Entscheidungsdatum: 31.07.2012
1. Die für die Zustellfiktion des § 75 Abs. 5 Satz 3 VwVfG maßgebende Anstoßwirkung geht von der Bekanntmachung des verfügenden Teils des Planfeststellungsbeschlusses aus.
2. Das Recht auf fehlerfreie Abwägung der eigenen Belange steht nicht nur demjenigen zu, dessen Belange ausgehend von der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Flugroutenprognose abwägungserheblich betroffen wären, sondern jedem, der abwägungserheblich betroffen werden kann, weil sein Grundstück innerhalb des Einwirkungsbereichs des Flughafens liegt und weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen auszuschließen ist, dass ein zu seiner Betroffenheit führendes Flugverfahren festgelegt wird.
3. Die prognostische Flugroutenplanung muss Art und Ausmaß der zu erwartenden Betroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbilden.
4. Lässt sich die Zulassung des Flughafenausbaus nach dem Abwägungskonzept der Planfeststellungsbehörde nur rechtfertigen, wenn bestimmte Gebiete von erheblichen Beeinträchtigungen durch Fluglärm verschont bleiben, kann die Planfeststellungsbehörde klarstellen, dass der Schutz dieser Gebiete zu den tragenden Erwägungen des Planfeststellungsbeschlusses gehört, zu denen sich das BAF bei der nachfolgenden Festlegung der Flugverfahren nicht in Widerspruch setzen darf.
Die Kläger begehren die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses "Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld" vom 13. August 2004 (PFB) i.d.F. des Planergänzungsbeschlusses "Lärmschutzkonzept BBI" vom 20. Oktober 2009 (PEB) und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Klagefrist.
Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss sieht den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld zum Großflughafen Berlin Brandenburg mit zwei parallelen Start- und Landebahnen vor. Im Verfahren BVerwG 4 A 5000.10 ist die Klägerin zu 1 eine Gemeinde, deren südöstliche Grenze rund 18 km nordwestlich der Mitte der Nordbahn des neuen Flughafens liegt. Die Klägerin zu 1, die übrigen Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 5000.10 sowie die Klägerin des Verfahrens BVerwG 4 A 5001.10 sind Eigentümer von Wohngrundstücken im Gemeindegebiet; der Klägerin zu 2 im Verfahren BVerwG 4 A 5000.10 gehören zusätzlich Wohnungen in der südlichen Nachbargemeinde Stahnsdorf. Der Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 5002.10 ist Eigentümer eines selbstgenutzten Wohngrundstücks in der Gemeinde Rangsdorf. Das Grundstück liegt ca. 8 km südwestlich der Mitte der südlichen Start- und Landebahn des ausgebauten Flughafens (ca. 6 km ab Startbahnende). Die Kläger zu 1 bis 5 des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 sind Eigentümer von selbstgenutzten Wohngrundstücken in Berlin-Lichtenrade, die Klägerin zu 6 ist Miteigentümerin eines selbstgenutzten Wohngrundstücks in Mahlow - Siedlung ... . Ihre Grundstücke liegen etwa 6 km nordwestlich der Nordbahnmitte (ca. 4 - 5 km ab Startbahnende).
Im Rahmen der Vorbereitungen zur Stellung des Planfeststellungsantrags für den Flughafenausbau richtete der Beklagte eine Arbeitsgruppe "An- und Abflugverfahren" ein, an der u.a. die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) und die Projektplanungsgesellschaft (PPS) als Rechtsvorgängerin der Vorhabenträgerin, der Beigeladenen zu 1, beteiligt waren. Die Arbeitsgruppe sollte die Flughafenplanung - beginnend mit der Erstellung der Antragsunterlagen - mit der erst kurz vor Inbetriebnahme des Flugplatzes erfolgenden Festlegung der An- und Abflugverfahren koordinieren. In dieser Arbeitsgruppe legte die DFS in der Sitzung vom 30. März 1998 eine Grobplanung der Abflugrouten vor. Danach sollten die Abflugrouten in beiden Betriebsrichtungen zunächst mehrere Kilometer parallel in gerader Verlängerung der Bahnen verlaufen. Die DFS ging bei dieser Grobplanung, ohne hierauf ausdrücklich hinzuweisen, davon aus, dass die beiden Bahnen nicht unabhängig voneinander genutzt werden sollten. In der Folgezeit berechnete die PPS auf der Grundlage der vorgelegten Grobplanung die Streckengeometrie für das Datenerfassungssystem (DES). Mit Schreiben vom 20. August 1998 kam die DFS auf eine Prüfbitte der Arbeitsgruppe zurück und erklärte, dass der vorgesehene Achsabstand und Schwellenversatz keine nachteiligen Auswirkungen auf die gleichzeitige unabhängige Durchführung des Flugverkehrs hätten. Weiter heißt es:
"In diesem Zusammenhang möchte ich jedoch auch deutlich darauf hinweisen, dass die gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Abflügen von beiden Pisten unmittelbar nach dem Start eine Divergenz der Abflugkurse von mindestens 15Grad erfordert. Ebenso müssen die Abflugkurse um mindestens 30Grad von den Fehlanflugkursen der jeweils anderen Piste abweichen. Da derartige Präzisierungen in der übergebenen Grobplanung für die künftigen IFR-Abflugverfahren nicht berücksichtigt wurden, ist bei der weiteren Verwendung dieser Unterlagen ein entsprechender Toleranzbereich zu berücksichtigen."
Mit Schreiben vom 26. August 1998 bestätigte die DFS, dass die von der PPS übermittelten Streckengeometriedaten mit ihrer Grobplanung übereinstimmten. Der Beklagte übermittelte beide DFS-Schreiben der PPS und bat, die Vorgaben der DFS bei den weiteren Planungen zu berücksichtigen. Die PPS erwiderte mit Schreiben vom 10. September 1998, dass sie die Forderung der DFS bei der Konstruktion der Standard Instrument Departures (SID) nicht berücksichtigt habe. Sie gehe davon aus, dass die Hinweise der DFS nicht zu einer Veränderung der Streckengeometrie führten; anderenfalls müsste kurzfristig ein Klärungsgespräch mit der DFS herbeigeführt werden. Ein solches Gespräch fand am 29. September 1998 bei der DFS in Offenbach statt. Ein Ergebnisprotokoll liegt nicht vor. Es gibt allerdings das Protokoll einer Koordinierungssitzung der PPS vom 5. Oktober 1998, in der ein Mitarbeiter - Herr Sch. - über die Besprechung vom 29. September berichtet. In dem Protokoll heißt es:
"Sollte dies (gemeint ist eine Divergenz der Abflugkurse um mindestens 15Grad) nicht erfolgen, ist mit Kapazitätseinschränkungen in Spitzenzeiten zu rechnen. Diese Einschränkungen konnten jedoch nicht quantifiziert werden. Deshalb ist auf eine grundsätzliche Vorgabe für alle Abflüge hinzuwirken und in die Grobplanung aufzunehmen. ... Die DFS erarbeitet innerhalb von 14 Tagen eine neue Grobplanung. Man konnte sich dem Wunsch nach ausschließlicher Plausibilitätsaussage nicht anschließen. Festlegung: Es ist ein entsprechendes Schreiben an Hr. E., BMV, zu richten mit der Bitte um Unterstützung und Einflussnahme im Sinne der PPS-Zielstellung auf die DFS." (Klammerzusatz nicht im Original)
Unter dem 7. Oktober 1998 richtete der Geschäftsführer der PPS, Herr Dr. H., ein Schreiben an den Unterabteilungsleiter Herrn E. im Bundesverkehrsministerium (im Folgenden: H.-Schreiben). Er berichtete über die Forderung der DFS nach einer grundsätzlichen Vorgabe der Divergenz von 15Grad für alle Abflüge. Weiter heißt es:
"Als Konsequenz ergibt sich die Notwendigkeit der generellen Überarbeitung des DES, insbesondere durch die geänderten Streckengeometrien. Ein geändertes DES macht die Überarbeitung aller bisher im Vertrauen auf die Verbindlichkeit der Grobplanung der DFS erarbeiteten lärmphysikalischen, lärmmedizinischen und humantoxikologischen Gutachten erforderlich. Es muss mit erheblichen finanziellen Mehraufwendungen und einer zeitlichen Verzögerung im Planungsablauf von ca. 3 Monaten gerechnet werden. ... Das BMV wird gebeten, Einfluss auf die DFS dahingehend zu nehmen, dass die DFS ihre Stellungnahme zum vorliegenden DES modifiziert. Die Stellungnahme der DFS ist für das Planfeststellungsverfahren wichtig. Sie sollte zum Ausdruck bringen, dass die dargestellte Streckengeometrie grundsätzlich akzeptiert wird. Es kann durchaus dargestellt werden, dass es zu einem zusätzlichen Koordinierungserfordernis von Abflügen seitens der DFS führt, was wiederum bei unterstellten unveränderten technischen und technologischen Bedingungen bei Erreichen der Kapazitätsgrenzen des Pistensystems zu Bewegungsbeschränkungen in Spitzenzeiten führen kann. Diese Situation würde der des Flughafens München entsprechen und könnte vom Antragsteller akzeptiert werden. Zu beachten ist auch, dass die endgültige Festlegung der Flugrouten durch die DFS erst bei Inbetriebnahme des Bahnsystems erfolgt und die dann geltenden technischen und technologischen Voraussetzungen berücksichtigt werden."
In einer E-Mail vom 9. Oktober 1998 schrieb der Mitarbeiter der DFS, Herr S., an einen Kollegen:
"Möglicherweise haben Sie schon das Fax von Herrn Dr. H. an Herrn E. gelesen. ... Auch Herr B. hat zwischenzeitlich in einem Telefonat mit Herrn O. um eine im Sinne der PPS liegende Bearbeitung gebeten. Entgegen unserer Vereinbarung vom 29.09.1998 und den darauf von uns bereits eingeleiteten Schritten ist in einem Telefonat zwischen Herrn O. und Herrn St. ... mit diesen Hintergründen folgendes vereinbart worden:
Es soll kein neues Verfahrenskonzept vorgelegt werden, aber in einem Schreiben an Herrn B. müssen einige Punkte deutlich zum Ausdruck gebracht werden ..., wie z.B.:
- Hinweis auf mögliche Kapazitätsengpässe,
- Hinweis auf mögliche Änderungen aufgrund neuer Navigations- und Verfahrensgrundlagen
- deutlicher Hinweis, dass es sich hierbei nur um Grobplanung handelt und mit Inbetriebnahme Verfahrensänderungen, insbesondere die Divergenz-SIDs möglich sind.
Diese Punkte sollen dann auch in der Planfeststellung festgeschrieben werden! ... Ich persönlich denke, dass wir vor dem zugespitzten politischen Hintergrund mit dieser Lösung leben können, unsere Bedenken sind dann festgeschrieben und die neuen Verfahren behalten wir in der Hinterhand."
Mit Schreiben vom 26. Oktober 1998 teilte die DFS dem Beklagten unter Bezugnahme auf die Besprechungen vom 30. März und 29. September 1998 Folgendes mit:
"Die dort (von der PPS) dargestellte Streckengeometrie entspricht grundsätzlich den derzeitigen Planungen der DFS (Klammerzusatz nicht im Original).
In o. Besprechung kündigte die DFS eine zusätzliche Prüfung im Hinblick auf eine gleichzeitige unabhängige Durchführung von IFR-Flugverkehr auf beiden Pisten an.
Als Ergebnis dieser Prüfung ergab sich, dass bei dem geplanten Bahnabstand IFR-Anflüge unabhängig voneinander auf beide Pisten durchgeführt werden können. Um allerdings auch parallele IFR-Abflüge gleichzeitig von beiden Pisten gewährleisten zu können, wäre generell eine Divergenz der Abflugwege von 15Grad erforderlich. Dies bedeutet, dass es bei den vorliegenden Abflugverfahren während Verkehrsspitzenzeiten zu Abflugverzögerungen kommen könnte.
Es wird darauf hingewiesen, dass die nach § 27a LuftVO vom LBA per Rechtsverordnung festzulegenden Flugverfahren nicht Gegenstand einer Planfeststellung oder Flugplatzgenehmigung sein können. ...
Die Festlegung der für die Inbetriebnahme des neuen Bahnsystems notwendigen Flugverfahren wird demzufolge erst kurz vor Betriebsaufnahme unter Berücksichtigung obiger Gesichtspunkte und in enger Zusammenarbeit mit allen Betroffenen erfolgen."
In der Folgezeit erstellte die PPS die Planunterlagen auf der Grundlage der von der DFS erstellten Grobplanung der Flugrouten; den Gutachten zu den flugroutenabhängigen Auswirkungen des Flugbetriebs liegt ebenfalls diese Grobplanung zugrunde.
Im Anhörungsverfahren gab die DFS am 3. Juli 2000 eine Stellungnahme als Trägerin öffentlicher Belange ab. Sie wiederholte fast wortgleich den Inhalt ihrer Stellungnahme vom 26. Oktober 1998.
Im Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 legte der Beklagte dar, dass die Herstellung eines unabhängig benutzbaren Parallelbahnsystems ein wesentlicher Grund für den Ausbau des Flughafens sei. Um das den Planungen zugrunde liegende Verkehrsaufkommen von 360 000 Flugbewegungen bewältigen zu können, sei es erforderlich, dass die beiden Bahnen unabhängig voneinander betrieben werden könnten (PFB S. 336 Abs. 1, 409 Abs. 5). Er wies darauf hin, dass die Flugrouten in einem separaten Verfahren festgelegt würden. Die dem DES zugrunde gelegten Flugrouten bezeichnete er als "durchaus plausible und auch hinreichend konkrete Grundlage für die Ermittlung der Auswirkungen des Ausbauvorhabens" (PFB S. 414). Auch die Schutz- und Entschädigungsgebiete legte er auf der Grundlage dieser Flugrouten fest. Bei geänderten An- und Abflugverfahren behielt er sich vor, die festgelegten Schutz- und Entschädigungsgebiete neu auszuweisen, wenn sich der Dauerschallpegel an der äußeren Grenze des Schutzgebiets an den Schnittpunkten mit den An- und Abflugstrecken um mehr als 2 dB(A) ändert (A II 5.1.9 Nr. 1 PFB).
Am 6. September 2010 stellte die DFS der Fluglärmkommission eine neue Flugroutenplanung vor; danach sollten die von der Nordbahn startenden Flugzeuge in Betriebsrichtung Westen um erheblich mehr als 15Grad abknicken und Teltow, Stahnsdorf und Kleinmachnow überfliegen. Die Abflüge von der Südbahn sollten in beiden Betriebsrichtungen um etwa 15Grad nach Süden abknicken.
