Entscheidungsdatum: 13.03.2019
Der Errichtung einer Windenergieanlage im Außenbereich kann der öffentliche Belang des Rücksichtnahmegebots aus § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegenstehen, weil die Anlage die Windausbeute einer benachbarten, bereits bestehenden Windenergieanlage vermindert. Das Gebot der Rücksichtnahme ist aber jedenfalls dann nicht verletzt, wenn die Minderung gemessen am Gesamtertrag der Bestandsanlage relativ geringfügig ist.
Die Klägerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen im Jahr 2016 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine Windenergieanlage. Sie befürchtet Beeinträchtigungen der von ihr seit dem Jahr 2010 betriebenen, etwa 240 m entfernten Windenergieanlage. Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos (VG Neustadt, Urteil vom 1. Juni 2017 - 4 K 1068/16.NW; OVG Koblenz, Urteil vom 26. Juni 2018 - 8 A 11691/17.OVG - DVBl 2018, 1091 = ZNER 2019, 363 = BauR 2018, 1718 = ZfBR 2018, 689 = EnWZ 2018, 421 = UPR 2019, 68).
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Nichtzulassungsbeschwerde führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist jedenfalls unbegründet.
I. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die ihr die Beschwerde beimisst.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>).
1. Der Beschwerde zielt bei sachgerechtem Verständnis auf die Frage,
ob und bejahendenfalls in welchem Umfang der Betreiber einer bestehenden Windenergieanlage kraft des Gebots der Rücksichtnahme verlangen kann, dass später genehmigte Windenergieanlagen einen Abstand zu der Bestandsanlage wahren, der Minderungen der Windausbeute der Bestandsanlage vermeidet bzw.
wie in der Konstellation benachbarter Windenergieanlagen in Konzentrationsgebieten des Außenbereichs der Gesichtspunkt der Rücksichtnahme zu fassen ist.
Diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist nicht klärungsbedürftig, soweit der Fall sie aufwirft.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Abschattungswirkung einer Windenergieanlage ("Windklau") zutreffend nicht als Immission im Sinne von § 3 Abs. 2 BImSchG behandelt. Die bloße Abschattung von Wind wirkt allein negativ und ist damit keine ähnliche Umwelteinwirkung im Sinne von § 3 Abs. 2 BImSchG. Dies entspricht bisheriger Rechtsprechung (OVG Münster, Beschluss vom 1. Februar 2000 - 10 B 1831/99 - BRS 63 Nr. 150; zivilrechtlich ebenso OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 12. Februar 1998 - 14 W 15/98 - ZMR 2000, 378 <379> und Urteil vom 9. März 2000 - 15 U 118/99 - NJW-RR 2000, 1542 <1543>) und Literatur (Albrecht/Zschiegner, UPR 2019, 90 <93>; Rolshoven, NVwZ 2006, 516 <518>; Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 3. Aufl. 2019, Rn. 374; Heilshorn/Sparwasser, in: Landmann/Rohmer, UmwR, Stand Juli 2018, § 22 BImSchG Rn. 36; Hinsch, in: Schulz
Das Oberverwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit Bundesrecht die Abschattungswirkung am unbenannten öffentlichen Belang des Gebots der Rücksichtnahme nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB gemessen (UA S. 17 ff.). Dieser Belang erstreckt sich über die gesetzliche Ausprägung in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB hinaus auf Auswirkungen eines Vorhabens, die keine schädlichen Umwelteinwirkungen sind (BVerwG, Beschluss vom 11. Dezember 2006 - 4 B 72.06 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 374 Rn. 8 und Urteil vom 27. Juni 2017 - 4 C 3.16 - BVerwGE 159, 187 Rn. 11; ebenso für das Zivilrecht Roth, in: Staudinger, BGB, 2016, § 906 BGB Rn. 127 f.). Es ist daher nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich die Errichtung einer Windenergieanlage wegen der von ihr bewirkten Abschattungswirkung als rücksichtslos gegenüber einer Bestandsanlage erweist (a.A. OVG Münster, Beschluss vom 1. Februar 2000 - 10 B 1831/99 - BRS 63 Nr. 150; VG Leipzig, Beschluss vom 12. Juli 2007 - 6 K 419/07 - NVwZ 2008, 346 <347>; Hinsch, in: Schulz
Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalles wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 - BVerwGE 52, 122 <126> und vom 18. November 2004 - 4 C 1.04 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 366 S. 139 f.).
