Entscheidungsdatum: 18.03.2015
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
I
Der Antragsteller wendet sich gegen einen im April 2008 öffentlich bekannt gemachten Bebauungsplan sowie einen im November 2009 bekannt gemachten Änderungsbebauungsplan.
Er erhob am 6. Mai 2013 beim Verwaltungsgericht Klage gegen einen Widerspruchsbescheid betreffend eine Bauvoranfrage "sowie den diesem zugrunde liegenden Bebauungsplan" Nr. 314/1 und den "vorhergehenden Bebauungsplan" Nr. 314 der Antragsgegnerin. Er beantrage - unter anderem -, die Nichtigkeit dieser Bebauungspläne festzustellen. Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2013 beantragte er hilfsweise, "den Bebauungsplan Fstraße/Schstraße - 1. Änderung zur Normenkontrolle an das Oberverwaltungsgericht zu verweisen". Am 31. Juli 2013 trennte das Verwaltungsgericht das Verfahren ab, soweit es die Feststellung der Nichtigkeit beider Bebauungspläne betraf. Nach Anhörung der Beteiligten erklärte sich das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. September 2013 für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof.
Auf Nachfrage der dortigen Berichterstatterin lehnte es der Berichterstatter des Verwaltungsgerichts ab, den Abtrennungs- oder den Verweisungsbeschluss zu ändern. Die Berichterstatterin des Verwaltungsgerichtshofs wies die Beteiligten mit Schreiben vom 26. November 2013 darauf hin, dass ein Normenkontrollantrag nicht - wie die ursprüngliche Klage - gegen die Baugenehmigungsbehörde, sondern nur gegen die Gemeinde gerichtet werden könne. Der Antragsteller teilte unter dem 6. Dezember 2013 mit, er sei daran interessiert, das Normenkontrollverfahren gegen die Antragsgegnerin fortzuführen. In der mündlichen Verhandlung beantragte er die Vorlage einer Frage an den Europäischen Gerichtshof und hierzu hilfsweise, beide Bebauungspläne der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären. Der Verwaltungsgerichtshof legte dem Europäischen Gerichtshof keine Frage vor und lehnte den Normenkontrollantrag ab. Weder die Klageerhebung noch die Verweisung wahrten die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
II
Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.
1. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
a) Die Beschwerde meint, der Verwaltungsgerichtshof habe § 47 Abs. 2 VwGO vorliegend nicht anwenden dürfen.
Die Bindungswirkung des § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG sei entfallen, weil das Verwaltungsgericht bei der Verweisung in schwerwiegender Weise gegen §§ 86, 88 VwGO verstoßen habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe daher den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht zurückverweisen müssen.
Dieser Vorwurf geht fehl. Der Antragsteller hat das Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof als Normenkontrollverfahren geführt und damit die - jedenfalls vertretbare - prozessuale Sicht des Verwaltungsgerichts bestätigt. Hieran muss er sich festhalten lassen. Für die Normenkontrollanträge war der Verwaltungsgerichtshof zuständig (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), der die Sachentscheidungsvoraussetzung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu prüfen hatte. Der Fall einer zu Unrecht erfolgten Verweisung, zu dem sich die angeführten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 1967 (4 C 216.65 - BVerwGE 27, 170 <173>) und vom 24. April 1975 (8 A 1.73 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 15 S. 6) verhalten, lag nicht vor.
b) Der Antragsteller beanstandet zu Unrecht die Feststellung als aktenwidrig, er habe hilfsweise die Verweisung der Normenkontrollanträge beantragt. Er hat einen solchen Antrag mit Schriftsatz vom 3. Juli 2013 in einem handschriftlich angebrachten Zusatz gestellt (Bl. 56 der Gerichtsakte). Dass dieser nur den Änderungsbebauungsplan zum Gegenstand hatte, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn der Antragsteller hat das Verfahren auch in der Folge gegen beide Bebauungspläne geführt.
c) Der Antragsteller sieht das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG als verletzt an, weil der Verwaltungsgerichtshof dem Europäischen Gerichtshof eine bestimmte Frage zur Auslegung des Unionsrechts nicht vorgelegt habe. Dies führt nicht auf einen Verfahrensfehler. Zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs ist ein Gericht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nur verpflichtet, wenn seine Entscheidung mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts nicht mehr angefochten werden kann. Dies ist hier nicht der Fall, weil die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision statthaft ist (BVerwG, Beschlüsse vom 22. Dezember 2004 - 10 B 21.04 - Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 8 S. 21 und vom 12. Oktober 2010 - 7 B 22.10 - juris Rn. 9). Warum hier ferner das Gebot rechtlichen Gehörs berührt sein soll, führt die Beschwerde nicht aus und vermag der Senat nicht zu erkennen.