Am 10. Dezember 2010 wurde das H.-Schreiben in der Presse veröffentlicht. Am 16. Dezember 2010 gab der Staatssekretär des Beklagten Herr Br. ein Radiointerview, in dem er u.a. erklärte, der Beklagte habe "natürlich von den abknickenden Flugrouten gewusst." Allerdings habe man die Prognosen nicht anpassen können, da man nicht gewusst habe, in welche Richtung die endgültigen Flugrouten später abknicken würden.
Im Verfahren BVerwG 4 A 7000.11 beantragten die Kläger mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 beim Beklagten, das Planfeststellungsverfahren wiederaufzugreifen. Zur Begründung führten sie aus, der am 6. September 2010 vorgestellten Planung der DFS sei zu entnehmen, dass ihre Grundstücke entgegen den im Planfeststellungs- und im Planergänzungsbeschluss aufgezeichneten Flugrouten von Flugzeugen des künftigen Verkehrsflughafens überflogen würden. Dies sei im Rahmen des damaligen Verfahrens für sie nicht erkennbar gewesen. Das Verfahren sei wieder aufzugreifen und in diesem Rahmen seien Unterlagen auszulegen, die die tatsächliche Planung der DFS mit abknickenden Flugrouten berücksichtigten. Nur dadurch würden sie in die Lage versetzt, Einwendungen zu erheben. Der Beklagte lehnte die Anträge mit Bescheid vom 21. Februar 2011 ab.
Die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 5000.10 und 5001.10 haben am 23. Dezember 2010, der Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 5002.10 am 24. Dezember 2010 und die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 am 9. März 2011 Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss i.d.F. des Planergänzungsbeschlusses erhoben. Alle Kläger haben zugleich Wiedereinsetzung in die Klagefrist beantragt.
In den Verfahren BVerwG 4 A 5000.10 bis 5002.10 machen die Kläger zur Begründung ihrer Wiedereinsetzungsanträge geltend: Sie seien schuldlos an einer rechtzeitigen Klageerhebung gehindert gewesen, da sie ihre mögliche Betroffenheit durch den Planfeststellungsbeschluss und den Planergänzungsbeschluss nicht hätten erkennen können. Die einjährige Ausschlussfrist des § 60 Abs. 3 VwGO stehe der Wiedereinsetzung nicht entgegen, denn es liege ein Fall höherer Gewalt vor. Sie seien vom Beklagten vorsätzlich über die Auswirkungen von Fluglärm auf ihr Grundstück getäuscht worden. Ausgehend von den der Planung zugrunde gelegten geradlinigen Abflugrouten habe es keinen Hinweis dafür gegeben, dass sie abwägungsrelevant von Fluglärm betroffen sein würden. Die geradlinigen Abflugstrecken hätten nicht den Anforderungen an den unabhängigen Parallelbetrieb beider Bahnen entsprochen; dieser erfordere um mindestens 15Grad divergierende Abflugrouten. Der Beklagte habe wider besseres Wissen an den geradlinigen Abflugrouten festgehalten und sie dadurch absichtlich und bewusst von der Geltendmachung ihrer Rechte abgehalten. Die Kenntnis des 15Grad-Erfordernisses habe der damalige Leiter der Planfeststellungsbehörde, Herr Staatssekretär Br., erstmals in seinem Radiointerview vom 16. Dezember 2010 eingeräumt. Dass die PPS sachwidrig auf die Flugroutenplanung eingewirkt habe, hätten sie erst durch die Veröffentlichung des H.-Schreibens am 10. Dezember 2010 in der Presse erfahren. Der Grund, der sie gehindert habe, Klage zu erheben, sei nicht nach Kenntnis der Flugroutenplanung der DFS vom 6. September 2010 entfallen, sondern erst nachdem sie Kenntnis der vorsätzlichen Täuschung erlangt hätten. Hilfsweise stützen die Kläger ihr Wiedereinsetzungsbegehren auf die ihnen am 18. April 2011 aus der Presse bekannt gewordene E-Mail des Mitarbeiters der DFS, Herrn S., vom 9. Oktober 1998. Aus ihr gehe hervor, dass die DFS stets abknickende Flugrouten gewollt und Herr B. in Kenntnis dieses Umstandes auf die Abgabe einer gezielt irreführenden Stellungnahme hingewirkt habe. Aus Vermerken des Beklagten vom 28. Februar 1995, 21. August 1995 und 4. September 1995 und einer DFS-Präsentation, so die Kläger in den Verfahren BVerwG 4 A 5001.10 und 5002.10, gehe im Zusammenhang mit den Verwaltungsvorgängen des Planfeststellungsverfahrens zudem hervor, dass der Beklagte bereits 1995 das Erfordernis einer Flugroutengrobplanung durch die DFS gesehen, aber nicht gewollt und daher in gemeinsamen Wirken mit der Beigeladenen hinausgezögert habe, weil er ansonsten das Erfordernis einer neuen Standortwahl befürchtete.
Die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 machen zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags geltend, die Versäumung der Klagefrist sei gemäß § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 45 Abs. 3 VwVfG nicht verschuldet, weil sie vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses nicht in der erforderlichen Weise angehört worden seien. Da ordnungsgemäße Planunterlagen noch immer nicht ausgelegt worden seien, sei die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist gemäß § 45 Abs. 3 Satz 2 VwVfG bislang nicht in Lauf gesetzt worden. Vorsorglich stützen auch sie den Antrag auf die E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn S. und weitere E-Mails und Berichte, von denen sie durch Akteneinsicht bei der DFS Kenntnis erlangt haben (E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn K. vom 3. Februar 2006; undatierte Stellungnahme der DFS aus dem Jahr 2010; AirTOp27 - Ergebnispräsentation vom 23. September 2010; Ideen-Papier über neue An-/Abflugverfahren und Luftraumstrukturen der DFS vom 11. Dezember 2007; Realzeitsimulation BBI der DFS vom 12. November 2009; Schnellzeitsimulation der DFS vom 7. Dezember 2009; NIROS Simulation - Bericht EDDB 1 der DFS vom 28. August 2009). Die Klagen seien auch im Übrigen zulässig. Auch angesichts der inzwischen vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) festgelegten Flugrouten bestehe für alle Kläger noch die Möglichkeit, dass sie von abwägungserheblichem Fluglärm betroffen sein könnten.
Die Klagen seien auch begründet. Der Planfeststellungsbeschluss und der Planergänzungsbeschluss seien wegen der fehlerhaften bzw. unterbliebenen Anhörung der Kläger verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Die vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses ausgelegten Antragsunterlagen hätten ihnen gegenüber keine Anstoßfunktion entfaltet. Aus den Planunterlagen sei eine rechtlich erhebliche Belastung ihrer Grundstücke mit Fluglärm nicht zu erkennen gewesen.
Der Planfeststellungsbeschluss sei auch materiell rechtswidrig. Die Zugrundelegung der erkannt unrealistischen Flugroutenplanung bei der Ermittlung der Lärmbetroffenheiten begründe ein Abwägungsdefizit. Dies habe das Abwägungsergebnis beeinflusst, denn abknickende Flugrouten würden über dicht besiedelte Gebiete unmittelbar an der Südgrenze Berlins führen. Wären die hierdurch hervorgerufenen zusätzlichen Lärmbetroffenheiten berücksichtigt worden, so wäre eine Entscheidung für einen stadtnahen Flughafen und gegen den Standort Sperenberg nicht mehr vertretbar gewesen, jedenfalls bestehe die konkrete Möglichkeit einer anderen Standortentscheidung. Auch die Auswahl der Bahnkonfiguration und das Flugsicherheitsgutachten beruhten auf der rechtswidrigen Flugroutenprognose. Selbst wenn man von einer ungefähr gleichbleibenden Zahl Lärmbetroffener ausgehe, sei die Abwägung fehlerhaft; die tatsächlich Lärmbetroffenen durch eine vergleichbare Zahl hypothetisch - unter unrealistischen Flugrouten - Lärmbetroffener zu "ersetzen", degradiere den Einzelnen zu einer reinen Zählgröße in der Abwägung und verletze die Menschenwürdegarantie in Art. 1 Abs. 1 GG, zumal den tatsächlich Betroffenen hierdurch Rechtsschutzmöglichkeiten genommen würden.
Die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 5000.10 beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 aufzuheben.
Die Kläger der Verfahren BVerwG 4 A 5001.10 und 5002.10 beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 aufzuheben,
hilfsweise
die Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses auszusetzen und den Beklagten zu verpflichten, ein ergebnisoffenes Fehlerbehebungsverfahren durchzuführen.
Die Kläger im Verfahren BVerwG 4 A 7000.11 beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 in der derzeit gültigen Fassung aufzuheben,
hilfsweise hierzu
1. den Beklagten zu verpflichten, über eine weitergehende Einschränkung des Nachtflugbetriebs in Teil A II Ziff. 5.1.1 Abs. 1, Abs. 3 c), Abs. 4 bis 6 und Abs. 9 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,
weiter hilfsweise hierzu
den Beklagten zu verpflichten, über weitergehende Einschränkungen des Nachtflugbetriebs in der Zeit zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr Ortszeit in Teil A II Ziff. 5.1.1 Abs. 1, Abs. 3 c), Abs. 4 bis 6 und Abs. 9 des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Soweit die Klagen im Verfahren BVerwG 4 A 7000.11 ursprünglich auch auf weitergehenden passiven Schallschutz gerichtet waren, haben die Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die übrigen Beteiligten haben sich dieser Erklärung angeschlossen.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 beantragen jeweils,
die Klagen abzuweisen.
Die Beigeladenen zu 2 und 3 stellen keine Anträge.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 halten die Klagen für unzulässig. Die Klagefrist sei für alle Kläger verstrichen, da der Planfeststellungsbeschluss ihnen gegenüber gemäß § 74 Abs. 4 und 5 VwVfG mit Ablauf der Auslegungsfrist wirksam bekannt gemacht worden sei. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren. Die Kläger hätten die Forderung der DFS nach Einhaltung einer 15Grad-Divergenz aus den Verwaltungsakten entnehmen können; sie sei auch im Erörterungstermin zur Sprache gekommen. Auf die Vorläufigkeit und Unverbindlichkeit der Flugroutenprognose sei im Planfeststellungsbeschluss hingewiesen worden. Erst recht liege kein Fall höherer Gewalt vor. Der Beklagte habe über das 15Grad-Erfordernis nicht getäuscht. Zudem habe ein etwaiger Irrtum hierüber die Kläger nicht an der Klageerhebung gehindert, da das 15Grad-Erfordernis die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses nicht berühre. Jedenfalls sei der Wiedereinsetzungsantrag verspätet gestellt worden; ein unterstelltes unverschuldetes bzw. auf höherer Gewalt beruhendes Klagehindernis sei nicht erst mit Kenntnis vom H.-Schreiben oder vom Br.-Interview, sondern bereits nach den Presseberichten über die Flugroutenplanungen im September/Oktober 2010 entfallen.
Die Klagen seien auch unbegründet. Eine Auslegung in Kleinmachnow sei nicht erforderlich gewesen, da eine Betroffenheit auf Grundlage der eingereichten, auf der zur Abschätzung der Betroffenheiten ausreichenden Grobplanung beruhenden Unterlagen nicht erkennbar gewesen sei. Es sei zudem nichts für die Kausalität zwischen einem unterstellten Auslegungsfehler und dem Abwägungsergebnis ersichtlich. Die Ausführungen des Senats zur Unerheblichkeit des 15Grad-Erfordernisses für das Nachtbetriebskonzept gälten erst recht für die Standortentscheidung. Die fehlende Realisierungschance der Grobplanung sei auch ohne Auswirkungen auf die Konfigurationsanalyse und das Flugsicherheitsgutachten gewesen.
Soweit die Beteiligten des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Im Übrigen sind die Klagen unzulässig. Die Kläger haben die Klagefrist versäumt. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann ihnen nicht gewährt werden.
A. Klagefrist
Ist - wie hier (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 70 VwVfGBbg i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. März 2004, im Folgenden: VwVfGBbg a.F.) - ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Der Planfeststellungsbeschluss wurde gemäß § 74 Abs. 5 VwVfGBbg a.F. mit Wirkung gegenüber allen Klägern öffentlich bekannt gemacht. Die öffentliche Bekanntmachung wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil des Planfeststellungsbeschlusses, die Rechtsbehelfsbelehrung und ein Hinweis auf die Auslegung nach § 74 Abs. 4 Satz 2 VwVfG im amtlichen Veröffentlichungsblatt der zuständigen Behörde und außerdem in örtlichen Tageszeitungen bekannt gemacht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird; auf Auflagen ist hinzuweisen (§ 74 Abs. 5 Satz 2 VwVfGBbg a.F.); mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Beschluss den Betroffenen und denjenigen gegenüber, die Einwendungen erhoben haben, als zugestellt; hierauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen (§ 74 Abs. 5 Satz 3 VwVfGBbg a.F.).
Der verfügende Teil des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. August 2004 wurde im Amtlichen Anzeiger vom 18. August 2004 - Beilage zum Amtsblatt für Brandenburg Nr. 32 (S. 1517) - bekannt gemacht. Die Bekanntmachung enthielt den Hinweis darauf, dass Ausfertigungen des Planfeststellungsbeschlusses einschließlich aller ausgefertigten Pläne vom 6. bis 20. September 2004 für das Land Brandenburg in einzeln genannten amtsfreien Gemeinden, Städten und Ämtern und für das Land Berlin in den Bezirksämtern Neukölln, Tempelhof-Schöneberg und Treptow-Köpenick ausgelegt würden, den Hinweis auf die Zustellfiktion und die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung. Dieser Text wurde auch in den örtlichen, im Einwirkungsbereich des Flughafens verbreiteten Tageszeitungen B.Z., Märkische Allgemeine Zeitung, Märkische Oderzeitung, Potsdamer Neueste Nachrichten, jeweils vom 14./15. August 2004, und Tagesspiegel, Berliner Morgenpost und Berliner Zeitung, jeweils vom 20. August 2004, bekannt gemacht.
Die Zustellfiktion gemäß § 75 Abs. 5 Satz 3 VwVfGBbg a.F. ist auch gegenüber den Klägern aus Kleinmachnow eingetreten. Dass der Planfeststellungsbeschluss dort nicht ausgelegt war, steht der Zustellfiktion nicht entgegen. Die öffentliche Bekanntmachung des verfügenden Teils des Planfeststellungsbeschlusses ersetzt zwar nicht die öffentliche Auslegung in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben auswirkt (Allesch/Häußler, in: Obermayer, VwVfG, 3. Aufl. 1999, § 74 Rn. 140; Dürr, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 74 Rn. 46, 50); die maßgebende Anstoßwirkung geht jedoch von der Bekanntmachung des verfügenden Teils des Planfeststellungsbeschlusses aus (Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, Stand Juli 2012, § 10 Rn. 102; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, § 74 Rn. 152; vgl. Urteil vom 27. Mai 1983 - BVerwG 4 C 40.81 u.a. - BVerwGE 67, 206 <214>). Insoweit unterscheidet sich die öffentliche Bekanntmachung nach § 74 Abs. 5 VwVfG von der ortsüblichen, je nach Landes- und Ortsrecht nicht notwendigerweise in den örtlichen Tageszeitungen erfolgenden Bekanntmachung nach § 74 Abs. 4 VwVfG. Bei dieser werden nur Ort und Zeit der Auslegung bekannt gemacht. Bei der öffentlichen Bekanntmachung müssen darüber hinaus das Vorhaben mit seinen wesentlichen Maßnahmen und den hierzu getroffenen Regelungen inhaltlich so bezeichnet werden, dass die möglicherweise in ihren Rechten Betroffenen die Möglichkeit ihrer Betroffenheit erkennen können und veranlasst werden, weitere Informationen einzuholen (Urteil vom 27. Mai 1983 a.a.O. <213 ff.>; Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 74 Rn. 217). Der Hinweis auf die Auslegung nach § 74 Abs. 4 Satz 2 VwVfG gibt lediglich Auskunft, wo die Adressaten der öffentlichen Bekanntmachung die weiteren Informationen einholen können.
Im vorliegenden Fall musste die Anstoßwirkung der öffentlichen Bekanntmachung auch die Kleinmachnower Kläger erreichen. Jedenfalls die Potsdamer Neuesten Nachrichten und die Märkische Allgemeine Zeitung sind in Kleinmachnow verbreitet; sie haben Lokalteile für die Region. Der Bekanntmachungstext enthielt eine Aufzählung der Baumaßnahmen an den Start- und Landebahnen, Rollbahnen und Vorfeldern, den Hinweis auf die Ausweisung von Flächen für Flughafenbauten und Angaben zur Anbindung des Flughafens an das Straßen- und Schienennetz sowie zur Anlegung eines Flughafenbahnhofs; er ließ keinen Zweifel daran, dass der Flughafen Berlin-Schönefeld zu einem neuen Großflughafen ausgebaut werden sollte. Angesichts der Größe des Vorhabens und der Entfernung ihrer Grundstücke zum Flughafen mussten die Kleinmachnower Kläger die Möglichkeit in Betracht ziehen, durch den zu erwartenden Flugbetrieb betroffen zu werden. Da die An- und Abflugverfahren nicht Gegenstand der Planfeststellung sind, mussten die Kläger insbesondere in Betracht ziehen, dass die Flugrouten anders festgelegt werden als für die Planfeststellung angenommen. Insoweit gilt für die Kleinmachnower Kläger nichts anderes als für die Betroffenen, in deren Gemeinde der Planfeststellungsbeschluss ausgelegt war. Wegen der relativ großen Entfernung vom Flughafen konnten die Kleinmachnower Kläger zwar nicht sicher davon ausgehen, dass ihre mögliche Betroffenheit noch als erheblich bewertet werden würde; auch sie konnten der Bekanntmachung jedoch entnehmen, dass sie eine Klage jedenfalls nur innerhalb eines Monats nach dem Ende der Auslegungsfrist erheben konnten.
Dass bereits die Planunterlagen in Kleinmachnow nicht ausgelegt worden waren, steht der Anstoßwirkung ebenfalls nicht entgegen. Die öffentliche Bekanntmachung eines Planfeststellungsbeschlusses für den Ausbau eines Flughafens zu einem neuen Großflughafen trifft auf ein vorinformiertes aufmerksames Publikum. Planfeststellungsbedürftige Großvorhaben werden stets über einen längeren Zeitraum vorbereitet, währenddessen ihr Bekanntheitsgrad auch ohne amtliche Publikation auf mannigfache Weise (z.B. durch Presseveröffentlichungen, Rundfunk, Fernsehen und zumeist auch durch Verlautbarungen von Bürgerinitiativen) zunimmt (Urteil vom 27. Mai 1983 a.a.O. <211>). So war es auch hier. Aufgrund dieser Vorinformationen wurden die Kleinmachnower Kläger von der öffentlichen Bekanntmachung des Planfeststellungsbeschlusses nicht unvorbereitet getroffen. Sollte die Auslegung der Planunterlagen in Kleinmachnow zu Unrecht unterblieben sein, hätte dies möglicherweise gemäß § 60 Abs. 2 VwGO, § 1 Abs. 1 VwVfGBbg in der für die Beurteilung des Wiedereinsetzungsantrags maßgeblichen Fassung vom 7. Juli 2009 i.V.m. § 45 Abs. 3 VwVfG eine Wiedereinsetzung in die Klagefrist rechtfertigen können; das ist indes eine Frage der Begründetheit des Wiedereinsetzungsantrags. Weitergehende Rechtsfolgen für den Lauf der Frist ergeben sich hieraus nicht.
Die Klagefrist wurde mithin durch die gemäß § 74 Abs. 5 Satz 3 VwVfGBbg a.F. eingetretene Zustellfiktion mit Ende des 20. September 2004 in Lauf gesetzt. Sie endete am 20. Oktober 2004 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 2 Satz 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die am 23. Dezember 2010 (BVerwG 4 A 5000.10 und 5001.10), 24. Dezember 2010 (BVerwG 4 A 5002.10) bzw. 8. März 2011 (BVerwG 4 A 7000.11) erhobenen Klagen sind verspätet.
B. Wiedereinsetzung
Die beantragte Wiedereinsetzung in die Klagefrist kann den Klägern nicht gewährt werden.
I. Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten (§ 60 Abs. 1 VwGO). Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war (§ 60 Abs. 3 VwGO).
Hier ist seit dem Ende der Klagefrist mehr als ein Jahr verstrichen. Eine Wiedereinsetzung ist mithin nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 VwGO möglich. Bereits deshalb kann § 1 VwVfGBbg i.V.m. § 45 Abs. 3 VwVfG dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Nach dieser Vorschrift gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsakts unterblieben und dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsakts versäumt worden ist. § 45 Abs. 3 VwVfG fingiert nur das mangelnde Verschulden, nicht die Unmöglichkeit der Fristwahrung infolge höherer Gewalt (Ziekow, VwVfG, 2. Aufl. 2010, § 45 Rn. 24; Kopp/Ramsauer, a.a.O. § 45 Rn. 48; Meyer, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 45 Rn. 52). Das ist nach dem Wortlaut der Vorschrift eindeutig. Eine erweiternde Auslegung des § 45 Abs. 3 VwVfG kommt nicht in Betracht; abgesehen von dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die Folgen von Verfahrensfehlern begrenzt (vgl. § 45 Abs. 2 und 3, § 46, § 75 Abs. 1a VwVfG; § 10 Abs. 8 Satz 2 LuftVG).
Unter höhere Gewalt fallen nicht nur Naturereignisse und vergleichbare der menschlichen Steuerung entzogene Umstände. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter höherer Gewalt ein Ereignis zu verstehen, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte, nach den Umständen des konkreten Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe - namentlich unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung - zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (Urteile vom 13. Januar 1987 - BVerwG 9 C 259.86 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 6 - juris Rn. 15, vom 18. April 1997 - BVerwG 8 C 38.95 - Buchholz 454.71 § 27 2. WoGG Nr. 2 - juris Rn. 16 und vom 30. Oktober 1997 - BVerwG 3 C 35.96 - BVerwGE 105, 288 <300>; BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 2007 - 2 BvR 51/05 - juris Rn. 11). Dies ist aus Gründen der Rechtssicherheit eine hohe Hürde. Ist die rechtzeitige Vornahme einer fristgebundenen Handlung unzumutbar, ist dies aus verfassungsrechtlichen Gründen allerdings immer ein Ereignis aus dem Bereich der höheren Gewalt (BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 1985 - 2 BvR 1167/84 u.a. - BVerfGE 71, 305 <348>). Auch ein rechts- oder treuwidriges Verhalten der Behörde kann einen Fall höherer Gewalt begründen (BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 a.a.O.). Hierfür genügt jedoch nicht jede Irreführung durch eine Behörde. Bei einer Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss ist ein Fall höherer Gewalt allenfalls dann gegeben, wenn der Beklagte bei den Klägern einen Irrtum über die Möglichkeit der eigenen Betroffenheit und damit ihre Klagebefugnis (II.) oder die hinreichenden Erfolgsaussichten einer Klage (III.) erregt oder arglistig über einen für den Erfolg der Klage relevanten Umstand getäuscht hat (IV.). Die Erregung von Irrtümern über Umstände, die für den Erfolg der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss nicht relevant sind, kann einen Fall höherer Gewalt nicht begründen.
Gemessen hieran waren die Kläger nicht infolge höherer Gewalt gehindert, jedenfalls innerhalb eines Jahres seit dem Ende der Klagefrist Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 zu erheben.
II. Keine Irrtumserregung über die Klagebefugnis
Einen Irrtum über ihre Klagebefugnis hat der Beklagte bei den Klägern nicht erregt. Zur Begründung ihrer Klagebefugnis hätten die Kläger - nicht anders als mit den vorliegenden Klagen - geltend machen können, durch den Planfeststellungsbeschluss in ihrem Recht auf fehlerfreie Abwägung ihrer eigenen Belange (§ 8 Abs. 1 LuftVG) verletzt zu sein. Die Möglichkeit einer Verletzung dieses Rechts i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO bestand unabhängig davon, ob die Auswirkungen des Flugbetriebs im Planfeststellungsverfahren ausgehend von divergierenden Abflugrouten hätten ermittelt werden müssen oder nicht.
1. Rechtliche Voraussetzungen der Klagebefugnis
Das Recht auf fehlerfreie Abwägung der eigenen Belange steht nicht nur demjenigen zu, dessen Belange ausgehend von der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Flugroutenprognose abwägungserheblich betroffen wären, sondern jedem, der abwägungserheblich betroffen werden kann, weil sein Grundstück innerhalb des Einwirkungsbereichs des Flughafens liegt und weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen auszuschließen ist, dass ein zu seiner Betroffenheit führendes Flugverfahren festgelegt wird. Das gilt unabhängig davon, ob die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegende Flugroutenprognose rechtmäßig oder rechtswidrig ist.
Die Flugverfahren werden nicht zusammen mit der Entscheidung über die Anlegung oder den Ausbau des Flughafens im Planfeststellungsverfahren, sondern in einem gesonderten Verfahren vom BAF auf der Grundlage von Vorarbeiten der DFS durch Rechtsverordnung festgelegt (§ 32 Abs. 4 Nr. 8, Abs. 4c LuftVG, § 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO). Müssen die Flugverfahren für ein neues Bahnsystem festgelegt werden, kann dies erst nach der Planfeststellung der neuen Bahnen geschehen; auch nach Inbetriebnahme des Bahnsystems können die Flugverfahren geändert werden. Die Ermittlung der Lärmbetroffenheiten und anderer Auswirkungen des Flugbetriebs im Planfeststellungsverfahren ist deshalb systemimmanent mit der Unsicherheit behaftet, dass die Flugrouten für die An- und Abflüge nicht feststehen (Urteil vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 147). In einer solchen Situation muss jeder Klage gegen die Anlegung oder den Ausbau eines Flughafens erheben können, der durch Fluglärm abwägungserheblich betroffen werden kann.
Effektiver Rechtsschutz gegen die Anlegung oder den Ausbau eines Flughafens und die damit verbundenen Beeinträchtigungen durch den Flugbetrieb kann nur im Planfeststellungsverfahren gewährleistet werden. Die Festlegung der Flugrouten unterliegt zwar ebenfalls gerichtlicher Überprüfung; die eigentliche Störquelle - die Anlegung oder der Ausbau des Flughafens - lässt sich in diesem Verfahren jedoch nicht mehr beseitigen (Urteile vom 28. Juni 2000 - BVerwG 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276 <283>, vom 24. Juni 2004 - BVerwG 4 C 11.03 - BVerwGE 121, 152 <157> und vom 4. Mai 2005 - BVerwG 4 C 6.04 - BVerwGE 123, 322 <329>). Das BAF ist bei der Festlegung der Flugrouten auch nicht an die der Planfeststellung zugrunde gelegte Grobplanung der Flugrouten gebunden, selbst wenn diese mit der DFS abgestimmt war. Es muss unter Beteiligung der Fluglärmkommission (§ 32b Abs. 2 und 3 LuftVG; vgl. Urteil vom 24. Juni 2004 a.a.O. <169>) und gegebenenfalls des Umweltbundesamtes (§ 32 Abs. 4c Satz 2 LuftVG) in Betracht kommende Routenalternativen prüfen und sodann eine eigene Abwägungsentscheidung treffen. Die in der Planfeststellung und der luftrechtlichen Genehmigung getroffenen Entscheidungen hat es hierbei zu beachten; deren Ausnutzung darf es nicht vereiteln (Urteil vom 4. Mai 2005 a.a.O. <330 f.>). Auch tragende Erwägungen des Planfeststellungsbeschlusses können bei der Festlegung der Flugrouten zu beachten sein. Wenn es - wie hier - Planungsziel ist, durch die Schließung der innerstädtischen Flughäfen Tegel und Tempelhof und den Ausbau des Flughafens Schönefeld zum einzigen Verkehrsflughafen der Metropolregion Berlin Brandenburg die Zahl der schwer Lärmbetroffenen wesentlich zu senken, darf dieses Ziel nicht konterkariert werden, indem stark belegte Abflugverfahren über dicht besiedeltes Stadtgebiet geführt werden. Die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Erwartung der Anwohner und Gemeinden, die Festlegung der Flugrouten werde von der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Grobplanung jedenfalls nicht wesentlich abweichen, bei der Entscheidung des BAF in die Abwägung einzustellen ist, braucht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden zu werden. Jedenfalls wäre dieser Belang in der Abwägung nicht unüberwindbar. Die Entstehung anderer als der prognostizierten Betroffenheiten kann im Verfahren zur Festlegung der Flugrouten nicht ausgeschlossen werden.
Die Klagebefugnis eines nicht sicher, sondern nur möglicherweise Betroffenen ergibt sich aus seiner materiellen Rechtsposition in der fachplanerischen Abwägung; er hat in der Abwägung nicht - wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung gemeint hat - eine bloße "Null-Position". Wird der Standort des Flughafens - wie hier - durch die Landesplanung zielförmig festgelegt, sind auf der Ebene der Landesplanung die weiträumigen Auswirkungen der Standortwahl auf die Siedlungs- und Freiraumstruktur des Planungsraums in den Blick zu nehmen (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 72). Bereits der Träger der Landesplanung muss berücksichtigen, dass die Flugverfahren nicht feststehen. Die Standortwahl muss grundsätzlich auch dann abgewogen sein, wenn andere als die prognostizierten Flugrouten festgelegt werden (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 150). Der Träger der Landesplanung muss prüfen, ob dies in den nachfolgenden Verfahren gewährleistet werden kann oder ob die Umsetzung seiner Standortentscheidung im nachfolgenden Planfeststellungsverfahren i.V.m. dem Verfahren zur Festlegung der Flugverfahren aus Gründen des Lärmschutzes auf unüberwindbare tatsächliche oder rechtliche Hindernisse stoßen würde (vgl. Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 154). Die Anforderungen an die insoweit erforderliche Ermittlungstiefe und Abwägungsdichte werden durch die Aufgabenstellung der Raumordnung, den Detaillierungsgrad der Zielaussage und die planerische Konzeption des Trägers der Landesplanung bestimmt (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 74, 153). Im Planfeststellungsverfahren können die von der landesplanerischen Standortfestlegung betroffenen Anwohner ihre privaten Belange verteidigen; fechten sie den Planfeststellungsbeschluss an, unterliegt die zielförmige Standortentscheidung der Landesplanung der gerichtlichen Inzidentkontrolle (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 82 f.).
