Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 24.03.2011


BVerwG 24.03.2011 - 4 C 11/10

Kosten einer städtebaulichen Maßnahme als Voraussetzung oder Folge des Vorhaben; Kausalität für Kosten einer unteilbaren städtebaulichen Maßnahme; gemeindlicher Selbstbehalt für Fremdnützigkeit


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
24.03.2011
Aktenzeichen:
4 C 11/10
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 16. November 2009, Az: 4 BV 07.1902, Beschlussvorgehend VG München, 13. März 2007, Az: M 2 K 06.129, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Ob die Kosten einer städtebaulichen Maßnahme Voraussetzung oder Folge eines Vorhabens sind, hängt von der planerischen Konzeption der Gemeinde ab. Städtebauliche Maßnahmen sind daher als Voraussetzung oder Folge eines Vorhabens anzusehen, wenn eine Gemeinde nachvollziehbar davon ausgehen darf, dass durch die weitere Überplanung von bisher nicht bebauten Grundstücken Investitionskosten für öffentliche Einrichtungen entstehen, die sie zu tragen hätte, und sie im Hinblick auf diese Kosten abwägungsfehlerfrei von einer derartigen Überplanung absehen dürfte (wie Urteil vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 15.07 - BVerwGE 133, 85).

2. Wenn eine unteilbare städtebauliche Maßnahme durch mehrere Vorhaben veranlasst ist, ist jedes Vorhaben für die Kosten der Maßnahme kausal.

3. Ein gemeindlicher Selbstbehalt für die Fremdnützigkeit einer städtebaulichen Maßnahme und das Allgemeininteresse ist bei Folgekostenverträgen nicht erforderlich.

Tatbestand

1

Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung zur Zurückzahlung von Geldbeträgen, die sie von den Klägern auf der Grundlage städtebaulicher Folgekostenverträge erhalten hat.

2

Die Kläger sind Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. ... der Gemarkung Eching. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 3 "Gewerbegebiet Eching Ost" der Beklagten, der das Plangebiet überwiegend als Gewerbegebiet und in untergeordnetem Umfang als Sondergebiet ausweist. Ursprünglich war das Plangebiet nur über die Staatsstraße St 2053 an den Ortskern und das überörtliche Straßennetz (Bundesautobahn A 9) angebunden. Als Folge seiner zunehmenden Ausnutzung kam es zu einer starken Beanspruchung und letztlich zu einer Überlastung des bestehenden Verkehrsnetzes, insbesondere der Auffahrt (Anschlussstelle Eching) von der St 2053 auf die A 9 sowie der Liebigstraße, einer Zufahrt von der St 2053 ins Gewerbegebiet. Der von der Beklagten beauftragte Sachverständige Prof. Dr. K. kam in einem Verkehrsgutachten vom 2. Dezember 1996 zu dem Ergebnis, dass eine weitere Nutzungsverdichtung nur möglich sei, wenn das Gewerbegebiet über eine Neubaustrecke Richtung Norden mit der A 92 verknüpft würde.

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Unter Hinweis auf die Überlastung der Anbindung des Baugebiets an die St 2053 und die A 9 sowie die Aus- und Überlastung der inneren Straßenerschließung schrieb die Beklagte mit der zweiten Änderung des Bebauungsplans Nr. 3 vom 21. April 1998 das Maß der baulichen Nutzung im Plangebiet im Wesentlichen auf den vorhandenen baulichen Bestand - etwa die Hälfte des bisher planungsrechtlich Möglichen - fest. Nach Inkrafttreten der Planänderung beschloss sie, neues Bau- und Nutzungsrecht nur noch zu begründen, wenn die Verkehrskapazität durch zusätzliche Verbindungen mit dem überörtlichen Straßennetz erhöht werde. Da sie die Erschließung nicht allein aus eigenen Mitteln tragen könne, werde weiteres Baurecht nur geschaffen, wenn sich die Bauwilligen vertraglich zur Beteiligung an der Finanzierung verpflichteten. In der Folgezeit schloss die Beklagte mit einer Reihe von Interessenten (sog. Neunutzer) städtebauliche Verträge ab, die sie in die Lage versetzte, die zusätzliche Erschließung des Gewerbegebiets entsprechend dem Vorschlag im K.-Gutachten in Angriff zu nehmen. Im November 2001 wurden der neue Autobahnzubringer sowie die Anschlussstelle Eching-Ost an der A 92 dem Verkehr übergeben.

