Entscheidungsdatum: 07.03.2017
In der Patentnichtigkeitssache
…
betreffend das europäische Patent 2 021 046
(DE 60 2007 021 330)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2017 durch die Richterin Kopacek als Vorsitzende, den Richter Dipl.-Phys. Univ. Dr. Müller, die Richterin Dorn, den Richter Dipl.-Ing. Veit sowie die Richterin Dipl.-Phys. Univ. Zimmerer
für Recht erkannt:
I. Das europäische Patent 2 021 046 wird für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für Deutschland erteilten europäischen Patents 2 021 046, deutsches Aktenzeichen DE 60 2007 021 330 (Streitpatent), das am 10. Mai 2007 unter Inanspruchnahme der US-Prioritäten vom 11. Mai 2006 (US 432855) und vom 13. Dezember 2006 (US 610458) angemeldet worden ist.
Das Streitpatent betrifft eine Vorrichtung zur Wundbehandlung und umfasst 27 Patentansprüche, die sämtlich von der Klägerin angegriffen sind.
Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch:
1. A wound therapy device, comprising:
a) a housing (20; 120; 220; 420; 520; 820; 920; 1120; 1220) configured to cover at least a portion of a wound;
b) a vacuum source (234; 434; 534; 634, 634´; 934, 1134, 1234) in fluid communication with the housing;
c) a liquid collector (940; 1242) positioned inside of the housing and in operable communication with the wound, wherein said liquid collector is configured to retain wound exudate while simulataneously communicating negative pressure generated by the vacuum source to the wound, wherein the liquid collector comprises a porous material defining a plurality of passages to allow fluid communication between the vacuum source and the wound through the liquid collector,
d) a liquid retention chamber (40; 140; 240; 440; 540; 640, 640´; 840; 1140; 1240) in which the liquid collector is positioned,
e) a liquid barrier (36; 136; 236; 436; 536; 636, 636´; 936; 1136) positioned between the liquid collector and the vacuum source, wherein the liquid barrier allows a gas flow between the vacuum source and the liquid-retention chamber,
characterized in that
the liquid barrier is positioned inside the housing and prevents liquid from leaving the liquid-retention chamber.
In der deutschen Übersetzung lautet Patentanspruch 1:
1. Wundtherapieeinrichtung, umfassend:
a) Ein Gehäuse (20; 120; 220; 420; 520; 820; 920; 1120; 1220), das so konfiguriert ist, dass es mindestens einen Teil einer Wunde abdeckt;
b) eine Vakuumquelle (234; 434; 534; 634, 634´; 934, 1134, 1234) in Fluidkommunikation mit dem Gehäuse;
c) einen Flüssigkeitsaufnehmer (940; 1242), der innerhalb des Gehäuses angeordnet ist und in wirksamer Kommunikation mit der Wunde steht, wobei der Flüssigkeitsaufnehmer dazu konfiguriert ist, Wundexsudat zurückzuhalten, während er gleichzeitig einen von der Vakuumquelle erzeugten Unterdruck an die Wunde weiterleitet, wobei der Flüssigkeitsaufnehmer ein poröses Material umfasst, das eine Vielzahl von Durchgängen definiert, um zwischen der Vakuumquelle und der Wunde durch den Flüssigkeitsaufnehmer hindurch eine Fluidkommunikation zu ermöglichen,
d) eine Flüssigkeitshaltekammer (40; 140; 240; 440; 540; 640, 640´; 840; 1140; 1240), in der der Flüssigkeitsaufnehmer angeordnet ist,
e) eine Flüssigkeitsbarriere (36; 136; 236; 436; 536; 636, 636´; 936; 1136, der zwischen dem Flüssigkeitsaufnehmer und der Vakuumquelle angeordnet ist, wobei die Flüssigkeitsbarriere einen Gasfluss zwischen der Vakuumquelle und der Flüssigkeitshaltekammer erlaubt,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Flüssigkeitsbarriere innerhalb des Gehäuses angeordnet ist und verhindert, dass Flüssigkeit die Flüssigkeitshaltekammer verlässt.
Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 27 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin stützt ihre Nichtigkeitsklage gemäß Art. II § 6 IntPatÜG darauf, dass der Gegenstand des Streitpatents nach Art. 52 bis 57 EPÜ nicht patentfähig ist, ferner, dass das Streitpatent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann, sowie, dass der Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der europäischen Patentanmeldung in ihrer bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
Die Klägerin beruft sich zum Stand der Technik auf folgende Schriften:
NK4 US 5 549 584 (im Streitpatent genannt)
NK5 WO 01/85248 A1 (im Streitpatent genannt)
NK6 DE 20 2005 019 670 U1 (im Streitpatent genannt)
NK7 US 2003/0040687 A1 (im Streitpatent genannt)
NK8 US 2001/0029956 A1 (im Streitpatent genannt)
NK9 WO 2005/123170 A1
NK10 DE 20 2004 017 052 U1
NK11 WO 96/05873 A1
NK12 WO 2005/025447 A2
NK14 Produktkatalog der auf mikroporöse Membranen spezialisierten Firma Advantec MFS, Inc. (abrufbar URL: http://www.advantecmfs.com/catalog/filt/membrane.pdf#page=11)
NK15 US 5,056,510
NK16 US 5,707,499.
Sie macht im Einzelnen geltend, ausgehend von der ursprünglich eingereichten Fassung der Offenlegungsschrift NK1a gehe der Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus. Zudem offenbare das Streitpatent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne.
Die Neuheit des Gegenstandes des erteilten Patentanspruchs 1 sei insbesondere in Bezug auf NK4 und NK9 zu verneinen. Außerdem fehle eine erfinderische Tätigkeit. Wundtherapievorrichtungen mit einem Gehäuse und einer Vakuumquelle in Fluidkommunikation mit dem Gehäuse seien im Stand der Technik vorbekannt gewesen. Ebenso sei der Einsatz von Flüssigkeitsaufnehmern zum Absorbieren von Wundexsudat in einem solchen Gehäuse bekannt gewesen. Ausgehend von solchen Therapievorrichtungen sei es deshalb für den Fachmann naheliegend gewesen, zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen. Dies ergebe sich aus NK10 in Kombination mit NK7, NK11 oder dem Fachwissen. Auch die Unteransprüche seien nicht patentfähig.
Die Klägerin hält die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 6. Februar 2017 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 7, welche die mit Schriftsatz vom 21. September 2016 eingereichten Hilfsanträge I bis XIII ersetzen sollten, für verspätet gemäß § 83 Abs. 4 PatG. Darüber hinaus seien die durch die Hilfsanträge 1 bis 7 geänderten Anspruchsfassungen nicht zulässig und auch nicht patentfähig. Im Hinblick auf Hilfsantrag 1 ergebe sich die mangelnde Patentfähigkeit aus NK9, NK12, NK4 und NK10, bezüglich Hilfsantrag 2 aus NK9, NK10 und NK4. Die in Hilfsantrag 3 beanspruchte hydrophobe Membran sei in NK10, NK7 und NK4 offenbart. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 sei unklar formuliert und beanspruche darüber hinaus eine gängige Porengröße. Hilfsantrag 5 und Hilfsantrag 6 seien nicht erfinderisch hinsichtlich NK9 und NK5. Dies gelte auch bezüglich Hilfsantrag 7. Insbesondere seien bezüglich der Hilfsanträge 5, 6 und 7 die von der Beklagten behaupteten Synergieeffekte nicht gegeben.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das europäische Patents 2 021 046 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das Streitpatent mit den Hilfsanträgen 1 bis 7 vom 6. Februar 2017 verteidigt wird.
Darüber hinaus hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2017 erklärt, dass die abhängigen Ansprüche gemäß Hilfsantrag 7 isoliert verteidigt werden.
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und erachtet das Streitpatent für patentfähig.
In der erteilten Fassung des Streitpatents liege weder eine unzulässige Erweiterung noch eine mangelnde Ausführbarkeit vor. Darüber hinaus seien auch Neuheit und erfinderische Tätigkeit der erteilten Ansprüche gegeben. Weder die von der Klägerin zitierte Schrift NK4 noch die Schrift NK9 offenbare eine Flüssigkeitsbarriere gemäß dem Merkmal 6.2 des Streitpatents, die innerhalb des Gehäuses angeordnet sei und verhindere, dass Flüssigkeit die Flüssigkeitshaltekammer verlasse. In Hinblick auf die Schrift NK12 seien keine Gründe dafür erkennbar, dass der Fachmann das Vorhandensein einer Flüssigkeitsbarriere in der elektrochemischen Zelle mitlese.