Bei der Entscheidung über die Zulassung des konkreten Vorhabens an dem landesplanerisch festgelegten Standort muss die Planfeststellungsbehörde nach der Rechtsprechung des Senats nicht alle realistischerweise in Betracht kommenden Flugrouten auf die zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen untersuchen; sie kann sich auf die Betrachtung bestimmter Flugrouten beschränken (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 147). Der Planfeststellungsbeschluss muss aber die von dem Planvorhaben in seiner räumlichen Umgebung aufgeworfenen Probleme bewältigen (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 151 m.w.N.). Hierzu ist er nur in der Lage, wenn die prognostische Flugroutenplanung Art und Ausmaß der zu erwartenden Betroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abbildet. Die ausgehend von solchen exemplarischen Flugrouten ermittelten Betroffenheiten stehen in der Abwägung stellvertretend für vergleichbare Betroffenheiten, die bei anderen Flugverfahren an ihre Stelle treten würden. Werden andere als die prognostizierten Flugrouten festgelegt, bleiben die Betroffenheiten aber nach Art und Umfang im Wesentlichen unverändert, genügt es zur Bewältigung der sich daraus ergebenden Konflikte in der Regel, die Schutz- und Entschädigungsgebiete neu auszuweisen. Soweit es um das subjektive Recht auf fehlerfreie Abwägung der eigenen Belange geht, ist eine Repräsentation durch exemplarisch ermittelte andere Betroffene hingegen nicht möglich. Das subjektive Recht steht jedem Einzelnen zu, dessen schutzwürdige Belange mehr als geringfügig betroffen werden können. Der Einwand der Kläger, dass der Einzelne zu einer reinen Zählgröße in der Abwägung degradiert und dadurch in seiner Menschenwürde verletzt werde, geht schon aus diesem Grund fehl.
Durch später von der Grobplanung abweichende Flugverfahren können jedoch auch Lärmbetroffenheiten entstehen, die nach Art und Umfang durch die prognostizierten Flugverfahren nicht abgebildet werden. Der Planfeststellungsbeschluss muss auch die sich daraus ergebenden Konflikte vorab bewältigen, soweit dies nicht bereits auf der Ebene der Landesplanung geschehen ist. Hierfür ist es erforderlich, die gesamte Umgebung des Flughafens, die von abwägungserheblichem Lärm betroffen werden könnte, in den Blick zu nehmen. Eine von bestimmten Flugrouten ausgehende Ermittlung der Lärmbetroffenheiten ist allerdings in aller Regel nicht erforderlich. Denn für die Konfliktbewältigung genügt es sicherzustellen, dass die Festlegung der An- und Abflugverfahren die Zulassung des Vorhabens an dem vorgegebenen Standort mit der festgelegten Bahnkonfiguration nicht nachträglich als unabgewogen erscheinen lässt. Wenn die Prognose der An- und Abflugverfahren mit dem BAF oder der DFS abgestimmt ist (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 151), darf die Planfeststellungsbehörde grundsätzlich davon ausgehen, dass das BAF Flugverfahren festlegen wird, die Art und Ausmaß der im Planfeststellungsverfahren ermittelten Betroffenheiten nicht wesentlich übersteigen. Vorkehrungen für den Fall, dass das BAF das Planungsziel durch Festlegung von Abflugverfahren über dicht besiedeltes Stadtgebiet konterkariert, braucht sie nicht zu treffen; eine solche Flugroutenplanung wäre evident rechtswidrig. Ist nach dem planerischen Konzept der Planfeststellungsbehörde Grundlage für die Zulassung des Vorhabens an dem gewählten Standort, dass bestimmte Gebiete, die wegen ihrer dichten Besiedlung oder aus anderen Gründen besonders schutzwürdig sind, von einer Verlärmung durch stark belegte Abflugrouten verschont bleiben, kann sie auch dies im Planfeststellungsbeschluss feststellen. Das BAF hat bei der Festlegung der Flugverfahren dann auch diese Vorgabe zu beachten. Die Benutzung des Luftraums kann im Planfeststellungsverfahren zwar nicht geregelt werden (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 147). Das Planfeststellungsverfahren für die Anlegung oder den Ausbau des Flughafens und das Verfahren zur Festlegung der Flugrouten stehen jedoch in einer Wechselbeziehung. Lässt sich die Zulassung des Flughafenausbaus nach dem Abwägungskonzept der Planfeststellungsbehörde nur rechtfertigen, wenn bestimmte Gebiete von erheblichen Beeinträchtigungen durch Fluglärm verschont bleiben, kann die Planfeststellungsbehörde klarstellen, dass der Schutz dieser Gebiete zu den tragenden Erwägungen des Planfeststellungsbeschlusses gehört, zu denen sich das BAF bei der nachfolgenden Festlegung der Flugverfahren nicht in Widerspruch setzen darf. Ist der Schutz bestimmter Gebiete Voraussetzung bereits für die zielförmige Festlegung des Flughafenstandorts in der Landesplanung, kann auch der Träger der Landesplanung die ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um den Schutz dieser Gebiete in den nachfolgenden Verfahren zu sichern (vgl. Urteil vom 4. April 2012 - BVerwG 4 C 8.09 u.a. - NVwZ 2012, 1314 Rn. 301 - 308). Die Planfeststellungsbehörde kann sich zudem vorbehalten, die Regelungen über den Flugbetrieb zu ändern, wenn nur so mit dem Abwägungsgebot und dem Schutz der Nachtruhe unvereinbare Beeinträchtigungen verhindert werden können. Mit einer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss können die Anwohner geltend machen, dass die im Planfeststellungsbeschluss vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichend seien, um die Abgewogenheit der Standortentscheidung für den Fall ihrer Betroffenheit durch von der Grobplanung abweichende Flugverfahren sicherzustellen.
Veränderungen der Betroffenheiten, die sich ergeben, wenn das BAF Flugverfahren festlegt, die von der für das Planfeststellungsverfahren erstellten Grobplanung abweichen, sind hiernach keine "nicht voraussehbare Wirkungen" des Vorhabens i.S.v. § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG (vgl. hierzu Urteil vom 7. März 2007 - BVerwG 9 C 2.06 - BVerwGE 128, 177 Rn. 19). Sie sind den von dieser Vorschrift erfassten Prognoserisiken - wie etwa einem stärkeren Wachstum der Verkehrsmenge als vorhergesehen (vgl. Urteil vom 26. Mai 2011 - BVerwG 7 A 10.10 - juris Rn. 40) - auch nicht vergleichbar. Die Unsicherheiten bei der Ermittlung der Auswirkungen des Flugbetriebs, die sich aus den unterschiedlichen Verfahren für die Anlegung oder den Ausbau des Flughafens einerseits und die Festlegung der Flugverfahren andererseits ergeben, sind vielmehr in der Rechtsordnung begründet; ihnen muss durch eine rechtliche Koordinierung der beiden Verfahren Rechnung getragen werden.
Dass das Bundesverwaltungsgericht die Klagebefugnis unabhängig von der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Flugroutenprognose bejahen würde, war nicht unvorhersehbar. Einen gegenteiligen Rechtsstandpunkt hatte es in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht eingenommen. Dass der Erfolg einer Klage wegen einer ungeklärten Rechtsfrage ungewiss ist, stellt keinen Hinderungsgrund im Sinne der Wiedereinsetzungsvorschriften dar; Sinn einer Klage ist es auch, eine ungewisse Rechtslage klären zu lassen (Beschlüsse vom 18. Juli 1988 - BVerwG 3 B 33.88 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 157 und vom 15. März 1989 - BVerwG 7 B 40.89 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 162). Eine Vielzahl anderer Kläger hat sich durch diese Ungewissheit im Übrigen nicht abhalten lassen, fristgerecht Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zu erheben. Auch Anwohner, die ausgehend von der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Grobplanung der Flugrouten nicht abwägungserheblich betroffen wären, haben in großer Zahl Klage erhoben. Die in Königs Wusterhausen, Ortsteil Wernsdorf und Zeuthen wohnhaften Restitutionskläger des Verfahrens BVerwG 4 A 6001.11 bestätigen dies. Alle fristgerecht erhobenen Klagen hatten, soweit es um die Regelung des Nachtflugbetriebs und die Anordnung passiver Schallschutzmaßnahmen ging, teilweise Erfolg (vgl. Urteile vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1001.04, 1073.04, 1075.05 und 1078.04
2. Keine Irrtumserregung
Einen Irrtum über die Möglichkeit der eigenen Betroffenheit hat der Beklagte bei den Klägern nicht erregt. Er hat zwar im Planfeststellungsbeschluss nicht offengelegt, dass die DFS für einen unabhängigen Bahnbetrieb nicht parallele, sondern aus Sicherheitsgründen um mindestens 15Grad divergierende Abflugrouten planen würde. Ohne einen solchen Hinweis konnten und mussten die Kläger dieses Erfordernis nicht erkennen. Sie mussten auch nicht "ins Blaue hinein" Klage erheben, um in die Verwaltungsvorgänge mit den darin enthaltenen Stellungnahmen der DFS zur Grobplanung der Flugrouten Einsicht nehmen zu können. Die Festlegung anderer als der prognostizierten geradlinigen Abflugrouten war aber unabhängig von dem 15Grad-Erfordernis bereits wegen der dargelegten Trennung von Flughafenplanung einerseits und Flugroutenfestlegung andererseits möglich. Abknickende Abflugrouten waren auch ohne dieses Erfordernis nicht nur eine theoretische Möglichkeit. Das 15Grad-Erfordernis war für die Zulässigkeit einer Klage mithin nicht relevant. Die Rechtslage hat der Beklagte im Planfeststellungsbeschluss zutreffend dargestellt. Er hat darauf hingewiesen, dass die An- und Abflugverfahren nicht Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens seien und erst unmittelbar vor der Inbetriebnahme des ausgebauten Flughafens durch Rechtsverordnung festgelegt würden (PFB S. 414 f., 584, 631, 995). Für den Fall geänderter An- und Abflugverfahren hat er sich die nachträgliche Festsetzung, Änderung und Ergänzung von Auflagen zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm vorbehalten (A II 5.1.9 Nr. 1 PFB). Ausgehend hiervon mussten die Kläger erkennen, dass andere, für sie ungünstigere Flugrouten festgelegt werden konnten.
Die Kläger konnten auch das Ausmaß der möglichen Betroffenheit ihrer Grundstücke hinreichend abschätzen. Die aus dem Orientierungsplan A III 4-1 (Beiakte 385) ersichtliche Lage ihrer Grundstücke im Verhältnis zu den Start- und Landebahnen und die für die Grobplanung der Flugrouten dargestellten Lärmkonturen bis hinab zu einem Leq(3), Tag = 55 dB(A) (Beiakte 422, Plan M 4.1-7) waren hierfür ausreichend. Der Einwirkungsbereich des Flughafens ließ sich durch eine Verschwenkung der Lärmkonturen ohne Weiteres abschätzen. Ob auch Kleinmachnow innerhalb dieses Bereichs liegt, weil der Fluglärm bei Festlegung einer für diese Gemeinde ungünstigen Abflugroute die Schwelle zur Abwägungserheblichkeit übersteigen würde, hängt davon ab, wo die Schwelle zur Abwägungserheblichkeit zu ziehen ist. Das wäre bei einer fristgerecht erhobenen Klage nicht ungewisser gewesen als bei den jetzt anhängigen Wiedereinsetzungsklagen. Dass der Beklagte im Planfeststellungsverfahren für Kleinmachnow eine abwägungserhebliche Betroffenheit ausschloss und deshalb die Planunterlagen dort nicht ausgelegt hatte, hätte die Wiedereinsetzung zwar möglicherweise innerhalb der Jahresfrist rechtfertigen können; eine Hinderung durch höhere Gewalt ergibt sich aber auch daraus nicht. Die Kläger der Verfahren BVerwG 4 A 5000.10 und 5001.10 hätten das Ausmaß ihrer Betroffenheit nicht anders als andere möglicherweise Betroffene durch Einsichtnahme in den Planfeststellungsbeschluss abschätzen können.
III. Keine Irrtumserregung über hinreichende Erfolgsaussichten einer Klage
Eine Klage wäre auch in der Sache nicht ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg gewesen. Davon mussten die Kläger auch ohne Kenntnis des 15Grad-Erfordernisses ausgehen. Wie die fristgerecht erhobenen Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss gezeigt haben, war die Entscheidung, den Ausbau des Flughafens am Standort Schönefeld zuzulassen, im Hinblick auf die Abwägung der Lärmbetroffenheiten unabhängig von dem 15Grad-Erfordernis einer Vielzahl grundsätzlicher Einwendungen ausgesetzt (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116). Diese Einwendungen hätten - wie dargelegt - auch die Kläger erheben können.
IV. Keine Täuschung über einen für den Erfolg der Klage relevanten Umstand
Der Beklagte hat die Kläger nicht arglistig über einen für den Erfolg der Klage relevanten Umstand getäuscht. Der Planfeststellungsbeschluss leidet wegen der Nichtberücksichtigung des 15Grad-Erfordernisses nicht an einem Abwägungsfehler, der zu einem Aufhebungsanspruch der Kläger geführt hätte, wenn sie diesen Umstand gekannt hätten. Unter Berufung auf das 15Grad-Erfordernis hätten sie auch bei rechtzeitiger Klageerhebung eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses weder hinsichtlich der Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld (1.) noch hinsichtlich der Bahnkonfiguration (2.) erreichen können. Die Verfahrensfehler, an denen der Planfeststellungsbeschluss leidet, beruhen nicht auf der Nichtberücksichtigung des 15Grad-Erfordernisses (3.).
1. Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld
Die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der Flugverfahren war sowohl für die Wahl des Flughafenstandorts auf der Ebene der Landesplanung (1.1) als auch für die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde über die Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld (1.2) ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Das Festhalten an dieser Grobplanung beruhte auch nicht auf sachfremden Erwägungen (1.3).
