der Beurteilung der Patentfähigkeit eines Erzeugnisses gemäß Patentanspruch 15 die besonderen an die Abgrenzung und damit die Neuheit eines product-by-process Anspruchs zu stellenden Anforderungen zu berücksichtigen, die durch das stofflich allumfassende und auch in den Arbeitsschritten allgemein und teilweise aufgabenhaft gehaltene Verfahren gemäß Patentanspruch 1 jedenfalls gegenüber den Druckschriften E01, E02, E04 und E05 nicht erfüllt sind (vgl. dazu Schulte, a. a. O., § 34 Rn. 159).

196

5. Wegen des in sämtlichen Hilfsanträgen in unterschiedlicher Gestaltung enthaltenen, ursprünglich nicht offenbarten Merkmals "…molten…" sind die Hilfsanträge unzulässig. Aber auch wenn man zu Gunsten der Beklagten die Zulässigkeit der Hilfsanträge unterstellt, mangelt es dem Gegenstand des Streitpatents in den Fassungen dieser Hilfsanträge jedenfalls an der erforderlichen Patentfähigkeit gegenüber dem vorgebrachten Stand der Technik.

197

a) Sämtliche Hilfsanträge sind schon deshalb unzulässig, weil in Patentanspruch 1 jedes Hilfsantrags das in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbarte Merkmal "…providing a molten polymer composition…" vor der Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln als Thema in unterschiedlichen Variationen aufgenommen worden ist. Nicht offenbart ist dieses Merkmal in den ursprünglichen Unterlagen auch in seiner Kombination mit anderen stofflichen und funktionellen Ausgestaltungen einer Polymerzusammensetzung. Beispielsweise fehlt in den ursprünglichen Unterlagen auch ein Hinweis auf eine geschmolzene Hot Melt Polymerzusammensetzung oder auf eine geschmolzene Polymerzusammensetzung, die ein klebendes Acrylat- oder Methacrylat Polymer oder Copolymer umfasst. Eine geschmolzene Hot Melt Polymerzusammensetzung oder eine geschmolzene Polymerzusammensetzung, die ein klebendes Acrylat- oder Methacrylat Polymer oder Copolymer umfassen, sind in der ursprünglichen Beschreibung auch nicht implementiert. Auf die vorstehenden diesbezüglichen Ausführungen in der Begründung unter Punkt III.2 wird vollumfänglich verwiesen.

198

Was die Neustrukturierung bzw. die Umstrukturierung des Patentanspruchs 1 in verschiedenen Hilfsanträgen, den Austausch einzelner Begriffe, und/oder das Hinzufügen von Teilmerkmalen, die das beanspruchte Verfahren jedenfalls im Kontext des Gesamtverfahrens bzw. eines Verfahrensteils nicht einschränken, anbelangt, so bestehen erhebliche Bedenken insoweit, als es sich dabei im Wesentlichen um lediglich klarstellende, nicht einschränkende Änderungen handelt. Sofern die darin vorgenommenen Formulierungen bestenfalls einer Klarstellung dienen, das Patent aber materiell rechtlich unangetastet lassen, sind sie jedenfalls im Nichtigkeitsverfahren unzulässig. Dies trifft zu auf die vorgenommenen Umstrukturierungen, den Austausch von "unexpanded" gegen "expandable" (vgl. Merkmal 1.3, Hilfsantrag 1) oder das Hinzufügen von "without causing the expandable polymeric microspheres to expand or to break" (Merkmal 4.3) im Kontext von "at least partially expanding a plurality of the expandable polymeric microspheres before the expandable extrudable composition exits the die" (vgl. Merkmal 6).

199

Damit gründet sich die Unzulässigkeit sämtlicher Hilfsanträge nicht nur auf das Merkmal "providing a molten polymer composition" als solches, sondern auch auf Kombinationen mit den Teilmerkmalen "molten hot melt", "molten hot melt adhesive" oder "molten polymer composition…wherein the polymer composition comprises an acrylate or methacrylate adhesive polymer or copolymer" (vgl. Merkmale 1.3.1, 1.3.2, 2.1, 2.2, 2.3), sowie auf die Kombination mit Neustrukturierungen bzw. die Umstrukturierungen des Patentanspruchs 1 in verschiedenen Hilfsanträgen, den Austausch einzelner Begriffe, und/oder das Hinzufügen von Teilmerkmalen, die das beanspruchte Verfahren jedenfalls im Kontext des Gesamtverfahrens bzw. eines Verfahrensteils nicht einschränken.

200

Im Übrigen ist nach der Entscheidungspraxis des Europäischen Patentamts die Kombination von Merkmalen aus verschiedenen Listen oder Töpfen nur dann zulässig, wenn sämtliche Ausführungsbeispiele diese Merkmalskombinationen und sämtliche übrigen Merkmale, hier die Einschränkung auf die konkreten stofflichen Zusammensetzungen der Polymermassen und auf die konkrete Verfahrensführung entsprechend Figur 7 in Verbindung mit der betreffenden Beschreibung (vgl. S. 8 Z. 30 bis S. 9 Z. 8) beinhalten (vgl. z. B. EPA Technische Beschwerdekammer 3.3.10, T 1410/05 v. 20.2.2008).

201

b) Unabhängig von der Frage der Offenbarung des Merkmals eines geschmolzenen Zustands der Polymerzusammensetzung vor Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln in den einzelnen Gestaltungen der Hilfsanträge und damit unabhängig von der Zulässigkeit dieser Hilfsanträge im Allgemeinen und im Speziellen, hat das Streitpatent in den Fassungen der Hilfsanträge wegen fehlender Patentfähigkeit keinen Bestand.

202

Denn auch bei Einbeziehung des Merkmals einer bereits vor der Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln geschmolzenen bzw. flüssigen Polymerzusammensetzung in die Bewertung der Patentfähigkeit ergibt sich für den Fachmann, unabhängig von der Frage der Bestimmtheit und der Unterscheidungskraft des Begriffs des geschmolzenen Zustands einer Polymerzusammensetzung, die Anregung bzw. die Möglichkeit zur Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln zu einer bereits geschmolzenen bzw. flüssigen Polymerzusammensetzung aus den vorveröffentlichten Druckschriften E19 (vgl. E19 S. 4 Z. 7 bis 20 i. V. m. S. 19 bis 20 Beisp. 3, insbes. S. 19 Z. 28 bis S. 20 Z. 3) und E11/E11' (vgl. E11' S. 4 Z. 15 bis 18). Dies hat zur Folge, dass Verfahren gemäß den jeweiligen Patentansprüchen 1 der verschiedenen Hilfsanträge gegenüber der Druckschrift E19 und/oder gegenüber dem weiteren vorgebrachten Stand der Technik in Verbindung mit dem Wissen und Können des Fachmanns jedenfalls nicht wegen dieses Merkmals auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen. Entsprechendes gilt für den Gegenstand des Streitpatents in der Ausgestaltung sämtlicher nach Hilfsantrag 8 verteidigter Patentansprüche.