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Die Grundstücke der Kläger waren bei Erlass des Bebauungsplans im Jahr 1980 mit Verkaufs- und Ausstellungsgebäuden sowie mit gewerblich genutzten Hallen bebaut. Das Grundstück Fl.Nr. ... liegt in dem durch den Bebauungsplan festgesetzten Sondergebiet SO 3, in dem nach dem Bebauungsplan in den Fassungen 1980 und 1998 höchstens 5 200 qm Verkaufs- und Ausstellungsflächen für Einzelhandelsgroßprojekte mit Möbel- und Inneneinrichtungsgegenständen und im Übrigen allgemein gewerbliche Nutzung, jedoch ohne Einzelhandel, zulässig sind. Für die übrigen Grundstücke der Kläger setzt der Plan seit seiner Ursprungsfassung textlich fest, dass Betriebe mit Verkauf an Endverbraucher nicht zulässig sind, jedoch Ausnahmen hiervon zugelassen werden können, wenn der geplante Betrieb eine wesentliche Beeinträchtigung der Versorgungsfunktion des Echinger Ortskerns und eine Verschlechterung der Verkehrssituation nicht erwarten lässt.

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Am 29. Juli 1999 schlossen die Beteiligten einen städtebaulichen Vertrag, mit dem sich die Kläger zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 800 000 DM verpflichteten, um eine Änderung des Bebauungsplans zu ihren Gunsten zu erreichen. In weiteren Verträgen vom 18./19. Februar 2003 und 6. August 2003 sagten sie die Zahlung von insgesamt 67 769 € für den Fall zu, dass die Beklagte der Erteilung von Ausnahmen von der Festsetzung des Bebauungsplans Nr. 3 für den Betrieb eines Küchenfachmarkts und den Betrieb eines Verkaufs von Wasserbetten an Endverbraucher zustimmt. Die vereinbarten Beträge wurden in allen Fällen gezahlt, die Änderung des Bebauungsplans vorgenommen bzw. das Einvernehmen erklärt, die Baugenehmigungen vom Landratsamt erteilt und die Bauvorhaben verwirklicht.

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Am 12. Januar 2006 haben die Kläger Klage auf Rückzahlung sämtlicher Beträge erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat der Verwaltungsgerichtshof der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 67 769 € nebst Zinsen verurteilt. In diesem Umfang hätten die Kläger einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, weil die städtebaulichen Verträge vom 18./19. Februar 2003 und 6. August 2003 nichtig seien. Die Verträge seien nicht von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB gedeckt, da der Bau des Zubringers zur A 92 nicht unmittelbare Voraussetzung oder Folge des Vorhabens der Kläger sei. Der Zubringer diene nicht nur dazu, neue Bauvorhaben zu ermöglichen, sondern auch der Beseitigung der im Laufe der Zeit angewachsenen erheblichen Verkehrsprobleme im Gewerbegebiet Eching-Ost. Mangels Teilbarkeit könne er nicht in einem feststellbaren Umfang der einen oder anderen Zweckbestimmung konkret und real zugeordnet werden. Die vertragliche Überwälzung der Kosten allein auf die Kläger und die übrigen Neunutzer unter Schonung derjenigen, die ihr Baurecht bereits ausgenutzt hätten (sog. Altnutzer), widerspreche zugleich dem Angemessenheitsgebot des § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB und dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Vertrag vom 29. Juli 1999 sei ebenfalls nichtig. Der ihn betreffende Rückzahlungsanspruch der Kläger sei allerdings gemäß Art. 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AGBGB wegen Verjährung erloschen und die Berufung insoweit unbegründet.