Zumindest sei das Streitpatent in den Fassungen der Hilfsanträge 1 bis 7, die nicht als verspätet nach § 83 Abs. 4 PatG zu erachten seien, patentfähig. Die in Hilfsantrag 1 beanspruchte Merkmalskombination der externen Vakuumquelle mit dem superabsorbierenden Polymer zum Aufnehmen der Wundflüssigkeit und der zusätzlichen Flüssigkeitsbarriere sei neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber NK12, NK9 und NK10. Das zusätzliche Merkmal der „vacuum chamber“ sei weder der NK10 noch der NK9 zu entnehmen. Die in Hilfsantrag 3 enthaltenen zusätzlichen Merkmale des „moisture disperser“ und der hydrophoben Flüssigkeitsbarriere seien in keiner der zitierten Schriften offenbart. Es handele sich hierbei auch nicht um eine willkürliche Anhäufung von Merkmalen. Soweit Hilfsantrag 4 das zusätzliche Merkmal der Porengröße in Kombination mit den weiteren Merkmalen aufweise, sei dies in keiner Schrift offenbart und auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt. Die in Hilfsantrag 5 enthaltenen zusätzlichen Merkmale der Unterdruckverteilungsschicht, um eine gleichmäßige Verteilung des Unterdrucks im „liquid collector“ zu unterstützen, und das „wound interface“ seien ebenfalls in keiner Schrift offenbart oder nahegelegt. Die in Hilfsantrag 6 enthaltene Kombination aus Hilfsantrag 3 („moisture disperser“) und Hilfsantrag 5 („vacuum disperse layer“) sei besonders vorteilhaft, auch hier liege insbesondere keine willkürliche Anhäufung von Merkmalen vor. Dies gelte auch im Hinblick auf Hilfsantrag 7, der die Merkmale des „moisture disperser“, des „vacuum disperser layer“ und des „wound interface“ kombiniere.
Zur Unterstützung des Vorbringens reicht sie zwei Sachverständigengutachten und einen Aufsatz (NB2) ein.
NB1 Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Heinrich M. F. Planck, 18. September 2016
NB2 Amy K. McNulty et al.: „Effects of negative pressure wound therapy on fibroblast viability, chemotactic signaling, and proliferation in a provisional wound (fibrin) matrix“, Wound Rep Reg, 2007, Vol. 15, S. 838-846
NB3 aktualisiertes Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Heinrich M. F. Planck, 1. Februar 2017
Der Senat hat den Parteien einen frühen qualifizierten Hinweis vom 16. Juni 2016 nach § 83 Abs. 1 PatG zugeleitet, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt allen Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 7. März 2017 Bezug genommen.
Die zulässige Klage ist begründet, soweit mit ihr der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ i. V. m. Art. 52, 54, 56 EPÜ geltend gemacht wird, da sowohl die gemäß Hauptantrag verteidigte Fassung von Anspruch 1 des Streitpatents als auch die jeweilige Fassung des Anspruchs 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 7 sich nicht als patentfähig erweisen, so dass das Streitpatent insgesamt für nichtig zu erklären ist. Die von der Patentinhaberin hilfsweise erklärte isolierte Verteidigung der abhängigen Ansprüche gemäß Hilfsantrag 7 war nach § 83 Abs. 4 PatG als verspätet zurückzuweisen.
I.
1. Der Gegenstand des Streitpatents betrifft allgemein eine Vorrichtung zur Wundtherapie, die dazu fähig ist, eine Vielzahl chronischer und akuter Wundtypen zu behandeln, einschließlich, jedoch hierauf nicht eingeschränkt, Infektionswunden, venöse Geschwüre, arterielle Geschwüre, Diabetesgeschwüre, Brandwunden, Postamputationswunden, Operationswunden und dergleichen. Insbesondere betrifft die vorliegende Offenbarung Wundbehandlungseinrichtungen, die eine Unterdrucktherapie einsetzen (siehe Streitpatent NK1 Abs. [0001]).
Die Unterdrucktherapie ist eine zur Behandlung einer Vielzahl von Wunden angewendete Therapie. Herkömmliche Vorrichtungen sind nach der Beschreibungseinleitung allgemein großbauend und erfordern oft die Verwendung komplizierter Geräte, wie zum Beispiel Saugpumpen, Vakuumpumpen und komplexe elektronische Steuerungen. Weitere zugehörige Geräte können Wundflüssigkeits-/Exsudat-Auffangbehälter, Flüssigkeitstransportleitungen sowie Druckregler/-Wandler/-Sensoren sein. Als ein Ergebnis hiervon können die Geräte sperrig, leistungshungrig, relativ kostenintensiv und im Wesentlichen nicht wegwerfbar sein. Außerdem erfordert die Komplexität der herkömmlichen Vorrichtungen eine ständige Patientenaufsicht sowie die anfängliche Anbringung und jede Änderung der Vorrichtungen durch einen Arzt oder eine Pflegekraft (siehe Streitpatent NK1 Abs. [0002]).
Weiter ist ausgeführt, dass die steigenden Kosten in der Gesundheitsversorgung und von medizinischen Vorrichtungen Patienten und Pflegeanbieter in gleicher Weise unter Druck setzen, nach Lösungen zu suchen, die eine Verwendung durch einen Patienten zu Hause mit weniger Aufsichtsaufwand ermöglichen. Ferner verlangen Patienten weiterhin nach Vorrichtungen, die leichter transportierbar sind sowie Reisen und Mobilität ermöglichen (siehe Streitpatent NK1 Abs. [0003]).
Zum Stand der Technik wird in der Beschreibungseinleitung u. a. auf die US 5 549 584 A (NK4) verwiesen, die ein Wundtherapiegerät mit einer Wundabdeckung, einem Sammelbeutel für Wundexsudat und einem Faltenbalg zeigt, der die Ausscheidungen vom Wundverband in den Sammelbeutel saugt (siehe Streitpatent NK1 Abs. [0004]).
2. Als Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist in der Streitpatentschrift genannt, eine Wundbehandlungseinrichtung zur Unterdrucktherapie zu verbessern, die die Verwendung durch den Patienten zuhause mit weniger Aufsicht erlaubt und einfach transportierbar ist, um die Mobilität des Patienten zu gewährleisten (siehe Streitpatent NK1 Abs. [0005]).
3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Wundtherapieeinrichtung vor, bei der eine Flüssigkeitsbarriere innerhalb des Gehäuses angeordnet ist, die verhindert, dass Flüssigkeit die Flüssigkeitshaltekammer verlässt (siehe NK1 Anspruch 1).
3.1. In der geltenden Fassung lautet Patentanspruch 1 wie folgt (Gliederungspunkte hinzugefügt):
1 A wound therapy device, comprising:
2 a) a housing (20; 120; 220; 420; 520; 820; 920; 1120; 1220) configured to cover at least a portion of a wound;
3 b) a vacuum source (234; 434; 534; 634, 634´; 934, 1134, 1234) in fluid communication with the housing;
4 c) a liquid collector (940; 1242) positioned inside of the housing and in operable communication with the wound,
4.1 wherein said liquid collector is configured to retain wound exudate while simulataneously communicating negative pressure generated by the vacuum source to the wound,
4.2 wherein the liquid collector comprises a porous material defining a plurality of passages to allow fluid communication between the vacuum source and the wound through the liquid collector,
5 d) a liquid retention chamber (40; 140; 240; 440; 540; 640, 640´; 840; 1140; 1240) in which the liquid collector is positioned,
6 e) a liquid barrier (36; 136; 236; 436; 536; 636, 636´; 936; 1136) positioned between the liquid collector and the vacuum source,
6.1 wherein the liquid barrier allows a gas flow between the vacuum source and the liquid-retention chamber,
characterized in that
6.2 the liquid barrier is positioned inside the housing and prevents liquid from leaving the liquid-retention chamber.
