Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 24.05.2011


BVerwG 24.05.2011 - 4 BN 45/10

Umweltprüfung bei Raumordnungsplänen; zur Einrichtung von Lärmschutzbereichen; standortgenaue Vorgaben und Planungshoheit der Gemeinde


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
24.05.2011
Aktenzeichen:
4 BN 45/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OVG Lüneburg, 1. Juli 2010, Az: 1 KN 11/09, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 4 Abs 2 S 1 FluLärmSchutzVerbG
EGRL 42/2001

Gründe

1

Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.

2

1. Mit der als Grundsatzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufgeworfenen Frage, ob § 7 Abs. 5 Satz 2 ROG 2004 und § 5 Abs. 3 NROG 2007 unterschiedliche oder identische Vorgaben für den Inhalt eines Umweltberichts enthalten sowie der sich daran anschließenden Frage, welche der Vorschriften bei Feststellung unterschiedlicher Regelungsgehalte anzuwenden sei (Beschwerdebegründung S. 3 - 5), wird kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt.

3

Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Anforderungen an das Umweltprüfungsverfahren und den Umweltbericht in § 7 Abs. 5 und 6 ROG 2004 und in § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 2 und 3 NROG 2007 nicht in hier erheblicher Weise voneinander abweichen würden (UA S. 19). Die Auslegung des § 5 Abs. 3 NROG 2007 betrifft irrevisibles Landesrecht und ist der revisionsgerichtlichen Prüfung nicht zugänglich. Dass das Oberverwaltungsgericht mit seiner Auslegung des Landesrechts klärungsbedürftige Fragen des Bundesrechts aufwirft (vgl. zu dieser Anforderung Beschluss vom 7. März 1996 - BVerwG 6 B 11.96 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 7 m.w.N.), zeigt die Beschwerde nicht auf; sie trägt - im Zusammenhang mit einer weiteren Grundsatzrüge - lediglich vor, die inhaltlichen Vorgaben der landesrechtlichen Vorschrift blieben nicht hinter den Vorgaben des § 7 Abs. 5 Satz 2 ROG 2004 zurück, sondern gingen sogar darüber hinaus (Beschwerdebegründung S. 6).

4

2. Die vier Unterfragen umfassende Grundsatzrüge, mit der die Beschwerde den Detaillierungsgrad eines Umweltberichts geklärt wissen will, insbesondere ob ein Umweltbericht nur für Raumordnungspläne zu erstellen sei, die "rahmensetzenden Charakter" haben (Beschwerdebegründung S. 5 - 7), scheitert nicht schon daran, dass es sich bei § 7 Abs. 5 ROG 2004 um auslaufendes Recht handelt. Den Fragen kommt aber - ungeachtet den Darlegungsanforderungen und soweit sie nicht die Auslegung irrevisiblen Landesrechts betreffen (3. Unterfrage) - nicht die grundsätzliche Bedeutung zu, die ihr die Revision beimisst.

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Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits klargestellt hat (Beschluss vom 18. Januar 2011 - BVerwG 7 B 19.10 - NuR 2011, 284 Rn. 61 ff.), ist nach § 7 Abs. 5 ROG a.F. - in den von den Ländern zu schaffenden Rechtsgrundlagen - vorzusehen, dass bei der Aufstellung und Änderung von Raumordnungsplänen eine Umweltprüfung im Sinne der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme durchgeführt wird (Satz 1). In dem dabei gemäß den Kriterien des Anhangs 1 der Richtlinie zu erstellenden Umweltbericht sind die voraussichtlichen erheblichen Auswirkungen, die die Durchführung des Raumordnungsplans auf die Umwelt hat, sowie anderweitige Planungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der wesentlichen Zwecke des Raumordnungsplans zu ermitteln, zu beschreiben und zu bewerten (Satz 2). Auch nach § 9 ROG in der Fassung des Gesetzes zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes und zur Änderung anderer Vorschriften vom 22. Dezember 2008 (BGBl I 2986) sind die voraussichtlichen erheblichen Auswirkungen des Raumordnungsplans zu ermitteln (§ 9 Abs. 1 Satz 1 ROG 2008); die Umweltprüfung bezieht sich auf das, was nach gegenwärtigem Wissensstand und allgemein anerkannten Prüfmethoden sowie nach Inhalt und Detaillierungsgrad des Raumordnungsplans angemessenerweise verlangt werden kann (Satz 3). Des Weiteren ist im Hinblick auf Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2001/42/EG geklärt, dass es von den Umständen des Einzelfalls abhängt, welche Auswirkungen "vernünftigerweise" in den Umweltbericht aufgenommen werden müssen und als erheblich anzusehen sind (Beschluss vom 18. Januar 2011 a.a.O. Rn. 64).

