Entscheidungsdatum: 24.06.2010
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht die Klage der Klägerin - einer Gemeinde, die zugleich Baurechtsbehörde ist - gegen einen dem Beigeladenen im Widerspruchsverfahren erteilten Vorbescheid zur Errichtung eines Weinguts am Fuße der Rebflächen im Außenbereich mit doppelter Begründung als unbegründet angesehen (VGH Mannheim, Urteil vom 8. Juli 2009 - 8 S 1686/08 - DÖV 2009, 917). Zum einen führt er aus, die Gemeinde könne nur eine Verletzung ihrer materiellrechtlichen Planungshoheit geltend machen; auf das vollständige Prüfungsprogramm zur planungsrechtlichen Zulässigkeit könne sie sich nicht berufen. Hierauf beziehen sich die Divergenzrüge (Teil A I der Beschwerdebegründung) sowie die Grundsatzrügen unter Teil A II und Teil B II - zweite Rechtsfrage -. Zum anderen prüft und bejaht er im Zusammenhang mit der Frage, ob die materiellrechtliche Planungshoheit der Klägerin verletzt wird, auch die materielle Rechtmäßigkeit des Vorbescheids. Die gegen die Begründung, mit der der Verwaltungsgerichtshof die materielle Rechtmäßigkeit des Vorbescheids bejaht, erhobenen Rügen (Teil B I und II - erste Rechtsfrage - sowie Teil C der Beschwerdebegründung) bleiben ohne Erfolg (2.). Daher kommt eine Zulassung der Revision nicht in Betracht. Denn wenn die Entscheidung der Vorinstanz auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt ist, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund vorliegt (stRspr. vgl. Beschlüsse vom 9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 Nr. 4 VwGO und vom 1. Februar 1990 - BVerwG 7 B 19.90 - Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 22). Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert.
Die Beschwerde wendet hiergegen ein, der Verwaltungsgerichtshof führe die materiellrechtliche Prüfung nicht konsequent zu Ende. Dem ist nicht zu folgen. Der Verwaltungsgerichtshof setzt sich mit den aufgeworfenen Fragen zur Rechtmäßigkeit des Vorbescheids abschließend auseinander. Auch hinsichtlich der Frage, ob die Landschaftsschutzgebietsverordnung der Erteilung eines Vorbescheids entgegensteht, stützt sich der Verwaltungsgerichtshof entgegen der Behauptung der Beschwerde nicht nur auf seine Auffassung, wonach die klagende Gemeinde nicht in einer eigenen Rechtsposition betroffen wäre. Vielmehr legt er selbständig tragend ("Im Übrigen") dar, dass die untere Naturschutzbehörde die nach der Verordnung erforderliche Befreiung/Erlaubnis in Aussicht gestellt habe. Dabei seien bestimmte Ausführungsmodalitäten einzuhalten, auf deren Realisierung im Baugenehmigungsverfahren zu achten wäre (UA S. 36 f.). Daraus wird deutlich, dass der Verwaltungsgerichtshof auch unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Belangs des Naturschutzes und der Landschaftspflege (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) die Rechtmäßigkeit des erteilten Vorbescheids bejaht hat.
2.1 Die Divergenzrüge (Teil B I der Beschwerdebegründung) greift nicht durch. Eine die Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328; stRspr). Dieser Zulassungsgrund muss in der Beschwerdeschrift nicht nur durch Angabe der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der das Berufungsgericht abgewichen sein soll, sondern auch durch Darlegung der als solche miteinander in unmittelbarem Widerspruch stehenden, entscheidungstragenden Rechtssätze bezeichnet werden. Bei der auf S. 15 der Beschwerdebegründung formulierten Darstellung handelt es sich jedoch nicht um einen - vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten - Rechtssatz, sondern um eine - von der Beschwerdeführerin formulierte - Umschreibung derjenigen rechtlichen Erwägungen, die dem von der Vorinstanz auf der Grundlage einer Reihe von Besonderheiten des Einzelfalls gewonnenen Ergebnis zu der Frage, ob das Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb dient, aus der Sicht der Beschwerde zugrunde gelegen haben könnten. Diese Umschreibung steht überdies mit der ausführlichen Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs (UA S. 25 - 32) inhaltlich nicht im Einklang. Außerdem ist ein Abweichen von in den genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssätzen nicht erkennbar.
2.2 Das Vorbringen unter Teil B II 1. a) - erste Rechtsfrage - der Beschwerdebegründung ergibt auch nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Der Verwaltungsgerichtshof gelangt unter eingehender Behandlung der Teilfragen zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben dem Weinbaubetrieb des Beigeladenen dient. Er lässt dagegen nicht - wie in der Fragestellung der Beschwerde angenommen wird - das Erfordernis der räumlichen Zuordnung der bewirtschafteten Betriebsflächen zur Betriebsstätte zugunsten einer durch äußerliche Kriterien vermittelten Authentizität der Betriebsstätte genügen. Der Verwaltungsgerichtshof geht vielmehr davon aus, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei einer Verlegung der Hofstelle an die Ortsrandlage der Gemeinde die räumliche Zuordnung zu seinen verstreut liegenden Betriebsflächen verloren gehen könnte (UA S. 31).