In der deutschen Übersetzung:
1 Wundtherapieeinrichtung, umfassend:
2 a) ein Gehäuse (20; 120; 220; 420; 520; 820; 920; 1120; 1220), das so konfiguriert ist, dass es mindestens einen Teil einer Wunde abdeckt;
3 b) eine Vakuumquelle (234; 434; 534; 634, 634´; 934, 1134, 1234) in Fluidkommunikation mit dem Gehäuse;
4 c) einen Flüssigkeitsaufnehmer (940; 1242), der innerhalb des Gehäuses angeordnet ist und in wirksamer Kommunikation mit der Wunde steht,
4.1 wobei der Flüssigkeitsaufnehmer dazu konfiguriert ist, Wundexsudat zurückzuhalten, während er gleichzeitig einen von der Vakuumquelle erzeugten Unterdruck an die Wunde weiterleitet,
4.2 wobei der Flüssigkeitsaufnehmer ein poröses Material umfasst, das eine Vielzahl von Durchgängen definiert, um zwischen der Vakuumquelle und der Wunde durch den Flüssigkeitsaufnehmer hindurch eine Fluidkommunikation zu ermöglichen,
5 d) eine Flüssigkeitshaltekammer (40; 140; 240; 440; 540; 640, 640´; 840; 1140; 1240), in der der Flüssigkeitsaufnehmer angeordnet ist,
6 e) eine Flüssigkeitsbarriere (36; 136; 236; 436; 536; 636, 636´; 936; 1136, der zwischen dem Flüssigkeitsaufnehmer und der Vakuumquelle angeordnet ist,
6.1 wobei die Flüssigkeitsbarriere einen Gasfluss zwischen der Vakuumquelle und der Flüssigkeitshaltekammer erlaubt,
dadurch gekennzeichnet, dass
6.2 die Flüssigkeitsbarriere innerhalb des Gehäuses angeordnet ist und verhindert, dass Flüssigkeit die Flüssigkeitshaltekammer verlässt.
Die folgenden angegriffenen Ansprüche 2 bis 27 in sind jeweils unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.
3.2 Die jeweiligen Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1 bis 7 weisen in der von der Beklagten beantragten Reihenfolge folgende nach Merkmalen gegliederte Änderungen auf:
Hilfsantrag 1
In Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 wurde die Position und der Anschluss der Vakuumquelle durch die Merkmale 3.1. und 3.2 konkretisiert. Zusätzlich wurde das Merkmal 4.3 eingefügt:
3‘ b) a vacuum source (34; 234; 434; 534; 634, 634´; 934, 1134, 1234) in fluid communication with the housing;
3.1 wherein the vacuum source is external to the housing
3.2 and connected to the housing by a vacuum connection (30);
4.3 and wherein the liquid collector comprises superabsorbent polymers.
Hilfsantrag 2
In Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 wurde gegenüber Hilfsantrag 1 eine Vakuumkammer (vaccum chamber) gemäß den Merkmalen 7, 7.1, 7.2 und 7.3 eingefügt:
7 and the wound therapy device further comprises a vacuum chamber (24, 124, 1224) in fluid communication with the vacuum source,
7.1 wherein the vacuum chamber is an empty space formed within the housing or is filled with a porous material that allows communication of the vacuum,
7.2 wherein the vacuum chamber enhances the distribution or transfer of vacuum pressure to the liquid collector
7.3 and is in communication with the liquid retention chamber via the liquid barrier.
Hilfsantrag 3
In Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 wurde gegenüber Hilfsantrag 1 die Flüssigkeitsbarriere mit dem zusätzlichen Merkmal 6.3 konkretisiert sowie eine Feuchtigkeitsverteilungsschicht (Merkmale 8, 8.1, 8.2) und eine Wundschnittstelle (Merkmale 9, 9.1 und 9.2) eingefügt:
6.3 the liquid barrier is hydrophobic,
8 a moisture disperser layer (1280) in communication with the liquid collector,
8.1 wherein the moisture disperser layer is configured to facilitate even absorption of wound fluids by the liquid collector
8.2 and wherein the moisture disperser is arranged between the liquid collector and the wound,
9 and a wound interface (41, 241; 541; 1241) in communication with the liquid collector,
9.1 wherein the wound interface is configured to transfer wounds fluid from a wound bed to the liquid-retention chamber.
9.2 wherein the wound interface and the liquid collector are separate lavers of an integral body
Hilfsantrag 4
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 schränkt gegenüber Hilfsantrag 3 die Wundoberfläche ein und fügt Merkmal 9.3 hinzu:
9‘ a porous wound interface (41, 241; 541; 1241) in communication with the liquid collector,
9.3 wherein the wound therapy device comprises a surface in contact with the wound having at least one pore larger than about 100 microns in diameter.
Hilfsantrag 5
In Anspruch 1 nach Hilfsantrag 5 wurde gegenüber Hilfsantrag 1 eine Vakuumverteilungsschicht (Merkmale 11, 11.1, 11.2) und eine Wundschnittstelle ähnlich Hilfsantrag 3 eingefügt:
11 a vacuum disperser layer (1282) in communication with the liquid collector,
11.1 wherein the vacuum disperser laver is configured to facilitate even distribution of vacuum within the liquid collector.
11.2 and wherein the vacuum disperser laver is arranged between the liquid collector and the liquid barrier, and
9 and a wound interface (41, 241; 541; 1241) in communication with the liquid collector,
9.2 wherein the wound interface and the liquid collector are separate lavers of an integral body
Hilfsantrag 6
In Anspruch 1 nach Hilfsantrag 6 wurden gegenüber Hilfsantrag 1 analog zu Hilfsantrag 5 die Merkmale bezüglich der Vakuumverteilungsschicht (Merkmale 11, 11.1, 11.2) sowie die Feuchtigkeitsverteilungsschicht ähnlich Hilfsantrag 3 eingefügt:
11 a vacuum disperser layer (1282) in communication with the liquid collector,
11.1 wherein the vacuum disperser layer is configured to facilitate even distribution of vacuum within the liquid collector.
11.2 and wherein the vacuum disperser layer is arranged between the liquid collector and the liquid barrier, and
8 a moisture disperser layer (1280) in communication with the liquid collector,
8.2 and wherein the moisture disperser is arranged between the liquid collector and the wound,
Hilfsantrag 7
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 7 enthält gegenüber Hilfsantrag 6 zusätzlich die Merkmale 9 und 9.2 aus Hilfsantrag 5:
9 and a wound interface (41, 241; 541; 1241) in communication with the liquid collector,
9.2 wherein the wound interface and the liquid collector are separate layers of an integral body.
4. Zur objektiven Problemlösung für eine derartige Unterdruckbehandlung ist als Fachmann ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Medizintechnik berufen, der mit der Entwicklung von Unterdruck-Vorrichtungen zur Behandlung von Wunden vertraut ist und der für die medizinischen Aspekte der Wundheilung einen entsprechenden kundigen Mediziner zu Rate zieht (u. a BPatG Urteile vom 03.07.12 und 28.12.15 – 4 Ni 15/10 – Unterdruckwundverband I und II; BGH Urteil vom 17.02.2015 – X ZR 161/12 – Wundbehandlungsvorrichtung).
II.
1. Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, dass die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 6. Februar 2017 (vgl. Bl. 421 ff. d. A.) eingereichten Hilfsanträge 1 bis 7 als verspätet gemäß § 83 Abs. 4 PatG zurückzuweisen seien, ist dem nicht zu folgen.