203

Die mangelnde Patentfähigkeit des streitpatentgemäßen Verfahrens in den Variationen der insgesamt 25 Hilfsanträge wird im Einzelnen wie folgt begründet, wobei das Merkmal einer bereits vor Zugabe der Mikrokugeln geschmolzenen bzw. flüssigen Polymerzusammensetzung - zur Vermeidung von Wiederholungen - dabei nur beim Hilfsantrag 1 abgehandelt wird.

204

b1) Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist gegenüber Patentanspruch 1 nach Hauptantrag in seiner Struktur dadurch verändert, dass der Verfahrensteil (a) nach Hauptantrag hinsichtlich der Bereitstellung der Edukte aufgespalten ist in (a) die Bereitstellung der geschmolzenen Polymerzusammensetzung, die ggf. weniger als 20 Gew.-% Lösemittel enthält, und in (b) die Bereitstellung der expandierbaren polymeren Mikrokugeln in all ihren stofflichen und funktionellen Ausgestaltungen, und darüber hinaus als zusätzlicher Verfahrensteil (d) der Transfer der expandierbaren und extrudierbaren Zusammensetzung zu einer Extruderdüse aufgenommen wurde (Merkmal 4.4). Demzufolge wurden die Verfahrensteile (b), (c) und (d) nach Hauptantrag in nunmehr (c), (e) und (f) umbenannt. Außerdem wurde der neu formulierte Verfahrensteil (b) dadurch ausgestaltet, dass die nicht expandierten Mikrokugeln der geschmolzenen Polymerzusammensetzung zugegeben werden (Merkmal 1.3), und des Weiteren wurde der Verfahrensteil (c) dadurch ausgestaltet, dass das Schmelzmischen ohne Expansion oder Zerbrechen der expandierbaren Mikrokugeln erfolgt (Merkmal 4.3).

205

Diese Änderungen gegenüber der Fassung des Hauptantrags können die Patentfähigkeit nicht begründen. Denn ein Schmelzmischen, ohne dass dabei die expandierbaren Mikrokugeln expandieren oder brechen (Merkmal 4.3), erfordert von dem Fachmann, dem sowohl das Schmelzverhalten bzw. die Schmelzcharakteristik der zum jeweiligen Einsatz ausgewählten matrixbildenden Polymerzusammensetzung sowie das Expansions- und Schmelzverhalten der darauf abgestimmten expandierbaren polymeren Mikrokugeln (vgl. E02) entweder per se geläufig oder in Handbüchern oder Produktdatenblättern nachzulesen sind, ebenso wenig erfinderisches Zutun wie, bei Bedarf, die Zugabe der nicht expandierten polymeren Mikrokugeln zu der bereits geschmolzenen bzw. flüssigen Polymerzusammensetzung (Merkmal 1.3). Dies umso mehr, als dem Fachmann diese Vorgehensweisen auch bei weniger als 20 Gew.-% Lösemittel, wenn nicht ohnehin geläufig, so doch aus dem gattungsgemäßen Stand der Technik bekannt sind und deshalb zumindest nahegelegen haben (vgl. E18 Sp. 10 Z. 62 bis 67 i. V. m. Sp. 3 Z. 26 bis 34, Sp. 10 Z. 38 bis 49 sowie Sp. 7 Z. 1 bis 4 und Sp. 9 Z. 6 bis 43; E11' S. 4 Z. 15 bis 17). Bei der Bewertung der E18 ist selbstverständlich zu berücksichtigen, dass die dort vermittelte Lehre, trotz anderer Wortwahl, in den Bereich des unbestimmt breit gehaltenen Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 fällt. Insbesondere stellen die elastomeren Mikrokugeln der E18, ebenso wie jene des Streitpatents, nichts anderes dar als Füllstoffe (vgl. auch E04 Sp. 8 Z. 35 bis 39), die die Beschaffenheit und Konsistenz, insbesondere die Dichte der Polymermasse bedingen (vgl. E18 Sp. 10 Z. 62 bis 63 i. V. m. Sp. 7 Z. 1 bis 4 und Sp. 6 Z. 22 bis 30). Entsprechendes gilt für den Phasenzustand der polymeren Klebezusammensetzung bei Extrudertemperaturen von 100 bis 160oC vor der stromabwärts erfolgenden Zugabe der Mikrokugeln (vgl. E18 Sp. 10 Z. 62 bis 67 i. V. m. Sp. 3 Z. 26 bis 34) und somit bei vergleichbar hohen, wenn nicht höheren Extrudertemperaturen als im Streitpatent vor der Zugabe der Mikrokugeln. Obwohl es selbstverständlich ist, dass die expandierbare extrudierbare Masse, auf welchem Weg und in welcher Form auch immer, zu der Düse des Extruders transportiert werden muss und deswegen auch das Merkmal 4.4 die Patentfähigkeit nicht zu begründen vermag, findet sich auch hierfür ein Hinweis in E18 (vgl. E18 Sp. 3 Z. 8 bis 15). Dies gilt mit Blick auf die E17 (vgl. E17 Sp. 3 Z. 10 bis 20 i. V. m. Anspr. 2) auch für das Merkmal 4.4 im Kontext des Merkmals 6, zumal auch die Lehre des Streitpatents den Einsatz von sogenanntem thermoplastischen Doppelschaum einschließt (vgl. EP 1 102 809 B1 z. B. S. 5 Z. 17 bis 25).

206

Das Hinzugeben der Mikrokugeln zur bereits geschmolzenen Mischung ergibt sich vor allem aber auch bereits aus der vorveröffentlichten Druckschrift E19, die druckempfindliche Klebeschaummassen aus einem geeigneten thermoplastischen Matrixpolymer und expandierbaren Mikrokugeln und damit Produkte der Gattung des Streitpatents betrifft (vgl. E19 Abstract). Gemäß der Lehre der E19 wird eine geschäumte Klebemasse unter anderem dadurch erhalten, dass die Mischung aus Polymerzusammensetzung und expandierbaren Mikrokugeln bereits noch vor dem Extrudieren, während des Extrudierens oder erst nach dem Extrudieren auf eine Temperatur gebracht wird, bei der im Wesentlichen alle der expandierbaren Mikrokugeln expandieren (vgl. E19 S. 4 Z. 7 bis 20). Gemäß den Ausführungsbeispielen der E19 wird die Polymerzusammensetzung im Mischer vor der Zugabe der expandierbaren Mikrokugeln vom Typ Expancel zunächst auf Temperaturen von 150oC oder 120oC und damit auf vergleichbare Temperaturen wie im Streitpatent gebracht, wobei im Ausführungsbeispiel 3 sogar ein geschmolzener Zustand der Polymerzusammensetzung vor der Zugabe der Mikrokugeln und eine nachfolgende kontrollierte Expansion explizit beschrieben sind (vgl. E19 S. 19 Z. 4 bis S. 20 Z. 9 Beisp. 3, S. 14 Z. 19 bis S. 15 Z. 17 Beisp. 1). Im Hinblick auf die Ausführungen in der allgemeinen Beschreibung der E19, wonach das Erhitzen auf die Expansionstemperatur auch vor, während oder unmittelbar nach einer Extrusion stattfinden kann (vgl. E19 S. 4 Z. 16 bis 20), ergibt sich das streitgegenständliche Verfahren gemäß Hilfsantrag 1, wenn nicht schon unmittelbar, so doch ohne weiteres Überlegen und damit in naheliegender Weise aus der E19.

