Entscheidungsdatum: 06.09.2012
Clematis florida fond memories
1. Die Neuheitsregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 SortG (juris-Abkürzung: SortSchG 1985) ist mit der in Art. 6 Abs. 1 UPOV Übereinkommen 1991 (juris-Abkürzung: PflZSchÜbk) getroffenen Neuheitsregelung nicht vereinbar.
2. Eine auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 SortG (juris-Abkürzung: SortSchG 1985) gestützte Zurückweisung einer Anmeldung ist gleichwohl rechtmäßig, da der völkerrechtliche Verstoß nicht dazu führt, dass § 6 Abs. 1 Nr. 1 SortG (juris-Abkürzung: SortSchG 1985) nichtig oder nicht anwendbar ist.
In der Beschwerdesache
…
wegen Erteilung des Sortenschutzes für die Waldrebsorte Fond Memories Kenn-NR.: WAR 4
(hier: Beschwerde gegen Widerspruchsentscheidung)
hat der 36. Senat (Beschwerdesenat für Sortenschutzsachen) des Bundespatentgerichts am 6. September 2012 durch den Vorsitzenden Richter Baumgärtner, den Richter Dipl.-Ing.agr. Dr. Huber sowie die Richterinnen Dipl.-Chem. Dr. Proksch-Ledig und Bayer
beschlossen:
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bundessortenamts – Widerspruchsausschuss 9 – vom 5. November 2009 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Am 23. April 2008 hat die Antragstellerin, Widerspruchsführerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) Antrag auf Sortenschutz für die Pflanze (Waldrebesorte) Clematis florida mit der Bezeichnung „fond memories“ gestellt. Unter TZ 9 des Anmeldeformulars ist angegeben: „Vermehrungsmaterial oder Erntegut der Sorte wurde erstmalig am 1-jun-2004 unter der Bezeichnung fond memories in Großbritannien zu gewerblichen Zweck an andere abgegeben“. Daraufhin ist der Antrag mit Beschluss der Prüfungsabteilung 9 des Bundessortenamts vom 15. Mai 2009 zurückgewiesen worden, weil die Sorte nicht mehr neu sei, da Vermehrungsmaterial bereits vor der nach dem Sortenschutzgesetz zulässigen Jahresfrist innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu gewerblichen Zwecken an Dritte abgegeben worden sei.
Gegen den am 25. Mai 2009 zur Post gegebenen Zurückweisungsbeschluss hat die Antragstellerin Widerspruch erhoben, der am 16. Juni 2009 beim Bundessortenamt eingegangen ist. Zur Begründung führt sie aus, dass Deutschland das UPOV-Übereinkommen von 1991 unterzeichnet habe. Nach der dort zur Neuheit getroffenen Regelung werde eine Sorte als neu angesehen, wenn sie im Hoheitsgebiet der Vertragspartei, in der der Antrag auf Sortenschutz gestellt wird, am Tag der Antragstellung nicht früher als ein Jahr und im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei nicht früher als vier Jahre oder im Fall von Bäumen und Reben nicht früher als sechs Jahre zum Zweck der Auswertung verkauft oder auf andere Weise an andere abgegeben worden sei. Demgegenüber stelle das deutsche Sortenschutzgesetz auf eine gewerbliche Verwertung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ab. Im Hinblick auf das UPOV-Übereinkommen 1991 müsse die Neuheitsregelung im Sortenschutzgesetz aber so gelesen werden, dass der Begriff „Hoheitsgebiet der Vertragspartei“, vorliegend also Deutschland, an die Stelle von „Europäische Gemeinschaft“ trete, um einen Widerspruch zum UPOV-Übereinkommen 1991 zu vermeiden.
Der Widerspruchssausschuss 9 des Bundessortenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 5. November 2009 zurückgewiesen. Der Beschluss der Prüfungsabteilung sei rechtmäßig. Die angemeldete Sorte sei im Zeitpunkt ihrer Anmeldung nicht mehr neu im Sinne des Sortenschutzgesetzes gewesen, dessen Vorschrift über die Neuheit nicht im Widerspruch zu den Regeln des UPOV-Übereinkommens 1991 stehe. Die Einwendungen der Antragstellerin, dass dieses Übereinkommen in Deutschland nicht richtig umgesetzt worden sei, träfen nicht zu. Deutschland habe nämlich von der im UPOV-Übereinkommen 1991 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach der Vertragsstaaten, die Mitglieder derselben zwischenstaatlichen Organisation seien, Handlungen im Hoheitsgebiet dieser Organisation mit Handlungen in ihrem eigenen Hoheitsgebiet gleichstellen können. Der deutsche Gesetzgeber habe damit erreichen wollen, dass zwischen dem nationalen und dem gemeinschaftlichen Sortenschutz keine Unterschiede bestehen.
Gegen diesen am 5. November 2009 zur Post gegebenen Widerspruchsbeschluss richtet sich die am 3. Dezember 2009 per Telefax beim Bundessortenamt eingegangene Beschwerde der Antragstellerin vom selben Tag. Sie macht weiterhin die fehlerhafte Umsetzung des UPOV-Übereinkommens 1991 geltend. Sie ist der Auffassung, dass die deutsche Regelung die Voraussetzungen verkannt habe, unter denen eine Abweichung von der Neuheitsregelung des UPOV-Übereinkommens 1991 möglich sei. Das Sortenschutzgesetz stehe insoweit im klaren Widerspruch zu diesem übergeordneten internationalen Abkommen, weshalb die im UPOV-Übereinkommen 1991 enthaltene Regelung über die Neuheit unmittelbar anwendbar sei.
Art. 6 Abs. 1 und 3 UPOV-Übereinkommen 1991 lauten:
„Artikel 6
Neuheit
(1) [ Kriterien] Die Sorte wird als neu angesehen, wenn am Tag der Einreichung des Antrags auf Erteilung eines Züchterrechts Vermehrungsmaterial oder Erntegut der Sorte
i) im Hoheitsgebiet der Vertragspartei, in der der Antrag eingereicht worden ist, nicht früher als ein Jahr und
ii) im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei als der, in der der Antrag eingereicht worden ist, nicht früher als vier Jahre oder im Fall von Bäumen und Reben nicht früher als sechs Jahre
durch den Züchter oder mit seiner Zustimmung zum Zwecke der Auswertung der Sorte verkauft oder auf andere Weise an andere abgegeben wurde.
(2) [ Vor kurzem gezüchtete Sorten] …
(3) [ "Hoheitsgebiet" in bestimmten Fällen] Zum Zwecke des Absatzes 1 können alle Vertragsparteien, die Mitgliedstaaten derselben zwischenstaatlichen Organisation sind, gemeinsam vorgehen, um Handlungen in Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten dieser Organisation mit Handlungen in ihrem jeweiligen eigenen Hoheitsgebiet gleichzustellen, sofern dies die Vorschriften dieser Organisation erfordern; gegebenenfalls haben sie dies dem Generalsekretär zu notifizieren.“
§ 6 Abs. 1 SortG in der Fassung vom 19. Dezember 1997 lautet:
„§ 6 Neuheit
Eine Sorte gilt als neu, wenn Pflanzen oder Pflanzenteile der Sorte mit Zustimmung des Berechtigten oder seines Rechtsvorgängers vor dem Antragstag nicht oder nur innerhalb folgender Zeiträume zu gewerblichen Zwecken an andere abgegeben worden sind:
1.
innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ein Jahr,
2.
außerhalb der Europäischen Gemeinschaft vier Jahre, bei Rebe (Vitis L.) und Baumarten sechs Jahre.“
Der Präsident des Bundessortenamts ist dem Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 14. Dezember 2009 beigetreten. Er verweist mit seiner Stellungnahme nochmals auf die mit der Neuheitsregelung im Sortenschutzgesetz verfolgte gesetzgeberische Absicht, nationale Unterschiede im Vergleich zum gemeinschaftlichen Sortenschutz zu vermeiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
A. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Widerspruchssausschusses 9 des Bundessortenamts vom 5. November 2009 ist zulässig, sie ist insbesondere bei der richtigen Stelle und fristgemäß eingelegt worden.
