Entscheidungsdatum: 19.02.2014
Die auf die Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde zumisst.
a) Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob - obgleich eine organische Siedlungsstruktur keinem städtebaulichen Ordnungsbild entsprechen muss - das Vorliegen einer "organischen Siedlungsstruktur" verneint werden kann, wenn zwar hinsichtlich der überbauten Grundstücksfläche, der Bauweise sowie der Bebauungsdichte ein weiter Rahmen besteht ("Regellosigkeit"), jedoch sich der vorhandenen Bebauung hinsichtlich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung, einschließlich der Zahl der Vollgeschosse hinlänglich verlässliche Kriterien einer organischen Siedlungsstruktur entnehmen lassen.
Dies führt nicht zur Zulassung der Revision. Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass vorliegend der Bebauungszusammenhang hinsichtlich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung einen Rahmen vorgibt, der eine nach der Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung der Bebauung innerhalb des gegebenen Bereichs ermöglicht (UA Rn. 48 f.). Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, ob in einem solchen Fall stets eine organische Siedlungsstruktur vorliegt, die Voraussetzung für einen Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist. Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist geklärt und mit dem Verwaltungsgerichtshof zu verneinen.
Die Anforderung einer organischen Siedlungsstruktur schließt das ein, was in Entgegensetzung zur unerwünschten Splittersiedlung dem inneren Grund für die Rechtsfolge des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB entspricht, nämlich die nach der Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung der Bebauung innerhalb des gegebenen Bereichs. So kann etwa eine völlig regellose und in dieser Anordnung geradezu funktionslose Bebauung die Annahme einer organischen Siedlungsstruktur ebenso ausschließen wie eine bandartige oder einzeilige Bebauung (Urteil vom 6. November 1968 - BVerwG 4 C 31.66 - BVerwGE 31, 22 <27>). Auch eine historisch gewachsene Bebauung kann eine unorganische Splittersiedlung sein, wenn die Fortführung der Siedlungsstruktur eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung innerhalb des gegebenen Bereichs nicht zulässt (Beschluss vom 25. März 1986 - BVerwG 4 B 41.86 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 112 S. 60 zu einer Moorsiedlung). Hieraus folgt unmittelbar, dass einer Bebauung nach tatrichterlicher Würdigung auch dann die organische Siedlungsstruktur fehlen kann, wenn sie zwar hinsichtlich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung einen Rahmen vorgibt, hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksflächen und der Bauweise - wie vom Verwaltungsgerichtshof (UA Rn. 50) angenommen - hingegen optisch wahrnehmbare Merkmale, die eine gewisse Regelmäßigkeit oder einen Plan erkennen lassen, nicht feststellbar sind.
b) Die Beschwerde sieht weiter grundsätzlichen Klärungsbedarf für die Fragen,
ob das Vorliegen einer "organischen Siedlungsstruktur" schon deswegen zu verneinen ist, weil anderenfalls eine bauliche Verdichtung möglich wäre, welche die vorhandene Siedlungsstruktur grundlegend verändert,
ferner, ob eine organische Siedlungsstruktur deshalb verneint werden darf, weil ein festgestellter "weiter Rahmen" mit "Regellosigkeit" gleichgestellt wird.
Hinsichtlich dieser Fragen verfehlt die Beschwerde die Darlegungsanforderung des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Diese fordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.> = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f. und vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
c) Schließlich möchte die Beschwerde geklärt wissen,
ob das Vorliegen einer "organischen Siedlungsstruktur" verneint werden kann, obwohl - vormals, d.h. vor der Eingemeindung - Baugenehmigungen auf der Grundlage des § 34 BauGB im Einvernehmen mit der Gemeinde erteilt wurden, mithin also sowohl die Baugenehmigungsbehörde als auch die Standortgemeinde übereinstimmend vom Vorliegen eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles ausgegangen sind.
Die Frage kann schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil der Verwaltungsgerichtshof keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und auf welcher Rechtsgrundlage Baugenehmigungen für die vorhandene Bebauung in dem von ihm als maßgeblich angesehenen Bebauungszusammenhang erteilt worden sind. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ist die Revision nur zuzulassen, wenn sich die grundsätzliche Rechtsfrage unmittelbar, nicht erst auf Grund von weiterer Sachaufklärung nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache beantwortet (stRspr, Beschluss vom 29. März 1961 - BVerwG 3 B 43.60 - Buchholz 427.3 § 339 LAG Nr. 120 S. 151).
d) Die hinsichtlich der Verfestigung einer Splittersiedlung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen sind nicht entscheidungserheblich.