207

b2) Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1a-1 ist in seiner Struktur gegenüber Hilfsantrag 1 unverändert und unterscheidet sich davon durch das hinzugenommene Teilmerkmal einer Hot Melt Polymerzusammensetzung (vgl. Merkmale 2.1 und 1.3.1), durch die Änderung des Begriffs "unexpanded" in "expandable" in dem Verfahrensteil (b) sowie durch das Weglassen des Merkmals 4.3.

208

Diese Änderungen führen nicht zu einem bestandsfähigen Patentanspruch 1. Denn gattungsgemäße Erzeugnisse des Standes der Technik, die ebenso wie im Streitpatent unter Verwendung von "Expancel"-Mikrokugeln hergestellt sind, sehen den Einsatz solcher thermoplastischer Polymerzusammensetzungen vor, die unter dem Attribut "Hot Melt" subsumierbar sind. Dazu gehören, neben den explizit in der E02 eingesetzten Styrol-Ethylen-Butylen-Styrol-Blockcopolymeren (SEBS) (vgl. E02 S. 3 li. Sp. le. Abs.), beispielsweise die in der E03 als Matrixpolymere vorgeschlagenen Polyethylene (PE) und Polyethylenvinylacetate (EVA) (vgl. E03 S. 4 li. Sp.), oder die in der E19, auch in Kombination mit Acrylat(co)polymeren eingesetzten Styrol-Butadien-Styrol-Blockcopolymeren (SBS) (vgl. E19 Anspr. 7 und 8 i. V. m. S. 4 Z. 34 bis S. 5 Z. 6).

209

Der im Verfahrensteil (b) anstelle von "unexpanded" verwendete Begriff "expandable" (vgl. Merkmal 1.3.1) bedeutet, dass von dem Verfahren, neben der bereits von dem ursprungsoffenbarten Begriff "expandable" umfassten Variante des Einsatzes nicht expandierter Mikrokugeln, nunmehr jedenfalls auch wieder die Variante bereits teilweise expandierter Mikrokugeln, also Mikrokugeln, die noch ein nicht vollständig ausgeschöpftes Expansionspotential besitzen, umfasst werden. Aber auch die Variante des Einsatzes bereits teilweise expandierter und deshalb noch weiter expandierbarer Mikrokugeln stellt gegenüber dem Stand der Technik kein Novum dar, sondern bewegt sich im Bereich üblichen Vorgehens beim Einsatz expandierbarer polymerer Mikrokugeln im Zuge der Herstellung geschäumter Polymermassen bzw. -extrudate (vgl. z. B. E06 Sp. 1 Z. 32 bis 33 i. V. m. Sp. 2 Z. 52 bis 57 sowie Sp. 12 Z. 16 bis 20). Des Weiteren bedarf es auch keines erfinderischen Zutuns, das beanspruchte Verfahren dahingehend zu beschreiben, dass während des Schmelzmischens nicht darauf geachtet wird oder werden soll, ob die Mikrokugeln während des Schmelzmischens expandieren und brechen. Denn nichts anderes bedeutet das Weglassen des Merkmals "ohne dass die expandierbaren Mikrokugeln expandieren oder brechen" (Merkmal 4.3) gegenüber Hilfsantrag 1.

210

Hierbei ist - wie auch bei der Beurteilung der Patentfähigkeit der weiteren Hilfsanträge - zu berücksichtigen, dass die von einem durchschnittlich versierten Fachmann zu erwartende Entwicklungsleistung nicht geeignet ist, eine erfinderische Tätigkeit zu begründen, selbst wenn dieser von allgemeineren Überlegungen ausgehen muss, weil keine unmittelbare Anregung im Stand der Technik zu finden ist (vgl. dazu BGH GRUR 2010, 814, 817 - Fugenglätter).

211

b3) Die Rückkehr in Hilfsantrag 1a-2 zur Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag mit der zusätzlichen Ausgestaltung durch das Merkmal des Patentanspruchs 2 nach Hauptantrag (vgl. Merkmal 6 kombiniert mit Merkmal 6.1) führt nicht zu einem patentfähigen Verfahren, da die Maßgabe "die meisten der expandierbaren Mikrokugeln sind zumeist vor dem Austritt der Polymermasse aus der Extruderdüse expandiert" sich im üblichen Bereich der Vorgaben des Standes der Technik betreffend die Expansion von Mikrokugeln bewegt, von vor dem Düsenaustritt nicht expandiert, teilweise expandiert bis hin zu vollständiger Expansion, und, sofern dadurch überhaupt vom Stand der Technik abgegrenzt, dem Fachmann jedenfalls demgegenüber kein erfinderisches Zutun abverlangt (vgl. E01 z. B. Sp. 4 Z. 22 bis 47; E02 S. 3 li. Sp. Abschn. Extrusion Abs. 2; E04 Sp. 8 u. 9, Anspr. 1 i. V. m. Anspr. 5; E06 insbes. Sp. 2 Z. 52 bis 57; E17 Sp. 3 Z. 18 bis 20).

212

b4) Gemäß Hilfsantrag 1a-3 wird in Patentanspruch 1 der Fassung des Hilfsantrags 1a-1 nach dem Verfahrensteil (c) das Merkmal 4.5, wonach die Temperatur während des Schmelzmischens so geregelt wird, dass die expandierbaren Mikrokugeln nicht expandieren, als Verfahrensteil (d) eingefügt und die übrigen Verfahrensteile in ihrer Bezeichnung alphabetisch angepasst.

213

Eine Temperaturregelung bzw. -führung während des Schmelzmischens derart, dass die Temperatur nicht zur Expansion der Mikrokugeln ausreicht (Merkmal 4.5), vermag die Patentfähigkeit nicht zu begründen, da sich diese Möglichkeit zur Regelung der Temperatur bereits zwanglos aus dem Stand der Technik ergibt (vgl. z. B. E01 SPD. 4 Z. 22 bis 37; E04 Anspr. 1 i. V. m. Anspr. 5), sodass auch Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1a-3 keinen Bestand hat.

214

b5) In Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1a-4 sind die Verfahrensteile (a) bis (c) gegenüber dem Hauptantrag unverändert beibehalten. An den Verfahrens teil (c) schließt sich eine in Verfahrensteile (i) bis (iii) aufgeteilte Gestaltung des Extrusion Vorgangs an (vgl. Merkmale 5.1, 5.4 und 6.1a).