I. Die Beschwerde ist am 3. Dezember 2009 beim Bundessortenamt eingelegt worden. Nach § 34 Abs. 1 SortG finden gegen die Beschlüsse der Widerspruchsausschüsse des Bundessortenamts die Beschwerde zwar „an“ das Bundespatentgericht statt. Dies bedeutet entgegen der sich aus der gesetzlichen Formulierung zunächst aufdrängenden Vermutung nicht, dass die Beschwerde beim Bundespatengericht einzureichen wäre (so auch die wohl h. M.). Im Hinblick auf die Abhilfemöglichkeit, die sich aus § 73 Abs. 2 S. 1 PatG ergibt (Leßmann/Würtenberger Deutsches und europäisches Sortenschutzrecht, 2. Aufl. 2009, 5 Rn 304), ist die Beschwerde beim Bundessortenamt einzulegen.
II. Die Beschwerde ist nach § 36 SortG, § 73 Abs. 2 S. 1 PatG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses einzulegen. Außerdem ist innerhalb einer vom Bundessortenamt bestimmten Frist die Beschwerdegebühr zu entrichten. Beide Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
1. Eine vorschriftsmäßige Zustellung ist im vorliegenden Fall allerdings nicht feststellbar. Die gemäß § 21 SortG i. V. m. § 69 Abs. 2 S. 1 VwVfG, § 1 Abs. 2 VwZG erforderliche Zustellung des Beschlusses des Widerspruchsausschusses vom 5. November 2009 durch das Bundessortenamt als einer Bundesbehörde muss gem. § 1 Abs. 1 VwZG nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes erfolgen. Im vorliegenden Fall ist die Zustellung per Einschreiben durch Aufgabe zur Post erfolgt.
Dies entspricht nicht der Regelung in § 9 VwZG in der bis 2. Mai 2011 gültigen Fassung vom 11. Dezember 2008, da der gemäß § 15 Abs. 2 SortG bestellte Inlandsvertreter der Beschwerdeführerin seinen Geschäftssitz in den Niederlanden, also im Ausland, hatte. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG a.F. kann die Zustellung ins Ausland nur durch Einschreiben mit Rückschein erfolgen. Dies ist ausweislich der Stellungnahme des Bundessortenamts vom 14. Januar 2011 weder im Falle des Zurückweisungsbeschlusses noch bei dem vorangegangenen Widerspruchsbeschluss geschehen.
Ist ein Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, gilt es nach § 8 VwZG als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Dies war laut Beschwerdeschriftsatz der 9. November 2009, so dass die durch Telefax vom 3. Dezember 2009 eingegangene Beschwerde rechtzeitig innerhalb der 1-Monats-Frist des § 73 Abs. 2 S. 1 PatG eingelegt worden ist.
2. Innerhalb der vom Bundessortenamt bis zum 29. Juli 2007 bestimmten Frist ist die Beschwerdegebühr von 500,– € (§ 34 Abs 1 .Hs. 2 SortG, Nr. 401 100 Nr. 5 Anlage zu § 2 PatKostG) beim Bundessortenamt eingegangen, nämlich am 7. Juli 2009, und dort auf ein Verwahrkonto genommen worden.
B. Die Beschwerde ist nicht begründet.
Das Bundessortenamt hat den Widerspruch gegen die Zurückweisung des Antrags auf Sortenschutz zutreffend zurückgewiesen. Sowohl der Zurückweisungsbeschluss vom 15. Mai 2009 als auch der Widerspruchsbeschluss vom 5. November 2009 entsprechen der am Anmeldetag geltenden Regelung des Sortenschutzgesetzes (SortG vom 19. Dezember 1997, im Folgenden: SortG, die mit der jetzt geltenden im Wesentlichen inhaltsgleich ist) und sind rechtmäßig. Ausweislich des am 23. April 2008 beim Bundessortenamt eingegangenen Sortenschutzantrags ist das Pflanzenmaterial der angemeldeten Sorte weit vor der einjährigen Neuheitsschonfrist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SortG, die am 23. April 2007 zu laufen begonnen hat, innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, nämlich erstmalig am 1. Juni 2004 in Großbritannien verbreitet worden, und gilt daher nicht mehr als neu. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SortG ist rechtsgültig, obwohl die Vorschrift nach Ansicht des Senats gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen verstößt, die Deutschland zum einen durch die Unterzeichnung und Ratifizierung des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen vom 2. Dezember 1961 (PflZÜ) eingegangen ist und zum anderen durch Unterzeichnung und Ratifizierung der durch die Revisionen des PflZÜ beschlossenen Änderungen (im Folgenden UPOV-Übereinkommen mit Jahreszahl der Unterzeichnung).
I. Der Widerspruch gegen den Zurückweisungsbeschluss war zulässig. Das SortG regelt das Widerspruchsverfahren nicht ausdrücklich, sondern setzt es vielmehr voraus, wie sich aus §§ 18 Abs. 1 Nr. 2 SortG (Bildung von Widerspruchsausschüssen), 18 Abs. 3 SortG (Entscheidung über Widersprüche), 33 Abs. 5 SortG (Erstattung der Widerspruchsgebühr bei erfolgreichem Widerspruch), 34 Abs. 1 SortG (Beschwerde gegen Beschlüsse der Widerspruchsabteilungen) ergibt.
1. Die Widerspruchsfrist ist gewahrt. Der Widerspruch ist 1 Monat nach Bekanntgabe des Zurückweisungsbeschlusses einzulegen (§ 70 Abs. 1 VwGO). Nachdem auch für das Verfahren der Prüfabteilungen die Vorschriften für das förmliche Verwaltungsverfahren gelten, § 21 SortG, hätte der Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsabteilung 9 des Bundessortenamts vom 15. Mai 2009 nach dem VwZG aus den o. g. Gründen wiederum nur per Einschreiben mit Rückschein erfolgen dürfen. Dies ist nicht geschehen, vielmehr wurde auch dieser Beschluss nur als einfaches Einschreiben übermittelt. Nachdem der Formalwiderspruch vom 3. Juni 2009 am 8. Juni 2009 beim Bundessortenamt eingegangen ist und in diesem Schreiben der Zugang des Zurückweisungsbeschlusses bestätigt wird, ist der Zustellungsmangel in jedem Fall geheilt. Unabhängig davon, dass sich vorliegend nicht feststellen lässt, wann die Anmelderin tatsächlich eine Beschlussausfertigung erhalten hat, ist der am 8. Juni 2009 beim Bundessortenamt eingegangene Widerspruch in jedem Fall auch rechtzeitig. Der Beschluss ist ausweislich des Vermerks auf dem zugehörigen Anschreiben vom 15. Mai 2009 am 25. Mai 2009 zur Post gegeben worden, kann also die Vertreter der Antragstellerin nicht vor dem 25. Mai 2009 erreicht haben. Gleiches gilt, wenn man mit dem Bundessortenamt erst das Schreiben vom 17. Juni 2009 als Widerspruch ansieht, das am 19. Juni 2009 eingegangen ist.
2. Die nach dem Gebührenverzeichnis Nr. 124 124.1 - 124. 3 im Widerspruchsverfahren nach einer entsprechenden Aufforderung des Bundessortenamts innerhalb eines Monats zu bezahlende Widerspruchsgebühr (vgl. § 27 Abs. 2; Keukenschrjiver, Sortenschutzgesetz 2001, § 28 Rn. 9) hat die Beschwerdeführerin ebenfalls rechtzeitig entrichtet. Die Aufforderung erging am 29. Juni 2009, die Einzahlung der Gebühr erfolgte am 7. Juli 2009.