1.1 LEP FS 2003
Die Wahl des Flughafenstandorts Berlin-Schönefeld war eine raumordnerische Entscheidung, die auf der Ebene der Landesplanung im Ziel Z 1 des Landesentwicklungsplans Flughafenstandortentwicklung (LEP FS) vom 28. Oktober 2003 (GVBl Bbg II S. 593) gefallen war. Die Planfeststellungsbehörde war an das Ergebnis des landesplanerischen Standortvergleichs gebunden (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 54). Aus Rechtsschutzgründen unterlag die zielförmige Standortentscheidung der Landesplanung bei Anfechtung des Planfeststellungsbeschlusses jedoch der gerichtlichen Inzidentkontrolle (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 83).
Der Träger der Landesplanung musste sich zumindest Klarheit über die flächen- und zahlenmäßige Größenordnung der Lärmbetroffenheiten an den in die Vergleichsbetrachtung einbezogenen Standorten verschaffen. Bereits auf der Grundlage einer Grobanalyse der Siedlungsstrukturen ins Auge fallende gravierende Unterschiede im Ausmaß der Lärmbetroffenheit mussten in die Abwägung eingestellt werden. Der Träger der Landesplanung durfte jedoch von einer genauen numerisch-präzisen Ermittlung der Anzahl der jeweils von Fluglärm voraussichtlich betroffenen Anwohner absehen, wenn offenkundige Disparitäten im Ausmaß der Lärmbelastung nach seiner planerischen Konzeption in der Abwägung kein ausschlaggebendes Gewicht besaßen (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 152 f.).
Ausgehend hiervon ist die Abwägung des Trägers der Landesplanung nicht zu beanstanden. Er hat für die Abwägung zwischen einer Beibehaltung des bestehenden Flughafensystems und dem Ausbau des Flughafens Schönefeld zum Single-Airport die Anzahl der Lärmbetroffenen innerhalb der 62 dB(A)-Kontur ermittelt (Nr. 1 und Nr. 5.4.4.3 zu Z 1 LEP FS 2003), und zwar ausgehend von geradlinigen An- und Abflugrouten und berechnet nach den Berechnungsvorschriften des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm i.d.F. der Bekanntmachung vom 30. März 1971 (BGBl I S. 282 mit späteren Änderungen, im Folgenden: FluglärmG a.F.; vgl. Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 110), d.h. mit einem Halbierungsparameter q = 4 und einer Gewichtung für Tag- und Nachtflüge. In der Begründung des LEP FS 2003 wird dargelegt, dass über die drei bestehenden Flughäfen in 2001 insgesamt 12,59 Mio. Passagiere befördert worden seien; durch die damit verbundenen Lärmbelastungen seien in den gegenwärtig vorhandenen Lärmkonturen bis 62 dB(A) insgesamt ca. 136 000 Anwohner betroffen (Nr. 1 zu Z 1 LEP FS 2003). Bei Ausbau des Flughafens Schönefeld für 30 Mio. Passagiere würden 31 000 Anwohner innerhalb der 62 dB(A)-Kontur betroffen (Tabelle in 5.4.4.3 zu Z 1 LEP FS 2003). Für den Gesamtraum ergebe sich durch Um- und Ausbau des Flughafens Schönefeld eine "deutliche Verringerung der Lärmbetroffenheit gemessen an der Anzahl der Anwohner". Das Ausbauvorhaben führe zu einer "Reduzierung der durch Fluglärm betroffenen Anwohner auf weniger als 30 % gegenüber der gegenwärtigen Situation - verglichen mit heute noch deutlich geringerem Gesamtflugverkehr" (Nr. 5.4.4.3 zu Z 1 LEP FS 2003). Ihre Zahl verringere sich um "rund 100 000" (Nr. 6 zu Z 1 LEP FS 2003).
Der Träger der Landesplanung hat mithin bei dem Vergleich der Lärmbetroffenheiten nicht auf die konkrete Anzahl, sondern auf die Größenordnung der innerhalb der 62 dB(A)-Kontur Betroffenen abgestellt. Er hat hierbei mit erheblichen Toleranzen gearbeitet. Insbesondere hat er darauf verzichtet, die im Jahr 2001 durch die drei bestehenden Flughäfen bei 12,59 Mio. Passagieren Betroffenen auf einen Prognoseverkehr von 30 Mio. Passagieren hochzurechnen. Er hat die Zahl der im Jahr 2001 durch das bestehende Flughafensystem tatsächlich Betroffenen mit der Zahl der Betroffenen am "Single-Airport" Schönefeld im Prognosejahr 20XX (30 Mio. Passagiere, 360 000 Flugbewegungen) verglichen. Bei einer Hochrechnung hätte sich die Bilanz wegen der dichteren Besiedlung in der Umgebung der Flughäfen Tegel und Tempelhof noch deutlicher zu Gunsten des Standorts Schönefeld verschoben.
Bei einer so groben Abschätzung der Betroffenheiten brauchte der Träger der Landesplanung den unabhängigen Bahnbetrieb mit um bis zu 15Grad nach Norden oder nach Süden abknickenden Abflugrouten nicht gesondert zu betrachten. Abflugrouten in diesem Korridor würden zwar teilweise andere Gebiete betreffen als die der Berechnung zugrunde gelegten parallelen Abflugwege; diese Gebiete wären jedoch nicht oder jedenfalls nicht erheblich dichter besiedelt als diejenigen, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären. Das ergibt sich bereits aus einer Grobanalyse der Siedlungsstruktur der Flughafenumgebung. Betroffen wäre im einen wie im anderen Fall der Randbereich der Metropole Berlin; die dichter besiedelte Metropole selbst wäre nicht betroffen. Für den Nachtflugbetrieb und das insoweit maßgebende Nachtschutzgebiet hat der Senat hierzu in seinem Urteil vom 13. Oktober 2011 (BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 159) dargelegt:
Abflüge in Richtung Westen - das sind etwa 2/3 aller Abflüge -, die um bis zu 15Grad nach Norden oder Süden abknicken, ändern den Umfang der Betroffenheiten in dem für den passiven Schallschutz relevanten Bereich gegenüber geraden Abflügen allenfalls unerheblich. Bei nach Norden abknickenden Abflügen von der Nordbahn würde Blankenfelde-Mahlow etwas weiter nördlich überflogen. Stärker als bei geraden Abflügen wäre Großbeeren betroffen; im Gegenzug würde Diedersdorf entlastet. Um 15Grad nach Süden abknickende Abflüge von der Südbahn würden Blankenfelde-Mahlow eher entlasten. Auch eine Berechnung der DFS für die Fluglärmkommission mit dem NIROS-Programm hat ergeben, dass eine abknickende Route unter Lärmschutzgesichtspunkten sogar günstiger wäre als gerade Abflüge (Präsentation "Flugverfahrensvorschläge der Fluglärmkommission für BBI" vom 14. Februar 2011, http://www.mil.brandenburg.de/sixcms/de-tail.php/484669, Folien 25 ff.). Für Abflüge in Richtung Osten ist die Situation allerdings nicht in gleicher Weise eindeutig. Die Gebiete, die bei um 15Grad nach Süden abknickenden Abflügen von der Südbahn auf passiven Schallschutz angewiesen wären, dürften etwas dichter besiedelt sein als die von geraden Abflugstrecken betroffenen Gebiete. Der Norden von Eichwalde und Schulzendorf würde entlastet; die Mitte von Schulzendorf, der Süden von Eichwalde und der Nordrand von Zeuthen wären neu auf passiven Schallschutz angewiesen; eine andere Größenordnung der Betroffenheiten insgesamt würde aber hierdurch nicht erreicht. Ein Abknicken von der Nordbahn nach Nordosten würde zu Direktüberflügen von Bohnsdorf in geringer Höhe und damit zu einer nicht unerheblichen Zunahme der besonders starken Betroffenheiten führen. Dass diese unter Lärmschutzgesichtspunkten ungünstigste Variante zur Umsetzung der 15Grad-Divergenz gewählt werden würde, war jedoch von vornherein unwahrscheinlich. Diese Variante musste deshalb nicht betrachtet werden. Insgesamt bleiben damit die durch die Berücksichtigung der 15Grad-Toleranz möglichen Veränderungen der Lärmbetroffenheiten in einem Unsicherheitsbereich, der bei der prognostischen Flugroutenplanung für die Regelung des nächtlichen Flugbetriebs ohnehin mitgedacht werden muss.
Diese Erwägungen gelten für die Abwägung der Standortalternativen im Hinblick auf die Lärmbetroffenheiten innerhalb der 62 dB(A)-Kontur entsprechend. Die von dieser Kontur umschlossene Fläche ist zwar kleiner als die Fläche des im Planergänzungsbeschluss (Anlage 2 "Schutzgebiete") festgelegten Nachtschutzgebiets. Die 62 dB(A)-Kontur (Beiakte 421, Plan M 3-4) hat eine Längsausdehnung von etwa 27 km je Bahn, das Nachtschutzgebiet von etwa 34 km. Die genannten Veränderungen der Überflugsituation sind aber bei Betrachtung der 62 dB(A)-Kontur in vergleichbarer Weise relevant.
Der Träger der Landesplanung war nicht verpflichtet, für um mehr als 15Grad abknickende Abflugrouten die Zahl der von einem Leq(4) = 62 dB(A) oder mehr Betroffenen zu ermitteln. Ob die Schreiben der DFS vom 20. August und 26. Oktober 1998 an die Planfeststellungsbehörde, in denen die DFS an der bisherigen Grobplanung festgehalten und lediglich die Berücksichtigung eines Toleranzbereichs gefordert hatte (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 161), dem Träger der Landesplanung bekannt waren oder bekannt sein mussten, kann offen bleiben. Da Abflugrouten, die um bis zu 15Grad nach Norden oder nach Süden abknicken, einen unabhängigen Parallelbetrieb ermöglichen, ohne Lärmbetroffenheiten auszulösen, die nach dem Abwägungskonzept des LEP FS 2003 die Wahl des Standorts in Frage stellen würden, durfte der Träger der Landesplanung jedenfalls davon ausgehen, dass die Umsetzung seiner Standortentscheidung in dem nachfolgenden Planfeststellungsverfahren und dem Verfahren zur Festlegung der Flugverfahren nicht auf unüberwindbare tatsächliche oder rechtliche Hindernisse stoßen würde (vgl. Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 154 f.).
Für den Vergleich zwischen dem Standort Schönefeld und den metropolenferneren Alternativstandorten Sperenberg und Jüterbog hat der Träger der Landesplanung darauf abgestellt, dass ein solcher Neubaustandort aufgrund der geringeren Besiedlungsdichte des äußeren Entwicklungsraums zu einer deutlich geringeren Anzahl der von Fluglärm betroffenen Anwohner würde führen können als ein Standort im dichter besiedelten engeren Verflechtungsraum (Nr. 5.2 zu Z 1 LEP FS 2003). Beziffert hat er diese Unterschiede nicht. Der Senat hat dies - anders als zuvor das Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg im Normenkontrollverfahren gegen den LEP FS 2003 (Urteil vom 10. Februar 2005 - OVG 3 D 104/03.NE) - nicht beanstandet (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 156 ff.). Für diesen Vergleich war die Frage, ob die Abflugrouten geradlinig verlaufen oder um bis zu 15Grad abknicken, ohne Relevanz. Auch bei abknickenden Abflugrouten wäre nur der engere Verflechtungsraum, nämlich der Randbereich der Metropole, betroffen; der Verdichtungsbereich, also die dichter besiedelte Metropole selbst, wäre nicht betroffen (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 159).
Die Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 (Schriftsatz vom 8. März 2011 S. 28 f.) meinen, dass auf der Grundlage der Planung der DFS vom 6. September 2010 grob geschätzt 80 000 bis 100 000 zusätzliche Lärmbetroffene zu verzeichnen seien. Im Rahmen der Standortentscheidung habe der Träger der Landesplanung berücksichtigen müssen, dass tatsächlich ca. 150 000 Menschen und damit - wegen der größeren Verkehrsmenge - annähernd gleich viele Anwohner wie am Standort Tegel betroffen seien. Abgesehen davon, dass die Kläger insoweit von der um mehr als 15Grad nach Norden abknickenden Abflugroute über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow ausgehen, für die der Träger der Landesplanung - wie soeben dargelegt - die Lärmbetroffenheiten nicht ermitteln musste, sind diese Zahlen für die der Abwägung des Trägers der Landesplanung zugrunde liegende 62 dB(A)-Kontur nicht plausibel. Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf lägen selbst dann nicht innerhalb der 62 dB(A)-Kontur, wenn sie direkt überflogen würden. Dass die Betroffenheiten im Übrigen wesentlich geringer wären als von den Klägern angenommen, ergibt sich bereits aus den Einwohnerzahlen der durch abknickende Routen betroffenen Gemeinden. Die Einwohnerzahlen wurden für die Umweltverträglichkeitsstudie ausgehend vom Stand Dezember 1997 zzgl. des Potentials in genehmigten Bebauungsplangebieten ermittelt (Beiakte 429, N 5 Tabellenanhang, Tabelle 5.4.1-2). Am stärksten wären die Veränderungen bei nach Süden abknickenden Abflügen von der Südbahn in Richtung Osten in den Gemeinden Schulzendorf (ca. 7 750 Einwohner), Eichwalde (ca. 5 410 Einwohner) und Zeuthen (ca. 8 170 Einwohner). Neu betroffen wären nicht die gesamten besiedelten Gebiete dieser Gemeinden, sondern bei großzügiger Schätzung in Schulzendorf 30 %, in Eichwalde 50 % und in Zeuthen 20 %, insgesamt also ungefähr 6 500 bis 7 000 Einwohner. Entlastet würde die Nordhälfte von Eichwalde, also ca. 2 500 bis 3 000 Einwohner und im Köpenicker Ortsteil Schmöckwitz (ca. 2 850 Einwohner) der Süden der größten Siedlungsfläche Karolinenhof, also ca. 500 bis 1 000 Einwohner. Diese Gebiete blieben zwar wegen der Belastung durch die Anflüge bei Betriebsrichtung Westen voraussichtlich innerhalb der 62 dB(A)-Kontur; das Ausmaß ihrer Betroffenheit würde sich aber nicht nur rechnerisch, sondern bei Betriebsrichtung Osten auch spürbar verringern. Ungünstiger als gerade Abflugrouten wären auch abknickende Abflugrouten von der Nordbahn bei Starts in Richtung Westen. Neu belastet würden der Norden von Mahlow und Teile von Großbeeren; diese zusätzlichen Belastungen würden durch die Entlastung des Südens von Mahlow und von Diedersdorf nur zum Teil aufgewogen. Sie lassen sich jedoch durch von der Südbahn abknickende Abflugrouten, die unter Lärmgesichtspunkten eher günstiger als gerade Abflugrouten sind, vermeiden. Insgesamt sind die von den Klägern genannten Zahlen weit überhöht; ihre Einschätzung, dass das Abwägungsgefüge des LEP FS 2003 durch das 15Grad-Erfordernis aus dem Lot gerate, entbehrt einer tatsächlichen Grundlage.