215

Diese Gestaltung des streitpatentgemäßen Verfahrens übersteigt nicht das Wissen und Können eines Fachmanns, der beispielsweise ausgehend von der E02 (vgl. insbes. auch S. 3 er. SPD. Abschn. Extrusion Abs. 2) aus einer Polymer Zusammensetzung bekannten Schmelzverhaltens unter Einsatz expandier barer polymerer Mikrokugeln bekannten Expansionsverhaltens ("Expander") durch Extrusion eine geschäumte Polymermasse in der Weise herstellt, dass die Mikrokugeln bereits teilweise im Extruder und damit vor dem Austritt aus der Düse expandieren. Damit die Mikrokugeln bereits teilweise im Extruder expandieren, muss - dem Fachmann geläufig - die Temperatur spätestens in der Extruderdüse, aber insbesondere bereits zuvor gleich oder über der bekannten Expansionstemperatur der jeweils eingesetzten Mikrokugeln liegen (vgl. E02 S. 2 Fig. 2 und 4). Des Weiteren müssen die Strömungsgeschwindigkeit und der Druck - für den Fachmann selbstverständlich - so gewählt werden, dass die Expansion vor dem Austritt aus der Düse auch möglich ist. Diese Einstellungen liegen ausgehend von der Lehre der E02 für den Fachmann im Zuge üblicher, routinemäßig wiederkehrend durchzuführender Verfahrensoptimierungen auf der Hand, zumal ihm die Abhängigkeit des Expansionsverhaltens von der Temperatur und der Durchtrittsrate bzw. Verweilzeit im Extruder bekannt sind (vgl. E04 Anspr. 1 u. 5 i. V. m. Sp. 6 Z. 36 bis 42). Zudem wird der Fachmann - entsprechend dem Strömungsgesetz von Bernoulli - die Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit bei gleichzeitiger Abnahme des Drucks in der sich verengenden Extruderdüse bei gleich bleibendem Massefluss oder jedenfalls einem so niedrigen Druck in der Düse in Betracht ziehen, dass die expansionsfähigen Mikrokugeln zumindest partiell expandieren können (Expansionsarbeit). Nichts anderes verbirgt sich hinter dem im Übrigen aufgabenhaft gehaltenen Verfahrensteil (iii) bzw. Merkmal 6.1a des Patentanspruchs 1 in dieser nach Hilfsantrag 1a-4 verteidigten Fassung.

216

Entsprechendes gilt für die Verfahren gemäß den jeweiligen Patentansprüchen 1 der Hilfsanträge 1a-5 bis 1a-9, in denen Merkmale aus den jeweiligen Patentansprüchen 1 vorangehender Hilfsanträge in verschiedenen kombinatorischen Variationen präsentiert sind.

217

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1a-5 entspricht Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1a-4 mit dem Unterschied, dass nach dem Verfahrensteil (c) das Merkmal 4.5 als Verfahrenteil (d) eingefügt wird.

218

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1a-6 entspricht in den Verfahrensteilen (a) bis (e) dem Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1a-1 mit dem Unterschied, dass anstelle des in Hilfsantrag 1a-1 fehlerhaft als (d) bezeichneten Verfahrensteil (f) die Ausgestaltung der Extrusion durch die Verfahrensteile (i) bis (iii) und damit die Merkmale 5.1, 5.4 und 6.1a folgen.

219

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1a-7 entspricht Hilfsantrag 1a-6 mit dem Unterschied, dass nach dem Verfahrensteil (c) der Verfahrensteil (d) eingefügt wird und die bisherigen Verfahrensteile (d) und (e) in ihrer Bezeichnung zu (e) und (f) angepasst sind.

220

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1a-8 entspricht Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1a-6 mit dem Unterschied, dass als Verfahrensteil (d) das Merkmal 4.4.1 anstelle des Merkmals 4.4 aufgenommen ist.

221

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1a-9 entspricht Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1a-8 mit dem Unterschied, dass in Verfahrensteil (c) das Merkmal 4.3 aufgenommen ist.

222

Diese unterschiedlichen Kombinationen von Merkmalen, die bereits in Verbindung mit den vorangehenden Hilfsanträgen abgehandelt wurden, übersteigen ausgehend von der Lehre der E02 das planmäßige und übliche Vorgehen des Fachmanns in Verbindung mit seinem Wissen und Können nicht. Was das in den vorangehenden Hilfsanträgen nicht einbezogene und deshalb noch nicht abgehandelte Merkmal 4.4.1 anbelangt, so ergibt sich die Möglichkeit des Transfers zur Extruder düse, ohne das Expandieren der expandier baren Mikrokugeln zu bewirken, bereits aus den Vorgaben des Standes der Technik (vgl. z. B. E01 SPD. 4 Z. 22 bis 47; E04 SPD. 8 u. 9, Anspr. 1 i. V. m. Anspr. 5; E06 insbes. SPD. 2 Z. 52 bis 57; E17 SPD. 3 Z. 18 bis 20).

223

b6) Patentanspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge 1b und 1b' entspricht jeweils Patentanspruch 1 nach Hauptantrag mit dem Zusatz zu Beginn des Verfahrensteils (a), dass einem Extruder eine Polymerzusammensetzung zugeführt und stromabwärts eine Mehrzahl von expandier baren polymeren Mikrokugeln zugegeben wird (Hilfsantrag 1b, Merkmal 1.4), oder mit dem Zusatz, dass einem Extruder eine ein klebendes Acryl- oder Methacrylat-Polymer oder -Copolymer umfassende Hot Melt Polymerzusammensetzung zugeführt und stromabwärts eine Mehrzahl von expandierbaren polymeren Mikrokugeln zugegeben wird (Hilfsantrag 1b', Merkmal 1.4.2).

224

Die Möglichkeit einer Downstream-Zugabe der expandierbaren polymeren Mikrokugeln gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1b ergibt sich aus E18, aus der eine stromabwärtige Zugabe insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Schonung der Mikrokugeln als vorteilhafte Verfahrensvariante hervorgeht (vgl. E18 Sp. 10 Z. 62 bis 67), sodass sich auch die Ausgestaltung des Patentanspruchs 1 der erteilten Fassung durch das Merkmal 1.4 in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Da die Lehre des Streitpatents unmittelbar an den Grenzwert von 20 Gew.-% heranreicht (vgl. Merkmal 2), kann auch die Anwesenheit von 20 Gew.-% Lösemittel oder mehr gemäß der E18 den Fachmann nicht davon abzuhalten, eine Downstream-Zugabe von expandierbaren Mikrokugeln, zwecks deren Schonung nach dem Vorbild der E18, auch bei einer Verfahrensführung mit nur wenig oder gar keinem Lösemittel einzuplanen.

225

Dies gilt auch für die Variation nach Hilfsantrag 1b' und für den Unterschied gegenüber Hilfsantrag 1b, dass die Polymerzusammensetzung eine Hot Melt Polymerzusammensetzung ist, die ein klebendes Acrylat- oder Methacrylat-Polymer oder -Copolymer umfasst, so dass auch diese Variation mangels erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar ist.