II. Der Widerspruch wurde auch zu Recht zurückgewiesen, weil die angemeldete Sorte im Zeitpunkt ihrer Anmeldung am 23. April 2008 aufgrund ihrer gewerblichen Abgabe in Großbritannien am 1. Juni 2004 nicht mehr neu im Sinn von § 6 Abs. 1 SortG war, die Übergangsvorschrift des § 41 Abs. 5 SortG nicht einschlägig ist, da der Antragstag weit über einem Jahr nach Inkrafttreten des SortG lag, und das Bundessortenamt somit den Sortenschutzantrag zurückzuweisen verpflichtet war.
Der Gültigkeit von § 6 Abs. 1 SortG steht die von der Anmelderin nach Ansicht des Senats zu Recht gerügte Unvereinbarkeit dieser Vorschrift mit dem PflZÜ in der Fassung des UPOV-Übereinkommens 1991, das in Deutschland nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG durch Gesetz innerstaatliche Geltung erlangt hat, nicht entgegen.Diese Unvereinbarkeit beruht darauf, dass in § 6 Abs. 1 SortG entgegen der Vorgaben durch Art. 6 Abs. 1 UPOV-Übereinkommen 1991 sowie aller vorangegangenen Regelungen des PflZÜ für neuheitsschädliche Handlungen nicht an das Hoheitsgebiet des Anmeldestaates angeknüpft wird, sondern nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut auf das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft/Union.Darüber hinaus hat der deutsche Gesetzgeber für seine Regelung mit Art. 6 Abs. 3 UPOV-Übereinkommen 1991 eine Vertragsvorschrift angezogen, die sich nicht an einen einzelnen nationalen Gesetzgeber wendet.
1. 1961 kam das Internationale Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (PflZÜ) zustande, das am 2. Dezember 1961 u. a. von Deutschland unterzeichnet wurde. Mit Vertragsgesetz vom 10. Mai 1968 hat der Deutsche Bundestag diesem Übereinkommen zugestimmt (BGBl II Nr. 22 vom 16. Mai 1968; BlPMZ 1968, 250). Das Übereinkommen ist gem. Art. 31 PflZÜ am 10. August 1968 in Kraft getreten, nachdem das Vereinigte Königreich, die Niederlande und Deutschland es ratifiziert hatten.
In Art. 27 PflZÜ ist die regelmäßige Revision des Übereinkommens geregelt, wobei revidierte Fassungen für die Verbandsstaaten, die sie ratifiziert haben, in Kraft treten, wenn sie von 5/6 der Verbandsstaaten ratifiziert worden sind, Art. 27 Abs. 4 (vgl. auch BlPMZ 1968, 250 ff, 266). Das Übereinkommen wurde am 10. November 1972, am 23. Oktober 1978 und am 19. März 1991 überarbeitet, um technologische Entwicklungen in der Pflanzenzüchtung und Erfahrungen mit der Anwendung des Übereinkommens zu berücksichtigen.
Der Zusatzakte vom 10. November 1972 hat der Deutsche Bundestag mit Gesetz vom 24. März 1976 zugestimmt (BlPMZ 1976, 161f). Die Zusatzakte ist für Deutschland am 11. Februar 1977 in Kraft getreten (BGBl. 1977 II S. 468) und enthält keine für das Verfahren relevanten Änderungen.
Am 23. Oktober 1978 ist das PflZÜ erneut revidiert worden, u. a. um weiteren Staaten den Beitritt zu erleichtern (BlPMZ 1984, 351 ff). Die Bundesrepublik Deutschland hat dieser Fassung mit Gesetz vom 28. August 1984 zugestimmt (BlPMZ 1984, 351). Das UPOV-Übereinkommen 1978 ist für Deutschland am 12. April 1986 in Kraft getreten (BGBl. 1986 II S. 782.)
Dem UPOV-Übereinkommen vom 19. März 1991 hat der Deutsche Bundestag mit Gesetz vom 25. März 1998 zugestimmt (BlPMZ 1998, 232), es ist am 25. Juli 1998 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten (BGBl. 1998 II S. 2493).
2. Ziel des PflZÜ war und ist es, in den Vertragsstaaten (jetzt: Vertragsparteien) für einen einheitlichen Schutz der züchterischen Leistung zu sorgen, die in der Schaffung einer neuen Pflanze liegt. Dieser Schutz soll nach einheitlichen und klar umrissenen Grundsätzen geschaffen werden, um auf diese Weise das Recht des geistigen Eigentums so fortzuentwickeln, dass es Pflanzenzüchtungen schützt und damit die Entwicklung neuer Pflanzensorten begünstigt. Inhalt und Art des Rechts werden im PflZÜ festgelegt (vgl. Präambel; Art. 1 Abs. 1 PflZÜ; Denkschrift BlPMZ 1968, 262 ff). Allein dem Züchter soll das Recht vorbehalten bleiben, Vermehrungsgut seiner Sorte gewerbsmäßig zu nutzen. Art. 6 PflZÜ regelt die Voraussetzungen für die Erlangung des Schutzrechts insofern abschließend, als Sortenschutz nur gewährt werden kann, wenn die Sorte neu, hinreichend homogen, in ihren wesentlichen Merkmalen hinreichend beständig und mit einer Sortenbezeichnung gekennzeichnet ist. Das PflZÜ soll allerdings den Schutz nicht selbst gewähren. Vielmehr obliegt es den einzelnen Verbandsstaaten, ihn nach eigenen nationalen Vorschriften zu bestimmen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss aber durch ein amtliches Prüfungsverfahren festgestellt werden, nach dessen erfolgreichem Abschluss entweder ein Patent oder ein besonderes Schutzrecht durch die nationalen Erteilungsbehörden zuerkannt wird (Art. 7 PflZÜ; vgl. auch Denkschrift a. a. O., 262), wobei den einzelnen Vertragsstaaten bezüglich der einzuhaltenden Formalien (vgl. Art. 6 Abs. 2, 2. Hs PflZÜ) und auch hinsichtlich der Schutzdauer (Art. 8 Abs. 3 PflZÜ) ein Regelungsspielraum eingeräumt wird. Mit anderen Worten: das PflZÜ gebietet es den Vertragsstaaten, die Leistungen der Züchter anzuerkennen, indem sie ihnen ein Eigentumsrecht anbieten, und zwar auf der Grundlage klar umrissener Grundsätze, die in dem Übereinkommen vorgegeben sind (vgl. UPOV-Veröffentlichung Nr. 437, Ausgabe 8 vom 8. Dezember 2011). Vor diesem Hintergrund wurde das PflZÜ durch das UPOV-Übereinkommen vom 23. Oktober 1978 vor allem mit dem Ziel revidiert, weiteren Staaten den Beitritt zu erleichtern. Dem Übereinkommen waren nicht so viele Staaten beigetreten, wie es für den Gedanken des Schutzes der Züchterrechte erforderlich gewesen wäre. Der Grund hierfür lag darin, dass mehrere Staaten, die Interesse am Beitritt bekundet hatten, sich angesichts ihrer geltenden Rechtsnormen, in die eine übereinkommenskonforme Anpassung erhebliche, u. U. nicht durchsetzbare Eingriffe erfordert hätte, zu einem Beitritt außerstande gesehen haben (BlPMZ 1984, 351 ff; Denkschrift, BlPMZ 1984, 359). Ziel des UPOV-Übereinkommens 1991 war es in erster Linie, Entwicklungen Rechnung zu tragen, die sich aus neuen Züchtungs- und Produktionsformen, der Internationalisierung von Züchtung und Handel und allgemeinen Entwicklungen im gewerblichen Rechtsschutz ergeben haben (Denkschrift BlPMZ 1998, 240). Voraussetzung für die Zustimmung zur revidierten Fassung und für die geplante Ratifizierung ist laut Denkschrift die Angleichung des nationalen Rechts an die durch die Revision geänderten Regelungen des Übereinkommens. Änderungsbedarf wird insbesondere durch … , Art. 6 … Neuheit … des Übereinkommens ausgelöst (a. a. O. 241).