Den Beweisanträgen zur Zahl der Lärmbetroffenen bei um bis zu 15Grad abknickenden Abflugrouten brauchte der Senat nicht nachzugehen. Die unter Beweis gestellte Tatsache, dass es sich bei dem Flugverfahren mit Betriebsrichtung Westen, welches von der Nordbahn gleich nach dem Abheben um 15Grad nach Norden abknickt und danach gerade in Richtung auf Caputh zuläuft, nicht um ein realistisches Verfahren handelt, weil in diesem Fall der Ortsteil von Mahlow zentral überflogen werde (Beweisantrag Anlage 5 der Sitzungsniederschrift), ist nicht entscheidungserheblich. Für die Abwägung genügt es, wenn es innerhalb des hier bei den Abflugrouten zu berücksichtigenden Toleranzbereichs von bis zu 15Grad Abknickung nach Norden und Süden eine realistische Kombination von um mindestens 15Grad divergierenden Abflugrouten oder mehrere solcher Kombinationen gibt; auf die Realisierbarkeit einer einzelnen Flugroute kommt es nicht an.
Die unter Beweis gestellte Tatsache, dass sich - bei Betrachtung von zum planfestgestellten Flugbetrieb, insbesondere zum unabhängigen Parallelbetrieb beider Bahnen passenden und realistischen Flugverfahren - die Anzahl der lärmbetroffenen Einwohner gegenüber den Erwägungen und der Abwägung im angegriffenen Planfeststellungsbeschluss und den dem LEP FS 2003 zugrunde gelegten Zahlen signifikant erhöht (Beweisantrag Anlage 6 der Sitzungsniederschrift), ist für eine Beweiserhebung zu unbestimmt, weil sie einen nicht näher erläuterten rechtlichen Maßstab voraussetzt. Unterhalb der gravierenden, sich aus einer Grobanalyse der Siedlungsstrukturen ergebenden Unterschiede hängt die Frage, ob eine Erhöhung der Zahl der Lärmbetroffenen für die Abwägung erheblich ist, maßgebend von den betrachteten Pegelwerten und von dem jeweiligen Abwägungskonzept des Planungsträgers ab.
Im Übrigen fehlt dem Beweisantrag nach Anlage 6 der Sitzungsniederschrift eine hinreichende Grundlage. Unter formalem Beweisantritt aufgestellten Behauptungen, deren Wahrheitsgehalt nicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben könnte, braucht ein Gericht nicht nachzugehen (Beschlüsse vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 B 249.89 - Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 6 - juris Rn. 114 und vom 29. März 1995 - BVerwG 11 B 21.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266 - juris Rn. 4; BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Juni 1993 - 2 BvR 1815/92 - NVwZ 1994, 60 - juris Rn. 40). Die Kläger berufen sich zur Begründung des Beweisantrags auf das "Gutachten zur Beurteilung der erhöhten Lärmbelastung der Einwohner von Berlin und Brandenburg durch die neuen Flugrouten der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH vom 06.09.2010 für den Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI)" von L./R./Schl. vom 17. Januar 2011. Nach diesem Gutachten soll die Zahl der Anwohner innerhalb der Leq(3) = 55 dB(A)-Kontur gegenüber den im LEP FS i.d.F. vom 30. Mai 2006 (GVBl Bbg II S. 154) ermittelten 59 600 auf 102 000 (+72 %), die Zahl der nur abwägungserheblich Betroffenen (Leq(3) <55 dB, Höhe eines Flugzeugs der Gruppe S 5.2 oder größer < 3 000 m) von 30 500 auf 247 500 (+709 %) steigen. Das Gutachten ist zur Begründung des Beweisantrags schon deshalb ungeeignet, weil es bei der Ermittlung der Gesamtzahlen der Betroffenen wiederum von der um mehr als 15Grad nach Norden abknickenden Abflugroute über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow ausgeht, die nach der dargelegten Rechtsauffassung des Senats für die Abwägung nicht entscheidend ist. Unabhängig hiervon waren die von den Klägern betrachteten Betroffenheiten innerhalb der Leq(3) = 55 dB(A)-Kontur nicht Grundlage der Abwägung des Trägers der Landesplanung im für den Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 maßgebenden LEP FS vom 28. Oktober 2003. Schließlich hat das Gutachten auch methodische Mängel, die seiner Verwertbarkeit entgegenstehen. Die Gutachter haben die Konturen für geradlinige Flugrouten schlicht um Konturen für abknickende Flugrouten erweitert, ohne die ersten zu verkleinern. Dies wäre erforderlich gewesen, weil die Kontur für geradlinige Routen, soweit sie nur noch von den Anflügen bestimmt wird, deutlich schmaler ist als die Kontur von An- und Abflügen. Ebenso wenig haben sie berücksichtigt, dass für die Betriebsrichtung Osten die durch die Abflüge bestimmte abknickende Kontur kürzer ist als die Kontur von An- und Abflügen (vgl. S. 5 und 7 des Gutachtens). Schließlich haben sie die Anzahl der neubetroffenen Einwohner sehr großzügig geschätzt. So gehen sie davon aus, dass in Eichwalde durch abknickende Flugrouten 50 % der Einwohner zusätzlich in die 55 dB(A)-Kontur fallen würden, obwohl die Kontur bereits bei geradlinigen Routen fast zwei Drittel der Siedlungsfläche der Gemeinde einschließt (vgl. Beiakte 422, Plan M 4.1-7). Auch die Annahme, dass 50 % der Zeuthener Einwohner bei abknickenden Flugrouten in die 55 dB(A)-Kontur fallen würden, ist angesichts der Siedlungsstruktur der Gemeinde, die im betroffenen Norden überwiegend unbebaute Flächen aufweist, nicht plausibel. Die Zahl der nur abwägungserheblich Betroffenen haben die Gutachter ausgehend von der Annahme ermittelt, dass unterhalb eines Leq(3) = 55 dB(A) jeder abwägungserheblich betroffen sei, dessen Grundstück von Flugzeugen der Gruppe S 5.2 (Airbus A 319/320/321, Boeing B 737) oder der Gruppe S 7 B (Airbus A 380, Boeing B 747) in einer Höhe unter 3 000 m überflogen wird (Gutachten S. 13 f.). Diese Kriterien legt weder der LEP FS 2003 noch der Planfeststellungsbeschluss vom 13. August 2004 zugrunde. Unabhängig hiervon dürften einzelne, durch den Überflug größerer Flugzeuge entstehende Spitzenpegel nicht geeignet sein, unabhängig vom erreichten Dauerschallpegel die Abwägungsrelevanz des Fluglärms zu begründen. Aus diesem Grund lässt sich eine Zunahme der Betroffenheiten auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass Flugzeugen, die an bestimmten Navigationspunkten eine bestimmte Höhe erreicht haben, möglicherweise generell gestattet wird, von der festgelegten Route abzuweichen, und dass dies - wie die von den Klägern für die Wannsee-Route vorgelegte, von der DFS erstellte Karte des sogenannten 3-Sigma-Gebiets zeigt (BVerwG 4 A 5001.10, Anlage K 26 des Schriftsatzes vom 25. Juni 2012) - in größerer Entfernung vom Flughafen zu einer erheblichen Auffächerung des Flugverkehrs führen kann. Dies hätte zum einen auch für die parallelen Abflugrouten und die in der DFS-Grobplanung enthaltene Wannsee-Route gegolten. Zum anderen ändert sich durch diese Auffächerung nicht die Zahl der Flüge, sondern lediglich die Verteilung des Lärms. Für das einzelne Grundstück vermindert sich die Zahl der Überflüge und damit auch der für die Schwelle zur Abwägungserheblichkeit in erster Linie relevante Dauerschallpegel.
Aus den bereits dargelegten Gründen waren auch die als Anlage 9, 10, 12 und 13 der Sitzungsniederschrift gestellten Beweisanträge abzulehnen. Soweit mit der Behauptung, dass sich bei Betrachtung von dem ICAO-Erfordernis Rechnung tragenden Abflugverfahren mit mindestens 15Grad Divergenz die Anzahl der Lärmbetroffenen gegenüber den im angegriffenen Planfeststellungsbeschluss und den dem LEP FS 2003 zugrunde gelegten Zahlen erhöhe (Beweisanträge Anlage 9 und 10 der Sitzungsniederschrift), unter Beweis gestellt werden soll, dass sich die Betroffenheiten in einer für die Abwägung relevanten Größenordnung verändern, fehlt der Beweisbehauptung eine hinreichende tatsächliche Grundlage; eine diese Größenordnung nicht erreichende Erhöhung der Betroffenenzahl wäre rechtlich nicht erheblich. Das gilt auch, soweit die Kläger eine Erhöhung der Anzahl der Lärmbetroffenen ausgehend von einer Flugroute, wie sie sich aus Rn. 159 des Urteils des Senats vom 13. Oktober 2011 (BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1) ergibt, nämlich unter Berücksichtigung eines Mindestabknickwinkels von der Nordbahn in Richtung Westen von 15Grad (Beweisantrag Anlage 12 der Sitzungsniederschrift), und soweit sie eine Erhöhung der lärmbetroffenen Einwohner um mindestens 64 000 (Beweisantrag Anlage 13 der Sitzungsniederschrift) unter Beweis stellen. Soweit sie in der Begründung darlegen, die Zahl von 64 000 Einwohnern entspreche überschlägig der Einwohnerzahl der überflogenen Gemeinden Großbeeren (7 000 Einwohner), Stahnsdorf (14 000 Einwohner), Teltow (23 000 Einwohner) und Kleinmachnow (20 000 Einwohner), legen sie wiederum die nach der Rechtsauffassung des Senats nicht relevante, um mehr als 15Grad nach Norden abknickende Abflugroute über Stahnsdorf, Teltow und Kleinmachnow zugrunde. Unabhängig hiervon lassen sich Betroffenenzahlen nur bei gleichen Pegelwerten vergleichen. Die Kläger geben nicht an, bezogen auf welche Pegelwerte die Zahl der Betroffenen um 64 000 ansteigen soll.
Der Senat musste den Klägern auch keinen Schriftsatznachlass zur Darlegung von Anhaltspunkten dafür gewähren, dass sich die Lärmbetroffenheiten bei Berücksichtigung der Anforderungen der ICAO nach mindestens 15Grad Divergenz in einer abwägungserheblichen Größenordnung erhöhen. Das Urteil des Senats vom 13. Oktober 2011 - BVerwG 4 A 4001.10 - wurde ihnen bereits im Januar 2012 mit der Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt. Dass der Senat seine dort dargelegte Rechtsauffassung auf die hier zu entscheidenden Fälle übertragen würde, konnte die Kläger nicht überraschen. Sie hatten hinreichend Gelegenheit, ausgehend von dieser Rechtsauffassung weitere Tatsachen vorzutragen.
1.2 Planfeststellungsbeschluss
Die Entscheidung des Beklagten über die Zulassung des Vorhabens am Standort Schönefeld im Planfeststellungsbeschluss leidet ebenfalls nicht deswegen an einem Abwägungsfehler, weil er an der Grobplanung mit geraden Abflugrouten festgehalten und das 15Grad-Erfordernis nicht berücksichtigt hat.
Die Planfeststellungsbehörde trifft keine Rechtspflicht zur Zulassung eines Flughafenvorhabens an dem von der Landesplanung zielförmig festgelegten Standort. Die schädlichen Immissionen eines Infrastrukturvorhabens können in der Regel erst abschließend ermittelt und eingeschätzt werden, wenn es im Planfeststellungsantrag des Vorhabenträgers konkretisiert worden ist. Die "raumordnungsexternen" Belange können für sich betrachtet oder in ihrer Gesamtheit so gewichtig sein, dass sich die landesplanerische Standortwahl in der fachplanerischen Abwägung nicht durchsetzt. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die Zulassung des Vorhabens in unverhältnismäßiger Weise in private Schutzgüter, in den Bereich der kommunalen Selbstverwaltung oder in allgemeine öffentliche Belange eingreifen sollte (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 76 f.).
1.2.1 Lärmbetroffenheiten
Der Beklagte hat die Lärmschutzbelange auf der Grundlage der Ermittlungen der Beigeladenen zu 1 abgewogen. Diese hat für den Prognosehorizont 20XX - ausgehend von der Grobplanung der DFS vom März 1998 mit geradlinigen An- und Abflugrouten - die Fläche des von einer Leq(3) = 60 dB(A)-Kontur umschlossenen Tagschutzgebiets (71,6 kqm) und die Zahl der in diesem Gebiet lebenden Anwohner (24 630) ermittelt (PFB S. 605). Für die Nacht hat sie die Betroffenheiten innerhalb der Leq(3) = 50 dB(A)-Kontur (117,68 kqm, 38 246 Anwohner) und der 6 × 70 LMax-Kontur (120,19 kqm, 41 836 Anwohner; PFB S. 613) ermittelt.
Der Beklagte durfte bei der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens zwar nicht davon ausgehen, dass die DFS für den unabhängigen Bahnbetrieb parallele Abflugstrecken planen würde; er durfte auch nicht von einem abhängigen Bahnbetrieb ausgehen (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 155). Für die Frage, ob das Vorhaben am Standort Schönefeld zugelassen werden kann, war die für den abhängigen Bahnbetrieb erstellte Grobplanung der An- und Abflugrouten jedoch ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Die Darlegungen des Senats zur Regelung des Nachtflugbetriebs gelten insoweit entsprechend (Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 159 - 161). Die von um bis zu 15Grad abknickenden Abflugrouten betroffenen Gebiete wären nicht oder jedenfalls nicht erheblich dichter besiedelt als diejenigen Gebiete, die von parallelen Abflugrouten betroffen wären. Innerhalb des Toleranzbereichs divergierende Abflugrouten lassen den Standort nicht in einem anderen Licht erscheinen als die der Abwägung der Standortalternativen im LEP FS 2003 zugrunde gelegten geradlinigen Abflugrouten. Die Verschiebung und auch die mögliche Ausweitung der Betroffenheiten in der für die 62 dB(A)-Kontur dargelegten Größenordnung bleiben vielmehr in einem Unsicherheitsbereich, der bei der landesplanerischen Festlegung des Standorts - wie dargelegt - mitgedacht worden ist und schon aus diesem Grund auch bei der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens im Planfeststellungsverfahren mitgedacht werden muss. Unabhängig von diesen landesplanerischen Vorgaben muss die Zulassung des Vorhabens an dem gewählten Standort grundsätzlich auch dann Bestand haben können, wenn andere An- und Abflugrouten festgelegt werden als im Planfeststellungsverfahren angenommen wurde (vgl. Urteil vom 13. Oktober 2011 a.a.O. Rn. 150). Die Zulassungsentscheidung im Hinblick auf bestimmte Abflugrouten und ohne Rücksicht auf nicht auszuschließende Veränderungen der Betroffenheiten im Falle einer Änderung der Abflugrouten zu treffen, wäre nicht sachgerecht.