226

Das Vorbringen der Beklagten, wonach die E18 weder zur Frage der Neuheit noch zur Frage der erfinderischen Tätigkeit beitragen könne, da in dieser Druckschrift ein zur Streitpatentschrift völlig unterschiedliches Verfahren eingesetzt werde, wobei sich sowohl die verwendete Polymerzusammensetzung als auch die verwendeten Mikrokugeln von denen der Streitpatentschrift unterscheiden (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 8. April 2011 S. 4 bis 5), führt zu keiner anderen Bewertung. Denn auch das Streitpatent ist ausweislich seiner Patentansprüche nicht auf bestimmte Polymere, erst recht nicht auf Polymere einer bestimmten Viskosität beschränkt. Entsprechendes gilt für den Gehalt an Mikrokugeln, der in einer für den Fachmann bekannten Abhängigkeit von der angestrebten Dichte des Erzeugnisses mit der Untergrenze 5 % (vgl. E18 z. B. Sp. 2 Z. 35 bis 40) jedenfalls zahlenmäßig den streitpatentgemäß bevorzugten Bereich des Einsatzes von expandierbaren Mikrokugeln des Typs "Expancel" tangiert (vgl. E02 z. B. S. 4 Fig. 7; E03 S. 2 re. Sp. vorle. Abs.; so auch EP 1 102 809 B1 z. B. S. 7 Z. 47 bis 55, insbes. Z. 55). Zutreffend ist zwar, dass die gemäß E18 eingesetzten polymeren Mikrokugeln niedriger Dichte nicht expandieren, was den Fachmann jedoch nicht davon abbringen konnte, die gemäß E18 zum Schutz der polymeren Mikrokugeln vorzugsweise Downstream-Zugabe auch auf ein Verfahren mit expandierbaren Mikrokugeln zu übertragen, zumal es auch gemäß dem Verfahren des Streitpatent ein zu frühzeitiges Beanspruchen und ein Brechen der expandierbaren Mikrokugeln zu vermeiden gilt.

227

b7) Die jeweiligen Patentansprüche 1 der Hilfsanträge 1c-1, 1c-2 und 1c-3 gehen aus von den Fassungen der Hilfsanträge 1b (Hilfsantrag 1c-1) sowie 1a-8 bzw. 1a-9 (Hilfsanträge 1c-2 und 1c-3).

228

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c-1 entspricht Patentanspruch 1 des Hilfsantrag 1b mit der Maßgabe, dass er auf ein Verfahren zur Herstellung eines polymeren Klebeschaums (Merkmal 1a) und auf eine Hot Melt Polymerzusammensetzung (Merkmal 1.4.1) eingeschränkt ist.

229

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c-2 entspricht Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1a-8 mit der Maßgabe, dass er auf ein Verfahren zur Herstellung eines klebenden Polymerschaums (Merkmal 1a') und auf eine klebende Hot Melt Polymerzusammensetzung (Merkmal 2.2) sowie des Weiteren auf die Zugabe der expandierbaren polymeren Mikrokugeln stromabwärts zur geschmolzenen klebenden Hot Melt Polymerzusammensetzung (Merkmal 1.3.2) eingeschränkt ist.

230

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1c-3 entspricht Hilfsantrag 1c-2 mit der Maßgabe, dass in Verfahrensteil (c) das Merkmal 4.3 eingefügt wird, und er entspricht auch Hilfsantrag 1a-9 mit der Maßgabe, dass es sich jeweils um einen klebenden Polymerschaum (vgl. Merkmale 1a', 5.2) und um eine klebende Hot Melt Polymerzusammensetzung (Merkmale 2.2, 1.3.2) handelt.

231

Die jeweiligen Patentansprüche 1 der Hilfsanträge 1c-1, 1c-2 und 1c-3 haben mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand. Denn die Ausrichtung der Verfahren vorangehender Hilfsanträge auf die Herstellung klebender Polymerschäume bzw. geschäumter klebender Polymere unter Einsatz von geschmolzenen Hot Melt Adhesive Polymerzusammensetzungen ergab sich für den Fachmann, wenn nicht bereits unmittelbar aus der Lehre der E02 selbst entnehmbar (vgl. E02 S. 2 Tabelle 1 Adhesives & Sealants i. V. m. acrylic polymer), so doch für den Fachmann in naheliegender Weise aus den Druckschriften E17 (vgl. E17 S. 2 Sp. 2 Z. 40 bis 55, insbes. Z. 42 EVA, i. V. m. S. 3 Sp. 3 Z. 37 EVA als "molten hot melt adhesive polymer composition") sowie E18 (vgl. E18 Titel i. V. m. Anspr. 1 i. V. m. Anspr. 2, 7, 11, 12). Dabei kommen den unterschiedlichen Formulierungen "polymer adhesive foam" und "adhesive polymer foam" in diesen Hilfsanträgen (vgl. Merkmale 1a, 1a’, 5.2, 5.3) jedenfalls keine patentbegründende Bedeutung zu.

232

Im Übrigen wird betreffend einzelner Verfahrensmerkmale oder deren Kombination auf die Ausführungen zu den betreffenden vorangehenden Hilfsanträgen verwiesen.

233

b8) Nicht bestandsfähig mangels erfinderischer Tätigkeit sind auch die jeweiligen Patentansprüche 1 der nurmehr Verfahrensansprüche aufweisenden Hilfsanträge 1e und 1 f, die den jeweiligen Patentansprüchen 1 der Hilfsanträge 1b und 1c-1 entsprechen, wobei auf die zu den Hilfsanträgen 1b und 1c-1 ausführten Gründe vollumfänglich verwiesen wird. Entsprechendes gilt auch für den ebenfalls nurmehr Verfahrensansprüche aufweisenden Hilfsantrag 1d, dessen Patentanspruch 1 gegenüber jenem des Hilfsantrags 1a-1 auf einen polymeren Klebeschaum (Merkmale 1a, 5.3) eingeschränkt ist und demgegenüber zusätzlich das Merkmal 4.3 aufweist, aus den zuvor zu diesen Merkmalen bereits abgehandelten Gründen.

234

b9) Die Patentansprüche 1 der Hilfsanträge 2 und 3 entsprechen jeweils dem Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 1, so dass auch diesen Hilfsanträgen aus den zu Hilfsantrag 1 ausgeführten Gründen nicht stattgegeben werden kann.

235

Die jeweiligen Patentansprüche 1 der Hilfsanträge 4 bis 7 weisen zusätzlich zu den Hilfsanträgen 1 bis 3 die Merkmale 1a und 5.3 (Hilfsantrag 4), die Merkmale 1a, 5.3 und 2.3 (Hilfsantrag 5), die Merkmale 1a, 5.3, 2.3 und 4.5 (Hilfsantrag 6), die Merkmale 1a, 5.3, 2.3, 4.5 und 7 (Hilfsantrag 7) auf. Diese zusätzlichen Merkmale vermögen, einzeln oder in Kombination, indessen die erfinderische Tätigkeit gegenüber der Lehre der E02 nicht zu begründen.

