Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 20.04.2010


BVerwG 20.04.2010 - 4 BN 17/10

Gebot der Konfliktbewältigung; zulässige Konfliktverlagerung


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsdatum:
20.04.2010
Aktenzeichen:
4 BN 17/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 21. Januar 2010, Az: 1 C 10456/09, Urteil
Zitierte Gesetze

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragsteller beimessen.

3

a) Das Oberverwaltungsgericht hat es gebilligt, dass die Antragsgegnerin die Aufgaben, Verkehrsverstöße zu bewältigen und die Verkehrslenkung konkret auszugestalten, nicht in dem umstrittenen Bebauungsplan gelöst, sondern die Lösung späteren Regelungen vorbehalten hat (UA S. 9). Es hat sich dabei an der Rechtsprechung des Senats zum Gebot der Konfliktbewältigung orientiert, das seine Wurzel im Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB hat. Das Gebot der Konfliktbewältigung besagt, dass grundsätzlich die vom Plan aufgeworfenen Konflikte auch vom Plan selbst zu lösen sind. Die Planung darf nicht dazu führen, dass Konflikte, die durch sie hervorgerufen werden, zu Lasten betroffener Belange letztlich ungelöst bleiben. Das schließt eine Verlagerung von Problemlösungen aus dem Bauleitplanverfahren auf nachfolgendes Verwaltungshandeln freilich nicht zwingend aus. Von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan darf die Gemeinde Abstand nehmen, wenn die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen außerhalb des Planungsverfahrens auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist. Überschritten sind die Grenzen zulässiger Konfliktverlagerung, wenn bereits im Planungsstadium absehbar ist, dass sich der offen gelassene Interessenkonflikt auch in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht lösen lassen wird (Beschluss vom 14. Juli 1994 - BVerwG 4 NB 25.94 - Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 75 S. 11 f.).

4

Die Antragsteller zeigen nicht auf, dass diese Rechtsprechung der Fortentwicklung oder der Korrektur bedürfte. Wie bereits die auf die Umstände des Einzelfalls zugeschnittene Frage (Beschwerdebegründung S. 5), aber auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil zeigen, setzen sie der Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, das einen Verstoß gegen das Gebot der Konfliktbewältigung verneint hat, ihre eigene, davon abweichende Würdigung entgegen. Damit ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan.

5

b) Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob eine planbedingte Verlärmung benachbarter Außenwohnbereiche bei der Abwägung zu berücksichtigen ist, bedarf ebenfalls nicht der Beantwortung in einem Revisionsverfahren. Der Senat hat bereits geklärt, dass es zu den anerkennenswerten, bei der Abwägung in Rechnung zu stellenden Wohnbedürfnissen gehört, nicht nur innerhalb der Wohngebäude vor Beeinträchtigungen durch Außengeräusche geschützt zu sein, sondern auch die für das Wohnen im Freien geeigneten und bestimmten Grundstücksflächen angemessen nutzen zu können (Beschluss vom 10. November 1998 - BVerwG 4 BN 45.98 - NVwZ 1999, 420 juris Rn. 2; stRspr). Einen weitergehenden Klärungsbedarf legen die Antragsteller nicht dar. Sie beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht ihren Vortrag zur Beeinträchtigung des Außenwohnbereichs ihres Grundstücks nicht zum Anlass genommen hat, den angefochtenen Bebauungsplan für unwirksam zu erklären (Beschwerdebegründung S. 7). Diese Kritik vermag die Zulassung der Grundsatzrevision nicht auszulösen.

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2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen. Zu Unrecht rügen die Antragsteller, das Oberverwaltungsgericht habe es pflichtwidrig unterlassen, den Umfang aller zu erwartenden Lärmbelästigungen aufzuklären. Aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts brauchte der Lärm, der durch Parksuchverkehr, Türenschlagen etc. verursacht wird, nicht in die Immissionsberechnung einbezogen zu werden, weil die geplanten Maßnahmen (der Lärmvermeidung und -minderung) umsetzbar sind und bereits entsprechende Vorkehrungen getroffen werden (UA S. 14). Damit steht fest, dass der Vorwurf der Antragsteller, das Oberverwaltungsgericht habe sich über § 86 Abs. 1 VwGO hinweggesetzt, unbegründet ist. Ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist nämlich vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt rechtlich verfehlt sein sollte (Urteil vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 4 f.; stRspr).