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Soweit der Verwaltungsgerichtshof die Berufung der Kläger zurückgewiesen hat, ist die Klageabweisung rechtskräftig. Die Beklagte erstrebt mit ihrer Revision die Zurückweisung der Berufung in vollem Umfang.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist begründet. Die Berufungsentscheidung beruht im Umfang, in dem sie der revisionsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, auf einer Verletzung von Bundesrecht. Die Kläger haben keinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte, weil die Folgekostenverträge vom 18./19. Februar 2003 und 6. August 2003 wirksam sind.

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1. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB kann die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind, Gegenstand eines städtebaulichen Vertrags sein. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, eine nicht teilbare Straßenbaumaßnahme könne nicht Voraussetzung oder Folge eines Vorhabens sein, wenn sie objektiv sowohl einen durch das Vorhaben des Vertragspartners ausgelösten als auch einen ohne das Vorhaben bestehenden Bedarf decke. Sein Standpunkt ist mit Bundesrecht nicht vereinbar.

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Die Frage, ob die Kosten einer städtebaulichen Maßnahme Voraussetzung oder Folge eines Vorhaben sind, beantwortet sich nicht danach, ob die städtebauliche Maßnahme dem Vorhaben objektiv zugute kommt. Vielmehr hängt es von der planerischen Konzeption der Gemeinde ab, ob die Kosten, die ihr für die städtebauliche Maßnahme entstehen oder entstanden sind, mit dem begünstigten Vorhaben kausal verknüpft sind. Nach der Rechtsprechung des Senats kann die vertragliche Gegenleistung der Gemeinde in einem komplexen Bündel von Entscheidungen und Maßnahmen bestehen. Hierzu kann neben der Aufstellung eines Bebauungsplans die Entscheidung der Gemeinde gehören, Anlagen und Einrichtungen, die der Allgemeinheit dienen, zu schaffen, bei deren Fehlen sie die Ausweisung weiterer Baugebiete abwägungsfehlerfrei ablehnen könnte. Dies kommt in Betracht, wenn die vorhandenen Kapazitäten der Infrastruktureinrichtungen erschöpft sind. In dieser Lage darf die Gemeinde die Städtebaupolitik betreiben, die ihr richtig erscheint, und dementsprechend ihre Ziele setzen. Daher darf sie sich entweder gegen die Ausweisung neuer Baugebiete entscheiden, weil sie ihre öffentlichen Einrichtungen nicht erweitern will, oder den Beschluss fassen, Baugebiete auszuweisen und zugleich die dadurch erforderlich werdenden Einrichtungen zu schaffen oder zu erweitern und damit die Hindernisse zu beseitigen, die der planerischen Entscheidung zugunsten weiterer Baugebiete entgegenstehen. Städtebauliche Maßnahmen sind daher auch dann als Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens anzusehen, wenn eine Gemeinde nachvollziehbar davon ausgehen darf, dass durch die weitere Überplanung von bisher nicht bebaubaren Grundstücken Investitionskosten für öffentliche Einrichtungen entstehen, die sie zu tragen hätte, und sie im Hinblick auf diese Kosten abwägungsfehlerfrei von einer derartigen Überplanung absehen dürfte (Urteil vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 15.07 - BVerwGE 133, 85 Rn. 30). Diese Erwägungen gelten für die Zulassung einer Ausnahme von den Festsetzungen eines Bebauungsplans entsprechend.