3. Der deutsche Gesetzgeber hat in Erfüllung seiner Umsetzungs- und Anpassungsverpflichtung an das PflZÜ das SortG 1968 erlassen (vgl. amtl. Begr. BlPMZ 1968, 215 „I. Gründe für die Reform“: „Um die Konvention … in der Bundesrepublik durchzuführen, ist eine Änderung des geltenden Sortenschutzrechts notwendig,…“ und „II. Materielle Voraussetzungen und Inhalt des Sortenschutzes“, wonach die neuen Vorschriften im Hinblick auf die Übereinkunft erheblich von den davor geltenden Regelungen abwichen, insbesondere bei dem vom nationalen zur Weltneuheit erweiterten Neuheitsbegriff), und dieses später durch das SortG 1985 und das Sortenschutzänderungsgesetz von 1997 an die Änderungen des Übereinkommens angepasst. Wie die Auslegung des PflZÜ ergibt, liegt allerdings bei der im Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Anmeldung geltenden Regelung des § 6 Abs. 1 SortG 1997 keine Anpassung, sondern eine vertragswidrige Abweichung vor, die sich in der derzeit geltenden Fassung vom 9. Dezember 2010 fortsetzt (a. A. wohl Leßmann/Würtenberger a. a. O, § 2 Rdn. 138). Die Begründung, es sei die gesetzgeberische Absicht gewesen, nationale Unterschiede im Vergleich zum gemeinschaftlichen Sortenschutz zu vermeiden, trägt nicht. Auf Art. 6 Abs. 3 UPOV-Übereinkommen 1991 kann sie nicht gestützt werden, wobei es weniger darauf ankommt, ob es sich hierbei um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handelt, wie die Anmelderin in der Beschwerdebegründung ausführt. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die in Art. 6 Abs. 3 UPOV-Übereinkommen geforderten Voraussetzungen nach Ansicht des Senats nicht erfüllt sind.
3.1. Ausgangspunkt für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge ist nach der Regelung in Art. 31 Abs. 1 der Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (WVRK) deren Wortlaut, der in authentischer Weise den Willen der Vertragsparteien zum Ausdruck bringt. Der Vertrag ist in Übereinstimmung mit der allgemeinen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Ziels und Zwecks auszulegen. Zur ergänzenden Vertragsauslegung können die Entstehungsgeschichte, die Vorarbeiten sowie sonstige Vertragsmaterialien herangezogen werden, u. a. um die Auslegung des Vertragswortlautes zu bestätigen (Art. 32 WVRK; vgl. Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 12. Aufl. 2009, § 4 Rn 81 ff, 83, 84; Vitzthum (Hrsg) Völkerrecht, 5. Aufl. 2010, 1. Abschnitt, Rn 123 ff). In engem Zusammenhang mit der teleologischen Auslegung steht der Effektivitätsgrundsatz, nach dem sicherzustellen ist, dass die Auslegung nach Ziel und Zweck des Vertrages erfolgt (Stein/von Buttlar a. a. O.).
3.1.1. Hinsichtlich der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevanten Neuheitsregelung ergibt sich hierbei aus Art. 6 Abs. 1 b) PflZÜ zunächst, dass das Bekanntsein einer Pflanze an sich ihrer Neuheit nicht entgegensteht. Dies gilt aber nicht, wenn in dem Zeitpunkt, in dem Sortenschutz in einem Verbandsstaat beantragt wurde, die Sorte bereits mit Zustimmung des Züchters oder seines Rechtsnachfolgers im Hoheitsgebiet des Anmeldestaates oder seit mehr als vier Jahren im Hoheitsgebiet eines anderen Staates feilgehalten oder gewerbsmäßig vertrieben worden war. Diesem auch in allen folgenden Revisionen des Übereinkommens enthaltenen Grundsatz liegt das Ziel der Verbandsmitglieder zugrunde, es zu verhindern, dass für Sorten, die aufgrund einer kommerziellen Nutzung durch den Anmelder in dem Staat, in dem sie angemeldet wird, bereits Allgemeingut geworden sind, noch Schutz begründet werden kann und der Anmelder dann noch von seinem Ausschließungsrecht Gebrauch machen könnte. Mit der Möglichkeit, die Sorte vor der Anmeldung im Inland vier Jahre im Ausland vertreiben zu können, soll es dem Züchter ermöglicht werden, die Sorte zunächst im Ausland zu erproben und erst später im Inland anzumelden (vgl. Denkschrift zum Internationalen Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen vom 2. Dezember 1961, BlPMZ 1968, 262 ff, 264).
Der deutsche Gesetzgeber hat diese Regelung durch § 2 Abs. 3 SortG 1968 umgesetzt. Danach stand es der Neuheit einer Sorte nicht entgegen, dass sie selbst allgemein bekannt war, es sei denn, dass sie im Anmeldezeitpunkt im Geltungsbereich des SortG bereits gewerbsmäßig vertrieben worden war oder seit mehr als vier Jahren außerhalb dieses Geltungsbereichs (vgl. BlPMZ 1968, 204).
3.1.2. Nach dem PflZÜ in der Fassung des UPOV-Übereinkommens vom 23. Oktober 1978 ist – soweit für das vorliegende Verfahren relevant – bezüglich der Schutzvoraussetzungen die Regelung beibehalten worden, dass die Sorte, um neu zu sein, am Tag der Einreichung der Schutzrechtsanmeldung im Anmeldestaat nicht mit Zustimmung des Züchters feilgehalten oder gewerbsmäßig vertrieben worden sein darf. Neu hinzugekommen ist die (fakultative) Möglichkeit, in nationalen Regelungen eine Neuheitsschonfrist von 1 Jahr vorzusehen, Art. 6 Abs 1 b) i) (vgl. BlPMZ 1984, 351 ff, 353), was mit Rücksicht auf in einigen Staaten bereits bestehende entsprechende Regelungen eingeführt worden ist (vgl. Denkschrift, BlPMZ 1984. 359 ff, 360). Innerhalb dieser Frist liegende Handlungen im Inland berühren danach die Neuheit der angemeldeten Sorte nicht.
Mit § 6 Abs. 1 in der Fassung des SortG vom 11. Dezember 1985 hat der deutsche Gesetzgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, für das deutsche SortG 1985 die einjährige Neuheitsschonfrist einzuführen (amtl. Begr., BlPMZ 1986, 138), wobei für diese Frist ein gewerbliches Inverkehrbringen im Geltungsbereich des SortG maßgeblich war, für die vierjährige (oder für langsam wachsende Pflanzen eine sechsjährige, vgl. Abs. 2) Neuheitsschonfrist ein gewerbliches Inverkehrbringen außerhalb des Geltungsbereichs des SortG 1985 (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 SortG 1985, vgl. BlPMZ 1986, 129).
3.2. Bezüglich des in der Präambel zum PflZÜ formulierten Ziels, einheitliche und klar umrissenen Grundsätze für den Sortenschutz zu schaffen, ergibt sich unter Berücksichtigung der Entwicklung des Übereinkommens daher für das Eintragungskriteriums der Neuheit der Wille der Vertragsstaaten, die Gewährung von nationalem Sortenschutz nur an solchen gewerbsmäßigen Handlungen scheitern zu lassen, die in dem Land, für den Sortenschutz erlangt werden soll, dazu führen, dass die Sorte dort zum Allgemeingut geworden ist, was spätestens nach Ablauf einer kurzen Neuheitsschonfrist von einem Jahr angenommen wird. Auf der anderen Seite sollen außerhalb des Schutzgebiets längere Schonfristen Tests ermöglichen.
