Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 27.05.2013


BVerwG 27.05.2013 - 4 BN 28/13

Dispositionsbefugnis der Behörde bei gesetzlicher Präklusion im Planungsrecht; zu den Anforderungen an die öffentliche Bekanntmachung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
27.05.2013
Aktenzeichen:
4 BN 28/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 26. Februar 2013, Az: 8 C 10953/12, Beschluss
Zitierte Gesetze
§ 47 Abs 2a VwGO

Gründe

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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

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1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Antragsteller beimisst.

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a) Dies gilt zunächst für die Frage, ob ein Antragsteller auch dann im Sinne von § 47 Abs. 2a VwGO hinsichtlich seines Vortrags im Normenkontrollverfahren präkludiert ist, wenn er zwar im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung keine Einwendungen vorgebracht hat, die entsprechenden Einwendungen dem Planungsträger jedoch bekannt waren und dieser die entsprechenden Belange bei der Abwägung auch berücksichtigt hat.

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Der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Nicht jede Frage, zu der sich das Bundesverwaltungsgericht noch nicht geäußert hat, führt indessen auf eine erst im Revisionsverfahren zu klärende Thematik. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsverfahrens ist vielmehr Voraussetzung, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lässt. So liegt es hier.

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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zum Planfeststellungsrecht geklärt, dass eine angeordnete gesetzliche Präklusion (§ 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG und vergleichbare Vorschriften in den Fachplanungsgesetzen) nicht zur Disposition der Behörde steht (Beschlüsse vom 1. April 2005 - BVerwG 9 VR 5.05 - juris Rn. 5, vom 11. Februar 2000 - BVerwG 4 VR 17.99 - juris Rn. 26 und vom 18. Dezember 2012 - BVerwG 9 B 24.12 - juris Rn. 6). Das Bundesverwaltungsgericht hat daraus abgeleitet, dass sich dem Betroffenen auch dann nicht die Möglichkeit eröffnet, unterbliebene oder verfristete Einwendungen mit einer Klage zu verfolgen, wenn sie der Behörde bekannt waren und sie sich inhaltlich mit ihnen auseinandergesetzt hat. Diese Rechtsprechung ist auf die Präklusionsvorschrift des § 47 Abs. 2a VwGO übertragbar.

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b) Die Revision ist auch nicht zur Klärung der Frage zuzulassen, ob es einen Verstoß gegen die Anstoßfunktion des § 3 Abs. 2 BauGB mit der Rechtsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO darstellt, wenn der Planungsträger durch die falsche Wahl des vereinfachten Verfahrens nach § 13 BauGB der Öffentlichkeit vermittelt, es würden lediglich geringfügige Änderungen in der Planung vorgenommen, und der Planbetroffene deshalb keine Einwendungen vorträgt. Die Frage ist mit dem Oberverwaltungsgericht zu verneinen, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Erkennt ein Grundstückseigentümer im Wege der öffentlichen Auslegung, dass ein Plan geändert werden soll, der für sein Grundeigentum Festsetzungen enthält, so hat er auch dann Anlass, sich am Verfahren zu beteiligen, wenn in der Bekanntmachung darauf hingewiesen wird, dass die Planänderung im vereinfachten Verfahren erfolgen soll, dieses Verfahren aber nicht gewählt werden darf. Die Änderung eines Plans im vereinfachten Verfahren ist zwar nur zulässig, wenn durch sie die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Die falsche Einschätzung des Plangebers, dass diese Voraussetzung vorliegt, ändert jedoch nichts daran, dass der Hinweis auf die Absicht, den Plan zu ändern, richtig ist und einen Grundeigentümer im Plangebiet auf seine potenzielle Betroffenheit aufmerksam macht. Das Signal, gerade sein Grundstück bleibe von den Änderungen unberührt, sendet der Hinweis nicht aus.