Die durch das 2009 in Kraft getretene Patentrechtsmodernisierungsgesetz (PatRModG) erfolgte Neufassung des § 83 PatG und die damit in das Nichtigkeitsverfahren eingeführten Präklusionsregeln sehen grundsätzlich die Möglichkeit vor, verspätetes Vorbringen zurückzuweisen. Voraussetzung hierfür ist nach § 83 Abs. 4 PatG, dass das Vorbringen unter Versäumung der nach § 83 Abs. 2 PatG gesetzten Frist erfolgt, die betroffene Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt und die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des Termins zur mündlichen Verhandlung erfordert hätte. Insbesondere ist hierfür stets erforderlich, dass der neue Vortrag tatsächliche oder rechtliche Fragen aufkommen lässt, die in der mündlichen Verhandlung nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu klären sind (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts, BlPMZ 2009, 307, 315). Kann das an sich verspätete Vorbringen dagegen noch ohne weiteres in die mündliche Verhandlung einbezogen werden, ohne dass es zu einer Verfahrensverzögerung kommt, liegen die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach § 83 Abs. 4 PatG nicht vor (vgl. BPatG Urt. vom 10. März 2016 – 4 Ni 12/13 (EP) –, Rn. 147, juris)
Obwohl kein Grund für die Einreichung der geänderten Hilfsanträge vorgebracht wurde und auch die Offenbarung der in den Ansprüchen geänderten Merkmale nicht im Einzelnen belegt ist, konnten die neuen Hilfsanträge 1 bis 7 ohne weiteres in die mündliche Verhandlung miteinbezogen werden; eine Vertagung des bereits anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung war damit nicht erforderlich. Die Klägerin hatte nach Zustellung der mit Schriftsatz vom 6. Februar 2017 eingereichten Hilfsanträge am 10. Februar 2017 nahezu einen Monat Zeit, um zu den hilfsweise verteidigten Fassungen des Streitpatents Stellung zu nehmen. Hinzu kommt, dass die Gegenstände der Hilfsanträge 1 bis 7 – neben der Aufnahme von Merkmalen aus den erteilten Unteransprüchen – im Wesentlichen mit den Merkmalen der Hilfsanträge I bis XIII übereinstimmen, die mit Schriftsatz vom 21. September 2016 fristgerecht eingereicht wurden und zu denen die Klägerin ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hatte; diese Gelegenheit hat sie auch mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2016 wahrgenommen. Zu den Übereinstimmungen der Hilfsanträge im Einzelnen: Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 entspricht im Wesentlichen dem Anspruch 1 des Hilfsantrags IV; Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 basiert auf dem vorherigen Hilfsantrag IV (jetzt Hilfsantrag 1), enthält zusätzlich Merkmale zur Vakuumkammer („vacuum chamber“), die in Hilfsantrag XIII beansprucht wurde, zudem gründet er sich auf Hilfsantrag III in der Fassung vom 31. Juli 2015; Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 basiert auf dem vorherigen Hilfsantrag VI, enthält präzisiert die Feuchtigkeitsverteilungsschicht („moisture disperser layer“) wie in Anspruch 1 des Hilfsantrags IX sowie im erteilten abhängigen Anspruch 17 bereits beansprucht; Hilfsantrag 5 enthält wie Anspruch 1 des Hilfsantrags VII eine Vakuumverteilungsschicht („vacuum disperser layer“) und die Merkmale zur Wundschnittstelle („wound interface“), die auch im erteilten Anspruch 22 enthalten war. Die in Hilfsantrag 6 beanspruchte Kombination von Feuchtigkeitsverteilungsschicht („moisture disperser layer“) gemäß Hilfsantrag 3 und Vakuumverteilungsschicht („vacuum disperser layer“) gemäß Hilfsantrag 5 wurde bereits in Hilfsantrag IX beansprucht. In Hilfsantrag 7 wird zu den Merkmalen aus Hilfsantrag 6 zusätzlich das „wound interface“ angefügt, das im erteilten abhängigen Anspruch 22 bereits enthalten war. Lediglich Hilfsantrag 4 war in den bisherigen Hilfsanträgen I bis XIII nicht enthalten. Bezüglich dieses Hilfsantrags erscheint indes ein Zeitraum von nahezu vier Wochen zur Stellungnahme als ausreichend.
2. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 7. März 2017 erklärt hat, die abhängigen Ansprüche gemäß Hilfsantrag 7 isoliert zu verteidigen, ist dieses Begehren gemäß § 84 Abs. 4 PatG als verspätet zurückzuweisen. Bei der selbständigen Verteidigung des Gegenstands der Unteransprüche gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 7 handelt es sich um ein neues Verteidigungsmittel. Die Verteidigung des Streitpatents nur mit einem geltenden Unteranspruch unter Wegfall eines diesem übergeordneten Anspruchs stellt eine Verteidigung des Patents in einer geänderten Fassung dar. Hat der Beklagte zuvor nicht jedenfalls hilfsweise geltend gemacht, dass die im Unteranspruch hinzutretenden Merkmale von Bedeutung für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit hinsichtlich der technischen Lehre dieses Unteranspruchs seien (d. h. der Gegenstand des Unteranspruchs mit der üblichen, etwas verkürzenden Formulierung „eigenständigen erfinderischen Gehalt“ aufweise), handelt es sich bei der selbständigen Verteidigung des Gegenstands des Unteranspruchs um ein neues Verteidigungsmittel (vgl. BGH Urt. v. 23.08.2016 – X ZR 81/14 Rn. 25 – Photokatalytische Titandioxidschicht; BGH Urt. v. 16.12.2015 – X ZR 111/13, GRUR 2016, 365 – Telekommunikationsverbindung). Dies trifft nicht nur auf den vom BGH entschiedenen Fall der Verteidigung des Patentgegenstands mit einem geltenden Unteranspruch zu, sondern muss gleichfalls gelten, wenn mehrere Unteransprüche unter Wegfall des übergeordneten Anspruchs verteidigt werden. Der Senat hatte im qualifizierten Hinweis vom 16. Juni 2016 festgestellt, dass die Beklagte bezüglich der Unteransprüche keine erfinderischen Besonderheiten geltend macht und diese für den Senat auch nicht erkennbar sind. Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 6. Februar 2017 eingereichten Hilfsanträge – und damit auch Hilfsantrag 7 – enthalten keine gegenüber der erteilten Fassung bzw. gegenüber den Hilfsanträgen vom 31. Mai 2016, die dem qualifizierten Hinweis vom 16. Juni 2016 zugrunde lagen, geänderten Unteransprüche. Insoweit hätte die Beklagte nach dem qualifizierten Hinweis zu erkennen geben müssen, dass sie die Unteransprüche isoliert verteidigen will, wozu sie auch konkret hätte darlegen müssen, aus welchen Gesichtspunkten sich die Patentfähigkeit einer der Gegenstände der Unteransprüche – bei Wegfall des übergeordneten Patentanspruchs 1 in den verschiedenen verteidigten Fassungen – ihrer Ansicht nach ableitet. Dies hat die Beklagte jedoch versäumt und ihr mangelndes Vorbringen auch nicht genügend entschuldigt.
III.
Aufgrund der nach Art. 69 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen Auslegung des Inhalts der Patentansprüche und der am technischen Sinn- und Gesamtzusammenhang der Patentschrift orientierenden Betrachtung durch den angesprochenen Fachmann legt der Senat der Lehre nach Anspruch 1 und der Bedeutung der einzelnen Merkmale folgendes Verständnis bei unbefangener Betrachtung durch den angesprochenen Fachmann (BGH GRUR 2008, 878 – Momentanpol II) zu Grunde:
1. Eine Wundtherapieeinrichtung nach Anspruch 1 umfasst ein Gehäuse, das mindestens einen Teil einer Wunde abdeckt [Merkmal 2], sowie eine Vakuumquelle in Fluidkommunikation mit dem Gehäuse [Merkmal 3], die den für die Drainage nötigen Unterdruck erzeugt. Von dem Begriff „housing“ (Gehäuse) sind nicht nur ein starres Gehäuse, sondern auch flexible Hüllen umfasst (siehe Anspruch 12: „12. The wound therapy device of Claim 1, wherein the housing comprises one of the group consisting of polystyrene, polyester, polyether, polyethylene, silicone, neoprene, and combinations thereof.“)
Das Gehäuse und die Vakuumquelle sind als unterschiedliche Komponenten der Wundtherapieeinrichtung anzusehen; es wird in Anspruch 1 keine Aussage darüber getroffen, ob sich die Vakuumquelle innerhalb oder außerhalb des Gehäuses befindet.
Nach den Hilfsanträgen 1 bis 7 befindet sich die Vakuumquelle außerhalb des Gehäuses und ist mit diesem über eine Vakuumleitung verbunden [Merkmale 3.1 und 3.2]. Somit fallen die Ausführungsformen nach den Figuren 6, 7, 9a und 9b, bei denen sich die Vakuumquelle innerhalb des Gehäuses befindet, nicht mehr unter den Wortlaut der Ansprüche nach den Hilfsanträgen 1 bis 7.
2. Innerhalb des Gehäuses befindet sich ein Flüssigkeitsaufnehmer, der in wirksamer Kommunikation mit der Wunde steht [Merkmal 4]. Dabei ist der Raum (22) innerhalb des Gehäuses (20), in dem sich auch der Flüssigkeitsaufnehmer befindet, als Flüssigkeitshaltekammer [Merkmal 5] definiert (vgl. NK1 Fig. 2, Abs. [0030]: „In one embodiment, the internal space 22 may contain a vacuum chamber 24 and a liquid-retention chamber 40 separated by a liquid barrier 36.“). Durch den Begriff „Flüssigkeitshaltekammer“ (liquid retention chamber) wird nicht definiert, dass diese Kammer zum Rückhalten der Flüssigkeit dient, diese Funktionalität wird erst durch die Flüssigkeitsbarriere (Merkmalsgruppe 6) erfüllt.