An diesen Grundsätzen hat das UPOV-Übereinkommen 1991 nichts geändert.
3.2.1. Neben den zur Erfüllung der oben unter 2. dargestellten Ziele notwendigen Änderungen enthält das UPOV-Übereinkommen 1991 als weitere wesentliche Neuerung, dass zwischenstaatlichen Organisationen die Möglichkeit eingeräumt wird, dem UPOV-Übereinkommen als Mitglied beizutreten. Voraussetzung ist nach Art. 34 Abs. 1 b) UPOV-Übereinkommen 1991, dass diese Organisation (u. a.) über ein eigenes für alle ihre Mitgliedsstaaten verbindliches Recht für die Erteilung und den Schutz von Züchterrechten verfügen (Art. 34 Abs. 1 b ii), wie dies bei der Europäischen Gemeinschaft mit der GemSortVO der Fall ist (vgl. amtl. Begr. zum SortÄndG 1997, BT-Drs. 13/7038, S. 10).
Vor dem Hintergrund dieser Möglichkeit erfolgte u. a. eine Anpassung der Begriffsbestimmungen in Art. 1 vii) UPOV-Übereinkommen 1991. Danach bedeutet Hoheitsgebiet im Zusammenhang mit einer Vertragspartei, die ein Staat ist, das Hoheitsgebiet dieses Staates. Wenn die Vertragspartei eine zwischenstaatliche Organisation ist, ist Hoheitsgebiet das Gebiet, in dem der diese zwischenstaatliche Organisation gründende Vertrag Anwendung findet.
3.2.2. Der in der Denkschrift zum UPOV-Übereinkommen 1991 angesprochene von der die Neuheit betreffenden Vorschrift des Art. 6 UPOV-Übereinkommen 1991 veranlasste Änderungsbedarf (a. a. O., 241) bestand objektiv nicht. Die die Neuheit betreffenden Regelungen sind durch das UPOV-Übereinkommen 1991 grundsätzlich sowohl hinsichtlich der Fristen als auch hinsichtlich der Unterscheidung der maßgeblichen Verbreitungsgebiete unverändert geblieben (Art. 6 Abs. 1 i und ii; vgl. auch BlPMZ 1998, 232 ff, 234). Es erfolgte lediglich eine Anpassung des Wortlauts im Hinblick auf die genannte Öffnung der Mitgliedschaft für zwischenstaatliche Organisationen. Außerdem ist die einjährige Neuheitsschonfrist für ein Inverkehrbringen im jeweiligen Hoheitsgebiet nach dem UPOV-Übereinkommen 1991 nicht mehr in das gesetzgeberische Belieben der Vertragsparteien gestellt. Vielmehr ist eine solche Neuheitsschonfrist verbindlich vorzusehen (Denkschrift, BlPMZ 1998, 240 ff, 242; siehe auch von Pechmann/Strauss GRUR-Int. 1991, 508). Keine prinzipielle Änderung der Neuheitsregelung beinhaltet der mit „"Hoheitsgebiet" in bestimmten Fällen“ überschriebene Absatz 3 des Art. 6 UPOV-Übereinkommen 1991. Nach ihrem Wortlaut ermöglicht es diese Vorschrift, dass zum Zwecke des Absatzes 1 alle Vertragsparteien, die Mitgliedstaaten derselben zwischenstaatlichen Organisation sind, gemeinsam vorgehen können, um Handlungen in Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten dieser Organisation mit Handlungen in ihrem jeweiligen eigenen Hoheitsgebiet gleichzustellen, sofern dies die Vorschriften dieser Organisation erfordern.
3.3. § 6 Abs. 1 SortG in der zum Zeitpunkt der Anmeldung geltenden Fassung ist durch das Sortenschutzänderungsgesetz 1997 vom 17. Juli 1997 (SortÄndG 1997) eingeführt worden. Diese Vorschrift entspricht nicht den vom deutschen Gesetzgeber zu beachtenden Vorgaben des UPOV-Übereinkommens 1991. In § 6 Abs. 1 SortG sind zwar die Fristen beibehalten worden, innerhalb derer eine kommerzielle Verwertung neuheitsschädlich ist. Entgegen Art. 6 Abs. 1 UPOV-Übereinkommen 1991 stellt § 6 Abs. 1 SortG für die nationale Anmeldung aber bezüglich des Hoheitsgebiets nicht mehr auf Deutschland, sondern auf das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft ab. § 6 Abs. 1 SortG steht damit im Gegensatz zu der entsprechenden Regelung und zum Vertragszweck des PflZÜ, einen für alle Verbandsangehörigen einheitlichen Grundsätzen folgenden Schutz für Sorten zu schaffen. § 6 Abs. 1 SortG benachteiligt im Gegensatz zu den Regelungen in anderen, ebenfalls der Europäischen Union angehörenden Verbandsstaaten solche Anmelder, die, wie im vorliegenden Fall, nationalen Schutz für eine Sorte in Deutschland begehren, und die Sorte entsprechend den Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 ii) PflZÜ i.d.F. UPOV-Übereinkommens 1991 während der vier- oder sechsjährigen Neuheitsschonfrist zwar in Bezug auf den Anmeldestaat Deutschland im Ausland, aber im Gebiet der Europäischen Union abgegeben haben.
In der amtlichen Begründung der Neuregelung in § 6 Abs. 1 SortG in der Fassung des SortÄndG 1997 beruft sich der Gesetzgeber dabei auf das UPOV-Übereinkommen 1991 (amtl. Begr. zum SortÄndG 1997, BT-Drs. 13/7038, S. 10 ff, 12): „Für den räumlichen Bereich des neuheitsschädlichen Abgebens wird im Hinblick auf Artikel 6 Abs. 3 des Übereinkommens und Artikel 10 Abs. 1 der EG-Verordnung künftig statt auf das Inland auf das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft abgestellt.“
Die Abweichung in § 6 Abs. 1 SortG von der in Art. 6 Abs. 1 UPOVÜ 1991 für den nationalen Sortenschutz grundsätzlich getroffenen Regelung für die räumliche Geltung der Neuheitsschonfristen lässt sich jedoch entgegen der Auffassung des Gesetzgebers in der amtlichen Begründung zum SortÄndG 1997 weder auf Art. 6 Abs. 3 UPOV-Übereinkommen 1991 stützen, da die dort genannten Kriterien nicht erfüllt sind, noch auf die Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (GemSortVO).
3.3.1. Art. 6 Abs. 3 UPOV-Übereinkommen 1991 stellt darauf ab, dass (1) der Zweck des Abs. 1 eine Gleichstellung der neuheitsschädlichen Handlungen im nationalen und im Hoheitsgebiet der zwischenstaatlichen Organisation erfordert, und zwar (2) aufgrund der Vorschriften der zwischenstaatlichen Organisation. Ausweislich der Denkschrift zum UPOV-Übereinkommen 1991 ist Art. 6 Abs. 3 „eine Folgeregelung zu Art. 1 vii)) und wird es der Europäischen Gemeinschaft ermöglichen, das Gebiet der Gemeinschaft für die Anwendung dieser Bestimmung wie das Inland der Mitgliedstaaten zu behandeln“ (BlPMZ 1998, 240 ff, 242).
(1) Dass es der Zweck des Art. 6 Abs. 1 UPOV-Übereinkommens 1991 erforderte, für das nationale deutsche Sortenschutzrecht den räumlichen Geltungsbereichs für neuheitsschädliches Abgeben auf das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft/Union auszudehnen, ist nicht ersichtlich und lässt sich auch der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Nach Ansicht des Senats kann die Vorschrift des Art. 6 Abs. 3 UPOV-Übereinkommen 1991 nicht dahin ausgelegt werden, dass es schon ausreicht, wenn ein Land, das einer solchen zwischenstaatlichen Organisation angehört, es für lediglich wünschenswert hält, dass für das nationale Sortenschutzrecht und das gemeinschaftliche Sortenschutzrecht keine Unterschiede bestehen sollten, selbst wenn man unter „erfordert“ nicht „zwingend erfordert“ versteht.