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c) Zur Zulassung der Revision nötigt auch nicht die Frage, ob der Zusatz in der öffentlichen Bekanntmachung "um eine telefonische Terminvereinbarung (...) wird gebeten" in Bezug auf die Einsichtnahme in die Planentwurfsunterlagen eine unzumutbare Erschwernis für die Einsichtnahme in die Planunterlagen darstellt, die die prozessuale Präklusionswirkung des § 47 Abs. 2a VwGO einschränkt. Dies gilt schon deshalb, weil die Rechtsfrage nicht, wie erforderlich (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>), für die angefochtene Entscheidung von Bedeutung war. Das Oberverwaltungsgericht hat sich die Frage nicht gestellt und deshalb auch keine Antwort gegeben. Davon abgesehen, lässt sie sich auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Aus der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 11. April 1978 - BVerwG 4 B 37.78 - Buchholz 406.11 § 2a BBauG Nr. 1 und Urteil vom 6. Juli 1984 - BVerwG 4 C 22.80 - BVerwGE 69, 344) ist der Grundsatz herzuleiten, dass die öffentliche Bekanntmachung keine Zusätze oder Einschränkungen enthalten darf, die geeignet sein könnten, auch nur einzelne an der Bauleitplanung interessierte Bürger von der Erhebung von Stellungnahmen abzuhalten (Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand September 2012, § 3 Rn. 47a). Der vom Antragsteller beanstandete Zusatz richtet keine unzulässige Hürde auf. Dem vom Antragsteller bemühten Rechtssatz, eine öffentliche Auslegung bedeute, dass jeder Interessierte ohne Weiteres und ohne Fragen und Bitten an die Bediensteten der Gemeinde stellen zu müssen, in die Unterlagen Einblick nehmen könne (so VGH Mannheim, Urteile vom 2. Mai 2005 - 8 S 582/04 - BRS 69 Nr. 53 S. 317 und vom 31. Juli 2007 - 5 S 2103/06 -), hat der Senat bereits eine Absage erteilt und entschieden, dass einem an der Planung Interessierten u.a. zuzumuten ist, sich zur Vorbereitung auf den Termin zur Einsichtnahme fernmündlich mit einem Ansprechpartner bei derjenigen Stelle in Verbindung zu setzen, bei der die Entwurfsunterlagen bereit liegen (Urteil vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 C 16.07 - BVerwGE 133, 98 Rn. 35).

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d) Schließlich löst auch die Frage nicht die Zulassung der Revision aus, ob es für den Planbetroffenen eine unzumutbare Erschwernis bei der Offenlage darstellt, wenn sich aus der Bekanntmachung ergibt, dass die Entwurfsunterlagen nicht bei der Sitzgemeinde (Rathaus der jeweiligen Kommune), sondern bei einem auswärtigen Planungsträger in einem nicht öffentlichen Verwaltungsgebäude ausliegen. Auch diese Frage hat das Oberverwaltungsgericht sich weder gestellt noch beantwortet. Soweit sie einer verallgemeinernden Antwort zugänglich ist, ist sie jedenfalls zu verneinen. Bundesrecht legt den Ort der Auslegung der Planentwurfsunterlagen nicht fest. Ihn darf der Planungsträger nach Zweckmäßigkeitgesichtspunkten bestimmen. Eine Grenze dürfte ihm freilich insoweit gesetzt sein, als er den Ort der Auslegung nicht so legen darf, dass es für Planbetroffene unzumutbar ist, ihn aufzusuchen. Wann das der Fall ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls.

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2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen. Mit dem Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe wesentliche Aspekte bei der Bekanntmachung der Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB nicht gesehen, nämlich die Frage des zutreffenden Orts der Auslegung und den Hinweis auf Art und Weise von Stellungnahmen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB mit irreführenden bzw. missverständlichen Zusätzen und Hinweisen, lässt sich ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht begründen. Der Antragsteller behauptet nicht, dass er die Fragen im erstinstanzlichen Verfahren angesprochen hätte und deshalb im Beschluss habe eine Antwort erwarten dürfen, sondern hält dem Oberverwaltungsgericht vor, von sich aus kein Problembewusstsein entwickelt zu haben. Das führt nicht auf einen Verfahrensfehler. Der Sache nach wiederholt der Antragsteller seine im Rahmen der Grundsatzrüge erhobenen Einwände nur im Gewande einer Verfahrensrüge. Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe durch die nur oberflächliche Rechtsprüfung seine Pflicht zur Klärung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO missachtet, liegt neben der Sache.