Entscheidungsdatum: 23.11.2010
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre.
1.1 Die Beschwerde wirft sinngemäß die Frage auf, ob auf die Klage eines betroffenen Nachbarn die Baugenehmigung zur Errichtung einer Windenergieanlage schon deswegen aufzuheben ist, weil im Hinblick auf bereits vorhandene Windenergieanlagen nur eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 10 BImSchG hätte erteilt werden dürfen. Diese Frage stellt sich nach Auffassung der Beschwerde vorliegend insbesondere deshalb, weil keine Umweltverträglichkeitsprüfung stattgefunden habe und damit "keine Beteiligung der Nachbarn" (Beschwerdebegründung S. 2) erfolgt sei.
Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, da sie sich in dieser Form im Hinblick auf den vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt nicht stellen würde und im Übrigen, soweit sie sich noch stellen würde, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist.
Das Oberverwaltungsgericht ist zwar zu dem Ergebnis gelangt, dass im Hinblick auf die bereits vorhandenen Windenergieanlagen östlich des Grundstücks der Kläger statt des Baugenehmigungsverfahrens nicht nur - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - ein vereinfachtes Verfahren (§ 19 BImSchG), sondern ein Verfahren nach § 10 BImSchG hätte durchgeführt werden müssen (UA S. 16). Denn trotz des großen Abstands zwischen den vorhandenen und den jetzt genehmigten Windenergieanlagen überschnitten sich die beiden Einwirkungsbereiche. Das Oberverwaltungsgericht hat aber zugleich festgestellt, dass im Baugenehmigungsverfahren eine Schallimmissionsprognose vorgelegt worden ist, in der das Anwesen der Kläger als Immissionspunkt zugrunde gelegt worden ist und in dem die genannten vorhandenen Windenergieanlagen als Vorbelastung berücksichtigt worden sind (UA S. 3 f., 17). Die Baugenehmigungsbehörde hat ferner eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls (§ 3c Satz 2 UVPG) durchgeführt, die zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Vorhaben keiner Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden müssten (UA S. 4, 19). Hierzu stellt das Oberverwaltungsgericht fest, es sei nicht zu erkennen, dass bei Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung (§ 3c Satz 1 UVPG) diese zu dem Ergebnis gelangt wäre, es sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich (UA S. 21). Im Übrigen sind die Kläger im Baugenehmigungsverfahren beteiligt worden und es sind unter anderem im Hinblick auf die ihr Anwesen treffenden Belastungen Betriebsbeschränkungen angeordnet worden. Somit kann entgegen der Fragestellung der Beschwerde nicht davon gesprochen werden, eine rechtlich gebotene Umweltverträglichkeitsprüfung habe nicht stattgefunden und die Kläger (und andere Nachbarn) seien tatsächlich nicht beteiligt worden.
Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass ein Kläger nicht allein dadurch in seinen Rechten verletzt wird, dass an Stelle eines an sich gebotenen vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Verfahrens nach § 19 BImSchG ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt worden ist (Urteil vom 20. August 2008 - BVerwG 4 C 11.07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 41). Ob dieser Grundsatz in Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht uneingeschränkt auf diejenigen Fälle übertragen werden kann, in denen ein Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG hätte durchgeführt werden müssen, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Klärung.