Der Zweck von Art. 6 Abs. 1 UPOV-Übereinkommen 1991 liegt – wie auch bei den vorhergehenden Neuheitsregelungen – darin, es zu verhindern, dass für Sorten in dem Gebiet, in dem sie aufgrund einer kommerziellen Nutzung durch den Anmelder bereits Allgemeingut geworden sind, noch Schutz begründet werden und der Anmelder dann noch von seinem Ausschließungsrecht Gebrauch machen kann. Die Vorschrift unterscheidet hierbei zwischen dem Gebiet, für das Schutz begehrt wird, und dem Gebiet, in dem die Sorte getestet werden kann. Im Anmeldegebiet dürfen die in Abs. 1 genannten Abgabehandlungen nur innerhalb einer Neuheitsschonfrist von einem Jahr erfolgt sein. Mit der Möglichkeit, die Sorte vor der Anmeldung im Inland vier oder bei langsam wachsenden Pflanzen 6 Jahre im Ausland vertreiben zu können, soll es dem Züchter ermöglicht werden, die Sorte zunächst im Ausland zu erproben und erst später im Inland anzumelden.
Dieser klaren Unterscheidung zwischen dem Gebiet, für das Schutz beansprucht werden soll, und dem (nur) außerhalb dieses Gebiets liegenden „Testgebiet“ entsprach die bisherige deutsche Regelung, und hätte dies auch weiterhin nach der nunmehr nach Art. 1 vii)) UPOV-Übereinkommen 1991 geltenden Begriffsbestimmung können, da sich bezüglich des Hoheitsgebiets für Deutschland insoweit nichts geändert hat und auch die Vorschriften der zwischenstaatlichen Organisation, d. h. die GemSortVO der Europäischen Union keine Gleichstellung erforderten.
(2) Eines Rückgriffs auf Art. 6 Abs. 3 UPOV-Übereinkommen bedurfte es angesichts der Regelung in Art. 1 vii)) über das Hoheitsgebiet zur Erfüllung des o. g. Zwecks nicht. Nach der in Art. 10 Abs. 1 GemSortVO getroffenen Regelung, die dem oben dargestellte Prinzip des Art. 6 Abs. 1 UPOV-Übereinkommen 1991 entspricht, wird gemeinschaftlicher Sortenschutz nicht gewährt, wenn die Handlungen im für die Europäische Union maßgeblichen Hoheitsgebiet außerhalb der genannten Schonfristen erfolgt sind. Anstelle des in Art. 6 Abs. 1 UPOV-Übereinkommen 1991 enthaltenen Begriffs „Hoheitsgebiet“ wurde in Art. 10 Abs. 1 GemSortVO die Formulierung „Gebiet der Gemeinschaft“ gewählt, was der in Art. 1 vii) UPOV-Übereinkommen 1991 getroffenen Begriffsbestimmung entspricht. Auch die GemSortVO sorgt daher dafür, dass Vertriebshandlungen innerhalb des Gebiets, in dem (gemeinschaftlicher) Sortenschutz erlangt werden soll, nur innerhalb eines Jahres nicht neuheitsschädlich sind, solche außerhalb des Gebiets, für den Sortenschutz beantragt wird, nur innerhalb von vier (oder sechs) Jahren. Die in Art. 6 Abs. 3 UPOV-Übereinkommen 1991 genannte Möglichkeit der Gleichstellung aufgrund der Formulierung „sofern dies die Vorschriften dieser Organisation erfordern“, erweist sich insofern als wohl vorsorgliche Regelung, die als Generalklausel die Möglichkeit unvereinbarer Neuheitsregelungen verhindern sollte, zumal das für die Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft/ Union nach Art. 34 Abs. 1 b ii) UPOV-Übereinkommen 1991 verbindliche Recht über die Erteilung und den Schutz von Züchterrechten zum Revisionszeitpunkt am 19. März 1991 noch nicht vorlag.
a) Der Rat der Europäischen Union stellt in den Erwägungsgründen zur GemSortVO hinsichtlich nationaler Sortenschutzrechte zunächst fest, dass die Regelungen für gewerbliche Schutzrechte für Pflanzensorten auf Gemeinschaftsebene nicht harmonisiert seien, weshalb nach wie vor die inhaltlich verschiedenen Regelungen der Mitgliedsstaaten angewendet würden. Dementsprechend sei es zweckmäßig, eine Gemeinschaftsregelung einzuführen, die zwar parallel zu den einzelstaatlichen Regelungen bestehe, jedoch die Erteilung von gemeinschaftsweit geltenden gewerblichen Schutzrechten erlaube (vgl. GRUR Int. 1996, 918 ff). Aus diesem Grund wird durch die GemSortVO ein gemeinschaftlicher Sortenschutz als einzige und ausschließliche Form des gemeinschaftlichen gewerblichen Rechtsschutzes für Pflanzensorten geschaffen. Dieser hat einheitliche Wirkung (nur) im Gebiet der Gemeinschaft und kann für dieses Gebiet nur einheitlich erteilt, übertragen und beendet werden (Artikel 1 und 2 GemSortVO). Für das Verhältnis von nationalen Sortenschutzrechten und dem gemeinschaftlichen Sortenschutz regelt Artikel 3 (Nationale Schutzrechte für Sorten): „Vorbehaltlich des Art. 92 Abs. 1 lässt diese Verordnung das Recht der Mitgliedsstaaten unberührt, nationale Schutzrechte für Sorten zu erteilen.“
Da die GemSortVO demnach von einer Parallelität zwischen dem nach ihr gewährbaren und dem nationalen Sortenschutz ausgeht, war grundsätzlich eine Anpassung nationaler die Neuheit betreffender Sortenschutzvorschriften an die GemSortVO nicht erforderlich.
b) Die einzige Einschränkung dieses Grundsatzes der neben dem Gemeinschaftssortenschutz bestehenden nationalen Sortenschutzrechte in Art. 92 Abs. 1 GemSortVO betrifft das Verbot des Doppelschutzes, wonach Sorten, die Gegenstand eines gemeinschaftlichen Sortenschutzes sind, nicht auch nationalen Sorten- oder Patentschutz genießen können. In Bezug auf die vorliegend in Rede stehende Neuheitsfrage, genauer auf den räumlichen Geltungsbereich der neuheitsschädlichen Abgabehandlungen, ergibt sich auch aus dem Doppelschutzverbot keine durch die GemSortVO geforderte von Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 vii)) UPOV-Abkommen 1991 abweichende Regelung des allein auf den Anmeldestaat bezogenen Begriffs des Hoheitsgebiets. Dies setzte voraus, dass nur auf diese Weise die Einhaltung des Doppelschutzverbotes gewährleistet wäre, was indes nicht der Fall ist. Auch wenn das deutsche SortG für die Frage, ob eine neuheitsschädliche Handlung vorliegt oder nicht, weiterhin auf das Inland abgestellt hätte, wäre das europarechtliche Doppelschutzverbot nicht tangiert worden. Denn eine Abgabe, die nach nationalem Recht als neuheitsschädlich einzustufen wäre, könnte nicht zu einem nationalen Schutzrecht führen. Eine Sorte, deren Abgabe nicht neuheitsschädlich wäre und die auch die übrigen Schutzvoraussetzungen erfüllen würde, dürfte keinen nationalen Schutz erhalten (Art. 92 Abs. 1 S. 1 GemSortVO). Ein dem gemeinschaftsrechtlichen Sortenschutz nachfolgendes, entgegen dem Doppelschutzverbot erteiltes Schutzrecht wäre wirkungslos (Art. 92 Abs. 1 S. 2 GemSortVO). Ein vor der Erteilung des gemeinschaftlichen Sortenschutzes erteilter nationaler Sortenschutz wäre während des Bestandes des gemeinschaftlichen Sortenschutzes hinsichtlich der Rechte, die aus ihm geltend gemacht werden könnten, suspendiert (Art. 92 Abs. 2 GemSortVO). Die Möglichkeit des Wiederauflebens besteht aufgrund der Ausdehnung des Geltungsbereichs für neuheitsschädliche Handlungen auf das Gebiet der Europäischen Union für Anmeldungen in Deutschland nur noch eingeschränkt. Denn eine nach Art. 10 Abs. 1 GemSortVO i. V. m. Art. 20 Abs. 1a) GemSortVO erfolgende Nichtigerklärung würde zugleich zur Nichtigkeit der nationalen Sorte führen, während sie nach der Regelung in Art. 6 Abs. 1 UPOV-Übereinkommen wieder Schutz beanspruchen könnte. Auf den gemeinschaftlichen Sortenschutz hat § 6 Abs. 1 SortG daher keinen Einfluss.
