Entscheidungsdatum: 21.03.2013
1. Rechtsgrundlage für eine Festsetzung in einem Bebauungsplan, wonach Gebäude als Nebenanlagen i.S.v. § 14 BauNVO auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen unzulässig sind, ist § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO.
2. § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO ist eine abschließende Regelung für die Zulassung von Nebenanlagen i.S.v. § 14 BauNVO auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen.
Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, das mit einem von ihm betriebenen Hotel bebaut ist. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans C "Gartenstraße/Polderweg" der beigeladenen Gemeinde. Der Bebauungsplan setzt für das klägerische Grundstück ein Sondergebiet Hotel fest und enthält unter den textlichen Festsetzungen folgende Regelungen:
"9. Gebäude als Nebenanlagen i.S. § 14 BauNVO:
9.1 Sondergebiete für Familienerholung/Sondergebiet Hotel
Gebäude als Nebenanlagen i.S. § 14 BauNVO sind auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen unzulässig.
9.2 Allgemeine Wohngebiete und Sondergebiete für Fremdenbeherbergung ...".
Zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt errichtete der Kläger auf seinem Grundstück an der südlichen Grundstücksgrenze eine Blockhütte mit einer Grundfläche von 4,76 m mal 4,90 m bei mehr als 40 cbm Brutto-(Raum-)Inhalt. Hierfür beantragte er die Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung (Errichtung eines Blockhauses als Abstellraum). Der Beklagte lehnte den Antrag ab, weil das Vorhaben nicht den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans in Nr. 9.1 entspreche. Außerdem setzte er die Kosten für das Baugenehmigungsverfahren auf 54 € fest.
Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht wies die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung zurück. Der Bebauungsplan stehe dem Vorhaben entgegen. Er sei wirksam. Die Verletzung von Verfahrens- und Formfehlern einschließlich Abwägungsfehlern sei unbeachtlich geworden, da die entsprechenden Fristen abgelaufen seien. Es lägen keine "ungerechten Abwägungsergebnisse" vor, die im Hinblick auf ihre besondere Schwere auch nach Ablauf der Siebenjahresfrist erfolgreich gerügt werden könnten. Nr. 9.1 der textlichen Festsetzungen sei nicht wegen fehlender städtebaulicher Rechtfertigung zu beanstanden. Die Festsetzung beruhe nicht auf § 23 Abs. 5 BauNVO, wie das Verwaltungsgericht meine, sondern auf § 14 Abs. 1 Satz 3 BauNVO. Festsetzungen nach § 14 Abs. 1 Satz 3 BauNVO gingen solchen nach § 23 Abs. 5 BauNVO vor. Aus der Planbegründung ergebe sich hinreichend, dass Nr. 9.1 der textlichen Festsetzungen auf § 14 Abs. 1 Satz 3 BauNVO i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB beruhe. Falls die Festsetzung nicht auf § 14 Abs. 1 Satz 3 BauNVO gestützt werden könne, handle es sich jedenfalls um eine Festsetzung i.S.v. § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO. Damit wäre das Blockhaus allenfalls nach Maßgabe des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO zulässig; dessen Voraussetzungen lägen aber nicht vor.
Gegen das Urteil hat der Kläger die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt und geltend gemacht, die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts verletze Bundesrecht, soweit attestiert werde, dass der Bebauungsplan, insbesondere Nr. 9.1 der textlichen Festsetzungen, wirksam sei.
Beklagter und Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil.
Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verstößt zwar gegen Bundesrecht. Es erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, weil sein Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans C "Gartenstraße/Polderweg" der Beigeladenen widerspricht (1.). Auch die Gebührenfestsetzung ist rechtmäßig (2.).
1. Nach den bindenden und zwischen den Beteiligten auch nicht umstrittenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist die zur Genehmigung gestellte Blockhütte außerhalb der für das klägerische Grundstück festgesetzten Baugrenzen (§ 23 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BauNVO) errichtet worden. Sie stünde daher mit den Festsetzungen des Bebauungsplans nur im Einklang, wenn sie nach § 23 Abs. 5 BauNVO zulassungsfähig wäre. Das ist nicht der Fall.
a) Nach § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO zugelassen werden, wenn im Bebauungsplan nichts anderes bestimmt ist. Vorliegend ist jedoch etwas anderes bestimmt. Nach Nr. 9.1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sind Gebäude als Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen unzulässig. Die Regelung steht dem Bauvorhaben des Klägers entgegen, weil sie wirksam ist.
aa) Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass Nr. 9.1 der textlichen Festsetzungen seine Rechtsgrundlage in § 14 Abs. 1 Satz 3 BauNVO findet, wonach im Bebauungsplan die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann. Das ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.