Dass um mehr als 15Grad abknickende Abflugrouten festgelegt werden, musste der Beklagte für die Ermittlung der Lärmbetroffenheiten auf der Grundlage der mit der DFS abgestimmten Grobplanung der Flugverfahren nicht in Erwägung ziehen. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. Oktober 2011 (a.a.O. Rn. 161) dargelegt. Hieran hält er fest.
Im Hinblick auf das Tagschutzgebiet und die nur abwägungserheblich Betroffenen ergeben sich gegenüber den Erwägungen des Senats zum Nachtflugbetrieb und dem insoweit maßgebenden Nachtschutzgebiet keine relevanten Abweichungen. Die Längsausdehnung des Tagschutzgebiets ist geringer als die des Nachtschutzgebiets; eine Verschwenkung der Abflugrouten wirkt sich weniger aus als bei den längeren Nachtkonturen. Ein Vergleich der von der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag des Beklagten für um 15Grad nach Süden abknickende Abflugrouten errechneten 60 dB(A)-Kontur (jeweils Anlage B 9 zu den Beklagtenschriftsätzen vom 15. August, 2. August, 29. Juli bzw. 8. August 2011) mit der Besiedlungskarte zeigt, dass durch die Divergenz im Osten keine neuen Teile von Eichwalde oder Zeuthen und allenfalls Randbereiche von Schulzendorf zusätzlich in das Tagschutzgebiet fielen und dass im Westen sogar Teile von Blankenfelde entlastet würden. Den mehr als geringfügig, aber auch ohne passiven Schallschutz nicht unzumutbar Betroffenen hat der Beklagte im Vergleich zu den schwereren Betroffenheiten innerhalb des Tag- und des Nachtschutzgebiets ein geringeres Gewicht beigemessen. Die Anzahl der nur abwägungserheblich Lärmbetroffenen und die Fläche des insoweit betroffenen Gebiets hat er nicht ermitteln lassen. Der Senat hat dies in seinem Urteil vom 16. März 2006 nicht beanstandet. Dass eine Berücksichtigung der 15Grad-Divergenz die Größenordnung der nur abwägungserheblich Lärmbetroffenen verändert haben könnte, kann ebenfalls ausgeschlossen werden. In Betriebsrichtung Westen ist das Gebiet unterhalb der abknickenden Abflugrouten auch in größerer Entfernung vom Flughafen eher weniger besiedelt als unter den geradlinigen Routen, die Ludwigsfelde überqueren. In Betriebsrichtung Osten quert die um 15Grad nach Süden abknickende Route zwar Schulzendorf und Eichwalde. Außerhalb des Nachtschutzgebiets ist das Gebiet unterhalb der abknickenden Route allenfalls unwesentlich dichter besiedelt (Wernsdorf) als das Gebiet unterhalb der nördlich von Eichwalde ebenfalls abknickenden und über Zwiebusch und Neu Zittau führenden Abflugroute vom März 1998.
Dass abknickende Abflugrouten nicht - wie die Kläger der Verfahren BVerwG 4 A 5001.10 und 5002.10 geltend machen - zu einer Verdoppelung der Lärmkorridore führen, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. Oktober 2011 (a.a.O. Rn. 160) dargelegt.
Die Kläger dieser Verfahren machen außerdem geltend, dass Landeanflüge bereits in Höhe von Werder/Havel in Höhe von nur mehr 1 000 m stattfinden sollten. Grund hierfür sei die Neuplanung der Abflugrouten, die zur Überkreuzung der An- und Abflüge nördlich des Flughafens führe (Schriftsatz vom 3. Februar 2011 S. 13 im Verfahren BVerwG 4 A 5001.10). Dieser Zusammenhang ist nicht plausibel. Wenn Flugzeuge in Richtung Osten, also über Ludwigsfelde, zur Landung anfliegen, wird auch in Richtung Osten gestartet. Wenn nach Osten startende Flugzeuge mit Zielen in Richtung Westen Werder/Havel erreichen, haben sie angesichts der zurückgelegten Flugstrecke bereits eine erhebliche Höhe erreicht. Die Flughöhe dürfte bei Flugzeugen, die nach Norden abgekurvt sind, jedenfalls nicht erheblich geringer sein als bei Flugzeugen, die - wie in der Grobplanung vorgesehen - nach Süden abgekurvt sind. Wo im Westen die Warteräume für landende Flugzeuge eingerichtet werden, dürfte ebenfalls nicht davon abhängen, ob in Richtung Osten startende Flugzeuge mit Zielen im Westen nördlich oder südlich des Flughafens geführt werden. Die Warteräume für landende Flugzeuge waren im Übrigen nicht Gegenstand der Grobplanung; einen solchen Detaillierungsgrad hat die Grobplanung nicht erreicht.
Den Beweisanträgen zur Zahl der Betroffenen bei abknickenden Flugrouten (Anlagen 5, 6, 9, 10, 12 und 13 der Sitzungsniederschrift) brauchte der Senat aus den bereits zur landesplanerischen Standortfestlegung dargelegten Gründen nicht zu entsprechen.
1.2.2 Flugsicherheitsgutachten
Zu den Auswirkungen des 15Grad-Erfordernisses machen die Kläger der Verfahren BVerwG 4 A 5001.10 und 5002.10 schließlich geltend, dass im Rahmen des Flugsicherheitsgutachtens M 21 bei Berücksichtigung der 15Grad-Divergenz das Risiko einer Gefährdung des Forschungsreaktors in Berlin-Wannsee in die Abwägung hätte einbezogen werden müssen (Schriftsatz vom 2. April 2012 S. 20 f. im Verfahren BVerwG 4 A 5001.10). Das trifft nicht zu. Das Risiko eines terroristischen Anschlags auf den Reaktor aus der Luft hängt nicht von den Flugrouten ab. Für das Risiko eines Flugzeugabsturzes bildet die Lage des Flughafens unabhängig von den Flugrouten keinen Zwangspunkt. Flugbeschränkungen zum Schutz des Reaktors können - soweit erforderlich - sowohl bei parallelen als auch bei divergierenden Abflugrouten vorgesehen werden.
1.3 Keine sachfremden Erwägungen
Das Festhalten des Beklagten an der Grobplanung der DFS vom März 1998 beruhte auch nicht auf sachfremden Erwägungen.
Zum damaligen Zeitpunkt barg das Festhalten an der bisherigen Grobplanung zwar ein rechtliches Risiko. Der Beklagte konnte nicht mit Sicherheit voraussehen, welche Anforderungen ein mit der Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses befasstes Gericht an die Genauigkeit einer Flugroutenprognose stellen würde. Zur Vermeidung dieses Risikos hätte es nahegelegen, die Grobplanung - wie von der DFS angeregt - unter Berücksichtigung der 15Grad-Divergenz zu überarbeiten. Dass andere Flugrouten als prognostiziert festgelegt werden, hätte sich allerdings auch dadurch nicht ausschließen lassen. Zudem hatte die Vorhabenträgerin ein berechtigtes Interesse daran, ihr DES und die darauf aufbauenden Gutachten im Laufe des Planungsverfahrens nicht ohne wichtigen Grund - möglicherweise sogar mehrfach - einer geänderten Flugroutenprognose anpassen zu müssen. Dass sich die Grundlagen der Abwägung bei gleichbleibenden Anflugrouten, aber um mindestens 15Grad divergierenden und bis zu 15Grad abknickenden Abflugrouten nicht wesentlich ändern würden, war aufgrund der Siedlungsstrukturen in der Umgebung des Flughafens bereits damals erkennbar. Ausgehend hiervon war es jedenfalls vertretbar, das Risiko einzugehen und an der bisherigen Grobplanung festzuhalten.
Die von den Klägern vorgelegten Urkunden führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Aus dem H.-Schreiben vom 7. Oktober 1998 und dem Protokoll der Koordinierungssitzung der PPS vom 5. Oktober 1998 geht hervor, dass die DFS in der Besprechung vom 29. September 1998 die Einhaltung der 15Grad-Divergenz für alle Abflüge im unabhängigen Parallelbetrieb gefordert und angekündigt hatte, ihre Grobplanung innerhalb von 14 Tagen zu überarbeiten. Die PPS wandte sich daraufhin - wie dargelegt - an das Bundesverkehrsministerium mit der Bitte, Einfluss auf die DFS dahingehend zu nehmen, dass diese ihre Stellungnahme zum DES modifiziere. Als Grund wurde genannt, dass anderenfalls alle im Vertrauen auf die Verbindlichkeit der DFS-Grobplanung erarbeiteten Gutachten überarbeitet werden müssten und mit erheblichen finanziellen Mehraufwendungen und einer zeitlichen Verzögerung im Planungsablauf um ca. 3 Monate zu rechnen sei.
Diese Gründe konnten zwar für sich betrachtet das Festhalten an der bisherigen Grobplanung nicht rechtfertigen; die Entscheidung war jedoch auch sachlich vertretbar. Wie bereits dargelegt, war die für den abhängigen Betrieb erstellte Grobplanung ausreichend, um die Lärmbetroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung auch bei unabhängigem Bahnbetrieb abzuschätzen. Unter diesen Umständen durften die genannten verfahrensökonomischen Erwägungen bei der Entscheidung über das weitere Vorgehen berücksichtigt werden. Ob die Planfeststellungsbehörde, namentlich Herr Staatssekretär Br. und Herr Ministerialrat B., Kenntnis von dem H.-Schreiben hatte und dieses Vorgehen billigte und ob Herr Ministerialrat B. nach Eingang des Schreibens bei der DFS und vor Abfassung der E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn S. bei der DFS angerufen und deutlich gemacht hat, dass die bisherige Grobplanung Bestand haben müsse und eine neue Grobplanung mit divergierenden Abflugrouten nicht erfolgen solle (Beweisanträge Nr. 4 und 5 der Anlage 4 der Sitzungsniederschrift), ist deshalb nicht entscheidungserheblich. Sollte der Beklagte seine Position im Laufe des Verfahrens geändert haben, würde auch dies an der Vertretbarkeit der Entscheidung, an der bisherigen Grobplanung festzuhalten, nichts ändern. Ob Herr Ministerialrat B. für die Planfeststellungsbehörde die DFS im Rahmen des Treffens vom 29. September 1998 gebeten hat, binnen 14 Tagen eine neue Grobplanung der An- und Abflugverfahren unter Berücksichtigung der 15Grad-Divergenz zu erarbeiten, ist deshalb ebenfalls nicht entscheidungserheblich (Beweisantrag Nr. 2 der Anlage 4 der Sitzungsniederschrift). Gleiches gilt für die weitere Behauptung, dass die Planfeststellungsbehörde und die PPS zwischen dem Treffen vom 29. September 1998 und dem Schreiben von Herrn Dr. H. vom 7. Oktober 1998 übereingekommen seien, dass trotz der Aussagen der DFS an der bisherigen Grobplanung festgehalten werden solle und Grund hierfür die befürchtete Verzögerung des gesamten Vorhabens infolge der dann erforderlichen Überarbeitung des DES und der darauf aufbauenden Gutachten gewesen sei (Beweisantrag Nr. 6 der Anlage 4 und Anlage 8 der Sitzungsniederschrift). Davon, dass der Planfeststellungsbehörde, namentlich Herrn Staatssekretär Br. und Herrn Ministerialrat B. bekannt war, dass das DES und alle darauf fußenden Untersuchungen über die Auswirkungen des geplanten Vorhabens von der Grobplanung der DFS abhingen, geht der Senat aus; diese Tatsache kann als wahr unterstellt werden (Beweisantrag Nr. 7 der Anlage 4 der Sitzungsniederschrift).
Sachfremde Gründe für das Festhalten an der bisherigen Grobplanung ergeben sich auch nicht aus der E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn S. vom 9. Oktober 1998, der E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn K. vom 3. Februar 2006 und den weiteren Unterlagen, die die Kläger bei der DFS aufgefunden haben. Der Mitarbeiter der DFS, Herr S., teilt in seiner nach Eingang des H.-Schreibens bei der DFS verfassten E-Mail mit, dass "entgegen unserer Vereinbarung vom 29.9.1998" ein neues Verfahrenskonzept nicht vorgelegt werden solle. Ob der Beklagte in der Besprechung vom 29. September 1998 mit der DFS vereinbart hatte, dass die DFS eine neue Grobplanung unter Berücksichtigung des 15Grad-Erfordernisses erarbeiten solle, ist - wie bereits dargelegt - nicht entscheidungserheblich. Die in der E-Mail verwendete Formulierung, dass die DFS die neuen Verfahren "in der Hinterhand" behalte, wiederholt der Sache nach lediglich die bereits dargelegte, auch dem Beklagten und der Beigeladenen zu 1 bekannte Tatsache, dass die DFS an der vorgelegten Grobplanung nur mit der Maßgabe festhielt, für den unabhängigen Parallelbetrieb um bis zu 15Grad abknickende Abflugrouten zu planen. Der Mitarbeiter der DFS, Herr K., berichtet in seiner kurz vor der ersten mündlichen Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2006 verfassten E-Mail über einen Anruf von Herrn Ministerialrat B. zur Vorbereitung dieser Verhandlung. Zu der Frage, aus welchen Gründen im Herbst 1998 entschieden wurde, für das Planfeststellungsverfahren an der Grobplanung der DFS vom März 1998 festzuhalten, gibt diese E-Mail nichts her. Gleiches gilt für die von den Klägern des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 vorgelegten DFS-Schriftstücke aus den Jahren 2007 bis 2010.
