Entscheidungsdatum: 13.08.2010
1. Als Divergenzrüge i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, die hilfsweise als Grundsatzrüge erhoben wird, macht die Beschwerde geltend, das Normenkontrollgericht sei in Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 6 FFH-RL davon ausgegangen, dass an die Ermittlungstiefe bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung im Rahmen der Bauleitplanung geringere Anforderungen zu stellen seien als an die Verträglichkeitsprüfung für Projekte. Das Normenkontrollgericht weiche auch insofern ab, als es die gerichtliche Kontrolle (auch) bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung bei in Bezug genommenen Einschätzungen von Fachbehörden auf eine bloße "Vertretbarkeit" hin reduziere.
1.1 Die behauptete Divergenzrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Zwar leitet die Beschwerde mehrere Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil ab, die sie der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17. Januar 2007 - BVerwG 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1) gegenüberstellt. Die von der Beschwerde aufgestellten Rechtssätze lassen sich dem Urteil jedoch nicht entnehmen; sie verfehlen den rechtlichen Ansatz des Normenkontrollgerichts.
Das Normenkontrollgericht hat zu § 34 Abs. 2 BNatSchG, der Art. 6 Abs. 3 FFH-RL umsetzt und gemäß § 1 a Abs. 4 BauGB auf die Bauleitplanung anzuwenden ist, ausgeführt, dass im Planaufstellungsverfahren der Schutz von FFH-Gebieten bzw. streng geschützten Arten umfassend geprüft worden sei (UA S. 4, 24) und nach einer Bewertung des Landesamtes für Natur und Umwelt (LANU) davon ausgegangen werden könne, dass die Planung für das direkt an das Plangebiet angrenzende FFH-Gebiet "Obere Schwentine" keine negativen Auswirkungen haben werde. Die im angegriffenen Bebauungsplan zugelassenen Nutzungen führten zu keiner erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele oder Schutzzwecke des benachbarten FFH-Gebiets (UA S. 24 - 26, 48). Mit diesen Ausführungen fasst das Normenkontrollgericht das Ergebnis der Vorprüfung zusammen, die der eigentlichen Verträglichkeitsprüfung vorgeschaltet ist, und attestiert der Antragsgegnerin damit, dass sie keinen Anlass hatte, eine FFH-Verträglichkeitsuntersuchung durchzuführen. Sind erhebliche Beeinträchtigungen des Schutzgebietes schon nach einer Vorprüfung "offensichtlich" ausgeschlossen, erübrigt sich nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL eine Verträglichkeitsprüfung. Die FFH-Vorprüfung beschränkt sich auf die Frage, ob "nach Lage der Dinge ernsthaft die Besorgnis nachteiliger Auswirkungen" besteht (Beschluss vom 26. November 2007 - BVerwG 4 BN 46.07 - Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 29 S. 91; Urteil vom 17. Januar 2007 a.a.O. Rn. 60). Rechtssätze zur Ermittlungstiefe bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung hat das Normenkontrollgericht nicht aufgestellt.
1.2 Auch soweit die Beschwerde hilfsweise als Grundsatzrüge sinngemäß danach fragt, ob bei der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung in der Bauleitplanung der gleiche Maßstab anzulegen sei wie an die Planfeststellung, unterscheidet sie nicht hinreichend zwischen der FFH-Vorprüfung und der eigentlichen FFH-Verträglichkeitsprüfung und überträgt die rechtlichen Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Januar 2007 an die FFH-Verträglichkeitsprüfung stellt (a.a.O. Rn. 61 f. - "beste einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse"), auf die Vorprüfung. Abgesehen davon hat das Normenkontrollgericht bei der Prüfung des naturschutzrechtlichen Habitatschutzes in der Bauleitplanung keinen abweichenden Maßstab gegenüber der Prüfung im Rahmen einer Planfeststellung angewandt.
2. Die Frage, ob nach dem Satzungsbeschluss gewonnene, zusätzliche bzw. neuere Erkenntnisse zur FFH-Verträglichkeit in der gerichtlichen Prüfung berücksichtigt werden dürfen, hält die Beschwerde für klärungsbedürftig, weil das Normenkontrollgericht die naturschutzrechtliche Prüfung "im Ergebnis" als zutreffend erachtet und dabei mehrfach auf neuere Untersuchungen zurückgegriffen habe (Beschwerdebegründung S. 18). Die Beschwerde geht jedoch auch mit dieser Frage an den Feststellungen des Normenkontrollgerichts vorbei.