6

An diesen Maßstäben hat sich das Oberverwaltungsgericht ersichtlich orientiert. Es hat zugrunde gelegt, dass in den Umweltbericht die voraussichtlichen erheblichen Auswirkungen der planerischen Festlegungen einzustellen sowie Planungsalternativen zu ermitteln, zu beschreiben und zu bewerten seien (UA S. 20). Ausdrücklich hebt das Oberverwaltungsgericht - wie mit der 2. Unterfrage gefragt wird - hervor, dass in den Umweltbericht sowohl negative wie positive Umweltauswirkungen einzustellen seien. Das Oberverwaltungsgericht hat - wie die Beschwerde selbst anmerkt - des Weiteren berücksichtigt, dass auch eine Negativplanung, die bestimmte Nutzungen in festgelegten Gebieten untersagt, Umweltauswirkungen haben kann (UA S. 21). Zu der Frage, welche Festlegungen im Einzelnen im Umweltbericht zu behandeln seien, hat es ausgeführt, dies gelte nur für Festlegungen, die von Bedeutung für spätere Zulassungsentscheidungen seien, wobei auch eine mittelbare Bedeutung ausreichend sein könne (UA S. 20). Ob - wie das Oberverwaltungsgericht daran anknüpfend weiter prüft - die Festsetzung eines Siedlungsbeschränkungsbereichs in diesem Sinne "rahmensetzende" Wirkungen hat, lässt sich nicht abstrakt-generell bestimmen, sondern hängt - wie zu Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2001/42/EG dargelegt - von den Umständen des Einzelfalls ab. Insofern stellt sich auch die lediglich pauschal formulierte Frage der Vereinbarkeit mit der Richtlinie 2001/42/EG (4. Unterfrage) nicht. Dass die Ermittlung bestimmter Umweltauswirkungen einer nachfolgenden Planungsebene oder einem nachfolgenden Zulassungsverfahren überlassen werden kann, ergibt sich aus der Kompetenzverteilung zwischen Raumordnung und Fachplanung (vgl. dazu nur BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 64, 155; BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2008 - 1 BvR 2389/06 - BVerfGK 13, 294, juris Rn. 19). Klärungsbedarf über diese Grundsätze hinaus zeigt die Beschwerde mit ihren Fragen nicht auf.

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3. Weder die Verfahrensrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO noch die damit verbundene Grundsatzrüge, mit denen sich die Beschwerde der Sache nach gegen die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts wendet, dass die Daten aus den strategischen Lärmkarten nicht zwingend für den Umweltbericht verwendet werden mussten (Beschwerdebegründung S. 7 - 10), rechtfertigen die Zulassung der Revision.

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3.1 Soweit die Beschwerde als Verfahrensfehler rügt, das Oberverwaltungsgericht habe mit der Einschätzung, dass die Werte aus den Lärmkarten keine neue Beurteilung erfordert hätten, eine Unterlage von beweiserheblicher Bedeutung ausgewertet, die nicht Verfahrensgegenstand gewesen sei (Beschwerdebegründung S. 8), zeigt sie nicht auf, dass das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruhen könnte.