Auf die Erteilung einer Genehmigung besteht, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind, in einem Fall der vorliegenden Art ein Rechtsanspruch. Ein planerisches Ermessen steht der Genehmigungsbehörde nicht zu (Beschluss vom 21. Januar 2008 - BVerwG 4 B 35.07 - BRS 73 Nr. 161 Rn. 9). Die Durchführung des Verwaltungsverfahrens einschließlich der Vorprüfung, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist, dient der bestmöglichen Information der Behörde und der Wahrung der Belange der Betroffenen sowie der Beachtung der Auswirkungen auf die Umwelt. Mit der in § 10 Abs. 3 BImSchG vorgesehenen Information der Öffentlichkeit soll die Informationsgrundlage noch verbreitert werden. Es besteht jedoch kein Anspruch auf Aufhebung einer Genehmigung, wenn ein Gericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass auf der Grundlage der eingeholten Gutachten und Stellungnahmen der Fachbehörden (hier einschließlich der für das Immissionsschutzrecht zuständigen Behörde) sowie der durchgeführten UVP-Vorprüfung und unter Berücksichtigung der dem Bauherrn auferlegten Beschränkungen eine Verletzung der materiellrechtlichen Rechte des vom Vorhaben hauptsächlich betroffenen Klägers ausscheidet. Der Fehler eines nicht nach § 10 BImSchG durchgeführten Verfahrens ist - wenn überhaupt - nur unter der Voraussetzung erheblich, dass er auf das Ergebnis von Einfluss gewesen ist. Dies ist nur anzunehmen, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planungsbehörde ohne den Fehler anders entschieden hätte. Von diesen Voraussetzungen ist das Bundesverwaltungsgericht selbst bei einer planerischen Zulassungsentscheidung und bei Fehlen einer rechtlich gebotenen Umweltverträglichkeitsprüfung ausgegangen (Beschluss vom 21. Januar 2008 a.a.O. Rn. 10 m.w.N.). Das gilt erst recht, wenn die Vorprüfung demgegenüber zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht erforderlich ist.
Vorliegend hat das Oberverwaltungsgericht eine Rechtsverletzung der Kläger mit einer umfangreichen Begründung verneint. Es legt insbesondere dar, dass das streitige Vorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen auf dem Grundstück der Kläger verursacht und weder eine Verletzung von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG noch des baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme festzustellen ist (UA S. 23 - 30). Dabei hat es zugrunde gelegt, dass die bereits östlich des Grundstücks der Kläger vorhandenen Windenergieanlagen, mit denen es die Notwendigkeit der Durchführung eines Verfahrens nach § 10 BImSchG (und nicht nur eines Verfahrens nach § 19 BImSchG, wie es das Verwaltungsgericht gesehen hatte) begründet, als Belastungsfaktor in die Schallimmissionsprognose einbezogen worden sind, bei der das Grundstück der Kläger einen der untersuchten Immissionspunkte darstellte.
1.2 Die Beschwerde thematisiert ferner die Frage, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben, dass eine Prüfung nach dem UVPG nicht durchgeführt worden ist. Auch sie rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die Beschwerde legt nicht dar, inwieweit die Fragestellung vor dem Hintergrund des Beschlusses des Senats vom 21. Januar 2008 (a.a.O.), auf den das Oberverwaltungsgericht ausführlich eingeht, weiterer Klärung bedürfte. Danach folgt allein aus dem Fehlen einer rechtlich gebotenen Umweltverträglichkeitsprüfung nicht, dass der Zweck der gesetzlichen Regelung nicht erreicht wird und eine Abwägungsentscheidung rechtswidrig ist. Der Mangel ist nur unter der Voraussetzung erheblich, dass er auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist, was - wie dargelegt - nur anzunehmen ist, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planungsbehörde ohne den Fehler anders entschieden hätte. Dabei kommt es vorliegend nur auf die besondere Konstellation an, dass zwar eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls (§ 3c Satz 2 UVPG) durchgeführt worden ist, richtigerweise aber eine allgemeine Vorprüfung (§ 3c Satz 1 UVPG) hätte erfolgen müssen. Hierzu legt das Oberverwaltungsgericht dar, es sei nicht zu erkennen, dass bei ordnungsgemäßer Durchführung einer allgemeinen Vorprüfung diese zu dem Ergebnis gelangt wäre, es sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen (UA S. 21). Beide Arten der Vorprüfung seien wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass im Rahmen einer überschlägigen Vorausschau zu prüfen sei, ob bei dem Vorhaben mit erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu rechnen ist. Insoweit bestünden keine gravierenden Unterschiede, die Anlass geben könnten, den Mangel als erheblich anzusehen. Davon abgesehen sei jedenfalls für das Vorhaben der E. GmbH eine allgemeine Vorprüfung (unter Hinweis auf § 3b Abs. 2 i. V. m. § 3c Satz 5 UVPG) durchgeführt worden, wobei die seinerzeit noch im Genehmigungsverfahren befindlichen fünf Windenergieanlagen des Standorts Kajedeich mit in die Beurteilung einbezogen worden seien. Unter diesen Umständen genügt es nicht, allgemein auf die rechtsfehlerhafte Anwendung der Vorschriften des UVPG hinzuweisen und zu behaupten, die durchgeführte standortbezogene Vorprüfung habe keine "rechtliche Relevanz" für das Vorhaben.