3.3.2. Neben den oben unter 3.3.1. genannten und vorliegend nicht erfüllten Voraussetzungen erfordert Art. 6 Abs. 3 UPOV-Übereinkommen 1991 weiterhin ein gemeinsames und damit abgestimmtes Vorgehen der Mitgliedsstaaten des UPOV-Übereinkommens, die zugleich Mitglieder der Europäischen Union sind, um die von dem Zweck des Art. 6 Abs. 1 UPOV-Übereinkommen 1991 abweichenden Handlungen gleichzustellen. Aus den oben genannten Gründen der gewollten Parallelität von nationalem und gemeinschaftsrechtlichem Sortenschutz ist eine Divergenz nicht gegeben. Darüber hinaus verstößt die einseitige deutsche Regelung in § 6 Abs. 1 SortG auch deshalb gegen die Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 UPOVÜ 1991, weil es an dem zur Gleichstellung erforderlichen gemeinsamen Vorgehen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft/Union fehlt. Die von der Anmelderin auszugsweise vorgelegten Sortenschutzgesetze anderer EU-Mitgliedsstaaten zeigen, dass sich diese, außer Frankreich, hinsichtlich der räumlichen Geltung für neuheitsschädliche Handlungen sämtlich an die Regelung in Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 vii) UPOV-Übereinkommen 1991 halten.
3.4. Damit verstößt § 6 Abs. 1 SortG der durch die Unterzeichnung und Ratifizierung des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen vom 2. Dezember 1961 (PflZÜ) sowie die Unterzeichnung und Ratifizierung der durch die Revisionen des PflZÜ beschlossenen Änderungen eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtung Deutschlands, als Mitgliedstaat des Internationalen Verbandes zum Schutz von Pflanzenzüchtungen einen denselben Kriterien wie in den übrigen Vertragsstaaten unterliegenden Sortenschutz zur Verfügung zu stellen.
4. Dieser Verstoß des deutschen Gesetzgebers hat entgegen der Auffassung der Anmelderin in der Beschwerdebegründung allerdings nicht zur Folge, dass Art. 6 Abs. 1 PflZÜ in der Fassung des UPOV-Übereinkommens 1991 unmittelbar anwendbar wäre und die deutsche Regelung des § 6 Abs. 1 SortG ipsojure verdrängt hätte.
4.1. Wie bereits oben unter 2. und 3. dargestellt, gewähren die Vorschriften des Übereinkommens selbst keinen unmittelbaren Schutz für die Züchter. Vielmehr obliegt es den einzelnen Verbandsstaaten, diesen Schutz nach eigenen nationalen Vorschriften zu bestimmen. Unabhängig von der durch das jeweilige Zustimmungsgesetz veranlassten innerstaatlichen Geltung der einzelnen UPOV-Abkommen sind deren Vorschriften nach dem Willen der Vertragsparteien daher national nicht unmittelbar anwendbar (vgl. hierzu auch Vitzthum a. a. O., 1. Abschnitt, Rn 30 ff, Rn 41).
4.2. Bei Art. 6 Abs. 1 UPOV-Übereinkommen 1991 stellt auch kein gegenüber § 6 Abs. 1 SortG höherrangiges Recht dar.
4.2.1. Nach Art. 25 S. 2 GG gehen grundsätzlich nur die allgemeinen Regeln des Völkerrechts den nationalen Gesetzen vor. Dem Begriff der allgemeinen Regeln des Völkerrechts i. S. v. Art. 25 S. 1 GG unterfallen nur das Völkergewohnheitsrecht und die allgemeinen völkerrechtlichen Rechtsgrundsätze. Völkergewohnheitsrecht umfasst die Summe der Verhaltensregeln, die bisher von einer überwiegenden Mehrheit der Staaten in ihrem Verkehr untereinander angewendet worden sind und bezüglich deren Völkerrechtsgültigkeit eine allgemeine Rechtsüberzeugung besteht (Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz, 12. Auflage 2011, Art. 25 Rn: 4 f.; Vitzthum a. a. O., 1. Abschnitt, Rn: 131). Bei den allgemeinen Rechtsgrundsätzen handelt es sich um materielle, verfahrensrechtliche oder rechtsstrukturelle Prinzipien, die übereinstimmend im innerstaatlichen Recht der Kulturvölker gelten und die zur Übertragung auf das Völkerrecht geeignet sind (Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz, 12. Auflage 2011, Art. 25 Rn: 5 ff.; Vitzthum a. a. O., 1. Abschnitt, Rn: 143). Völkerrechtliche Verträge wie das PflZÜ sind demgegenüber aufeinander bezogene, sich deckende, vom Völkerrecht bestimmte Willenserklärungen der beteiligten Völkerrechtssubjekte. Sie sind gerichtet auf die Begründung, Abänderung oder Aufhebung bestimmter völkerrechtlicher Beziehungen (Vitzthum a. a. O., 1. Abschnitt, Rn.: 115).
4.2.2. Ein sog. Anwendungsvorrang des Übereinkommens gegenüber entgegenstehenden nationalen Vorschriften besteht ebenfalls nicht; ein solcher wird nur den Vorschriften der Europäischen Union zuerkannt. (vgl. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Auflage 2008, S. 532 ff; 594 f; Krimphove, Europarecht, Basiswissen, 2003, S. 11; Middeke in Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2003, § 10, Rn. 9, 10; Geiger, EUV/EGV, 4. Auf. 2004, Art. 10 EGV, Rn. 31; OVG Saarland NVwZ-RR 2008, 95 ff.; vgl. auch Kahl in Callies/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 10 EGV, Rn. 60; Streinz/Herrmann, BayVBl 2008, 1 ff., 7 f.; Everling, DVBl 1985, 1201 ff.). Dies beruht darauf, dass das Recht der Europäischen Union eine eigene, supranationale Rechtsordnung darstellt (Vitzthum a. a. O., 1. Abschnitt, Rn. 40 ff, 43). Trotz des nunmehrigen Beitritts der Europäischen Union zum UPOV-Abkommen 1991 handelt es sich bei dieser Übereinkunft aber lediglich um einen von einer Vielzahl inner- und außereuropäischer Völkerrechtssubjekte geschlossenen gewöhnlichen multinationalen Vertrag.