236

Die Merkmale, die das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsanträgen 4 bis 7 zusätzlich zu jenem des Hilfsantrags 1 kennzeichnen, ergeben sich für den Fachmann bereits unmittelbar aus der E02. In der E02 werden unter dem Abschnitt "Applications of Expanded Microspheres" unter anderem Acrylat-Polymere unter Verwendung von Expancel Mikrokugeln zur Herstellung von klebenden geschäumten Polymermassen aufgeführt (vgl. E02 S. 2 re. Sp. le. Abs. i. V. m. Table 1). Der Fachmann liest diese spezielle Anwendung expandierbarer und expandierter Mikrokugeln selbstverständlich in Kombination mit den übrigen technischen Ausführungen dieser Druckschrift betreffend die ihm ohnehin geläufigen Materialeigenschaften von "Expancel"-Mikrokugeln sowie die Verarbeitung im Extruder (vgl. E02 insbes. Fig. 1 bis 4 sowie S 3 li. Sp. Abs. 2 des Abs. Extrusion), sodass dem Verfahren gemäß Patentanspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge 4 bis 7 bereits die Neuheit fehlt.

237

Aber selbst wenn man dem Einwand der Beklagten folgte, wonach diese Bewertung der Lehre der E02 auf einem für die Neuheit unzulässigen "Zusammensuchen einzelner Merkmale" beruhe, so bedarf es jedenfalls keines erfinderischen Zutuns, um allein aus der Lehre der E02 heraus zu dieser Kombination und damit zu Verfahren gemäß Patentansprüchen 1 nach den Hilfsanträgen 4 bis 7 zu gelangen, wobei im Übrigen auf die diesbezüglichen Ausführungen zur Fassung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 (vgl. Abschnitt 3a bis 3d, 4a, 5b1), bezüglich des Merkmals 7 insbesondere auf die Druckschriften E06 (vgl. insbes. Sp. 16 Anspr. 4), E17 (Sp. 4 Z. 13 bis 19 i. V. m. Sp. 1 Z.13 bis 32) oder E18 (z. B. Sp. 5 Z. 54 bis 68), im Übrigen auf die diesbezüglichen Ausführungen zu den Hilfsanträgen 1a-3, 1c-1 bis 1c-3 verwiesen wird.

238

c) Die weiteren nebengeordneten oder abhängigen Patentansprüche der Hilfsanträge 1, 1a-1 bis 1a-9, 1b, 1b', 1c-1 bis 1c-3, 1d bis 1f und 2 bis 7 bedürfen wegen des nachfolgenden Hilfsantrags 8 keiner weiteren, isolierten Prüfung, weil die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass sie den Hauptantrag und die Hilfsanträge als jeweils geschlossene Anspruchssätze versteht und das Streitpatent in der gewählten Reihenfolge der Hilfsanträge verteidigt.

239

Auch soweit man entgegen der von der Beklagten vorgegebenen Verteidigung des Streitpatents mit jeweils geschlossenen Anspruchssätzen (vgl. oben III.3e) trotz der Identität der Patentansprüche 1 in den Hilfsanträgen 1 bis 3 den nebengeordneten Patentanspruch 15 bereits an dieser Stelle in die Prüfung einbezieht, kann den Hilfsanträgen 2 und 3 auch nicht auf Basis des in beiden Anträgen identischen Sachanspruchs 15 stattgegeben werden.

240

Der nebengeordnete Patentanspruch 15, der in den Hilfsanträgen 1 bis 3 identisch abgefasst ist, und jeweils auf das in diesen Hilfsanträgen ebenfalls identisch abgefasste Verfahren gemäß Patentanspruch 1 nach Art eines Product-by-Process Anspruchs Bezug nimmt, ist gegenüber dem bezogenen Verfahrensanspruch zusätzlich dadurch gekennzeichnet, dass das (Zwischen)Produkt ein klebender Polymerschaum ist (Merkmal 1b) und die Polymerzusammensetzung ein klebendes Acrylat- oder Methacrylat-Polymer oder -Copolymer ist (Merkmal 1.2.1).

241

Ein Erzeugnis, das einen Polymerschaum umfasst, der erhältlich ist durch das bezogene Verfahren des Patentanspruchs 1 und zudem die Merkmale 1b und 1.2.1 aufweist, sofern gegenüber dem vorgebrachten Stand der Technik noch neu, beruht demgegenüber jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Insofern wird vollumfänglich auf die vorstehenden Ausführungen unter Punkt III.4b verwiesen.

242

d) Das Streitpatent hat auch in der gemäß Hilfsantrag 8 verteidigten Fassung keinen Bestand.

243

Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 entspricht Patentanspruch 1 des Hilfsantrags 5, sodass dieser Patentanspruch aus den zu Hilfsantrag 5 ausgeführten Gründen, auf die vollumfänglich verwiesen wird, keine Bestand hat.

244

Der nebengeordnete Patentanspruch 15 nach Hilfsantrag 8 betrifft ein Erzeugnis, das einen klebenden Polymerschaum umfasst, wobei die Polymerzusammensetzung wiederum ein klebendes Acrylat- oder Methacrylat-Polymer oder -Copolymer umfasst, und wobei mindestens eine düsengeformte Fläche des geschäumten extrudierten Polymers glatt ist und einen Ra-Wert von weniger als 75 Mikrometern aufweist (vgl. Merkmal 1e), hat mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand.

245

Denn die Ausprägung der Oberfläche des Erzeugnis hinsichtlich ihrer Rauheit oder Glätte ist in erster Linie bedingt durch die Größe der eingesetzten Mikrokugeln nach der gegebenenfalls vollständigen Expansion, wobei gerade der Einsatz expandierbarer Mikrokugeln vom "Expancel"-Typ als Schaummittel bekanntermaßen zu solchen sehr glatten, schönen Oberflächen führt (vgl. z. B. E05 Abstract Z. 1 bis 2 i. V. m. [0008] i. V. m. [0026] und [0029] sowie Table 2). Verdeutlicht wird ein Zusammenhang mit der Größe der Mikrokugeln in den Figuren 1 und 2 der E02, aus denen hervorgeht, dass die Größen der vollständig expandierten Expancel-Mikrokugeln beispielsweise bei 40 mm aber auch darüber oder darunter liegen. Die Wahl des Expancel-Typs bestimmt damit in Abhängigkeit von dem eingestellten Expansionsgrad des Extrudats den Durchmesser der in der Polymermatrix gleichmäßig verteilten expandierten Mikrokugeln, die an der Oberfläche des Extrudats zwangsläufig hervortreten und die Rauheit bzw. Glätte der Oberfläche des Extrudats oder Formteils bedingen. Das in dem Merkmal 1e enthaltene Teilmerkmal 8 stellt damit eine Auswahlregel betreffend die Rauheit der Oberfläche der extrudierten zumindest teilweise expandierten Polymermasse dar, die sich - bei fachkundiger Durchführung der Extrusion und Einsatz des geeigneten "Expancel"-Typs - zwangsläufig einhalten lassen und die deshalb die Patentfähigkeit von Erzeugnissen gemäß Patentanspruch 15 nach Hilfsantrag 8 gegenüber E02 nicht begründen.