Ob darüber hinaus rechtsgrundsätzlich klärungsfähig ist, unter welchen Bedingungen die Abschattungswirkung einer Windenergieanlage gegenüber einer Bestandsanlage rücksichtslos ist, bedarf keiner Entscheidung. Es liegt jedenfalls auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens auf der Hand, dass der von der Klägerin geltend gemachte Minderertrag ihrer Windenergieanlage von 7,6 % der Jahresproduktion (UA S. 19) ihr als Rücksichtnahmebegünstigter zuzumuten und das Vorhaben der Beigeladenen damit nicht rücksichtslos ist. Der geltend gemachte Minderertrag drückt nummerisch den Windverlust aus, der durch die Abschattung entstehen kann. Die Klägerin, die ihre Windenergieanlage in einem Vorranggebiet errichtet hat, konnte nicht darauf vertrauen, dass die bei Errichtung vorgefundenen Windverhältnisse für die Entwurfslebensdauer ihrer Anlage von 20 Jahren oder darüber hinaus für die bei der Errichtung angenommene Gesamtlebensdauer von 34 Jahren unverändert bleiben würden. Sie musste sich vielmehr aufgrund der Planungssituation vernünftigerweise darauf einstellen, dass andere, auch größere Anlagen in der Nachbarschaft errichtet würden, sich die Windverhältnisse dadurch zu ihren Lasten verändern und eine bestehende Lagegunst gemindert wird (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 24. Januar 2000 - 7 B 2180/99 - NVwZ 2000, 1064 <1065>). Angesichts dessen ist zweifelhaft, ob ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot durch Abschattung bereits bei erheblichen Ertragseinbußen angenommen werden könnte (so Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2018, § 35 Rn. 58d), oder nicht vielmehr das Rücksichtnahmegebot erst bei Unwirtschaftlichkeit des Betriebs der betroffenen Anlagen verletzt wird (Albrecht/Zschiegner, UPR 2019, 90 <92 f.>), wenn also die vorhandene Anlage wertlos wird (Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 3. Aufl. 2019, Rn. 375). Bei einer Ertragsminderung von deutlich weniger als 10 %, wie sie die Klägerin befürchtet, ist das Rücksichtnahmegebot jedenfalls nach keiner Sichtweise verletzt.
Dass Art. 14 Abs. 1 GG weitergehenden Nachbarschutz gebieten könnte, legt die Beschwerde nicht dar und ist auch nicht ersichtlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 - 4 C 3.08 - BVerwGE 133, 347 Rn. 15). Denn aus dem Gewährleistungsgehalt der Eigentumsgarantie lässt sich kein Recht auf bestmögliche Nutzung des Eigentums ableiten. Eine Minderung der Wirtschaftlichkeit ist grundsätzlich ebenso hinzunehmen wie eine Verschlechterung der Verwertungsaussichten (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 402 m.w.N.)
2. Auch im Übrigen zeigt die Beschwerde keinen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf auf.
a) Ob es fachliche, technische oder wissenschaftliche Anhaltspunkte für die Einhaltung eines Mindestabstandes und die Positionierung oder Ausrichtung sowie den Betrieb zwischen Windenergieanlagen in einem Konzentrationsgebiet nach § 35 Abs. 3 BauGB gibt, ist keine Rechts-, sondern eine Tatsachenfrage.