Ist ein Urteil in je selbständiger Weise mehrfach begründet, kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht und gegeben ist (Beschlüsse vom 19. August 1997 a.a.O. S. 15 und vom 17. Dezember 2010 - BVerwG 9 B 60.10 - BayVBl 2011, 352 Rn. 3). Der Verwaltungsgerichtshof hat eine Beeinträchtigung des öffentlichen Belangs des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB selbständig tragend darauf gestützt, dass auf dem bisher weitgehend unbebauten Grundstück, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft nur wesentlich kleinere und baurechtlich lediglich geduldete Wohnbauten stehen, ein ganzes Wohnhaus errichtet werden soll (UA Rn. 64). Insoweit zeigt die Beschwerde keinen Zulassungsgrund auf. Das Gleiche gilt hinsichtlich der ebenfalls selbständig tragenden Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, das Vorhaben der Klägerin beeinträchtige den öffentlichen Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BauGB (UA Rn. 63 f. mit Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil nach § 130b Satz 2 VwGO).
Hiervon unabhängig legt die Klägerin nicht - wie von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gefordert - dar, welchen grundsätzlichen Klärungsbedarf sie hinsichtlich der Vorbildwirkung eines Vorhabens als Grund für die Missbilligung einer Splittersiedlung im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB sieht (vgl. dazu Beschluss vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 B 23.04 - ZfBR 2004, 702 = BRS 67 Nr. 109). Sie wendet sich vielmehr in der Sache dagegen, dass der Verwaltungsgerichtshof für den für maßgeblich gehaltenen Bebauungszusammenhang (vgl. UA Rn. 24 - 30) eine zu missbilligende Vorbildwirkung ihres Vorhabens angenommen hat. Ein Zulassungsgrund ist damit nicht geltend gemacht.
2. Auch die Verfahrensrügen nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen nicht zur Zulassung der Revision.
a) Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt nicht vor. Die Beschwerde räumt selbst ein, dass die von ihr angenommenen Mängel der Beweis- und Sachverhaltswürdigung revisionsrechtlich dem sachlichen Recht zuzuordnen sind und nicht auf einen Verstoß gegen die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO führen (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 132 Rn. 46). Warum hier eine Ausnahme von diesem Grundsatz eingreifen sollte, legt die Beschwerde nicht nachvollziehbar dar und ist auch nicht ersichtlich. Die Einwände der Beschwerde können hiervon unabhängig auch deswegen nicht zur Zulassung der Revision führen, weil die angegriffenen Ausführungen das Urteil nicht tragen. Dies gilt für die siedlungsstrukturellen Verhältnisse in der Gemeinde H. (UA Rn. 42; vgl. Rn. 34 "nur noch") ebenso wie für die Ausführungen zum Gewicht der Bebauung (UA Rn. 43: "Es kann offen bleiben...").
b) Die Beschwerde hält Art. 103 Abs. 1 GG für verletzt, weil der Verwaltungsgerichtshof - soweit ersichtlich - der Genehmigungslage nicht weiter nachgegangen sei, er die Klägerin über diesen "Meinungsumschwung" hätte in Kenntnis setzen und ihr Gelegenheit zur Äußerung geben müssen. Dies reicht zur Bezeichnung einer Gehörsrüge nicht aus. Denn es fehlt eine substantiierte Darlegung, was die Klägerin bei einer ausreichenden Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte (Beschlüsse vom 28. Januar 2003 - BVerwG 4 B 4.03 - juris Rn. 4
c) Entgegen der Auffassung der Beschwerde ist auch § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht verletzt. Allerdings ist eine Entscheidung nicht nur dann nicht mit Gründen versehen, wenn der Entscheidungsformel überhaupt keine Gründe beigegeben sind, sondern auch dann, wenn die Begründung nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind, weil die angeführten Gründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonstwie völlig unbrauchbar sind (stRspr, Urteil vom 28. November 2002 - BVerwG 2 C 25.01 - BVerwGE 117, 228 <230>).
Für einen solchen Fall ist hier nichts ersichtlich. Die Klägerin bemängelt einen Widerspruch zwischen der Aussage, dass auch eine unterschiedliche, ja sogar eine in ihrer Art und Zweckbestimmung gegensätzliche Bebauung einen Ortsteil bilden könne (UA Rn. 20 im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 6. November 1968 - BVerwG 4 C 31.66 - BVerwGE 31, 22 <27>), und der Aussage, es sei danach zu fragen, ob sich bei einer wertenden Gesamtbetrachtung der optisch wahrnehmbaren Merkmale Kriterien für die Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines künftigen Vorhabens gewinnen lassen (UA Rn. 46). Hierin liegt kein Widerspruch, weil das Senatsurteil vom 6. November 1968 nicht annimmt, dass eine gegensätzliche Bebauung stets einen Ortsteil bildet. Dass der Verwaltungsgerichtshof die Möglichkeit eines Ortsteils in diesem Fall nicht in Abrede stellt, zeigt die in UA Rn. 46 unmittelbar vorangehende Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 13. Februar 1976 (BVerwG 4 C 53.74 - Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 52 S. 6), das sich seinerseits ausdrücklich dem Urteil vom 6. November 1968 anschließt.
Soweit sich die Beschwerde schließlich gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs zu § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB wendet, fehlt es an einer ausreichenden Bezeichnung des Verfahrensmangels im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Dass der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung der Klägerin nicht gefolgt ist, bezeichnet keinen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO.