Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 21.08.2018


BVerwG 21.08.2018 - 4 BN 44/17

Geltendmachung von Fehlern im Sinne des § 214 Abs. 2a BauGB gegenüber der Gemeinde


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
21.08.2018
Aktenzeichen:
4 BN 44/17
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:210818B4BN44.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 5. September 2017, Az: 2 N 16.1308, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 214 Abs 2a Nr 4 BauGB

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit sie überhaupt den Darlegungsanforderungen genügt, ist sie jedenfalls unbegründet.

2

I. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Einwand der Antragsteller, die angefochtene zweite Änderung des Bebauungsplans "Kotterner Straße-Nord" hätte nicht im beschleunigten Verfahren erlassen werden dürfen, denn gemäß § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB sei dieses Verfahren ausgeschlossen, wenn durch den Bebauungsplan - wie vorliegend - die Zulässigkeit von Vorhaben begründet werde, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterlägen, aus mehreren Gründen als unbegründet angesehen. Zum einen werde mit der Bebauungsplanänderung nicht die Zulässigkeit eines UVP-pflichtigen Vorhabens begründet (UA Rn. 19 - 26); zum anderen sei ein Verstoß gegen § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB auf jeden Fall gemäß § 215 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BauGB unbeachtlich geworden, weil er nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Bebauungsplanänderung schriftlich gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht worden sei (UA Rn. 27 f.).

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Ist die vorinstanzliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (stRspr; vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4). Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, dann kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (BVerwG, Beschluss vom 9. September 2009 - 4 BN 4.09 - ZfBR 2010, 67 = juris Rn. 5). Jedenfalls in Bezug auf die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, ein etwaiger Verstoß gegen § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB sei wegen Ablaufs der Jahresfrist (§ 215 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BauGB) unbeachtlich geworden, ist kein Zulassungsgrund dargelegt. Es kann daher offenbleiben, ob hinsichtlich der ersten Begründung ein Revisionszulassungsgrund dargelegt und gegeben ist.

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Nach Auffassung der Beschwerde beruht das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs auf einem Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Normenkontrollgericht habe den Antragstellern angelastet, den Verstoß gegen § 13a Abs. 1 Satz 4 BauGB nicht innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BauGB geltend gemacht zu haben, obwohl der Normenkontrollantrag innerhalb der Jahresfrist gestellt worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof hätte den § 167 ZPO entsprechend bei § 215 BauGB anwenden müssen. Das führt auf keinen Verfahrensfehler. Nach § 215 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BauGB werden beachtliche Fehler nach § 214 Abs. 2a BauGB unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind. In der Rechtsprechung des Senats ist zwar anerkannt, dass eine solche Rüge auch im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gegenüber der Gemeinde geltend gemacht werden kann. Die Frist des § 215 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BauGB wird jedoch nur gewahrt, wenn das Vorbringen rechtzeitig bei der Gemeinde eingegangen ist. Der Eingang bei Gericht genügt nicht (BVerwG, Urteile vom 14. Juni 2012 - 4 CN 5.10 - BVerwGE 143, 192 Rn. 27 und vom 14. März 2017 - 4 CN 3.16 - Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 20 Rn. 15). Aus den Verweisungen des § 173 Satz 1 VwGO auf die Zivilprozessordnung und des § 56 Abs. 2 VwGO auf die Vorschriften über die Zustellung folgt nichts anderes. Die Anwendbarkeit von § 167 ZPO scheidet hier schon deshalb aus, weil für die Berechnung der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 BauGB nicht auf Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung ("dieses Gesetz" im Sinne von § 173 Satz 1 VwGO), sondern auf Art. 31 BayVwVfG i.V.m. §§ 187 ff. BGB abzustellen ist (BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2012 - 4 CN 5.10 - BVerwGE 143, 192 Rn. 23). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist die zweite Änderung am 3. Juli 2015 ortsüblich bekannt gemacht worden. Der Normenkontrollantrag vom 1. Juli 2016, mit dem erstmals die Gesichtspunkte der Umweltprüfung und des beschleunigten Verfahrens vorgetragen wurden (UA Rn. 28), ging beim Normenkontrollgericht per Telefax am Freitag, den 1. Juli 2016, im Original am Montag, den 4. Juli 2016, ein und wurde am 7. Juli 2016 und damit nach Ablauf der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BauGB an die Antragsgegnerin weitergeleitet. Der Verwaltungsgerichtshof ist folglich zutreffend davon ausgegangen, dass ein etwaiger Verstoß gegen § 214 Abs. 2a Nr. 4 BauGB unbeachtlich geworden ist.

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Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage einer Anwendbarkeit von § 167 ZPO auf eine mit Schriftsatz eingereichte Rüge mit Blick auf § 215 BauGB nicht von "allgemeiner Bedeutung" (Beschwerdeschriftsatz vom 23. November 2017 S. 12). Eine grundsätzliche Bedeutung der Sache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO folgt ferner nicht aus einer etwaigen Vorlagepflicht des Senats an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV (vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschlüsse vom 30. Januar 1996 - 3 NB 2.94 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 111 = juris Rn. 31, vom 5. Mai 2009 - 3 B 14.09 - juris Rn. 3, vom 27. Oktober 2010 - 5 B 18.10, 5 PKH 5.10 - juris Rn. 8 und vom 24. März 2016 - 4 BN 42.15 - ZfBR 2016, 477 = juris Rn. 11). Die Beschwerde (Schriftsatz vom 11. Dezember 2017 S. 4) legt nicht dar, inwiefern sich in Bezug auf § 215 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BauGB Fragen von unionsrechtlicher Bedeutung stellen, die gegebenenfalls zu einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zwängen.

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II. Soweit die Antragsteller ferner einen "Verstoß gegen § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB" rügen (Beschwerdeschriftsatz vom 23. November 2017 S. 14), verfehlt die Beschwerde die Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 BauGB), denn es fehlt bereits die Angabe eines geeigneten Zulassungsgrundes. Einen Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils kennt § 132 Abs. 2 VwGO nicht (BVerwG, Beschluss vom 14. Oktober 2014 - 4 B 51.14 - juris Rn. 13).

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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.