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In tatsächlicher Hinsicht und damit für die revisionsgerichtliche Beurteilung bindend hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass im Umfeld des Flughafens großräumig erhebliche Lärmimmissionen vorhanden seien. Nach der für die Beurteilung eines Verfahrensfehlers maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung des Oberverwaltungsgerichts wäre eine Berücksichtigung der genauen Lärmwerte in dem späten Planaufstellungsstadium nur erforderlich gewesen, wenn diese Werte eine neue Beurteilung erfordert hätten. Die Beschwerde hätte daher im vorliegenden Verfahren darlegen müssen, dass die Lärmkarten Lärmwerte ausweisen, die gegenüber der im Umweltbericht zugrunde gelegten Lärmbelastung eine neue Beurteilung erfordert hätten. Soweit die Beschwerde geltend macht, die in der Lärmkarte dokumentierte tatsächliche Belastung des Gemeindegebiets sei höher als die "theoretische" Belastung, scheint die Beschwerde nicht zu bedenken, dass sich in diesem Fall auch der von ihr angegriffene Siedlungsbeschränkungsbereich vergrößern würde, so dass es - insoweit - auch an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit fehlt.

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3.2 Die Grundsatzrüge, mit der die Beschwerde fragt,

ob der Umweltbericht für ein Landesraumordnungsprogramm ... um Immissionskonflikte zu vermeiden, das Maß der voraussichtlichen erheblichen Auswirkungen neben theoretischen auch auf tatsächliche Grundlagen gestützt werden muss,

genügt ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde verzichtet darauf, sich mit der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts auseinander zu setzen und behauptet lediglich pauschal einen grundsätzlichen Klärungsbedarf. Hinsichtlich der weiteren (Unter-)Frage, in der eine landesrechtliche Norm zitiert wird (Beschwerdebegründung S. 9), zeigt die Beschwerde weder einen Bezug zu Bundesrecht auf, noch legt sie dar, dass das Oberverwaltungsgericht Anlass gehabt haben könnte, im Zusammenhang mit der Frage der Verwertung der Lärmkarten auf den Gesichtspunkt des "vernünftigerweise vertretbaren Aufwand(s)" einzugehen.

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4. Auch die vier Unterfragen umfassende Grundsatzrüge, mit der die Beschwerde Fragen zu den Anforderungen an die Begründung eines Raumordnungsplans aufwirft (Beschwerdebegründung S. 10 - 13), bleibt erfolglos.

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4.1 Die Frage,

ob die amtliche Begründung eines Raumordnungsplans, die ausschließlich in der unrichtigen Wiedergabe bundesrechtlicher Regelungen besteht, die Anforderungen von § 7 Abs. 8 Satz 2 ROG 2004 erfüllt,

beruht auf Annahmen, von denen das Oberverwaltungsgericht nicht ausgegangen ist.

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Nach den Darlegungen des Oberverwaltungsgerichts enthält die Planbegründung zum LROP 2008 die Erläuterungen zu den einzelnen Festlegungen des Programms. Aus der vorliegenden Erläuterung zum LROP 2008 S. 77/78 sei eindeutig zu entnehmen, dass das entscheidende Motiv für die Festsetzung des Siedlungsbeschränkungsbereichs die Absicht einer vorsorgenden Planung gewesen sei (UA S. 25). Bei Lektüre der Planbegründung werde deutlich, dass der raumordnerische Vorsorgegedanke in Bezug auf Lärm- und Flughafenschutz den Plangeber dazu veranlasst habe, über die Grenzwerte des Fluglärmschutzgesetzes hinauszugehen und eine 55 dB(A)-Isophone festzulegen. Damit sei das zentrale Motiv der Abwägung in diesem Punkt benannt (UA S. 25). Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, dass sich die Begründung "ausschließlich in der unrichtigen Wiedergabe bundesrechtlicher Regelungen" erschöpft.

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4.2 Die zweite Frage, mit der sich die Beschwerde der Sache nach gegen die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts wendet, dass die Unvollständigkeit der Begründung gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 NROG 2007 für die Wirksamkeit der angegriffenen Norm unbeachtlich sei, wird nicht dadurch zu einer Frage des Bundesrechts, dass die Beschwerde als bundesrechtliche Norm § 10 Abs. 2 Nr. 1 ROG zitiert. Im Übrigen beruht auch diese Frage auf der Annahme, die Begründung beschränke sich auf die unrichtige Wiedergabe bundesrechtlicher Regelungen.

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4.3 Mit der dritten Frage, mit der die Beschwerde geklärt wissen will, ob an die Begründung eines Raumordnungsplans geringere Anforderungen zu stellen seien als an die Begründung eines Bauleitplans, zeigt die Beschwerde keinen Klärungsbedarf auf.