Die Rechtsfrage, ob solche Abstände gewahrt werden müssen, kann hinsichtlich des unbenannten öffentlichen Belangs des Rücksichtnahmegebotes aus § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht zur Zulassung der Revision führen, weil das Oberverwaltungsgericht die von der Beschwerde vorausgesetzte Tatsache - das Bestehen entsprechender fachlicher, technischer oder wissenschaftlicher Anhaltspunkte - nicht festgestellt hat (BVerwG, Beschlüsse vom 5. September 1996 - 9 B 387.96 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 12, vom 17. März 2000 - 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 <62> und vom 21. Januar 2016 - 4 BN 36.15 - BRS 84 Nr. 17 = juris Rn. 12). Grundsätzlichen Klärungsbedarf im Hinblick auf die Ausführungen der Vorinstanz zum Immissionsschutz (UA S. 8 ff.) legt die Beschwerde nicht dar.
b) Die Beschwerde deutet als rechtsgrundsätzliche Frage an, ob es über die Standsicherheit hinaus einer Maßstabsbildung zum Abstand und zur Ausrichtung der Anlagen und zur Betriebsweise bedarf. Sie legt indes weder dar, welcher Rechtsnorm sie eine Pflicht zur Maßstabsbildung entnehmen will, noch, warum die Annahme einer solchen Pflicht entscheidungserheblich sein könnte.
c) Nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führt die Frage, ob öffentlich-rechtlichen Ansprüchen aus Rechtsgründen entgegengehalten werden kann, dass sich ein Nachbar durch zivilrechtliche Vereinbarungen vor den eintretenden schädlichen Umwelteinwirkungen von der neu genehmigten Nutzung durch Vertrag mit den benachbarten Grundstückseigentümern schützen müsse. Denn die insoweit von der Beschwerde kritisierte Passage trägt das Berufungsurteil nicht (vgl. UA S. 20 "Im Übrigen...").
II. Die Revision ist nicht wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
a) Den Senatsurteilen vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - (Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 120) und vom 18. November 2004 - 4 C 1.04 - (Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 366) entnimmt die Beschwerde Aussagen zum Nachbarrechtsschutz, legt aber nicht dar, welchen abweichenden abstrakten Rechtssatz die Vorinstanz aufgestellt haben soll. Ausführungen zur behaupteten Abweichung vom Senatsurteil vom 12. Dezember 1975 - 4 C 71.73 - (BVerwGE 50, 49) fehlen.
b) Die Beschwerde entnimmt dem Senatsurteil vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 - (Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 196 S. 53) zum Gebot der Rücksichtnahme den Rechtssatz, dass das Schutzbedürfnis des Begünstigten gegen die ihrerseits schutzwürdigen Interessen des Bauherrn mit der Fragestellung abzuwägen sei, was dem einen und dem anderen nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Von diesem abstrakten Rechtssatz ist das Oberverwaltungsgericht ausgegangen (UA S. 18). Dass es daraus nicht die von der Beschwerde für richtig gehaltenen Schlüsse gezogen hat, betrifft die Rechtsanwendung im Einzelfall und führt nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
Die Beschwerde zitiert aus dem Senatsurteil vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 - (Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 193 S. 53) den Rechtssatz, dass bezüglich der Zumutbarkeit auf Grundsätze und Begriffe des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zurückgegriffen werden kann, wenn von dem in Rede stehenden Vorhaben Immissionen zu erwarten sind. Sie legt aber nicht dar, dass das Oberverwaltungsgericht einen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat. Es hat vielmehr Grundsätze und Begriffe des Bundes-Immissionsschutzgesetzes angewandt, soweit es die Einwirkungen auf die Windenergieanlage der Klägerin als Immissionen bewertet hat (vgl. UA S. 8 ff., dagegen UA S. 17)
c) Der Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe sich unzutreffend auf den Senatsbeschluss vom 13. Oktober 1998 - 4 B 93.98 - (Buchholz 406.12 § 15 BauNVO Nr. 29) berufen, führt von vornherein nicht auf eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 VwGO ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. § 9 ZPO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Dezember 1988 - 4 C 14.88 - Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 24).