§ 14 BauNVO ist eine Vorschrift, die allein die Art der baulichen Nutzung betrifft (Urteil vom 28. April 2004 - BVerwG 4 C 10.03 - BRS 67 Nr. 68). Sie ist Bestandteil des ersten Abschnitts der Baunutzungsverordnung, der, auf § 9a Nr. 1 Buchst. a BauGB beruhend, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BauGB umsetzt. § 23 BauNVO gehört zum dritten Abschnitt der Baunutzungsverordnung, der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 9a Nr. 1 Buchst. c BauGB Regelungen zur Bauweise und überbaubaren Grundstücksfläche enthält und an § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB anknüpft. Dementsprechend kommt es für die Bestimmung der Rechtsgrundlage einer Festsetzung in einem Bebauungsplan darauf an, welchem Regime des Baugesetzbuchs und der Baunutzungsverordnung die Festsetzung zuzuordnen ist. Werden - wie vorliegend - Nebenanlagen auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen ausgeschlossen, handelt es sich um eine Regelung, die thematisch im dritten Abschnitt der Baunutzungsverordnung verortet ist. § 14 Abs. 1 Satz 3 BauNVO ist nicht einschlägig.
Rechtsgrundlage für den Plangeber, Nebenanlagen auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen auszuschließen, ist § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO (Urteile vom 17. Dezember 1976 - BVerwG 4 C 6.75 - Buchholz 406.11 § 29 BBauG Nr. 19 = juris Rn. 29 a.E. und vom 4. Oktober 1985 - BVerwG 4 C 26.81 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG Nr. 27 = juris Rn. 10 a.E.; ebenso Ziegler, in: Brügelmann, BauGB, Stand September 2007, § 14 BauNVO Rn. 100). Die Vorschrift ist nicht nur Ermächtigungsgrundlage für die Baugenehmigungsbehörde, Nebenanlagen außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen zuzulassen, wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, sondern auch Rechtsgrundlage für die planende Gemeinde, die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BauNVO, wonach Gebäude eine festgesetzte Baugrenze nicht überschreiten dürfen, auf Nebenanlagen auszudehnen.
bb) Auch ansonsten genügt Nr. 9.1 der textlichen Festsetzungen den rechtlichen Anforderungen.
Die Regelung ist hinreichend bestimmt (siehe zu diesem Erfordernis etwa Beschlüsse vom 6. März 2002 - BVerwG 4 BN 7.02 - Buchholz 406.11 § 215a BauGB Nr. 10 und vom 9. Februar 2011 - BVerwG 4 BN 43.10 - BauR 2011, 1118 = ZfBR 2011, 374). Die vom Kläger in diesem Zusammenhang geäußerten Bedenken gegen die Bestimmtheit, weil eine Rechtsgrundlage für die Festsetzung nicht angegeben worden sei, greifen nicht durch. Zum einen ist dies keine Frage der Bestimmtheit der Festsetzung, zum anderen erfordert weder § 9 BauGB noch § 23 Abs. 5 BauNVO noch sonstiges Bundesrecht, dass die Rechtsgrundlage für eine Festsetzung im Bebauungsplan genannt wird (Beschluss vom 17. Dezember 1998 - BVerwG 4 NB 4.97 - Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 93 = juris Rn. 16). Maßgeblich ist allein, dass eine solche existiert und die Festsetzung hiervon gedeckt wird. Das ist der Fall.
Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, die mangels entsprechender Verfahrensrügen des Klägers für den Senat bindend sind (§ 137 Abs. 2 VwGO), liegt die nach § 1 Abs. 3 BauGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 8. Dezember 1986 (BGBl I S. 2191; im Folgenden "BauGB 1987") erforderliche städtebauliche Rechtfertigung für Nr. 9.1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans vor. Das Oberverwaltungsgericht ist unter Zugrundelegung der Planbegründung zu dem Ergebnis gelangt, dass die genannte Festsetzung aus Gründen des Freiraumschutzes und zur Bekämpfung "struktureller Probleme", zu denen auch die Verhinderung der Verlagerung von Betriebsräumen aus dem Hauptgebäude in Nebengebäude gehöre, städtebaulich gerechtfertigt ist (UA S. 9 f.). Das ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.