Nach Merkmal 4.1 kann der Flüssigkeitsaufnehmer Wundexsudat zurückhalten und gleichzeitig einen von der Vakuumquelle erzeugten Unterdruck an die Wunde weiterleiten. Um zwischen der Vakuumquelle und der Wunde durch den Flüssigkeitsaufnehmer hindurch eine Fluidkommunikation zu ermöglichen, besitzt der Flüssigkeitsaufnehmer ein poröses Material mit einer Vielzahl von Durchgängen [Merkmal 4.2].
In Patentanspruch 1 nach der Fassung von Hilfsantrag 1 wird der Flüssigkeitsaufnehmer als superabsorbierendes Polymer präzisiert. Solche Superabsorber (SAP) sind in der Lage, sehr große Flüssigkeitsmengen aufzunehmen.
3. Mit der Merkmalsgruppe 6 ist weiter eine Flüssigkeitsbarriere definiert, die zwischen dem Flüssigkeitsaufnehmer und der Vakuumquelle angeordnet ist [Merkmal 6]. Diese Flüssigkeitsbarriere, die einen Gasfluss zwischen der Vakuumquelle und der Flüssigkeitshaltekammer erlaubt [Merkmal 6.1], ist innerhalb des Gehäuses angeordnet und verhindert dadurch, dass Flüssigkeit die Flüssigkeitshaltekammer verlässt [Merkmal 6.2].
Die Funktion der Flüssigkeitsbarriere ist somit, einen Flüssigkeitsdurchtritt durch die Barriere zu verhindern (“to prevent travel of liquid”, “liquid-impermeable", “to preclude moisture travel”). Dies wird der Fachmann dahingehend deuten, dass unter normalen Einsatzbedingungen, d. h. bei dem verwendeten Unterdruck, keine Flüssigkeit durch die Barriere treten darf, damit die Vakuumpumpe geschützt ist (vgl. NK1 Abs. [0052: “...the liquid barrier 36 which keeps moisture out of the vacuum source regardless of device orientation.”). Andererseits soll die Barriere für Gase durchlässig sein.
Für welche Gase bzw. Flüssigkeiten dies gelten und wie die Flüssigkeitsbarriere beschaffen sein soll, um Flüssigkeit abzuhalten und gleichzeitig Gase durchzulassen, wird in Anspruch 1 nach Hauptantrag nicht spezifiziert.
Nach den Hilfsanträgen 3 und 4 ist die Flüssigkeitsbarriere als hydrophob definiert.
4. In der Fassung nach Hilfsantrag 2 wurde zusätzlich eine Vakuumkammer (vacuum chamber) eingeführt. Diese Vakuumkammer ist ein Raum im Gehäuse, der mit der Vakuumquelle in Fluidverbindung steht und der mit der Flüssigkeitshaltekammer nur über die Flüssigkeitsbarriere in Verbindung steht (vgl. NK1 Abs. [0030]: „In one embodiment, the internal space 22 may contain a vacuum chamber 24 and a liquid-retention chamber 40 separated by a liquid barrier 36.“, Merkmal 7: „and in that the wound therapy device further comprises a vacuum chamber (24; 124; 224: 424: 524; 624; 924; 1224) in fluid communication with the vacuum source, wherein the vacuum chamber is an empty space formed within the housing and is in communication with the liquid-retention chamber (40) only via the liquid barrier (36).“). Die Vakuumkammer kann ein leerer Raum oder ein mit porösem Material gefüllter Raum sein [Merkmal 7.1].
Aufgrund des Merkmals 7 ist damit zumindest erforderlich, dass die Flüssigkeitsbarriere nicht direkt an der Gehäusewandung anliegt, die mit der Vakuumquelle in Verbindung steht.
Eine Vakuumkammer (24) gemäß der Merkmalsgruppe 7 ist beispielsweise in Fig. 2 des Streitpatents gezeigt:
Weitere strukturelle Merkmale werden durch die Merkmalsgruppe nicht vorgegeben, insbesondere auch keine Formstabilität der Vakuumkammer bei Anlegen des Unterdrucks. Auch in der Vorrichtung nach Fig. 2 des Streitpatents ist aufgrund der Flüssigkeitsbarriere (36) als Membran davon auszugehen, dass sich im Vakuumbetrieb das Volumen der Vakuumkammer verringert.
5. Nach den Hilfsanträgen 3, 4, 6 und 7 enthält die Wundtherapieeinrichtung weiter eine Feuchtigkeitsverteilungseinrichtung (1280) in Kommunikation mit dem Flüssigkeitsaufnehmer [Merkmal 8]. Das Merkmal 8.1. beinhaltet die Funktionalität der gleichmäßigen Verteilung der Wundflüssigkeit auf den Flüssigkeitsaufnehmer. Dabei ist die Feuchtigkeitsverteilungseinrichtung zwischen dem Flüssigkeitsaufnehmer und der Wunde angeordnet [Merkmal 8.2].
Weiter ist auch eine Wundschnittstelle (41; 241; 541; 1241) in Kommunikation mit dem Flüssigkeitsaufnehmer beansprucht [Merkmal 9], um die Wundflüssigkeit vom Wundbett zur Flüssigkeitshaltekammer zu transportieren [Merkmal 9.1].
Die Wundschnittstelle und der Flüssigkeitsaufnehmer sind dabei als unterschiedliche Schichten/Teile des Schichtkörpers definiert [Merkmal 9.2]. Dabei wird in Hilfsantrag 4 die Wundschnittstelle als poröse Wundschnittstelle präzisiert, mit einer mit der Wunde in Kontakt stehenden Oberfläche mit zumindest einer Pore, die größer ist als 100 µm [Merkmal 9.3].
6. Ab Hilfsantrag 5 ist weiter eine Vakuumverteilungsschicht (1282) in Kommunikation mit dem Flüssigkeitsaufnehmer vorgesehen, die die gleichmäßige Unterdruckverteilung erleichtert, wobei die Vakuumverteilungsschicht (1282) zwischen Flüssigkeitsaufnehmer und Flüssigkeitsbarriere eingefügt ist [Merkmalsgruppe 11].
IV.
Der Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 7 erweist sich als nicht patentfähig, da die beanspruchte Lehre nach Hauptantrag nicht neu ist (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a, Art. 52, 54 EPÜ) und die jeweiligen Gegenstände nach Anspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge 1 bis 7 für den angesprochenen Fachmann im Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents durch den Stand der Technik nahegelegt waren (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ, Art. 56 EPÜ); der auf fehlende Patentfähigkeit gerichtete Nichtigkeitsangriff erweist sich daher als begründet.
1. Patentfähigkeit von Patentanspruch 1 nach Hauptantrag
Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist nicht neu gegenüber der NK9 (WO 2005/123170 A1).
In der NK9 ist eine Wundtherapieeinrichtung zur Unterdruckbehandlung dargestellt (vgl. NK9 S. 2 Z. 5: „The present invention provides a wound dressing for vacuum therapy...“) [= Merkmal 1].
Dabei wird eine Abdeckung über der Wunde platziert, um einen reduzierten Druck über der Wunde aufrechtzuerhalten. Der Wundverband enthält eine Schichtstruktur („screen structure“) zwischen der Abdeckung und der Wunde, die dazu ausgelegt ist, unerwünschte Komponenten aus der Wundumgebung zu entfernen oder zu inaktivieren und/oder in der Wundumgebung vorhandene Komponenten zu konzentrieren (vgl. NK9 S. 2 Z. 5-10). Hierzu werden von der Schichtstruktur („screen structure“) Materialien entfernt oder inaktiviert, die
schädlich für die Wundheilung sind, und/oder Materialien zurückbehalten oder konzentriert, die bei der Förderung der Wundheilung vorteilhaft sind (vgl. NK9 S. 3 Z. 9-11: „The wound dressing of the present invention makes use of a screen structure that is adapted to remove or inactivate materials deleterious to wound healing and/or retain or concentrate materials that are beneficial in promoting wound healing.“). Somit erhält der Fachmann nicht nur die – von der Beklagten als Kernpunkt herausgestellte – Anwendung der Schichtstruktur zu der Reinigung und Konzentration der schädlichen Substanzen, sondern ebenfalls den Hinweis, durch die Schichtstruktur Materialien zurückzuhalten.