Ausgehend hiervon ist der Vorwurf der Kläger, der Beklagte habe "wider besseres Wissen" und "in kollusivem Zusammenwirken" mit der Beigeladenen zu 1 an den parallelen Abflugrouten festgehalten, unbegründet. Das Festhalten an der bisherigen Grobplanung war - wie dargelegt - rechtlich nicht zu beanstanden. Unter Berücksichtigung des von der DFS geforderten Toleranzbereichs von um bis zu 15Grad nach Norden oder Süden abknickenden Abflugrouten war die Grobplanung vom März 1998 realisierbar. Die parallelen Abflugrouten waren auch geeignet, die innerhalb des Toleranzbereichs möglichen Lärmbetroffenheiten in der für die Abwägung relevanten Größenordnung realistisch abzubilden. Da die Flugrouten im Planfeststellungsbeschluss nicht festgelegt wurden, sondern nur Grundlage für die Abschätzung der Auswirkungen des Flugbetriebs waren, kam es auf die Frage, ob der unabhängige Parallelbetrieb auf der Grundlage der DFS-Grobplanung auch ohne Berücksichtigung des Toleranzbereichs möglich wäre, nicht entscheidend an. Dass der geplante unabhängige Parallelbetrieb nur mit um mindestens 15Grad divergierenden Abflugrouten realisiert werden kann und dass dem Beklagten dies in der Zeit zwischen 1998 und dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses am 13. August 2004 bekannt war - die Kläger haben dies mit ihren als Anlage 4 (dort unter Nr. 1), 7, 8 und 11 der Sitzungsniederschrift gestellten Anträgen unter Beweis gestellt - kann deshalb als wahr unterstellt werden. Sollte die Beweisbehauptung dahingehend zu verstehen sein, dass der geplante unabhängige Parallelbetrieb nicht nur - wie von der ICAO (Dokument 4444 Nr. 6.7.2.2 Buchst. b und Dokument 9643 Nr. 3.2 Buchst. b) und der DFS in ihren Schreiben vom 20. August und 26. Oktober 1998 sowie ihrer Stellungnahme vom 3. Juli 2000 gefordert - um mindestens 15Grad divergierende, sondern von jeder Bahn um mindestens 15Grad abknickende, also um mindestens 30Grad divergierende Abflugrouten erfordert, würde dieser Behauptung jegliche Grundlage fehlen. Sollte die Behauptung, dass der Beklagte der Abwägung "unrealistische" gerade Abflugrouten zugrunde gelegt hat (Beweisanträge Anlagen 7, 8 und 11 der Sitzungsniederschrift), darauf gerichtet sein, zu beweisen, dass die Grobplanung nicht geeignet war, die Auswirkungen des Flugbetriebs realistisch abzubilden, wäre dies eine dem Beweis nicht zugängliche Rechtsbehauptung. Dass die Vertreter der DFS auf dem Treffen am 29. September 1998 nicht bereit waren, die bis zu diesem Zeitpunkt vorliegende Grobplanung der Flugverfahren mit parallel verlaufenden An- und Abflugrouten als plausibel zu bezeichnen (Beweisantrag Nr. 3 der Anlage 4 der Sitzungsniederschrift), kann ebenfalls als wahr unterstellt werden.
Der unter Beweis gestellten Behauptung, man habe der Abwägung die geraden Abflugrouten zugrunde gelegt, weil man befürchtete, dass sich der Standort Schönefeld bei Zugrundelegung abknickender Abflugrouten nicht mehr durchsetzen lassen würde (Beweisantrag Anlage 7 der Sitzungsniederschrift), musste der Senat nicht nachgehen; sie ist nicht entscheidungserheblich. Gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 LuftVG sind Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen Belange nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Als "offensichtlich" ist alles anzusehen, was zur "äußeren" Seite des Abwägungsvorgangs derart gehört, dass es auf objektiv erfassbaren Sachumständen beruht, die sich etwa aus Akten, Protokollen, aus der Entwurfs- oder Planbegründung oder sonstigen Unterlagen ergeben. Offensichtlich ist dagegen nicht, was zur inneren Seite des Abwägungsvorgangs gehört und etwa die Motive oder Vorstellungen der Entscheidungsbeteiligten betrifft (Urteil vom 21. August 1981 - BVerwG 4 C 57.80 - BVerwGE 64, 33 <38>; Beschluss vom 26. August 1998 - BVerwG 11 VR 4.98 - Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 22 - juris Rn. 27; Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 75 Rn. 40).
Die von den Klägern unter Beweis gestellte Befürchtung beruht nicht auf objektiv erfassbaren Sachumständen. In den Verwaltungsvorgängen und in der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses können Hinweise auf sachfremde Gründe für eine bestimmte Verfahrensgestaltung zwar nicht erwartet werden; auch in den sonstigen von den Klägern vorgelegten Unterlagen finden sich für die behaupteten Erwägungen jedoch keine Anhaltspunkte. Das H.-Schreiben begründet das Festhalten an der Grobplanung damit, dass anderenfalls alle bereits erstellten Gutachten überarbeitet werden müssten und infolge dessen mit finanziellen Mehraufwendungen und einer zeitlichen Verzögerung im Planungsablauf gerechnet werden müsse. Auf die Befürchtung, dass divergierende Abflugrouten die Durchsetzbarkeit des Vorhabens am Standort Schönefeld erschweren könnten, lässt diese Begründung nicht schließen. Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich auch nicht aus der E-Mail des DFS-Mitarbeiters Herrn S. Dessen Äußerung, "vor dem zugespitzten politischen Hintergrund" könne die DFS mit dem Verzicht auf ein neues Verfahrenskonzept leben, bezieht sich allein auf die Intervention der PPS beim Bundesverkehrsministerium und die in diesem Zusammenhang geführten Telefonate. Mit der Umsetzung der vom Träger der Landesplanung getroffenen Standortentscheidung war die DFS nicht befasst. Die behaupteten Motive lagen in der damaligen Planungssituation im Übrigen nicht nahe. Der Planfeststellungsantrag war noch nicht gestellt, die Planunterlagen waren noch nicht ausgelegt. Der Beklagte hätte im Verfahren jeder von der DFS vorgelegten Grobplanung Rechnung tragen können. Anhaltspunkte dafür, dass um mindestens 15Grad divergierende und bis zu 15Grad abknickende Abflugrouten zu einer wesentlichen Veränderung der Betroffenheiten führen würden, waren auch damals nicht ersichtlich. Am nächsten lag eine Planung mit geraden Abflügen von der Nordbahn und um 15Grad abknickenden Abflügen von der Südbahn. So sahen es im Übrigen auch die ersten Entwürfe der DFS für eine Überarbeitung der Grobplanung vom Oktober 1998 vor. Die sogenannte Wannsee-Route war bereits in der ursprünglichen Grobplanung enthalten. Eine stärkere Belegung der Route hätte die Betroffenheiten jedenfalls nicht wesentlich verändert; insbesondere hätte sie nach den dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegten Kriterien nicht zu einer abwägungserheblichen Betroffenheit von Kleinmachnow geführt. Die Müggelsee-Route ist keine zwingende Folge des 15Grad-Erfordernisses. Bei Abflügen in Richtung Osten von der Nordbahn kann auch nach längerem Geradeausflug - östlich von Erkner - nach Norden abgedreht werden. So war es im Entwurf der DFS für eine geänderte Grobplanung im Übrigen vorgesehen. Warum eine solche Planung aus damaliger Sicht die Durchsetzbarkeit des Vorhabens hätte in Frage stellen sollen, ist nicht ersichtlich. Angesichts dessen war der Beweisantrag auch abzulehnen, weil der Beweisbehauptung eine hinreichende tatsächliche Grundlage fehlte. Eine solche ergab sich auch nicht aus der Begründung des Beweisantrags. Die Kläger haben nicht vorgetragen, dass die Befürchtung, der Standort Schönefeld werde sich bei abknickenden Routen nicht durchsetzen lassen, von einem der benannten Zeugen oder von einem Entscheidungsträger in Gegenwart eines Zeugen geäußert worden sei.
Schließlich ergeben sich auch aus den Vermerken des Beklagten aus dem Jahr 1995 zur Beteiligung der DFS an der Planung der An- und Abflugverfahren (Anlage K 22 des Schriftsatzes der Kläger der Verfahren BVerwG 4 A 5001.10 und 5002.10 vom 2. April 2012) keine sachfremden Gründe für das Festhalten an der Grobplanung vom März 1998. Die Anforderungen an die Abflugverfahren bei unabhängigem Bahnbetrieb waren nicht Gegenstand dieser Vermerke. Unabhängig hiervon bezog sich die Kritik der DFS an den von der Vorhabenträgerin verwendeten Flugverfahren auf die neuen Standorte Sperenberg und Jüterbog, nicht auf den bestehenden Standort Schönefeld (Vermerk vom 28. Februar 1995 S. 1). Die Annahme der Kläger, der Beklagte habe sich bei der Standortentscheidung von der sachfremden Erwägung leiten lassen, eine Wiederholung des Raumordnungsverfahrens zu vermeiden, ist nicht plausibel. Nach dem sogenannten Konsens-Beschluss vom 28. Mai 1996, in dem sich der Bundesminister für Verkehr, der Regierende Bürgermeister von Berlin und der Ministerpräsident des Landes Brandenburg darauf verständigten, den Standort Schönefeld als "Single-Standort" zu entwickeln (Urteil vom 16. März 2006 - BVerwG 4 A 1075.04 -
2. Bahnkonfiguration
Dass das Untersuchungsfenster für die Analyse der möglichen Bahnkonfigurationen (Achsabstand zwischen 1 600 und 2 300 m, Bahnversatz zwischen 800 und 1 800 m) bei Berücksichtigung des 15Grad-Erfordernisses auf Achsabstände so weit über 2 300 m hinaus erweitert worden wäre, dass ein unabhängiger Bahnbetrieb ohne Einhaltung des 15Grad-Erfordernisses möglich gewesen wäre, kann ausgeschlossen werden. Wie in der Konfigurationsanalyse (Beiakte 425, M 12 S. 12 - 14) und im Planfeststellungsbeschluss (PFB S. 637) dargelegt, würden sich bei einem größeren Achsabstand als 2 300 m die Rollwege unter flugbetrieblichen Gesichtspunkten wesentlich erhöhen; die Groß Kienitzer Berge würden sich zunehmend als flugbetrieblich bedenkliches topographisches Hindernis erweisen. Vor allem würde eine weitere Verschiebung der Südbahn nach Süden ihren Zweck auch unter fluglärmspezifischen Gesichtspunkten verfehlen. Die durch abknickende Abflüge stärker betroffene Gemeinde Eichwalde würde bei größeren Achsabständen als 2 300 m zunehmend in ihrer breitesten Ost-West-Ausdehnung überflogen und zwar, wenn der Achsabstand für parallele Abflüge ausreichend sein sollte, sowohl von An- als auch von Abflügen.
Ob die Konfigurationsanalyse innerhalb des Untersuchungsfensters wegen der Nichtberücksichtigung des 15Grad-Erfordernisses an einem ergebnisrelevanten Abwägungsfehler leidet, kann offen bleiben. Jedenfalls wären die Kläger durch einen etwaigen Abwägungsmangel nicht in eigenen Rechten verletzt worden. Die Grundstücke der Kläger der Verfahren BVerwG 4 A 5000.10, 5001.10 und 7000.11 liegen nördlich der bereits vorhandenen Nordbahn. Eine Parallelverschiebung dieser Bahn war nicht Gegenstand der Konfigurationsanalyse. Von einer Verschiebung der Südbahn innerhalb des Untersuchungsfensters hätten sie nicht profitiert. Die Belange des in Rangsdorf und damit südlich der Südbahn wohnenden Klägers des Verfahrens BVerwG 4 A 5002.10 waren für die Konfigurationsanalyse ebenfalls nicht abwägungserheblich. Als abwägungserheblich wurden in der Konfigurationsanalyse nur Betroffenheiten bis hinab zu einem Dauerschallpegel von Leq(3), Tag = 62 dB(A) angesehen (PFB S. 635 f. und Beiakte 425, M 12 S. 19). Diese Werte werden bei um bis zu 15Grad abknickenden Abflugrouten bei dem Kläger des Verfahrens BVerwG 4 A 5002.10 nicht erreicht (vgl. Beiakte 425, Karte M 12-16). Die Bahnkonfiguration stellt für seine Betroffenheit keinen Zwangspunkt mehr dar.
3. Verfahren
Der Planfeststellungsbeschluss leidet allerdings an einem Fehler bei der Öffentlichkeitsbeteiligung und der Umweltverträglichkeitsprüfung. Wie der Senat im Urteil vom gleichen Tage in den Verfahren BVerwG 4 A 7001.11 bis 7003.11 dargelegt hat, hätte der Beklagte weder das Gebiet, in dem die Planunterlagen gemäß § 73 Abs. 2 und 3 VwVfG auszulegen sind, noch den Untersuchungsraum Mensch der Umweltverträglichkeitsprüfung auf der Grundlage der prognostischen Flugroutenplanung abgrenzen dürfen. Er hätte die Planunterlagen in allen Gemeinden auslegen müssen, die im Einwirkungsbereich des Flughafens liegen und bei denen jedenfalls für Teile des Gemeindegebiets weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen auszuschließen ist, dass ein zu ihrer Betroffenheit führendes Flugverfahren festgelegt wird. Gleiches gilt für die Abgrenzung des Untersuchungsraums Mensch im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung.
Diese Fehler beruhen jedoch nicht auf der Nichtberücksichtigung des 15Grad-Erfordernisses, sondern auf einem Irrtum des Beklagten über die Maßgeblichkeit der prognostischen Flugroutenplanung für die Abgrenzung des Auslegungsgebiets und den Untersuchungsumgriff der Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Kläger hätten diese Fehler auch ohne Kenntnis des 15Grad-Erfordernisses rügen können. Unabhängig hiervon hätten die Planunterlagen auch ausgehend von der damaligen Rechtsauffassung des Beklagten bei Berücksichtigung des 15Grad-Erfordernisses jedenfalls in Kleinmachnow nicht ausgelegt werden müssen. Der auf der Grundlage der DFS-Grobplanung vom März 1998 gebildete Untersuchungsraum Mensch, den der Beklagte als maßgebend für die Abgrenzung des Auslegungsgebiets angesehen hat, hätte auch bei einer um 15Grad nach Norden abknickenden Abflugroute nicht bis an die südliche Grenze der Gemeinde Kleinmachnow herangereicht (vgl. Beiakte 430, N 4.4-1).
Die von den Klägern aufgeworfene Frage zur Auslegung des Art. 6 der RL 85/337/EWG ist nicht entscheidungserheblich. Sie könnte sich nur stellen, wenn den Klägern Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren wäre; das ist nicht der Fall. Die Frage musste deshalb auch nicht - dem Antrag der Kläger folgend (Anlage 3 der Sitzungsniederschrift) - gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt werden.
V. Planergänzungsbeschluss
Aus den dargelegten Gründen kann den Klägern des Verfahrens BVerwG 4 A 7000.11 auch nicht für ihre auf eine weitergehende Einschränkung des Nachtflugbetriebs gerichteten Hilfsanträge Wiedereinsetzung in die Frist für eine Klage gegen den Planergänzungsbeschluss vom 20. Oktober 2009 gewährt werden. Unabhängig hiervon fehlt den Klägern insoweit jedenfalls die Klagebefugnis, weil der Planfeststellungsbeschluss ihnen gegenüber bestandskräftig geworden ist und sie durch den Planergänzungsbeschluss nicht erstmals oder weitergehend als bisher betroffen werden (vgl. Urteil vom 24. Juli 2008 - BVerwG 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 21). Im Übrigen wäre die Klage mit den Hilfsanträgen aus den im Urteil vom 13. Oktober 2011 (BVerwG 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1) dargelegten Gründen jedenfalls unbegründet.