Unabhängig davon, dass es nach dem Ergebnis der Vorprüfung keiner FFH-Verträglichkeitsuntersuchung bedurfte, ist das Normenkontrollgericht nicht davon ausgegangen, dass es Ermittlungs- und Bewertungsdefizite - bei der Vorprüfung - gegeben habe, die durch nachträgliche Untersuchungen im Sinne der von der Beschwerde zitierten Rechtsprechung (Beschwerdebegründung S. 19) "aufgefangen" worden seien. Schon aus diesem Grund erweist sich die aufgeworfene Frage als nicht entscheidungserheblich. Der von der Beschwerde zitierte Rechtssatz des Normenkontrollgerichts auf Seite 23 bezieht sich (nur) darauf, dass "ohne 'Zeitschranke' ... die Frage von artenschutzrechtlichen Vollzugshindernissen (s.o.) weiter 'unter Kontrolle' gehalten werden musste" (UA S. 38). Hierzu verhält sich die Beschwerde nicht.
Abgesehen davon stellt das Normenkontrollgericht ausdrücklich fest, dass die bis zum Satzungsbeschluss zusammengestellten Abwägungsgrundlagen für eine ordnungsgemäße Abwägung der natur-, habitat- und artenschutzrechtlichen Fragen ausreichend waren (UA S. 37). In diesem Zusammenhang nimmt es nachträgliche Untersuchungen nur zum Anlass, um zu prüfen, ob die Abwägungsgrundlagen defizitär sein könnten (UA S. 35, 36). Das gilt auch für die von der Beschwerde in Bezug genommen Ausführungen auf Seite 27, die die Frage betreffen, ob das Plangebiet selbst ein potentielles FFH-Gebiet darstellen könnte und eine Gebietsmeldung aus fachfremden Erwägungen unterblieben sei.
3. Auch die zwei Grundsatzrügen zum Artenschutzrecht führen nicht zur Zulassung der Revision.
3.1 Die als klärungsbedürftig aufgeworfene Frage nach der Anwendbarkeit der den Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2002 geändert durch Gesetz vom 12. Dezember 2007 (BGBl I S. 2873) einschränkenden Vorschriften des § 42 Abs. 5 Satz 2 und 3 BNatSchG 2002 und deren Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-RL, ist nicht entscheidungserheblich.
Das Normenkontrollgericht hat zwar - insoweit missverständlich - der artenschutzrechtlichen Prüfung den Obersatz vorangestellt, der Verbotstatbestand nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2002 stehe der Vollzugsfähigkeit des angegriffenen Bebauungsplans nicht entgegen, weil die Voraussetzungen einer Befreiung gemäß § 62 BNatSchG 2002 oder des § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG 2002 vorlägen (UA S. 31). Es prüft dann aber nicht, ob bereits die Verwirklichung des Verbotstatbestands gemäß § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG ausgeschlossen sein könnte, sondern hebt darauf ab, dass der Antragsgegnerin von der Oberen Naturschutzbehörde (LANU) eine Befreiung in Aussicht gestellt worden ist, die dem Beigeladenen auch tatsächlich bereits erteilt worden sei. Maßgeblich ist nach Auffassung des Normenkontrollgerichts nur, ob überhaupt eine Befreiung erteilt worden ist (UA S. 31 f.). Im Anschluss daran prüft das Gericht, ob gleichwohl ("wäre allenfalls") ein "absolutes Planungshindernis" vorliegen könnte (UA S. 32). Diese Prüfung zielt erkennbar auf die Frage, ob die geschützten Fledermäuse in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Befreiung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen können (§ 62 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG 2002 i.V.m. Art. 16 Abs. 1 FFH-RL). Dass der Verbotstabestand gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG 2002 erfüllt ist, stellt das Normenkontrollgericht auch an dieser Stelle nicht in Frage. Es zieht lediglich - wie der Hinweis "vgl." deutlich macht - den Grundgedanken des § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG 2002 heran, um deutlich zu machen, dass es zur Beurteilung, ob die Art in ihrem Bestand, d.h. als lebensfähiges Element in einem günstigen Erhaltungszustand erhalten bleibt, nicht genügt, auf die Möglichkeit zu verweisen, dass die betroffenen Arten auf andere Landschaftsteile ausweichen oder dass Ausgleichshabitate geschaffen werden können, wenn die betroffene Art gerade auf diese Stätte "speziell" angewiesen ist (UA S. 32). Vor diesem Hintergrund stellt sich die von der Beschwerde aufgeworfene Frage der Gemeinschaftskonformität des § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG 2002 nicht. Unabhängig davon beruht die Beschwerde auf der Annahme, dass sich der vorliegende Fall von den der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegenden Fallkonstellationen unterscheide, weil es nicht lediglich um wechselnde Ruhestätten, sondern um die in Schleswig-Holstein bedeutendsten Wochenstuben der Fledermäuse handele (Beschwerdebegründung S. 28). Eine solche Feststellung hat das Normenkontrollgericht indes nicht getroffen.