Im Ausführungsbeispiel nach Fig. 3 wird die aus mehreren Schichten bestehende Wundauflage (layer 14, 15, 16) durch die Deckelschicht (cover sheet 11) abgedeckt (vgl. NK9 Fig. 3, S. 19. Z. 28-31: „Referring to Figure 3, the overall structure of the wound dressing 10 according to this embodiment is similar to that of Figure 1, including a cover sheet 11, a vacuum tube 13 and an adhesive layer 12. However, the screen structure in Figure 3 is a laminate made up of three layers 14, 15, 16.“). An diese Deckelschicht ist über die Verbindungsleitung (vacuum tube 13) die Vakuumquelle angeschlossen (vgl. NK9 Fig. 3) [= Merkmal 3]. Die Deckelschicht stellt ein Gehäuse (housing) nach dem Merkmal 2 dar.
Die Schichten (14, 15, 16) der Wundauflage dienen aufgrund der verwendeten Materialen (beispielsweise poröse Struktur (sponge) bei Schicht 14 und wasserabsorbierende Schicht 16) als Flüssigkeitsaufnehmer, um Wundexsudat zurückzuhalten, während gleichzeitig ein von der Vakuumquelle erzeugter Unterdruck an die Wunde weitergeleitet wird (vgl. NK9 S. 19 Z. 31-S. 20 Z. 3: „Layer 14 is a freeze-dried collagen/ORC sponge as described in relation to Figure 1. Layer 15 is a silver-impregnated charcoal cloth of the kind described for example in US-A-4529623. The activated charcoal is effective to remove bacterial toxins from the wound fluid. Furthermore, the silver impregnated onto the charcoal has bactericidal effect, and the activated charcoal has a primary odour-absorbency function. Layer 16 is a water-absorbent layer.“) [= Merkmale 4 bis 4.2]. Die dazwischen liegende Schicht aus silber-imprägniertem Aktivkohlegewebe filtert und entfernt toxische Substanzen aus dem Wundfluid und besitzt gleichzeitig eine bakterizide und geruchsabsorbierende Wirkung (vgl. NK9 S. 19 Z. 32-S. 20 Z. 2).
Aus dem Umstand, dass die Schicht (cover sheet 11) als Gehäuse nach Merkmal 2 dient, folgt definitionsgemäß, dass der Raum, in dem die Schichten (14, 15, 16) (= Flüssigkeitsaufnehmer) angeordnet sind, als Flüssigkeitshaltekammer nach Merkmal 5 anzusehen ist.
Die Schicht 16 im Ausführungsbeispiel nach Fig. 3 ist eine wasserabsorbierende Schicht, die beispielsweise aus einem nicht-gewobenen faserigen Netz aus hydrophilen Fasern oder superabsorbierenden, gelbildenden Polyacrylfasern besteht (vgl. NK9 S. 20 Z. 3-4: „Layer 16 is a water-absorbent layer. Suitably it is a non-woven fibrous web of hydrophilic textile fibers, e.g. viscose fibers, and superabsorbent polyacrylate gel-forming fibers.“). Dabei kann geeigneter Weise zwischen den Schichten (15) und (16) eine Membran vorhanden sein, die den Durchtritt von Wasser erlaubt, jedoch die Weiterleitung von Wachstumsfaktoren verhindert, um diese in der Wundflüssigkeit an der Wunde anzureichern (vgl. NK9 S. 20 Z. 5-8: „Suitably, there is a size exclusion membrane (not shown) separating layers 15 and 16 and having a molecular weight cut-off such that it allows water to pass through into layer 16, but does not allow the passage of growth factors, whereby the growth factors are concentrated in the wound fluid in contact with the wound.“). Hierzu wird beispielsweise im Gutachten NB3 gezeigt, dass eine derartige Membran im Versuchsaufbau nach der NB3 zumindest die Wassermenge an der Schicht (16) verringert (vgl. NB3 Abs. 21: „1 note that the water permeation when using the snakeskin membrane was lower than in my previous declaration, 7.12 g / min versus 16.4 g/min for a 60/40 ratio of viscose/SAP. Because the snakeskin membrane is a size-exclusion membrane, the membrane necessarily slows down liquid passage by forcing the liquid to pass through smaller pores. This slowing down of liquid passage thereby reduces the amount of liquid that passes through the web during the 60 second experiment.“).
Weiter ist in der NK9 gelehrt, dass bei Verwendung eines gelbildenden Polymers verhindert werden soll, dass Wundflüssigkeit in die Vakuumleitung (13) oder Vakuumpumpe gelangen kann (vgl. NK9 S. 9 Z. 9-11: „The use of the gel-forming polymer retains the wound fluid within dressing, so that no collection chamber is needed in the vacuum line, and fewer components are needed for the device. The vacuum tubing and pump remain uncontaminated by wound fluid.“). In diesem Fall erfüllt die Schicht (16), gegebenenfalls zusammen mit der Membran, die die Flüssigkeitsdurchlässigkeit verringert, die Funktion einer Flüssigkeitsbarriere, die verhindert, dass Flüssigkeit die Flüssigkeitshaltekammer verlässt [= Merkmale 6 bis 6.2]. Dieser Auslegung steht auch nicht entgegen, dass die Schicht (16) hierzu Wasser aufnimmt und unter bestimmten Umständen (z. B. bei Sättigung, Erreichen der maximalen Aufnahmekapazität) Flüssigkeit die Flüssigkeitshaltekammer verlassen kann. Zumindest im bestimmungsgemäßen Einsatz, in dem keine Flüssigkeit in die Vakuumleitung gelangt, dient die Schicht als Flüssigkeitsbarriere.
Auch der Verweis in der NK9, dass jedes flüssigkeitsdurchlässige Pad für die Wundauflage verwendet werden kann (vgl. NK9 S. 20 Z. 33-S. 21 Z. 2.: “However, any kind of liquid-permeable pad, for example, any of the screen assemblies shown in the embodiments of Figures 1 to 5 would be suitable”), steht dieser Auslegung nicht entgegen. Hiermit wird nicht ausgesagt, dass im Sonderfall der Verwendung eines gelbildenden Polymers dieses ebenfalls wasserdurchlässig ist.
Aus den von der Beklagten vorgelegten Sachverständigengutachten NB1 und NB3, die belegen sollen, dass bei Verwendung von Standard-Stoffen die Schicht (16) – auch zusammen mit der Membran – nicht als Flüssigkeitsbarriere funktioniert, ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Sie sind jedenfalls nicht geeignet, diese dem Fachmann zur Hand gegebene technische Lehre aus der NK9 zu widerlegen.
Auch wenn die im Gutachten verwendeten Materialien diese Eigenschaft nicht zeigen bzw. die Schicht (16) in der NK9 nicht explizit „flüssigkeitsundurchlässig“ („impermeable) genannt ist, so erhält der Fachmann aus der NK9 die genannte technische Lehre und wird solche Materialien suchen und verwenden, die die gewünschte Eigenschaft einer Flüssigkeitsbarriere erfüllen. Wie ausgeführt erhält der Fachmann die technische Anweisung, mit der Schicht (16) zu verhindern, dass Wundflüssigkeit in die Vakuumleitung (13) oder Vakuumpumpe gelangen kann (vgl. NK9 S. 9 Z. 9-11: „The use of the gel-forming polymer retains the wound fluid within dressing, so that no collection chamber is needed in the vacuum line, and fewer components are needed for the device. The vacuum tubing and pump remain uncontaminated by wound fluid.“).
Im Ergebnis erweist sich die NK9 daher als neuheitsschädlich.
2. Patentfähigkeit des jeweiligen Patentanspruchs 1 nach den Hilfsanträgen 1 bis 7
2.1 Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1
In Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 wurde das Merkmal 3 dahingehend präzisiert, dass sich die Vakuumquelle außerhalb des Gehäuses befindet [Merkmal 3.1] und mit diesem über eine Vakuumverbindung verbunden ist [Merkmal 3.2]. Zusätzlich wurde das Merkmal 4.3 eingefügt, wonach der Flüssigkeitsaufnehmer ein superabsorbierendes Polymer enthält [Merkmal 4.3].
