Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 11.08.2016


BVerwG 11.08.2016 - 4 BN 23/16

Öffentliche Auslegung bereits vorliegender umweltbezogener Stellungnahmen (hier: Beifügung von in Bezug genommenen DIN-Normen)


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
11.08.2016
Aktenzeichen:
4 BN 23/16
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2016:110816B4BN23.16.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 2. Dezember 2015, Az: 1 KN 6/15, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Sind DIN-Normen, auf die in einer der Gemeinde vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahme Bezug genommen wird, der Stellungnahme nicht beigefügt, so hat es mit deren Auslegung ohne die DIN-Normen sein Bewenden. § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB verpflichtet die Gemeinde nicht, die Normen zu beschaffen und der Öffentlichkeit anlässlich der Auslegung der Stellungnahme zugänglich zu machen.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragstellerin beimisst.

2

1. Die Frage, ob im Rahmen der Planung einer Emissionskontingentierung die DIN 45691 zu den auslegungsbedürftigen Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2 BauGB gehört, führt auf die allgemeinere Frage, ob eine DIN-Norm, auf die in einer öffentlich ausgelegten umweltbezogenen Stellungnahme Bezug genommen wird, nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB ebenfalls öffentlich auszulegen ist. Auf diese Frage lässt sich antworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

3

Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind die Entwürfe der Bauleitplanung mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen. Da sich die Verpflichtung zur Auslegung auf die "bereits vorliegenden" Stellungnahmen, also auf das der Gemeinde Angediente, beschränkt, kann sich die Pflicht zur Auslegung von DIN-Normen und anderen technischen Regelwerken, auf die in einer Stellungnahme verwiesen wird, nur dann erstrecken, wenn sie der Stellungnahme beigefügt sind. Ist das wie regelmäßig und so auch hier nicht der Fall, hat es mit der Auslegung der Stellungnahme ohne die darin in Bezug genommenen DIN-Normen sein Bewenden. § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB verpflichtet die Gemeinde nicht, die - regelmäßig nicht öffentlich zugänglichen - Normen zu beschaffen, d.h. bei dem Verfasser der Stellungnahme nachzufordern oder im Fachhandel käuflich zu erwerben, und der Öffentlichkeit anlässlich der Auslegung der Stellungnahme ergänzend zugänglich zu machen. Die Vorschrift mutet es interessierten Mitgliedern der Öffentlichkeit vielmehr zu, sich vom Inhalt der Normen durch eigene Initiative verlässlich Kenntnis zu verschaffen. Gefordert ist die Gemeinde nur bei der Verkündung eines Bebauungsplans, wenn sie in den Festsetzungen auf eine DIN-Norm verweist und sich erst aus dieser Norm ergibt, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist (BVerwG, Beschlüsse vom 29. Juli 2010 - 4 BN 21.10 - Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 46 Rn. 12 und vom 30. September 2014 - 4 B 49.14 - ZfBR 2015, 60 Rn. 3).

4

2. Die Frage, ob ein Bebauungsplan, der eine Emissionskontingentfestsetzung mit einer Abweichungsmöglichkeit "öffnet", teilbar ist, wenn die Abweichungsmöglichkeit unwirksam ist, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht geeignet ist, zu einer einheitlichen Auslegung und Anwendung von Bundesrecht beizutragen.

5

In der Rechtsprechung des Senats ist rechtsgrundsätzlich geklärt, dass Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, dann nicht zu dessen Gesamtunwirksamkeit führen, wenn - erstens - die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen, für sich betrachtet, noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und wenn - zweitens - die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (stRspr; vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. November 2007 - 4 BN 44.07 - juris Rn. 3). Diese Grundsätze gehen von der Regel des § 139 BGB aus (BVerwG, Beschluss vom 20. August 1991 - 4 NB 3.91 - Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 59 S. 82).

6

Ob eine einzelne fehlerhafte Festsetzung zur Gesamt- oder Teilnichtigkeit des Bebauungsplans führt, ist letztlich eine Frage des Einzelfalls (BVerwG, Beschluss vom 6. November 2007 - 4 BN 44.07 - juris Rn. 3). Das Oberverwaltungsgericht hat eine Teilnichtigkeit des angefochtenen Bebauungsplans bejaht, weil auch ohne die Abweichungsmöglichkeit nach den Sätzen 6 und 7 der Nr. 1.4 der Textfestsetzung ein sinnvolles städtebauliches Lärmschutzkonzept nach Satz 1 der Nr. 1.4 gewahrt bleibe und kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich sei, dass die Antragsgegnerin den angegriffenen Plan ohne die Sätze 6 und 7 nicht beschlossen hätte (UA S. 18). Die Antragstellerin tritt dem entgegen. Allerdings formuliert sie keine Rechtsfragen zu § 139 BGB, die noch der Klärung bedürften, sondern beschränkt sich auf eine einzelfallbezogene Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung. Damit kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt werden.

7

3. Die Frage, ob der Umwidmungssperrklausel aus § 1a Abs. 2 BauGB genügt wird, wenn der Bebauungsplan einer Gemeinde aufgrund abweichender regionalplanerischer Zielvorgaben überhaupt erst dadurch ermöglicht wird, dass eine kommunale Einigung stattfindet, und wenn sich trotzdem die Betrachtung von alternativen Flächen, insbesondere möglicher Konversionsflächen auf das Gebiet der planenden Gemeinde beschränkt, führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falls zugeschnitten ist, nämlich die auch von der Antragstellerin so bezeichnete Sondersituation, dass die Befugnis zur Abweichung von einer Zielvorgabe in einem Regionalplan von einer Einigung betroffener Gebietskörperschaften abhängt. Die Frage lässt sich außerdem ohne Weiteres im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde beantworten. Nach § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB soll mit Grund und Boden sparsam umgegangen werden; dabei sind zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen die Möglichkeiten der Entwicklung der Gemeinde insbesondere durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung zu nutzen sowie Bodenversiegelungen auf das notwendige Maß zu begrenzen. Mit der Gemeinde, auf deren Entwicklungsmöglichkeiten abzustellen ist, ist die planende Gemeinde gemeint. Ihre Befugnisse sind nach § 1 Abs. 1 BauGB auf die Grundstücke des eigenen Gemeindegebiets beschränkt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. August 1995 - 4 N 1.95 - BVerwGE 99, 127 <130>). Einen Zugriff auf das Gebiet von Nachbargemeinden hat sie nicht. Deshalb sind auch dann, wenn eine Planung - wie hier - das Ergebnis einer interkommunalen Abstimmung ist, bei Anwendung des § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB nur Planungsalternativen in Erwägung zu ziehen, die sich im eigenen Gemeindegebiet verwirklichen lassen. Eine gemeindegebietsübergreifende Bauleitplanung zum Ausgleich der verschiedenen Belange ist einem Planungsverband (§ 205 BauGB) vorbehalten.

8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.