3.2 Die Frage,
ob sich die Verbotsvorschriften des besonderen Artenschutzrechts bauplanungsrechtlich nur und erst dann als Planungshindernis auswirken, wenn eine geschützte und betroffene Art in ihrem Bestand oder in ihrer Entwicklung auf ein bestimmtes Gebiet - speziell - angewiesen ist,
stellt sich in dieser Allgemeinheit nicht und beruht zudem wiederum auf Prämissen, die das Normenkontrollgericht seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt hat.
Das Normenkontrollgericht ist nicht davon ausgegangen, dass ein Planungshindernis "nur und erst dann" unter den in der Frage umschriebenen Voraussetzungen anzunehmen ist. Es stellt nicht in Abrede, dass die Verbotsvorschriften des besonderen Artenschutzrechts grundsätzlich ein Planungshindernis im Rahmen der Bauleitplanung darstellen können, sondern geht nur davon aus, dass im vorliegenden Fall kein Planungshindernis vorliegt, weil eine Befreiung gemäß § 62 BNatSchG 2002 erteilt worden ist.
4. Mit der Frage,
ob die zuständige Behörde eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach den §§ 5, 6 BImSchG mit Auflagen zum Lärmschutz versehen darf, die über die Anforderungen der TA-Lärm hinausgehen, wenn die entsprechenden Beschränkungen nicht in den Festsetzungen des Bebauungsplans vorgegeben, sondern als Betriebsszenarien lediglich der Begründung des Bebauungsplans zugrunde gelegt worden sind,
macht die Beschwerde geltend, die Voraussetzungen für einen zulässigen Konflikttransfer seien nicht gegeben, weil im Bebauungsplan Festsetzungen von Betriebsbeschränkungen fehlten und die Antragsgegnerin aufgrund defizitärer Ermächtigungsgrundlagen des Immissionsschutzrechts auch nicht habe davon ausgehen können, dass auf der Ebene der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung eine mit ihren Abwägungsgrundlagen im Einklang stehende Entscheidung erfolgen würde.
Das Normenkontrollgericht ist indes nicht davon ausgegangen, dass die immissionsschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen defizitär seien, sondern ist der Auffassung, der Rechtmäßigkeit der Abwägung stehe nicht entgegen, dass nicht alle Abwägungsgrundlagen "kongruent" in planerische Festsetzungen eingemündet seien (UA S. 49). Dass die Gemeinde von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan Abstand nehmen darf, wenn bei vorausschauender Betrachtung die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. nur Beschluss vom 15. Oktober 2009 - BVerwG 4 BN 53.09 - juris Rn. 5 m.w.N.). Die Frage, unter welchen Umständen der Schluss auf eine hinreichend verfestigte Planung gerechtfertigt erscheint, beurteilt sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalles und entzieht sich einer abstrakten Klärung (Beschluss vom 14. Juli 1994 - BVerwG 4 NB 25.94 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 75, S. 12). Die Beschwerde beschränkt sich der Sache nach auf einen Angriff auf die Auffassung des Normenkontrollgerichts, das davon ausgeht, dass eine Regelung der Details zum Lärmschutz im Genehmigungsverfahren - wie auch die zwischenzeitlich erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung belegt - gewährleistet sei. Dass es - wie die Beschwerde offensichtlich meint - zur Bewältigung der Lärmschutzproblematik die Anforderungen der TA-Lärm übersteigender Lärmschutzmaßnahmen bedarf (Beschwerdebegründung S. 34), hat das Normenkontrollgericht nicht angenommen. Auf die von der Beschwerde bemühte Auslegung des § 6 Abs. 1 BImSchG kommt es auch aus diesem Grund nicht an.
5. Da die Beschwerde aus den dargelegten Gründen zurückzuweisen war, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob - wie der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin und des Beigeladenen vorträgt - die von Amts wegen zu prüfenden Zulässigkeitsvoraussetzungen des Normenkontrollantrags entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts zu verneinen wären; denn selbst wenn dies zuträfe, bliebe die Beschwerde erfolglos, weil die angefochtene Entscheidung in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO jedenfalls im Ergebnis richtig wäre.