2.3 Auch die Verfahrensrügen (Teil C der Beschwerdebegründung) bleiben ohne Erfolg.
Die Aufklärungsrüge enthält in weiten Teilen ihrer Begründung eine auf rechtliche und tatsächliche Aspekte gestützte Kritik an der Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs; ein Verfahrensfehler wird damit nicht aufgezeigt. Im Übrigen hätte die Beschwerde substantiiert darlegen müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin hätte dargelegt werden müssen, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. z.B. Beschlüsse vom 5. August 1997 - BVerwG 1 B 144.97 - NJW-RR 1998, 784 und vom 17. Dezember 1999 - BVerwG 6 B 47.99 - Buchholz 448.6 § 5 KDVG Nr. 8; stRspr). Lediglich schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge würden den genannten Anforderungen nicht genügen.
Auch ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör ist nicht ersichtlich. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist aber nicht gezwungen, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich oder mit der von einem Beteiligten gewünschten Ausführlichkeit zu befassen. Im Übrigen legt die Beschwerde nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof, wenn er das - vermeintlich verletzte - rechtliche Gehör gewährt hätte, auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Auffassung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
3. Da somit bereits die Rügen, die sich gegen das die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 35 BauGB bejahende zweite Begründungselement des Berufungsurteils richten, nicht durchgreifen, können die gegen das erste Begründungselement - das nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs im Falle einer Klage einer mit der unteren Baugenehmigungsbehörde identischen Gemeinde eingeschränkte Prüfprogramm - gerichteten Rügen nicht zur Zulassung der Revision führen.
Allerdings geben die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs Anlass zu folgenden Hinweisen: Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 19. August 2004 - BVerwG 4 C 16.03 - (BVerwGE 121, 339) entschieden, dass die mit der unteren Baugenehmigungsbehörde identische Gemeinde die Ablehnung eines Bauantrags nicht - lediglich - mit der Versagung ihres Einvernehmens begründen darf. Daher kann sich eine Gemeinde - wie im vorliegenden Fall - nicht allein unter Berufung auf ihr fehlendes Einvernehmen gegen einen von der Widerspruchsbehörde erteilten Bauvorbescheid zur Wehr setzen. Der Senat hat aber zugleich hervorgehoben, dadurch werde der Gemeinde nicht die Befugnis abgeschnitten, sich gegenüber der Widerspruchsbehörde auf den Schutz der materiellrechtlichen Planungshoheit zu berufen (a.a.O. S. 344). Hierzu ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die gemeindliche Planungshoheit berührt wird, wenn ein Vorhaben auf der Grundlage des § 35 BauGB zugelassen oder verwirklicht wird. Im Ergebnis sind die Voraussetzungen des § 35 BauGB auf das Rechtsmittel der Gemeinde hin auch dann in vollem Umfang nachzuprüfen, wenn die Gemeinde mit der Baugenehmigungsbehörde identisch ist (Urteile vom 31. Oktober 1990 - BVerwG 4 C 45.88 - BRS 50 Nr. 86 S. 199, vom 14. April 2000 - BVerwG 4 C 5.99 - NVwZ 2000, 1048 = BRS 63 Nr. 115 S. 533 und vom 20. Mai 2010 - BVerwG 4 C 7.09 -). Der Beschluss des Senats vom 11. August 2008 - BVerwG 4 B 25.08 - (Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 59) rechtfertigt keine gegenteiligen Schlüsse. Die Gemeinde kann also insbesondere geltend machen, dass ein Vorhaben nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert sei und öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtige; sie kann sich auch auf eine Verletzung ihrer Planungshoheit berufen, weil die ausreichende Erschließung eines Vorhabens nicht gesichert sei. Verstöße gegen andere Rechtsnormen können dem Rechtsmittel der Gemeinde dagegen nur dann zum Erfolg verhelfen, wenn sie auch dem Schutz der Gemeinde, insbesondere ihrer Planungshoheit zu dienen bestimmt sind (Urteil vom 31. Oktober 1990 a.a.O.).
Somit reicht die Rechtstellung der Gemeinde bei der Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Vorbescheids weiter, als dies bei Vorhaben der Fall ist, die nach den Regelungen des Fachplanungsrechts planfestgestellt oder genehmigt werden. Dies verdeutlicht auch die Vorschrift des § 38 BauGB. Mit seiner Auffassung (UA S. 24), von einer Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit könne regelmäßig nur dann ausgegangen werden, wenn das Vorhaben eine hinreichend bestimmte Planung nachhaltig stört, wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entzieht oder wenn kommunale Einrichtungen durch das Vorhaben erheblich beeinträchtigt werden, knüpft der Verwaltungsgerichtshof an die zur Rechtsstellung der Gemeinden im Verhältnis zur Fachplanung ergangene Rechtsprechung an, die im vorliegenden Zusammenhang aber - wie dargelegt - keine Anwendung findet.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.