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Die Gemeinde ist mithin befugt zu bestimmen, ob die Kosten einer städtebaulichen Maßnahme Voraussetzung oder Folge eines Vorhabens sind. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs werden damit nicht der Willkür Tür und Tor geöffnet. Die Gemeinde darf eine städtebauliche Maßnahme nur dann als Voraussetzung oder Folge einer Baugebietsausweisung oder einer sonstigen Gewährung von Baurecht ansehen, wenn sie im Hinblick auf die Kosten der Maßnahme abwägungsfehlerfrei auf die Ausweisung verzichten dürfte. Grenze der planerischen Befugnis ist also - wie auch sonst im Städtebaurecht - das Abwägungsgebot. Zum anderen muss die Gemeinde transparent und nachvollziehbar belegen, dass die von ihr in einem überschaubaren zeitlichen Zusammenhang zu beschließenden und realistischerweise verwirklichungsfähigen Baurechtsausweisungen einen weiteren Bedarf an öffentlichen Einrichtungen hervorrufen. Ein derartiges Konzept muss vom Rat der Gemeinde beschlossen werden und damit von seiner planerischen und gestaltenden Willensbildung gedeckt sein (Urteil vom 29. Januar 2009 a.a.O. Rn. 32). Ein bloß allgemeiner Bezug zu den gemeindlichen Aufgaben reicht demgegenüber für die Wirksamkeit eines Folgekostenvertrags nicht aus. Nicht zulässig sind daher beispielsweise die Deckung eines Nachholbedarfs für schon zuvor verwirklichte Planungen oder die Bildung eines Polsters für gegenwärtig noch nicht absehbare Planungen (Urteil vom 29. Januar 2009 a.a.O. Rn. 31).

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Unzutreffend ist ferner die vorinstanzliche Annahme, eine unteilbare Maßnahme, d.h. eine Maßnahme, die nicht in dem Sinne aufteilbar ist, dass sich jedem Vorhaben ein konkret-realer Verursachungsanteil an der Maßnahme zuordnen lässt, sei nicht Voraussetzung oder Folge eines Vorhabens, wenn sie zugleich auch Voraussetzung oder Folge eines anderes Vorhabens ist. Richtig ist das Gegenteil. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB bezieht das Kriterium "Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens" nicht auf die städtebauliche Maßnahme, sondern ausdrücklich auf die Kosten, die der Gemeinde für die städtebauliche Maßnahme entstehen. Eine lediglich teilweise Zuordnung der Kosten hängt indes nicht von der konkret-realen Teilbarkeit der städtebaulichen Maßnahme ab. Im Übrigen sollen mit dem Kriterium "Voraussetzung oder Folge" städtebauliche Folgekostenverträge nur hinsichtlich solcher Vorhaben ausgeschlossen werden, durch die die städtebauliche Maßnahme nach der planerischen Konzeption der Gemeinde nicht veranlasst ist. Ist die Maßnahme durch mehrere Vorhaben veranlasst, ist jedes von ihnen kausal im Sinne der Vorschrift.

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Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend davon auszugehen, dass die Straßenbaumaßnahme der Beklagten Voraussetzung oder Folge des Vorhabens der Kläger ist. In der Vorbemerkung zu den Verträgen vom 18./19. Februar und 6. August 2003 heißt es, dass die Beklagte beschlossen hat, "neues Bau- und Nutzungsrecht nur noch insoweit ... zu begründen, als eine Erweiterung der Verkehrskapazität des Baugebiets durch die Schaffung neuer Anbindungen an das überörtliche Straßennetz (St 2053 und A 92) dies möglich macht". Dass diese Entscheidung abwägungsfehlerhaft wäre, ist nicht ersichtlich. Damit steht fest, dass der Bau des Autobahnzubringers nach der planerischen Vorstellung der Beklagten kausal mit den Vorhaben der Kläger verknüpft war und auch verknüpft werden durfte. Ob die Überlastung des Verkehrsnetzes durch die Altnutzer für den Bau des Zubringers ebenfalls kausal war, ist ohne Belang. Die Beklagte hat die Notwendigkeit der Straßenbaumaßnahme für die Neunutzer mit dem Verkehrsgutachten K. transparent und nachvollziehbar belegt und einen Schlüssel für die Verteilung der Baukosten unter den Neunutzern entwickelt, den sie im jeweiligen § 6 zum Gegenstand der Folgekostenverträge gemacht hat.