4.3. Dass die Bestimmungen des PflZÜ gegenüber denen des SortG keinen Vorrang besitzen, sondern vielmehr gleichrangig sind, folgt aus Art. 59 Abs. 2 GG. Danach müssen im obigen Sinne gewöhnliche völkerrechtliche Verträge, die, wie im Fall des Sortenschutzes, der Gesetzgebung des Bundes unterliegen (GG Art. 73 Nr. 9), als innerstaatliches Recht durch den staatlichen Gesetzgeber aufgrund eines Bundesgesetzes in Geltung gesetzt werden. Durch dieses Gesetz erhalten die völkervertragsrechtlichen Regeln den Rang des Zustimmungsgesetzes (Röhl/Röhl a. a. O., S. 541). Im vorliegenden Fall haben das UPOV-Übereinkommen 1991, das durch das Zustimmungsgesetz vom 25. März 1998 (BlPMZ 1998, 232) in Geltung gesetzt worden ist, das SortG 1985 vom 11. Dezember 1985, und das SortG vom 19. Dezember 1997 jeweils denselben Rang. Art. 59 Abs. 2 GG stellt die speziellere Regelung für völkerrechtliche Verträge dar, die zum Ausschluss der Rangordnung des Art. 25 GG führt und auch nicht nach dem Grundsatz pacta sunt servanda einen Anwendungsvorrang des völkerrechtlichen Vertrags begründen kann (Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf a. a. O. Art. 59, Rn. 116).
4.4. Der Widerspruch zwischen der völkerrechtlichen Verpflichtung und der durch das § 6 Abs. 1 SortG geschaffenen Rechtslage lässt sich nach Auffassung des Senats vorliegend nicht im Wege einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung oder durch Anwendung der allgemeinen Kollisionsregeln auflösen. Auch unter Berücksichtigung der herrschenden Kollisionsregeln kann sich die Anmelderin nicht mit Erfolg auf Art. 6 Abs. 1 UPOV-Übereinkommen 1991 berufen.
4.4.1. Bei § 6 Abs. 1 SortG handelt es sich angesichts seines klaren Regelungsgehalts nicht um eine zweifelhafte Vorschrift, die einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung zugänglich wäre, mit der dem UPOV-Übereinkommen 1991 (Art. 6 Abs. 1, Art. 1 vii) zur Durchsetzung verholfen werden könnte (vgl. Röhl/Röhl a. a. O., S. 541). Dies folgt neben dem eindeutigen Wortlaut auch aus dem im Rahmen einer Gesetzesauslegung jedenfalls mit zu berücksichtigenden Willen des Gesetzgebers, der ausdrücklich darauf gerichtet war, das nationale deutsche Hoheitsgebiet durch das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft/Union zu ersetzen.
4.4.2. Wie oben dargelegt wurde, handelt es sich bei den UPOV-Übereinkommen nicht um national unmittelbar anwendbare Regelungen. Aus diesem Grund erscheint es bereits zweifelhaft, ob ein echter Normenkonflikt zwischen Art. 6 Abs. 1 UPOV-Übereinkommen 1991 und § 6 Abs. 1 SortG vorliegt, da sich ersteres mit der Verpflichtung zur Umsetzung an den Staat als Völkerrechtssubjekt wendet, der dieser Verpflichtung nicht vollständig nachgekommen ist, während sich das SortG an den einzelnen Anmelder richtet.
Dies kann aber letztlich offen bleiben, da auch bei Anwendung der Kollisionsregeln Art. 6 Abs. 1 UPOV-Übereinkommen 1991 § 6 Abs. 1 SortG nicht verdrängen könnte. Vorliegend scheidet die Annahme aus, dass der Gesetzgeber mit dem gegenüber dem SortG späteren Inkraftsetzen des UPOV-Übereinkommens 1991 ein das SortG verdrängendes lex posterior gesetzt hat oder setzen wollte (vgl. Vitzthum a. a. O., 1. Abschnitt Rn 125, 154). Zwar hat die Gleichrangigkeit der Gesetze die grundsätzliche Folge, dass das jüngere Gesetz das ältere verdrängen kann. Auch ist das SortG (in der Fassung vom 19. Dezember 1997) nicht später in Kraft getreten als das UPOV-Übereinkommen in Deutschland Geltung erlangt hat. Dies war der 25. März 1998. Der deutsche Gesetzgeber hat jedoch unter Berufung auf Art. 6 Abs. 3 UPOV-Übereinkommen 1991 für den räumlichen Bereich des neuheitsschädlichen Abgebens ausdrücklich statt auf das Inland auf das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft abgestellt, so dass § 6 Abs. 1 SortG insoweit als lex specialis anzusehen ist. Daher kann vorliegend die Kollisionsregel „lex posterior derogat legi priori“ nicht zur Anwendung kommen, ebenso wenig kann die völkerrechtliche Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 UPOV-Übereinkommen aus den genannten Gründen als § 6 Abs. 1 SortG verdrängendes lex specialis wirken. Vielmehr verdrängt die speziellere Vorschrift des § 6 Abs. 1 SortG die allgemeinere des Art. 6 Abs. 1 UPOV-Übereinkommens 1991. Zusätzlich ist § 6 Abs. 1 SortG lex posterior und lex specialis gegenüber § 6 Abs. 1 SortG 1985.
4.5. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der deutsche Gesetzgeber das UPOV-Übereinkommen 1991 zwar mangelhaft umgesetzt und sich damit völkerrechtlich ins Unrecht gesetzt hat (vgl. Vitzthum a. a. O. 1. Abschnitt, Rn. 44 ff). Hieraus resultiert aber aus den genannten Gründen lediglich ein Anspruch der übrigen Vertragsparteien auf Erfüllung der Umsetzungspflicht. Völkerrechtswidrige Gesetze sind grundsätzlich innerstaatlich gültig und müssen bis zu ihrer Änderung durch den Gesetzgeber von den staatlichen Stellen beachtet und angewendet werden (Art. 20 Abs. 3 GG). Auch in einem Fall wie dem vorliegenden gilt, dass die Gerichte die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers möglichst zuverlässig zur Geltung bringen müssen, selbst wenn dieser auf einem Irrtum beruht. Eine Interpretation, die sich im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes stellt, und die vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Mai 2012, Az. L 11 KR 206/12 B, L 11 KR 299/12 B, abrufbar unter juris Das Rechtsportal m. w. N.).
5. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG scheidet aus, da ein Verfassungsverstoß weder geltend gemacht wurde noch ersichtlich ist. Dass das UPOV-Übereinkommen 1991 nach Ansicht des Senats nicht vollständig umgesetzt worden ist, tangiert nicht die den Gesetzgeber bindende verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland i. S. v. Art. 20 Abs. 3 GG. Der Bundesgesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht gehindert, Bundesgesetze zu erlassen, die im Widerspruch zu völkerrechtlichen Verträgen stehen. Dies gilt ungeachtet des Völkerrechts und ungeachtet der für den Fall des Rechtsverstoßes vorgesehenen Rechtsfolgen (vgl. Vitzthum a. a. O. Rn 172). Auch das grundrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht ist nicht verletzt. Die Möglichkeit, Sortenschutz zu erlangen, stellt grundsätzlich nur eine Erwerbschance dar. Deren Einbeziehung unter den Schutz des Art. 14 GG kann allenfalls in Betracht kommen, wenn schon bislang in dessen Schutzbereich fallende Rechtsstellungen inhaltlich umgestaltet werden (BVerfG NVwZ 2002, 197 ff). Eine solche Rechtsstellung hatte die Anmelderin nicht, als sie Sortenschutz beantragt hat. Zudem war im Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Sortenanmeldung § 6 Abs. 1 SortG bereits seit über 10 Jahren in Kraft, so dass ein Vertrauensschutz nicht bestand. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liegt ebenfalls nicht vor, da die Regelung für den räumlichen Bereich des neuheitsschädlichen Abgebens von jedem Anmelder zu beachten ist.
III. Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 35, 36 SortG i. V. m. § 100 Abs. 2 Nr. 1 PatG zuzulassen, da die Unvereinbarkeit einer innerstaatlichen Norm mit einer völkervertragsrechtlichen Verpflichtung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung betrifft.