Etwaige Abwägungsfehler (§ 1 Abs. 6 BauGB 1987) wären infolge des Ablaufs der vorliegend noch maßgeblichen Siebenjahresfrist (§ 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB 1987, § 233 Abs. 2 Satz 2 BauGB) heute unbeachtlich. Da das Oberverwaltungsgericht zudem festgestellt hat, dass ein schwerer Fehler im Abwägungsergebnis nicht gegeben ist und entsprechendes auch vom Kläger nicht behauptet wird, kann (weiter) offen bleiben, ob § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB 1987 aus verfassungsrechtlichen Gründen insofern gegebenenfalls einschränkend auszulegen sein könnte (siehe auch Beschlüsse vom 2. Januar 2001 - BVerwG 4 BN 13.00 - Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 17 = juris Rn. 9 und vom 23. Januar 2003 - BVerwG 4 B 79.02 - NVwZ 2003, 749, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 114 = juris Rn. 8 a.E.).
b) Nach § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO können bauliche Anlagen auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen zugelassen werden, soweit im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist und sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können. Das Oberverwaltungsgericht hat hilfsweise angenommen, Nr. 9.1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans lasse Raum für eine Anwendung des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO. Auch das ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.
Wie der Senat bereits entschieden hat, trifft § 23 Abs. 5 BauNVO für Nebenanlagen i.S.v. § 14 BauNVO einerseits (in Satz 1) und für bauliche Anlagen, die nach Landesrecht in der Abstandsfläche zulässig sind oder zugelassen werden können, andererseits (in Satz 2) jeweils eine eigenständige Regelung (Beschluss vom 13. Juli 2010 - BVerwG 4 B 27.10 - ZfBR 2010, 694 = BauR 2010, 2069 = juris Rn. 5). In der Entscheidung ist bereits der Rechtsgedanke angelegt, dass § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO eine abschließende Regelung für die Zulassung von Nebenanlagen i.S.v. § 14 BauNVO auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen enthält und sich mit dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO nicht überschneidet. Eine unter § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO fallende Nebenanlage wird folglich nicht (mehr) von § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO erfasst, nur weil sie (auch) nach Landesrecht in der Abstandsfläche zulässig ist oder zugelassen werden kann. Unter § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO fallen vielmehr nur solche baulichen Anlagen, die nicht Nebenanlagen i.S.v. § 14 BauNVO sind, wie z.B. Garagen oder Stellplätze i.S.v. § 12 BauNVO (vgl. z.B. VGH Mannheim, Beschluss vom 23. Juli 1991 - 8 S 1606/91 - BRS 52 Nr. 177 = juris Rn. 4).
c) Die angefochtene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Weil nach Nr. 9.1 der textlichen Festsetzungen Gebäude als Nebenanlagen i.S.v. § 14 BauNVO auf dem klägerischen Grundstück ausgeschlossen sind, können diese nicht im Wege einer Einzelfallentscheidung über § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO zugelassen werden. Aufgrund des dargestellten abschließenden Charakters der vorgenannten Vorschrift bezüglich Nebenanlagen bleibt auch kein Raum für eine Anwendung des § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO. Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich unzulässig.
Vom Oberverwaltungsgericht nicht angesprochen wurde die Frage, ob die Blockhütte im Wege einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zugelassen werden könnte; einen entsprechenden Antrag hatte der Kläger vorsorglich im Widerspruchsverfahren gestellt. Das Verwaltungsgericht hatte sich in seinem Urteil mit der Frage beschäftigt, die Möglichkeit einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB aber schon tatbestandlich verneint. Ob vor diesem Hintergrund die Verfahrensweise des Oberverwaltungsgerichts rechtlich zulässig war, kann offenbleiben, denn die Revision greift die Frage der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht auf. Demgemäß ist auch die Prüfung des Revisionsgerichts beschränkt und der Frage im Revisionsverfahren nicht weiter nachzugehen (Urteil vom 3. Dezember 1992 - BVerwG 4 C 27.91 - NVwZ 1993, 983 <985>).
2. Erweist sich somit die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts in Bezug auf die Versagung der beantragten Baugenehmigung als unbegründet, so folgt hieraus, dass auch die Revision gegen die vorinstanzliche Bestätigung des Gebührenfestsetzungsbescheids als rechtmäßig unbegründet ist, zumal Gründe für eine nur diesem Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit nicht ersichtlich sind und auch von Klägerseite nicht vorgetragen wurden.