Die Merkmale 3, 3.1 und 3.2 können keine erfinderische Tätigkeit begründen. So besitzt auch die Vorrichtung nach der NK9 eine Vakuumquelle außerhalb des Gehäuses (11), wobei die Vakuumquelle über eine Vakuumleitung (vaccum tube 13) mit dem Gehäuse verbunden ist (vgl. NK9 Fig. 3) [= Merkmale 3‘, 3.1 und 3.2].
Weiter lehrt die NK9, ein superabsorbierendes Polymer in der aus mehreren Schichten bestehenden Wundauflage zu verwenden. So wird für die gelbildende Schicht (16) vorgeschlagen, ein superabsorbierendes Polymer zu verwenden (vgl. NK9 S. 20 Z. 3-4: „Layer 16 is a water-absorbent layer. Suitably it is a non-woven fibrous web of hydrophilic textile fibers, e.g. viscose fibers, and superabsorbent polyacrylate gel-forming fibers.“).
Diese Verwendung eines superabsorbierenden Polymers für die Schicht (16) wird den Fachmann jedoch nicht abhalten, ein [evtl. anderes] superabsorbierendes Polymer für die Schicht (14) zu verwenden, mit der die Wundflüssigkeit aufgesaugt werden soll. Hierfür wird nach der NK9 ein Schwamm (freeze-dried collagen/ORC spone) verwendet (vgl. NK9 S. 19 Z. 31-32: „… of three layers 14, 15, 16. Layer 14 is a freeze-dried collagen/ORC sponge as described in relation to Figure 1. Layer 15 is a silver-impregnated charcoal cloth of the kind described“). Will der Fachmann diese Saugwirkung verstärken, so bietet es sich schon aufgrund des Hinweises zur Schicht (16) für ihn unmittelbar an, hierfür ebenfalls eine Schicht aus einem Superabsorber zu verwenden, die definitionsgemäß in der Lage ist, ein Vielfaches ihres Eigengewichts an Wasser aufzunehmen. Solche Flüssigkeitsaufnehmer aus einem superabsorbierenden Polymer sind dem Fachmann bei Unterdruck-Wundauflagen geläufig (vgl. NK10 Abs. [0034]: „Der Absorptionskörper 2 besteht aus einer Lage 22 eines vliesartigen, textilen Materials, das Cellulosefasern umfasst und mit Superabsorberteilchen (Super-Absorbing-Polymers, SAP), im vorliegenden Fall mit Natriumacrylat-Acrylsäure-Polymerisat durchsetzt ist.“).
Damit ist der Fachmann beim Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 angelangt, ohne erfinderisch tätig zu werden.
2.2. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2
In Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 wurden gegenüber Hilfsantrag 1 die Merkmale 7, 7.1, 7.2 und 7.3 eingefügt, wonach weiter eine Vakuumkammer in Kommunikation mit der Vakuumquelle vorhanden ist [Merkmal 7], die entweder ein leerer Raum im Gehäuse oder mit porösem Material gefüllt ist [Merkmal 7.1] und die Verteilung oder die Übertragung des Unterdrucks verbessert [Merkmal 7.2] und mit der Flüssigkeitshaltekammer über die Flüssigkeitsbarriere in Verbindung ist [Merkmal 7.3].
Der in der Figur 3 der NK9 gezeigte schmale Raum zwischen der Schicht (16) und der Abdeckschicht 11 kann bereits als Vakuum-Raum gemäß der Merkmalsgruppe 7 angesehen werden. Dieser Raum zwischen dem Gehäuse (11) und der Flüssigkeitsbarriere (Schicht 16) [= Merkmale 7 und 7.1] entsteht – wie aus der Fig. 3 ersichtlich – aufgrund der unterschiedlichen Form des Gehäuses (11) und der Schichtstruktur (14, 15, 16). Dieser Raum bleibt auch entgegen der Auffassung der Beklagten bei Anlegen eines Unterdrucks bestehen, da das Gehäuse (11) aus einem thermogeformten Thermoplast besteht (vgl. NK9 S. 18
Z. 22-23: „Referring to Figure 1, the wound dressing according to the first embodiment comprises a cover sheet 1 formed of substantially impermeable, thermoformed thermoplastic.“) und daher formstabil ist. Dieser Raum erfüllt damit zwangsläufig – analog zum Streitpatent, das ebenfalls keine weiteren formstabilen Strukturen vorsieht (vgl. Streitpatent NK01 Fig. 2) – die Verteilung oder die Übertragung des Unterdrucks [= Merkmal 7.2]. Dabei ist die Vakuumkammer mit der Flüssigkeitshaltekammer über die Flüssigkeitsbarriere in Verbindung, da sie sich wie in Fig. 2 nach dem Streitpatent zwischen der Flüssigkeitsbarriere (16) und dem Gehäuse (11) befindet [= Merkmal 7.3].
Im Übrigen erhält der Fachmann aus dem Ausführungsbeispiel nach Fig. 2 der NK9 die Anregung, den Unterdruck über die Oberfläche der Schichtstruktur gleichmäßig zu verteilen. Hierfür wird in Fig. 2 eine weitere Schicht (outlet manifold 7) zum Verteilen des Ansaugens von der Vakuumleitung (6) über die obere Oberfläche der Schichtstruktur verwendet (vgl. NK9 S. 19 Z. 19-21: „However, the embodiment of Figure 2 further includes an air outlet manifold 7 for distributing the suction from the vacuum line 6 across the upper surface of the screen structure.“). Beispielhaft kann diese Schicht einen spiralförmig gewickelten, perforierten Kanal oder irgendeine andere geeignete Verteilerstruktur aufweisen. Sollte der Fachmann hier nicht bereits eine poröse Struktur mitlesen, so ergibt sie sich jedenfalls aufgrund seines Fachwissens.
Erkennt der Fachmann zum Ausführungsbeispiel nach Fig. 3, dass der leere Raum die Vakuumverteilung nicht ausreichend gewährleistet, so liegt es für ihn unmittelbar auf der Hand, die im Ausführungsbeispiel nach Fig. 2 verwendete Vakuum-Verteilungsschicht auch im Ausführungsbeispiel nach Fig. 3 einzusetzen.
Mögliche Positionen sind hierbei die Platzierung zwischen den Schichten (14) und (15), zwischen den Schichten (15) und (16) oder nach der Schicht (16). Diese Möglichkeiten wird der Fachmann in Betracht ziehen und in orientierenden Versuchen die geeignete Schichtposition ermitteln. Bei letztgenannter Alternative ist der Fachmann ebenfalls naheliegend bei einer Variante (poröse Struktur in der Vakuumkammer) nach Hilfsantrag 2 angelangt.
2.3. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 3
In Anspruch 1 nach Hilfsantrag 3 wurde gegenüber Hilfsantrag 1 die Flüssigkeitsbarriere mit dem zusätzlichen Merkmal 6.3 präzisiert, wonach die Flüssigkeitsbarriere hydrophob ist, und die Merkmale 8, 8.1, 8.2, 9, 9.1 und 9.2 eingefügt, die eine Feuchtigkeitsverteilungsschicht und eine Wundschnittstelle hinzufügen. Diese Elemente erfüllen jeweils unterschiedliche Aufgaben – einerseits die gleichmäßige Ableitung der Wundflüssigkeit aus der Wunde und andererseits die Vermeidung der Kontamination der Vakuumquelle –, sodass bei dem Nachweis des Naheliegens jeweils unterschiedliche Lösungsansätze herangezogen werden können. Im Ergebnis geben die NK9 zusammen mit dem Fachwissen (beispielsweise offenbart in der NK4 und NK7) dem Fachmann vor dem Hintergrund seiner zugrunde zu legenden Ausbildung und Erfahrung hinreichend konkrete Anregungen, zur Problemlösung den gewählten Lösungsansatz gemäß Hilfsantrag 3 zu wählen.
Für den Fachmann stellt sich aufgrund medizinischer Anforderungen die Aufgabe, die Wundflüssigkeit von der Wunde effektiv und gleichmäßig zum Flüssigkeitsabsorber weiterzuleiten, um einerseits unerwünschte Komponenten aus der Wundumgebung zu entfernen und andererseits den Flüssigkeitsabsorber nicht punktuell zu überlasten. Hierfür ist ihm aus seiner Erfahrung bekannt, eine Schicht zur Flüssigkeitsverteilung und eine Wundschnittstelle zu verwenden.