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An der kausalen Verknüpfung zwischen städtebaulicher Maßnahme und den Vorhaben der Kläger würde es allerdings dann fehlen, wenn die Beklagte den Zubringer in Wahrheit allein für die bisherigen (Alt-)Nutzer des Gewerbegebiets gebaut hat oder hätte bauen müssen und mit der Gewährung zusätzlichen Baurechts an Neunutzer gegen Beteiligung an der Finanzierung des Zubringers verschleiern wollte, dass es ihr ausschließlich um die Lösung der existenten Verkehrsprobleme gegangen ist. Die Beklagte hat vorgetragen, sie hätte den Zubringer nur für die Altnutzer nicht gebaut. Der Senat hat keinen Anlass, an dieser Behauptung zu zweifeln. Wie sich aus § 2 der umstrittenen Folgekostenverträge ergibt, hat die Beklagte die Inangriffnahme der städtebaulichen Maßnahme davon abhängig gemacht, dass sich die Grundstückseigentümer im Gewerbegebiet Eching-Ost mit mindestens 12 Mio. DM an den Kosten beteiligen. Von den Altnutzern hätte die Beklagte den Betrag nicht erhalten können. Auf sie hätten die Kosten nicht umgelegt werden dürfen, da die Deckung eines Nachholbedarfs für zuvor verwirklichte Planungen nicht zulässig ist. Für eine Verpflichtung der Beklagten zum Bau des Zubringers für die Altnutzer auf eigene Kosten besteht kein hinreichender Anhaltspunkt. Eine Verdichtung des Planungsermessens zu einer Planungspflicht mag in Betracht zu ziehen sein, wenn die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auch außerhalb von Spitzenzeiten nicht mehr gewährleistet ist. Dafür ist vorliegend indes nichts ersichtlich.

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2. Bundesrechtswidrig sind auch die Darlegungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB und zur Vereinbarkeit der Folgekostenverträge mit Art. 3 Abs. 1 GG.

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§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB schreibt vor, dass die vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein müssen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Angemessenheit verneint. Weil durch die Verbesserung des Straßennetzes Alt- und Neunutzer gleichermaßen hätten begünstigt werden sollen und die städtebauliche Maßnahme nicht in dem Sinne teilbar sei, dass sie anteilig einer bestimmten Nutzergruppe zugeordnet werden könne, wäre es nach Auffassung der Vorinstanz objektiv angemessen gewesen, beide Nutzergruppen einheitlich zu den Kosten heranzuziehen. Da die anteilige Überwälzung der angefallenen Kosten auf die Altnutzer ohne Expansionsinteresse oder -möglichkeit rechtlich nicht zulässig gewesen sei, habe sich die Beklagte nur für die Heranziehung der Neunutzer entschieden. Diese Verteilungsentscheidung sei im Ansatz fehlerhaft und mit dem Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbar. Die Heranziehung allein der Neunutzer sei aber selbst bei unterstellter Teilbarkeit der städtebaulichen Maßnahme rechtswidrig, da die Beklagte keine nachvollziehbare Aufteilung der Baukosten auf die Alt- und Neunutzer und ggf. die Allgemeinheit vorgelegt habe. Die Beklagte habe lediglich allgemeine Angaben zur Finanzierung des Autobahnzubringers, zur vorläufigen Höhe der Gesamtaufwendungen, zur Höhe der Einnahmen über städtebauliche Verträge und zur (vorläufigen) Tragung eines Gemeindeanteils gemacht. Das genüge nicht. Der tatsächlich auf die Neunutzer entfallende Anteil der Baukosten stehe zudem außer Verhältnis zu dem von ihnen voraussichtlich verursachten Nutzungsanteil. Bei einem unterstellten gleichen Vorteil des Zubringers für Alt- und Neunutzer ergebe sich ein Missverhältnis zu Lasten der Neunutzer, weil sie für die Finanzierung des Zubringers ca. 22,7 Mio. DM aufbrächten, während sich die Beklagte nur mit ca. 13,1 Mio. DM beteilige. Dies gelte erst recht, wenn man darauf abstelle, dass das Verkehrsaufkommen auf dem Zubringer nach der ursprünglichen Prognose zu knapp 3/4 von den bereits ansässigen Gewerbetreibenden verursacht werde.

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Auch diese Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs halten der revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand.