246

Aber selbst wenn man dem Einwand der Beklagten folgte, wonach diese Bewertung der Lehre der E02 auf einem für die Neuheit unzulässigen Zusammensuchen einzelner zusammenhangloser Merkmale beruhe, so bedarf es jedenfalls keines erfinderischen Zutuns, um allein aus der Lehre der E02 heraus zu dieser Kombination und damit zu Verfahren sowie Erzeugnissen gemäß Patentansprüchen 1 und 15 nach Hilfsantrag 8 zu gelangen, wobei im Übrigen auf die diesbezüglichen Ausführungen zur erteilten Fassung des Patentanspruchs 15 verwiesen wird (vgl. Abschnitt 4b).

247

Auch die weitere Ausgestaltung des Patentanspruchs 1 oder des Patentanspruchs 15 gemäß Hilfsantrag 8 durch Merkmale der darauf rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 14 sowie 16 bis 33 führt nicht zu patentfähigen Gegenständen, sodass auch diese Ansprüche keinen Bestand haben.

248

Die Merkmale der Unteransprüche 2 bis 4, die allesamt den Expansionsgrad der polymeren Mikrokugeln vor dem Austritt aus der Extruderdüse betreffen und umschreiben, gehen nicht über die durch den Stand der Technik vorgegebene Möglichkeiten des Expansionsgrads hinaus. So bewegt sich das Merkmal des Unteranspruchs 2, das bereits in den Anspruch 1 des Hilfsantrags 1a-2 aufgenommen wurde (vgl. Merkmal 6.1), im Kontext des Merkmals 6 bzw. des Verfahrensteils (d) bzw. des Verfahrensteils (f) im Bereich der Vorgaben des Standes der Technik von nicht expandiert, teilweise expandiert bis hin zu vollständiger Expansion (vgl. E01 Sp. 4 Z. 22 bis 47, insbes. Z. 31 bis 37, 43 bis 47; E02 S. 3 li. Sp. Abschn. Extrusion Abs. 2; E04 S. 8 u. 9, Anspr. 1 i. V. m. Anspr. 5; E06 insbes. Sp. 2 Z. 52 bis 57; E17 Sp. 3 Z. 18 bis 20), und der Fachmann konnte, bei Bedarf, unter Anwendung der Arbeitsweisen des Standes der Technik ohne erfinderisches Zutun zu einem Verfahrensprodukt mit einem gewünschten Expansiongrad im Bereich dieser allumfassenden Bandbreite gelangen. Entsprechendes gilt - unter Verweis auf die vorstehend zitierte vorveröffentlichte Literatur - für die Merkmale des Unteranspruchs 3 und des Unteranspruchs 4, wobei letzterer jedenfalls eine nur teilweise Expansion vor dem Düsenaustritt festschreibt, damit die vollständige Expansion dann erst nach dem Düsenaustritt erfolgen kann.

249

Die Möglichkeit einer Vernetzung der (noch) expandierbaren extrudierbaren Zusammensetzung oder des (bereits) extrudierten Polymerschaums gemäß Unteranspruch 5 gehört zu dem Wissen und Können eines Fachmanns, liegt in der praktischen Ausgestaltung und Durchführung in Abhängigkeit von der jeweiligen speziellen stofflichen Zusammensetzung der Polymermasse in seinem fachlichen Ermessen und vermag die Patentfähigkeit deshalb nicht zu begründen. Zudem bekommt der Fachmann hierzu genügend Anregungen aus dem gattungsgemäßen Stand der Technik (vgl. z. B. E06 insbes. Anspr. 4; E17 Sp. 4 Z. 13 bis 19 i. V. m. Sp. 1 Z. 13 bis 32; E18 Sp. 5 Z. 54 bis 68), sodass auch diese Ausbildung des streitpatentgemäßen Verfahrens nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

250

Die Möglichkeit einer Coextrusion in der Ausgestaltung der Unteransprüche 6 bis 8 ergibt sich aus dem vorgebrachten Stand der Technik (vgl. z. B. E04 Anspr. 19 bis 21) und stellt im Übrigen eine dem Fachmann geläufige Ausführungsform extrudierter Erzeugnisse dar, sodass auch aus der Kombination mit Merkmalen dieser Unteransprüche kein patentfähiges Verfahren und Verfahrensprodukt bzw. Erzeugnis resultiert.

251

Die Möglichkeit der Auswahl einer Polymerzusammensetzung mit einer Viskosität und einem Lösemittelgehalt gemäß den Unteransprüchen 9 und 10 ergibt sich für einen Fachmann ohne weiteres aus den Materialeigenschaften der zum Einsatz gelangenden, auch Acrylat-Polymere betreffenden Polymerzusammensetzungen (vgl. E02 S. 2 Table 1; E03 S. 4 li. Sp. "some suitable polymers"). Insbesondere die angegebene Viskositätsgrenze liegt so, dass letztlich sehr viele der demnach üblicherweise zum Einsatz gelangenden Polymerzusammensetzungen diese Maßgabe ohne weiteres erfüllen, sodass diese Unteransprüche keinen Bestand haben.

252

Da der Fachmann selbstverständlich stets bestrebt ist, die expandierbaren polymeren Mikrokugeln homogen in der gesamten expandierbaren extrudierbaren Polymermasse zu verteilen, hat auch der Streitgegenstand in der Ausbildung des Unteranspruchs 11 mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand.

253

Nicht bestandsfähig sind schließlich auch die auf den Unteranspruch 4 rückbezogenen Unteransprüche 12 und 13, welche die Weiterverarbeitung des extrudierten klebenden Polymerschaums durch Anbringen an eine Oberfläche gefolgt von einer teilweisen bis vollständigen Expansion betreffen. Diese Art der Weiterverarbeitung steht beim Einsatz von beispielsweise Acrylatpolymeren als Dichtungsmassen, aber auch beim Einsatz anderer, mit Klebrigmachern versehenen Thermoplasten als Bestandteil der Polymerzusammensetzung nicht nur im Ermessen, sondern auch im Blickfeld des Fachmanns (vgl. z. B. E02 S. 2 Tabelle 1; E17 Sp. 3 Z. 18 bis 20 i. V. m. Sp. 2 Z. 40 bis 54 und Sp. 3 Z. 45 bis 48).

254

Entsprechendes gilt für den auf Patenanspruch 1 rückbezogenen Unteranspruch 14, der in seiner Ausbildung dem Patentanspruch 31 der erteilten Fassung entspricht und als Merkmal 8 die Auswahlregel aus dem Merkmal 1e des nebengeordneten Patentanspruchs des Hilfsantrags 8 aufweist.

255

Die auf das Erzeugnis gemäß Anspruch 15 rückbezogenen Unteransprüche 16 bis 19 betreffen lediglich übliche, im Rahmen der Lehren gemäß E01, E02 und E04 sowie im Ermessen des Fachmanns liegende, wegen des Wortlauts des übergeordneten Anspruchs 15 zudem teilweise redundante Ausgestaltungen, sodass auch diese Unteransprüche nichts Erfinderisches beitragen und deshalb keinen Bestand haben.