2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
Das angegriffene Urteil weicht nicht von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April 1975 (8 A 1.73 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 15 S. 6) ab. Danach hat ein Gericht, das wegen der Bindungswirkung eines zu Unrecht ergangenen Verweisungsbeschlusses zu entscheiden hat, so zu entscheiden, wie das an sich zuständige Gericht ohne die Verweisung zu entscheiden hätte. Hiervon weicht der Verwaltungsgerichtshof schon deswegen nicht ab, weil er für die Normenkontrollanträge zuständig (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und die Verweisung damit nicht zu Unrecht erfolgt war.
3. Die Revision ist schließlich nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
a) Der Antragsteller misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei,
ob die Fristenregelungen in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO und § 215 Abs. 1 BauGB mit den Bestimmungen des Rechts der Europäischen Union, insbesondere mit Art. 3 der Richtlinie 2001/42/EG (Plan-UP-Richtlinie) vereinbar sind.
Dies führt nicht zur Zulassung der Revision. Eine Klärung durch eine höchstrichterliche Entscheidung in einem Revisionsverfahren ist nicht erforderlich, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt (BVerwG, Beschlüsse vom 24. August 1999 - 4 B 72.99 - BVerwGE 109, 268 <270> und vom 16. November 2004 - 4 B 71.04 - NVwZ 2005, 449 <450>).
Der Antragsteller macht unter Berufung auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 18. April 2013 (C-463/11 - Rn. 43 f.) geltend, dass § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO außer Anwendung bleiben müsse, wenn anderenfalls Bestimmungen des Unionsrechts, hier: Art. 3 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197 S. 30 - Plan-UP-RL) verletzt würden. Diese Rechtsauffassung trifft nicht zu. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es bei Fehlen unionsrechtlicher Vorschriften Aufgabe der innerstaatlichen Rechtsordnung, die Verfahrensmodalitäten der Rechtsbehelfe zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Diese Modalitäten dürfen nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die entsprechenden innerstaatlichen Rechtsbehelfe (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (stRspr, vgl. etwa EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - C 115/09 [ECLI:EU:C:2011:289] - Rn. 43; im Übrigen etwa Dörr, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, EVR Rn. 241; Gärditz, JuS 2009, 385 <391>). Weder legt die Beschwerde dar noch ist sonst ersichtlich, warum die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO diese Anforderungen verfehlen könnte, zumal sie die Möglichkeit einer inzidenten Prüfung nicht berührt.
Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 18. April 2013 (C-463/11) folgt nichts Anderes. Die Befristung eines Rechtsbehelfs wie der Normenkontrolle ist nicht mit einer Regelung vergleichbar, die - wie § 214 Abs. 2a BauGB - bestimmte Rechtsverstöße für unbeachtlich erklärt. Welchen Klärungsbedarf die Beschwerde zu dem im angegriffenen Urteil nicht angesprochenen § 215 Abs. 1 BauGB sieht, legt sie nicht dar.
b) Ferner führt auch die Frage,
ob die Umdeutung einer vor dem Verwaltungsgericht erhobenen Klage gegen die Ablehnung eines Bauvorbescheides (oder einer Baugenehmigung) in einen Normenkontrollantrag zum Zwecke der Verweisung an das Normenkontrollgericht überhaupt zulässig ist,
nicht zur Zulassung der Revision. Sie wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Der Verweisungsbeschluss und das ihm zugrunde liegende Verständnis des klägerischen Antrags ist nach § 83 Satz 2 VwGO unanfechtbar und könnte daher nicht Gegenstand revisionsgerichtlicher Überprüfung sein. Hiervon unabhängig wird die Frage einer Umdeutung nicht aufgerufen, weil der Antragsteller das Verfahren als Normenkontrollverfahren geführt hat und weiterhin führt. Hieran muss er sich festhalten lassen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.