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Der Senat lässt offen, ob die Kosten für den Bau des Zubringers nur teilweise, nämlich abzüglich eines Altnutzeranteils, auf die Neunutzer umgelegt werden dürfen. Ein Abzug ist zwar nicht deshalb geboten, weil auch die Altnutzer und sonstige Teilnehmer am allgemeinen Straßenverkehr von dem Zubringer profitieren. Ein gemeindlicher Selbstbehalt für die Fremdnützigkeit einer städtebaulichen Maßnahme und das Allgemeininteresse ist bei Verträgen nach § 11 BauGB ebenso wenig erforderlich wie in Erschließungsverträgen nach § 124 BauGB. Die Notwendigkeit eines Abzugs könnte sich aber daraus ergeben, dass der Zubringer auch einen Nachholbedarf für die Altnutzer deckt, die Kosten dafür über städtebauliche Verträge nicht abgewälzt werden dürfen und sich die Beklagte deshalb möglicherweise eine unangemessen hohe Einnahme zusagen ließe, wenn sie die Neunutzer mit sämtlichen Kosten für den Bau des Zubringers belastete. Die Frage braucht indes nicht beantwortet zu werden, weil die Beklagte einen angemessenen Eigenanteil an den Kosten übernommen hat.

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Die Beklagte hat die voraussichtlichen Baukosten für den Zubringer in § 5 der Folgekostenverträge mit mehr als 36 Mio. DM veranschlagt. Bei Einnahmen von weniger als 12 Mio. DM aus den städtebaulichen Verträgen wollte die Beklagte die Straßenbaumaßnahme nicht in Angriff nehmen, die Summe der maximal möglichen Einnahmen war mit 26 Mio. DM kalkuliert. Daraus ergab sich eine anderweitig zu schließende Deckungslücke. Wie hoch diese sein würde, konnte die Beklagte nicht zuverlässig prognostizieren, weil zum Zeitpunkt der Fixierung der Rechengrößen weder feststand, wie viele potenzielle Neunutzer sich bereit finden würden, Folgekostenverträge abzuschließen, noch die endgültigen Kosten der städtebaulichen Maßnahme bekannt waren.

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Die Beteiligung der Neunutzer an den Kosten für den Bau des Zubringers mit einem Anteil zwischen einem Drittel und gut zwei Dritteln verstößt nicht gegen das Gebot der Angemessenheit der vereinbarten Leistungen. Mit dem Begriff der Angemessenheit ist das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Übermaßverbot angesprochen (vgl. Urteil vom 6. Juli 1973 - BVerwG 4 C 22.72 - BVerwGE 42, 331 <345>), dessen Funktion in der Abwehr unverhältnismäßiger Belastungen des Einzelnen durch den Staat liegt. Unverhältnismäßig ist die Quotierung zwischen dem auf die Gruppe der Altnutzer entfallenden, von der Beklagten getragenen Kostenanteil und dem Kostenanteil der Neunutzer nicht bereits dann, wenn sie den jeweiligen Verursacheranteil am Verkehrsaufkommen nicht exakt abbildet, sondern erst dann, wenn die Vergleichsquoten in unvertretbarem Maße divergieren. Ein solches Missverhältnis zwischen den Quoten ist jedoch nicht erkennbar. Die Beklagte hat für die Neunutzer Baurecht etwa in der Größenordnung desjenigen Baurechts geschaffen, das den Altnutzern zustand. Anhaltspunkte dafür, dass der den Neunutzern zuzurechnende Verkehrsanteil im Gegensatz dazu eine Größenordnung hätte, die signifikant hinter dem Anteil der Altnutzer zurückbleibt, sind nicht ersichtlich. Ein Missverhältnis ist umso weniger erkennbar, als der Nachholbedarf, den der Zubringer abdeckt, nur einem Teil des von den Altnutzern insgesamt verursachten Verkehrs entspricht. Der andere Teil des vor der Zulassung neuer Nutzungen vorhandene Verkehr wurde unstreitig von der St 2053 aufgefangen.