256

Entsprechendes gilt für die Unteransprüche 20 und 21, die übliche stoffliche Ausgestaltungen einer geschäumten Polymermasse, gegebenenfalls aus Gemischen unterschiedlicher Polymere, und daraus hergestellte Erzeugnisse (vgl. z. B. E02 S. 2 Table 1 i. V. m. S. 3 li. Sp. "applications of unexpanded microspheres"; E03 S. 4 li. Sp "some suitable polymers"; E04 Sp. 7 Z. 34 bis 52) betreffen, sowie für den Unteranspruch 22, der unter anderem übliche Anwendungsbereiche solcher Erzeugnisse betrifft (vgl. z. B. E02 S. 2 Table 1; E17 Sp. 3 Z. 37 bis 51).

257

Was die axiale Orientierung des Polymerschaums gemäß Unteranspruch 23 anbelangt, so handelt es sich um eine übliche, dem Fachmann aufgrund seines Wissens und Könnens geläufige Gestaltungsmöglichkeit von beispielsweise mittels Flachdüsen extrudierten Polymerfilmen, die kein erfinderisches Zutun erfordert.

258

Bezüglich der Unteransprüche 24 und 30 wird auf die Begründung zu den merkmalsgleichen bzw. merkmalsentsprechenden Unteransprüchen 5 und 11 verwiesen.

259

Die Unteransprüche 25 bis 29, 31 bis 33 betreffen üblich ausgestaltete Extrudate und Weiterverarbeitungsprodukte (vgl. z. B. E04 Sp. 14 u. 15 Anspr. 17 bis 21; E06 Sp. 14 Anspr. 7; E08 Sp. 8 Z. 2 bis 6), sodass auch diese Unteransprüche mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand haben. Dies trifft insbesondere auch auf die Weiterverarbeitung nach dem sogenannten foam-in-place-Verfahren des Patentanspruchs 33 nach Hilfsantrag 8 zu, bei dem es sich - auch in der nach wie vor umfassten Ausgestaltung eines Recess gemäß den erteilten Ansprüchen 36 bis 38 - um eine naheliegende, fachübliche Arbeitsweise handelt, die zudem keine das Wissen und Können des Fachmanns übersteigenden Arbeitsschritte aufweist.

260

Dabei umfasst Patentanspruch 33 selbstverständlich die Weiterverarbeitung von sowohl aufgrund nur teilweise expandierter Mikrokugeln als auch aufgrund bereits vollständig expandierter Mikrokugeln geschäumter Polymere, die wegen des noch vorhandenen Expansionspotentials der nur teilweise expandierten Mikrokugeln oder der Option eines zusätzlich eingearbeiteten aktivierten Treibmittels und einer damit möglichen Folgeexpansion im Endwerkzeug gegebenenfalls weiter aufgeschäumt werden können (vgl. E08 Sp. 3 Z. 58 bis Sp. 4 Z. 12, insbes. Sp. 4 Z. 4 bis Z. 10, i. V. m. Sp. 6 Z. 22 bis 39 sowie Anspr. 22; E17 Sp. 3 Z 10 bis 17 i. V. m. Sp. 3 Z. 52 bis Sp. 4 Z. 7).

261

6. Die Beklagte wendet sich gegen die Kombination von Informationen bzw. (Teil)Merkmalen aus den vorgebrachten Druckschriften, da diesen Druckschriften nicht nur andere Aufgaben, sondern auch andere Lösungen, insbesondere andersartige Verfahren zugrunde lägen.

262

Dieser Ansicht kann sich der Senat nicht anschließen. Mit Ausnahme der Druckschrift E18 betreffen sämtliche Druckschriften die Herstellung von geschäumten Polymermassen aus Polymerzusammensetzungen, die die Matrix bilden, und expandierbaren extrudierbaren polymeren Mikrokugeln nach Art der unter der Marke Expancel im Handel erhältlichen Produkte. Soweit in Patentansprüchen der verschiedenen Anträgen stoffliche und funktionelle Angaben enthalten sind (vgl. (meth)acrylate (co)polymers, Hot Melt, adhesive), die wegen des Begriffs "umfassend" ohnehin stofflich nicht einschränkend sind, gehen diese nicht über die aus den betreffenden Druckschriften entnehmbaren stofflichen Angaben hinaus. Entsprechendes gilt für den mangels Parametern, insbesondere mangels zahlenmäßig bestimmt gehaltener Parameter, offenen Verfahrensbereich, in dem sich das streitpatentgemäße Verfahren bewegt. Einer Kombination von technischer Information aus diesen Druckschriften steht deshalb nichts entgegen, auch nicht unter der Berücksichtigung ggf. anders formulierter Aufgaben, da deren Lösungen in den Weiten der Patentansprüche des Streitpatents verborgen liegen. Die Druckschrift E18 nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als expandierbare Mikrokugeln darin als Ausführungsform zwar nicht genannt sind. Im Hinblick auf den Einsatz von hohlen elastomeren polymeren Mikrokugeln der Größe und Dichte von Mikrokugeln, die der Größe und Dichte von Mikrokugeln des Expancel-Typs entsprechen (vgl. E18 Sp. 2 Z. 29 bis 32 i. V. m. Sp. 6 Z. 31 bis 61), wird der Fachmann bei Fragen betreffend die Empfindlichkeit solcher hohler polymerer Mikrokugeln auch Druckschriften wie die E18 in Betracht ziehen, zumal diese Druckschrift druckempfindliche Klebeschaumfilme auf Basis von (Meth)acrylate-(Co)Polymeren als Matrix betrifft.

IV.

263

Die von den Beteiligten vorgelegten Privatgutachten rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Diese sind lediglich als urkundlich belegter substantiierter Parteivortrag (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 33. Aufl., Vorbem. § 402 Rn. 3, 5) und deshalb nur als vertiefende Stellungnahme der Verfahrensbeteiligten anzusehen und gelangen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Außerdem enthalten die Gutachten rechtliche Würdigungen, die dem Senat obliegen. Der sach- und fachkundig besetzte Senat konnte demgegenüber - wie oben im Einzelnen dargelegt - auf die verständlichen technischen Ausführungen in den unabhängigen, weil vor dem Zeitrang des Streitpatents und damit ohne Kenntnis des Streitgegenstands verfassten Druckschriften sowie sein Fachwissen zurückgreifen, um die vorgebrachten Nichtigkeitsgründe zu prüfen und die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents zu beurteilen. Aus diesem Grund war es auch nicht erforderlich - wie von der Beklagten beantragt - ein weiteres, gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen.

264

Der von der Beklagten beantragten Vertagung zur Stellungnahme zum Privatgutachten K2 bedurfte es nicht, da dieses keine entscheidungserhebliche Bedeutung hatte.

V.

265

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.