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Das Oberverwaltungsgericht ist der Auffassung, die Begründungspflicht für Raumordnungspläne gehe nicht soweit, dass jede einzelne Festlegung, in der ein raumordnerisches Konzept zum Ausdruck gelange, so intensiv begründet werden müsse, wie ein gesamter Bebauungsplan mit einem einheitlichen Konzept. Eine vollständige Darstellung der Motivation des Planungsträgers zu jedem Teilkonzept des Raumordnungsplans sei nicht erforderlich (UA S. 24). Mit dieser Auffassung setzt sich die Beschwerde nicht auseinander, sondern beschränkt sich auf den Vorwurf, dass die Begründung nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Damit wird kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt.

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4.4 Die vierte Frage, mit der die Beschwerde darauf abhebt, ob bei der verfahrensrechtlichen Kontrolle der Planbegründung zusätzlich auch andere Unterlagen aus dem Planaufstellungsverfahren herangezogen werden dürfen, die in der amtlichen Begründung nicht erwähnt werden, beruht wiederum auf Annahmen, von denen das Oberverwaltungsgericht nicht ausgegangen ist.

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Unabhängig davon, dass die Beschwerde nicht darlegt, um welche "andere(n) Unterlagen aus dem Planaufstellungsverfahren" es sich handeln soll, verkennt sie, dass die Planbegründung, die das Oberverwaltungsgericht im Einzelnen gewürdigt hat, sich nicht - wie sie meint - allein auf den zweiten Absatz der im Tatbestand auf Seite 13 zitierten Erläuterungen beschränkt. Der Sache nach wiederholt sie lediglich ihren Vorwurf, die Begründung genüge entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht den gesetzlichen Anforderungen.

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5. Die Grundsatzrüge, mit der die Beschwerde - mit mehreren Unterfragen - geklärt wissen will, ob auf der Grundlage des Raumordnungsrechts Siedlungsbeschränkungen abweichend von den Vorgaben des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (Fluglärmschutzgesetz - FLärmSchG -) als verbindliches raumordnungsrechtliches Ziel festlegt werden dürfen (Beschwerdebegründung S. 13 - 17), sowie die in diesem Zusammenhang erhobene Divergenzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (Beschwerdebegründung S. 17) rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

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5.1 Es bedarf nicht erst der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um die Frage, ob der Plangeber einen vom Lärmschutzbereich nach Fluglärmschutzgesetz abweichenden Siedlungsbeschränkungsbereich festlegen durfte, zu beantworten. Die Frage lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres mit dem Oberverwaltungsgericht bejahen.

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Siedlungsbeschränkungszonen sind Instrumente der raumordnerischen Vorsorge und Konfliktvermeidung. Sie sollen ein Heranrücken neuer Siedlungsbereiche oder sonstiger lärmempfindlicher Nutzungen an lärmintensive Infrastrukturvorhaben verhindern und damit einer Zuspitzung der Konfliktsituation frühzeitig entgegenwirken. Sie richten sich an die kommunale Bauleitplanung und erzeugen städtebauliche Bindungen. Raumordnerische Planungszonen zur Siedlungsbeschränkung unterscheiden sich daher deutlich von Maßnahmen des Lärmschutzes, die sich an den Träger der Infrastrukturanlage richten, die Einhaltung verfassungs- und fachplanungsrechtlicher Zumutbarkeitsgrenzen sichern sollen und im Kern ordnungsrechtlicher Natur sind (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1001.04 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 145 Rn. 179).