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Zu Unrecht nimmt der Verwaltungsgerichtshof an, dass die Nutzung des Zubringers zu 3/4 den Altnutzern und nur zu 1/4 den Neunutzern zuzurechnen ist. Der Ansatz, die Zahl der Altnutzer, die, bezogen auf die Prognose aus dem Jahr 1996, voraussichtlich auf den Zubringer ausweichen werden (12 300 Fahrzeuge pro Tag), zu der Zahl der Nutzer, die bei voller Auslastung des Gewerbegebiets Eching-Ost auf dem Zubringer zu erwarten sind (16 500 Fahrzeuge pro Tag), in Beziehung zu setzen, ist unzutreffend. Es kommt nicht darauf an, wie sich Alt- und Neunutzer auf den Zubringer verteilen. Maßgeblich ist vielmehr die gesamte Verkehrszunahme auf den Zufahrtsstraßen zum Gewerbegebiet Eching-Ost bei dessen voller Auslastung; denn der Verkehrszuwachs ist unabhängig davon dem Zubringer zuzurechnen, ob die Neunutzer ihn unmittelbar oder dadurch nutzen, dass sie Kapazitäten auf der St 2053 in Anspruch nehmen, welche die Altnutzer durch ihr Ausweichen auf den Zubringer frei machen.

22

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht deshalb verletzt, weil nur die Gruppe der Neunutzer an den Kosten für den Bau des Zubringers beteiligt worden ist. Der rechtfertigende Grund für die ungleiche Behandlung der Nutzergruppen liegt darin, dass die Neunutzer von der Beklagten als Gegenleistung für ihren Beitrag zur Finanzierung des Zubringers neues bzw. erweitertes Baurecht erhalten haben, während die Altnutzer ihr Baurecht bereits innehatten und zur Refinanzierung aus Rechtsgründen nicht mehr herangezogen werden konnten. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG käme nur in Betracht, wenn die Altnutzer geschont worden wären, obwohl auch sie noch an den Kosten hätten beteiligt werden können.

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3. Eine Bestätigung der vorinstanzlichen Entscheidung als im Ergebnis richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) ist nicht möglich.

24

Der Wirksamkeit der Verträge vom 18./19. Februar und 6. August 2003 steht nicht entgegen, dass sie erst nach Fertigstellung des Zubringers zur A 92 geschlossen worden sind. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB erlaubt auch die Überwälzung von Kosten, die der Gemeinde schon entstanden sind. Eine Abschwächung des Kausalitätserfordernisses ist damit nicht verbunden. In solchen Fällen ist auf die Prüfung der Kausalität vielmehr besonderes Augenmerk zu richten, weil nachträgliche Kostenvereinbarungen eher als vorherige dem Verdacht ausgesetzt sind, in unzulässiger Weise einen Nachholbedarf zu decken bzw. nachträgliche Deckungslücken zu schließen oder ein finanzielles Polster für andere, gegenwärtig noch nicht absehbare Planungen zu schaffen. Die Zulässigkeit der Beteiligung an bereits entstandenen Kosten und sonstigen Aufwendungen ist nicht davon abhängig, dass die Gemeinde die Ausgaben aus Anlass des vom Vertragspartner geplanten Vorhabens getätigt hat. Wer Vertragspartner der Gemeinde wird und welches konkrete Vorhaben dieser realisieren will, wird zum Zeitpunkt der gemeindlichen Investition häufig nicht feststehen. Notwendig ist aber, dass die Gemeinde vor Durchführung der städtebaulichen Maßnahme die Entscheidung trifft, die Maßnahme auch etwaigen späteren Vorhaben zuzuordnen und deren Träger an der Refinanzierung zu beteiligen. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Nach den tatrichterlichen, den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen der Vorinstanz hat sich die Beklagte im Jahr 1998 entschieden, eine weitere Nutzungsverdichtung im Gewerbegebiet Eching-Ost nur bei einem zusätzlichen, von den interessierten Grundstückseigentümern mit zu finanzierenden Anschluss an die A 92 zuzulassen; von dieser Entscheidung sind auch die Vorhaben der Kläger erfasst (UA Rn. 5, 45).

25

Ausführungen zu den Gesichtspunkten, die die Kläger in ihrer Revisionserwiderung angesprochen haben, sind nicht veranlasst, weil der Senat ihre Entscheidungserheblichkeit nicht erkennen kann.