1.3 Die Frage, ob die Festlegungen innerhalb der TA-Lärm als normkonkretisierende Vorschrift Bestand haben, führt nicht zur Zulassung der Revision. Denn das Oberverwaltungsgericht stellt in seinen von der Beschwerde angesprochenen Ausführungen (UA S. 24 ff.) nicht den Rechtscharakter der TA-Lärm grundsätzlich in Frage, sondern behandelt die auf das Grundstück der Kläger einwirkenden Schallimmissionen. Dabei handelt es sich um einzelfallbezogene Sachverhaltsfeststellungen. Dass in einem Fall der vorliegenden Art bei der Ermittlung der auf ein konkretes Grundstück einwirkenden Immissionen die jeweiligen Standorte der Windenergieanlagen (östlich und westlich dieses Grundstücks) und die Windrichtungen zu berücksichtigen sind, versteht sich von selbst. Im Übrigen würde es auch an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit fehlen. Denn das Oberverwaltungsgericht weist "unabhängig davon" darauf hin, dass zu berücksichtigen sei, dass nach Nr. 3.2.1 Abs. 3 der TA-Lärm für die zu beurteilende Anlage die Genehmigung wegen einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 aufgrund der Vorbelastung dann nicht versagt werden soll, wenn dauerhaft sichergestellt sei, dass die Überschreitung nicht mehr als 1 dB(A) betrage und stellt fest, dass auch mit Blick auf diese Regelung der in der Prognose ermittelte Wert von 45,1 dB(A) keinen durchgreifenden Bedenken begegne. Auch hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.
1.4 Auch mit der Frage, welcher Rechtsmaßstab anzulegen ist, und unter welchen Voraussetzungen zulässigerweise ein Gericht sich über eine als Verwaltungsvorschrift wirkende Übereinkunft von Sachverständigen setzen darf, die die TA-Lärm ausfüllen, wird die rechtsgrundsätzliche Bedeutung nicht dargelegt. In erster Linie wendet sich die Beschwerde gegen die dem Tatsachengericht obliegende Würdigung des Einzelfalls. Im Übrigen bedarf es keiner weiteren Klärung, dass ein Gericht bei seiner Würdigung nicht an Erkenntnisse von Arbeitsgruppen der Verwaltung - die die Beschwerde nicht einmal näher darstellt - gebunden ist. Soweit die Beschwerde auf eine mangelnde Sachkenntnis des Oberverwaltungsgerichts abhebt, fehlt es an einer den Darlegungserfordernissen entsprechenden Aufklärungsrüge.
2. Soweit die Beschwerde eine Divergenz zum Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 1996 - BVerwG 7 B 164/95 - (Buchholz 406.251 § 22 UVPG Nr. 4 = NVwZ-RR 1996, 498) und möglicherweise auch zum Urteil vom 20. Dezember 1999 - BVerwG 7 C 15.98 - (BVerwGE 110, 216) geltend macht, bleibt sie ohne Erfolg. Denn das Oberverwaltungsgericht stützt sein Urteil nicht auf einen mit diesen Entscheidungen - die überdies die TA-Luft betreffen - im Widerspruch stehenden Rechtsgrundsatz, sondern stellt - wie bereits dargestellt - auf die das konkrete Grundstück betreffenden Immissionen und die Lage der Windenergieanlagen ab.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.