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Diese Grundsätze haben auch nach Erlass des Fluglärmschutzgesetzes Geltung. Mit der Festlegung der Grenzwerte in § 2 Abs. 2 Satz 2 FLärmSchG hat der Gesetzgeber die abstrakt-generelle Frage nach der fachplanerischen Zumutbarkeit von Fluglärm entschieden. Die Lärmgrenzwerte, die das Fluglärmschutzgesetz für die Einrichtung von Lärmschutzbereichen festlegt, sind nunmehr in den luftverkehrsrechtlichen Zulassungsverfahren zu beachten (Beschlüsse vom 13. September 2007 - BVerwG 4 A 1007.07 u.a. - insoweit nicht veröffentlicht in: Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 68 , juris Rn. 29 und vom 11. Dezember 2007 - BVerwG 4 A 3001.07 - juris Rn. 29). Die in § 2 Abs. 2 FLärmSchG bestimmten Grenzwerte markieren die Schwelle, ab der Belastungen durch Fluglärm infolge des Baus oder der Erweiterung eines Flughafens nach § 9 Abs. 2 LuftVG nicht ohne Schutzvorkehrungen oder Entschädigungen hingenommen werden müssen. Sie sind damit Grundlage für Schallschutzmaßnahmen und Entschädigung, begründen jedoch keine verbindlichen Vorgaben für die Raumordnung (vgl. auch Reidt/Fellenberg, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, 5.1. Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm, Stand April 2008, § 1 Rn. 3 sowie Reidt/Schiller, in: a.a.O. § 13 Rn. 32). Das Fluglärmschutzgesetz ist - wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - insoweit nicht abschließend. Die Festsetzung der Lärmschutzbereiche durch die zuständige Behörde nach § 4 Abs. 2 Satz 1 FLärmSchG schließt Festlegungen raumordnungsrechtlicher Siedlungsbeschränkungen mit größerer räumlicher Reichweite als die nach dem Fluglärmschutzgesetz festgesetzten Lärmschutzbereiche durch den Träger der Raumordnung daher nicht aus. Das ergibt sich schon aus § 13 Abs. 2 FLärmSchG, wonach Vorschriften, die weitergehende Planungsmaßnahmen zulassen, unberührt bleiben (vgl. auch BTDrucks 16/3813, S. 19) und wird bestätigt durch § 14 FLärmSchG, der ausdrücklich nur für die Lärmaktionsplanung nach § 47d BImSchG die Verbindlichkeit der jeweils anwendbaren Werte des § 2 Abs. 2 FLärmSchG anordnet. Zutreffend weist das Oberverwaltungsgericht darauf hin, dass aus der Regelung des § 14 FLärmSchG geschlossen werden kann, dass die Werte des § 2 Abs. 2 FLärmSchG keine Verbindlichkeit für die Raumplanung haben, mithin der Träger der Raumordnung befugt ist, bei der Festlegung von Planungszonen zur Siedlungsbeschränkung die Werte des § 2 Abs. 2 FLärmSchG zu unterschreiten.

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Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass der Verwaltungsgerichtshof Kassel in der von der Beschwerde in Bezug genommenen Passage von einer Bindungswirkung des Fluglärmschutzgesetzes für die Raumordnung ausgegangen ist. Die Aussage, dass für die Festsetzung der Lärmschutzbereiche durch Rechtsverordnung der Landesregierung angesichts der strikten Formulierungen in § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 sowie in § 4 Abs. 3 und 4 FLärmSchG kein Spielraum bestehen dürfte, die Lärmgrenzwerte zu unterschreiten (VGH Kassel, Urteil vom 21. August 2009 - 11 C 227/08.T u.a. - juris Rn. 604 = UA S. 147), bezieht sich nur auf die Befugnisse der nach dem Fluglärmschutzgesetz zuständigen Behörden. Damit ist entgegen der Auffassung der Beschwerde keine Aussage zur Zulässigkeit und räumlichen Reichweite raumordnungsrechtlicher Siedlungsbeschränkungen verbunden. Soweit die Beschwerde auf die "Arbeitsteilung" zwischen Raumordnung (Landesplanung) und luftverkehrsrechtlicher Fachplanung verweist, wird nicht beachtet, dass das von der Beschwerde in Bezug genommene Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116 Rn. 69) - entgegen der Auffassung der Beschwerde - nicht die Aussage enthält, dass sich die Planungskompetenz der Raumordnung auf eine zielförmige Standortausweisung für Flughäfen beschränkt. Der Senat hat sich nur dazu verhalten, welche Rechtswirkungen zielförmige Standortausweisungen der Landesplanung haben und hierzu festgestellt, dass die Planfeststellungsbehörde das Ergebnis des landesplanerischen Standortvergleichs als solches hinzunehmen hat. Um einen solchen Standortvergleich geht es hier nicht. Hier geht es auch nicht allein um den Schutz der Bevölkerung vor Lärmbelastung im Bereich des Verkehrsflughafens, sondern - wie es im LROP 2008 in dem Abschnitt Ziffer 2 heißt (UA S. 3) - auch um die langfristige Sicherung der Funktions- und Entwicklungsfähigkeit des Vorrangstandortes "Verkehrsflughafen". Es ist gerade Aufgabe der Landesplanung, mit den Mitteln der Raumordnung künftige Siedlungsstrukturen durch Freiraumplanung zu steuern.