Rein exemplarisch kann hierfür die in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents erwähnte NK4 herangezogen werden, die eine Wundtherapieeinrichtung mit einem Gehäuse (wound cover 18) und einer Vakuumquelle (bellows 12) zeigt (vgl. u. a. NK4 Fig. 1 u. 4). Zur Wundbehandlung mittels Unterdruck wird über den Flüssigkeitsaufnehmer (Wundauflage 50) der von der Vakuumquelle (12) erzeugte Unterdruck an die Wunde weitergeleitet, wodurch Wundexsudat von der Wunde abgesaugt wird (vgl. Nk4 Sp. 6 Z. 23-26: „The wound cover of the apparatus of the invention is positioned over the dressing. Upon application of suction through the wound over, the exudate is drawn from the wound dressing through the fluid-permeable portions of the outer surface of the dressing“). Diese Wundauflage enthält als Wundschnittstelle eine Klebeschicht (adhesive layer 44) für eine Platzierung über einer Wunde, die selbstverständlich u. a. über die nicht-klebenden Bereiche (46) die Wundflüssigkeit von der Wunde zur Flüssigkeitshaltekammer weiterleitet (vgl. NK4 Sp. 5 Z. 19ff: “At least the portion adapted for placement over a wound has a pressure-sensitive adhesive layer 44 on one surface thereof, the adhesive layer being applied to provide repeating spaced areas 46 free of adhesive.”) [= Merkmale 9, 9.1 und 9.2]. Die selektive Durchlässigkeit der Schicht (44), auf die die Beklagte hinwies, steht der Weiterleitung gemäß Merkmal 9.1 (“is configured to transfer wounds fluid from a wound bed to the liquid-retention chamber”) nicht entgegen.
Weiter ist zwischen der Wundschnittstelle (44) und dem Flüssigkeitsabsorber (52) eine Schicht (42) vorhanden, die aufgrund der regelmäßig angeordneten Öffnungen (48) eine gleichmäßige Verteilung der Wundflüssigkeit auf den Flüssigkeitsabsorber (52) ermöglicht (vgl. NK4 Sp. 5 Z. 29ff.: “Slits 48 are shown to be provided within each of the spaces defined by the non-adhesive areas.”) [= Merkmale 8, 8.1 und 8.2].
Erkennt der Fachmann bei der Vorrichtung der NK9 gemäß der Ausführungsform nach Fig. 3, dass – wie in den Gutachten NB1 und NB3 gezeigt – bei einem gängigen Material für die Schicht (16) die Flüssigkeit nicht wie angegeben zurückgehalten wird und daher die Vakuumleitung kontaminiert werden könnte, so bietet sich für ihn unmittelbar an, dieses Problem entweder durch Änderung der Materialien der Schicht (16) oder unter Beibehaltung der genannten Materialien mittels einer weiteren, flüssigkeitsundurchlässigen Sperrschicht zu lösen.
Beide Lösungsansätze wird der Fachmann analysieren und bei der Auswahl an geeigneten Materialien für die flüssigkeitsundurchlässige Schicht für eine zusätzliche Sperrschicht auf Fachwissen zurückgreifen und aus dem Stand der Technik bekanntes Material (beispielsweise aus der NK7) verwenden, das die Kontamination zuverlässig verhindert. So lehrt die NK7, dass eine hydrophobe Membran die Kontamination der Vakuumquelle verhindert (vgl. NK7 Abs. [0033]-[0034]: „A first hydrophobic membrane filter 20 is interposed between the canister 18 and the vacuum source 14, in order to prevent wound exudates from contaminating the vacuum source 14. … According to the preferred method of the present invention, a second hydrophobic filter 22 is interposed between the first filter 20 and the vacuum source 14. The addition of the second filter 22 is advantageous when the first filter 20 is also used as a fill sensor for the canister 18. ln such a situation, the first filter 20 may act as a fill sensor, while the second filter 22 further inhibits contamination of wound exudates into the vacuum source 14….“). Damit ist er jedoch bereits beim Merkmal 6.3 angelangt, ohne erfinderisch tätig zu werden.
2.4. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 4 schränkt gegenüber Hilfsantrag 3 die Wundschnittstelle auf eine poröse Wundschnittstelle ein (Merkmal 9‘) und weist zusätzlich das Merkmal 9.3 auf, wonach die Wundtherapieeinrichtung eine mit der Wunde in Kontakt stehende Oberfläche besitzt, die zumindest eine Pore besitzt, die größer als 100 µm im Durchmesser ist.
Diesen Merkmalen kann kein eigenständiger erfinderischer Gehalt beigemessen werden, zumal der Fachmann eine poröse Wundoberfläche auch bei der NK4 mitliest, da die Schicht (44) offene, nichtklebende Bereiche (46) besitzt (vgl. NK4 Fig. 4). Im Übrigen ist es als fachmännisches Handeln anzusehen, diese Schicht porös auszubilden und eine für das Wundexsudat geeignete Porengröße (z. B. >100 µm) auszuwählen, da ansonsten die Wundflüssigkeit nicht weitergeleitet werden kann. Bezüglich der in Merkmal 9.3 beanspruchten Porengröße ist keine patentbegründende Besonderheit erkennbar, eine solche wurde von der Beklagten auch nicht vorgetragen.
2.5. Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5
In Anspruch 1 nach Hilfsantrag 5 wurde gegenüber Hilfsantrag 1 eine Vakuumverteilungsschicht (Merkmale 11, 11.1, 11.2) und die Wundschnittstelle mit den Merkmalen 9 und 9.2 aus Hilfsantrag 3 eingefügt.
Wie bereits zu Hilfsantrag 2 ausgeführt ist in der NK9 eine Schicht (outlet manifold 7) zum Verteilen des Ansaugens von der Vakuumleitung (6) über die obere Oberfläche der Schichtstruktur offenbart (vgl. NK9 S. 19 Z. 19-21: „However, the embodiment of Figure 2 further includes an air outlet manifold 7 for distributing the suction from the vacuum line 6 across the upper surface of the screen structure.“). Diese Schicht erfüllt die in den Merkmalen 11 und 11.1 angegebenen Eigenschaften, denn sie befindet sich in Kommunikation mit dem Flüssigkeitsaufnehmer und verbessert die Verteilung des Unterdrucks. Überträgt der Fachmann diese Schicht auf das Ausführungsbeispiel nach Fig. 3, so kann er die Verteilerschicht analog zur Fig. 2 beim Flüssigkeitsaufnehmer einfügen (Schicht 14 in Fig. 3, in Fig. 2 und Fig. 3 jeweils gewundene Schraffur). Damit ergibt sich die in Merkmal 11.2 angegebene Position aufgrund fachmännischen Handelns (siehe auch Ausführungen zu Hilfsantrag 2).
Zur Wundschnittstelle gemäß den Merkmalen 9 und 9.2 wird auf die Ausführungen zu den Hilfsanträgen 3 und 4 verwiesen. Ein Synergieeffekt der Vakuumverteilungsschicht und der Wundschnittstelle ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht geltend gemacht. Für eine andere Beurteilung der Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstands in seiner Gesamtheit nur infolge dieser Merkmalskumulation besteht damit kein Raum.
2.6. Patentanspruch 1 nach Hilfsanträgen 6 und 7
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 6 kombiniert gegenüber Hilfsantrag 1 analog zu Hilfsantrag 5 die Merkmale bezüglich der Vakuumverteilungsschicht (Merkmale 11, 11.1, 11.2) mit den Merkmalen der Feuchtigkeitsverteilungsschicht ähnlich Hilfsantrag 3 (Merkmale 8, 8.2).
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 7 enthält gegenüber Hilfsantrag 6 zusätzlich die Merkmale 9 und 9.2 aus Hilfsantrag 5.
Die obigen Ausführungen zu den Hilfsanträgen 3 und 5 geltend insoweit entsprechend. Ein erfinderischer nicht vorhersehbarer Synergieeffekt ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht geltend gemacht. Durch die kumulativen Ergänzungen erhält Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 6 bzw. 7 keinen von den Gegenständen der Ansprüche 1 gemäß Hilfsantrag 3 bzw. 5 abweichenden technischen und erfinderischen Gehalt.
Das Streitpatent konnte deshalb auch nach den mit den Hilfsanträgen beschränkt verteidigten Fassungen keinen Bestand haben.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.