Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 02.05.2018


BVerwG 02.05.2018 - 4 BN 7/18

Festlegung der Kubatur eines Vorhabens im Vorhaben- und Erschließungsplan


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
02.05.2018
Aktenzeichen:
4 BN 7/18
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:020518B4BN7.18.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 15. November 2017, Az: 7 D 55/16.NE, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Im Vorhaben- und Erschließungsplan zu einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan muss die Kubatur des im Durchführungsvertrag vereinbarten Vorhabens im Wesentlichen festgelegt sein.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

2

Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>).

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1. Die Beigeladene möchte grundsätzlich klären lassen,

ob § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB so auszulegen ist, dass ein wirksamer vorhabenbezogener Bebauungsplan notwendigerweise die Kubatur im wesentlichen Umfang zu erkennen gibt.

4

Sie kritisiert die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts, "dass sich aus dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Kubatur (des Vorhabens) in wesentlicher Hinsicht ergeben müsse" (Beschwerdebegründung S. 2 f.), und macht sich dafür stark, dass "bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan lediglich die Höchstmaße festgesetzt werden müssen" (Beschwerdebegründung S. 3).

5

Damit im Zusammenhang steht die weitere Frage,

ob § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB so ausgelegt werden kann, dass vorhabenbezogene Bebauungspläne mit Darstellung der überbaubaren Grundstücksfläche, durch Baugrenzen sowie durch Festsetzungen zur Geschossigkeit, Bauweise und Höhenfestsetzungen ausreichend bestimmt sind.

6

Beide Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision, weil sie an dem Inhalt des angefochtenen Urteils vorbeigehen und in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig wären. Das Oberverwaltungsgericht hat weder verlangt, dass die Kubatur eines Vorhabens - jedenfalls in wesentlicher Hinsicht - im vorhabenbezogenen Bebauungsplan festgelegt werden muss, noch hat es sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 67468/03 zum Maß der baulichen Nutzung zu unbestimmt sind. Vielmehr hat es bemängelt, dass die Kubatur des in Aussicht genommenen Vorhabens im Vorhaben- und Erschließungsplan nicht konkret genug umrissen worden ist (UA S. 10 f.). Zwar sind der angefochtene Bebauungsplan und der Vorhaben- und Erschließungsplan inhaltlich identisch, weil sie beide in einer Urkunde zusammengefasst sind, weshalb die vorinstanzliche Kritik an der mangelnden Bestimmtheit des Vorhaben- und Erschließungsplans in gleicher Weise auch den vorhabenbezogenen Bebauungsplan trifft (UA S. 11). Rechtlich ist jedoch zwischen Vorhaben- und Erschließungsplan und vorhabenbezogenem Bebauungsplan zu unterscheiden. Das schließt die Möglichkeit ein, dass im Einzelfall die Beschreibung des beabsichtigten Vorhabens im Vorhaben- und Erschließungsplan in ihrer Detailliertheit über die abstrakte Plandarstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans hinausgehen muss (vgl. Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2017, § 12 Rn. 78; Spieß, in: Jäde/Dirnberger, BauGB/BauNVO, 8. Aufl. 2017, § 12 BauGB Rn. 8.). Die Differenzierung zwischen den beiden Plänen, die auch dem angefochtenen Urteil zugrunde liegt, hat die Beigeladene nicht nachvollzogen.

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Die Revision ist aber auch dann nicht zuzulassen, wenn zu Gunsten der Beigeladenen unterstellt wird, sie wolle grundsätzlich geklärt wissen, ob in einem Vorhaben- und Erschließungsplan die Kubatur eines Vorhabens jedenfalls in ihrem wesentlichen Umfang festgelegt werden muss. Die Frage ist zu bejahen, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Im Vorhaben- und Erschließungsplan, der Gegenstand des Durchführungsvertrags ist, wird nicht etwa allgemein irgendeine Bebauung des Plangebiets, sondern die Errichtung eines oder mehrerer konkreter Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB geregelt (BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 - 4 CN 3.02 - BVerwGE 119, 45 <52>). Zu konkretisieren ist nicht nur die Art der baulichen Nutzung, wobei das festgelegte Vorhaben von vornherein eine gewisse Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten umfasst (BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 a.a.O.), sondern, ebenfalls mit (begrenzten) Spielräumen, auch das Maß der baulichen Nutzung (Schiller, in: Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 8. Aufl. 2014, Rn. 1003; Busse, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, Stand 1. Mai 2018, § 12 Rn. 17). Entgegen der Ansicht der Beschwerde genügt es jedenfalls nicht stets, nur Höchstmaße festzusetzen. Auch eine Unterschreitung der festgesetzten Maßfaktoren ist in den Blick zu nehmen. Ist sie in einem Umfang möglich, der die Identität des vereinbarten Vorhabens in Frage stellt und die durch den Vorhabenbegriff begrenzte Variationsbreite verlässt, bedarf es daher zusätzlich der Festsetzung von Mindestmaßen (Oerder, BauR 2009, 744 <751 f.>), denn es gilt zu vermeiden, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan ein anderes Vorhaben zulässt, als es im Durchführungsvertrag in Verbindung mit dem Vorhaben- und Erschließungsplan vereinbart worden ist (BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 a.a.O.; Funke, BauR 2004, 1882 <1887>). Wann ein Vorhaben gegenüber dem vereinbarten ein "aliud" ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls und entzieht sich grundsätzlicher Klärung.

8

Eine Beschränkung des Maßes der zulässigen Nutzung nach "unten" ist nicht deshalb entbehrlich, weil die Nachbarschaft nach Einschätzung der Beigeladenen nur daran interessiert ist, zu erfahren, mit welchen maximalen baulichen Nutzungsmaßen sie konfrontiert werde. Denn eine Konkretisierung des Vorhabens liegt im allgemeinen städtebaulichen Interesse. Auf eine Beschränkung des Maßes der zulässigen Nutzung nach "unten" kann entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch nicht deshalb verzichtet werden, weil davon ausgegangen werden könne, dass ein Vorhabenträger festgesetzte Baugrenzen schon im Eigeninteresse ausschöpfen und nicht wesentlich dahinter zurückbleiben werde. Das Oberverwaltungsgericht hat weder festgestellt, noch ist es allgemeinkundig, dass sich Vorhabenträger so verhalten, wie von der Antragsgegnerin behauptet.

9

2. Die Frage,

ob bei der Festsetzung von Höchstgrenzen im Bebauungsplan der Durchführungsvertrag zur Bestimmung der konkreten Kubatur herangezogen werden kann,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie im Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre. Das Oberverwaltungsgericht hat sie zwar verneint, "im Übrigen" aber auch festgestellt, dass der Durchführungsvertrag gegenüber dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan und dem mit diesem Plan in einer Urkunde zusammengefassten Vorhaben- und Erschließungsplan das Vorhaben nicht weiter konkretisiert (UA S. 12). Hieran wäre der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.