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5.2 Die unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - (BVerwGE 125, 116 Rn. 69 - 74) erhobene Divergenzrüge (Beschwerdebegründung S. 17) scheitert daran, dass die Beschwerde keinen Rechtssatzwiderspruch aufzeigt.

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Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz zu einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch tritt (Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712). Der Tatbestand der Divergenz muss in der Beschwerdebegründung nicht nur durch Angabe der Entscheidung des Gerichts, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Darlegung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze bezeichnet werden. Daran fehlt es hier. Die Beschwerde formuliert weder einen Rechtssatz aus der angegriffen Entscheidung noch einen davon abweichenden Rechtssatz aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, sondern verweist lediglich pauschal auf die in den genannten Randziffern enthaltenen "Grundsätze der arbeitsteiligen Aufgabenstruktur mehrerer Planungsträger" und macht geltend, das angefochtene Urteil beachte diese Grundsätze nicht.

26

6. Die Frage zur Abwägungserheblichkeit eines Eingriffs in die gemeindliche Planungshoheit, mit der die Beschwerde geltend macht, die Planungshoheit verlange eine Gewichtung, die auf die örtlichen Verhältnisse Rücksicht nehme (Beschwerdebegründung S. 17 - 20), entzieht sich grundsätzlicher Klärung; sie lässt sich nur bezogen auf die Umstände des Einzelfalls beantworten.

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7. Soweit die Beschwerde schließlich als Divergenzrüge eine Abweichung vom Beschluss des Senats vom 20. August 1992 - BVerwG 4 NB 20.91 - (BVerwGE 90, 329 <335>) geltend macht (Beschwerdebegründung S. 20 - 21), scheitert die Rüge wiederum an der nicht ordnungsgemäßen Darlegung eines Rechtssatzwiderspruchs.

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Abgesehen davon hat das Oberverwaltungsgericht nicht den Rechtssatz aufgestellt, "dass es dem freien planerischen Ermessen des Landesraumordnungsgebers überlassen sei, ob, wann und inwieweit er in die Planungshoheit der Gemeinde eingreift und die Planung an sich zieht" (Beschwerdebegründung S. 21). Soweit das Oberverwaltungsgericht auf der von der Beschwerde zitierten Seite 45 des angefochtenen Urteils darauf hinweist, "(v)ielmehr ist auch insoweit ein planerisches Ermessen anzuerkennen", steht diese Aussage im Zusammenhang mit der von ihm verneinten Frage, ob der Landesraumordnungsplangeber die Festlegung eines Siedlungsbeschränkungsbereichs der regionalen Raumordnung überlassen muss. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1001.04 - a.a.O. Rn. 174) zugrunde gelegt, dass das Abwägungsergebnis insbesondere dann unangemessen sein kann, wenn die Planungshoheit einer Gemeinde durch standortgenaue Vorgaben der Raumordnung beschränkt werde, ohne dass dafür überörtliche Interessen von höherem Gewicht vorliegen, und im Anschluss daran im Einzelnen begründet, dass es nicht zu beanstanden sei, dass der Raumordnungsplangeber den für den Umgang mit immissionsbedingten Nutzungskonflikten bekannten Trennungsgrundsatz im Einzelfall zu einer verbindlichen Regel aufwerte, wenn anders die Konflikte nicht vermeidbar seien (UA S. 44 f.). Der Sache nach wendet sich die Beschwerde letztlich nur im Gewande einer Divergenzrüge gegen die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts, dass die Abwägung nicht zu beanstanden sei.