Entscheidungsdatum: 08.07.2010
In der Kostenbeschwerdesache
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betreffend das Gebrauchsmuster 20 2006 013 645
(hier: Kostenentscheidung)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 8. Juli 2010 durch den Richter Baumgärtner als Vorsitzenden sowie die Richter Guth und Eisenrauch
beschlossen:
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
I.
Die Antragsgegnerin war Inhaberin des am 1. September 2006 angemeldeten und am 8. Februar 2007 mit 7 Schutzansprüchen in das Register eingetragenen Gebrauchsmusters 20 2006 013 645 mit der Bezeichnung „Identifikationsarmband“. Der Gegenstand nach Hauptanspruch war ein „Identifikationsarmband zur Kennzeichnung von Personen, dadurch gekennzeichnet, dass an einem Armband (1) ein Werbeträger (2) in Form einer stilisierten Armbanduhr (3) mit Uhrenziffernblatt (4) angeordnet ist.“ In der Beschreibung wird hierzu ausgeführt, dass der Erfindung die Aufgabe zugrunde liege, ein Identifikationsarmband zu schaffen, welches zusätzlich zu der Identifikations- bzw. Kennzeichnungsfunktion die Funktion eines originellen Werbeträgers realisiere.
Der Antragsteller hat am 5. April 2008 die vollumfängliche Löschung des Gebrauchsmusters beantragt und hierzu in seinem Antrag u. a. ausgeführt, die Aufgabe, die Funktion eines originellen Werbeträgers zu erfüllen, habe ebenso wenig einen technischen Charakter wie die vorgeschlagene Lösung, den Werbeträger in Form einer stilisierten Armbanduhr auszugestalten. Der Gegenstand des Gebrauchsmusters solle das Vorhandensein einer Armbanduhr vorgaukeln; es handele sich deshalb um die bloße Wiedergabe einer Information im Sinne des Schutzausschlussgrundes des § 1 Abs. 2 Nr. 4 GebrMG. Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag mit Eingabe vom 15. Mai 2008 fristgerecht widersprochen.
Mit Zwischenbescheid vom 8. Dezember 2008 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) den Beteiligten mitgeteilt, dass voraussichtlich mit der antragsgemäßen Löschung des Streitgebrauchsmusters zu rechnen sei. Die Abteilung führt hierzu u. a. aus, dass das allgemeine Problem, ein Identifizierungsarmband mit Werbung zu versehen, nicht als technisches Problem angesehen werden könne. Anders wäre die Rechtslage gegebenenfalls dann zu beurteilen, wenn eine spezielle Technik eingesetzt würden müsse, um dieses Problem zu lösen. Dies sei jedoch den Schutzansprüchen nicht zu entnehmen. In diesen werde nur die Ausgestaltung einer Uhr als Werbeträger beschrieben, nicht aber auch eine technische Lehre - wie z. B. eine spezielle Drucktechnik o. dgl. - vermittelt.
Nachdem die Gebrauchsmusterabteilung mit Ladung vom 19. Januar 2009 einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt und hierüber die Beteiligten vorab per Telefax informiert hatte, hat die Antragsgegnerin mit Eingabe vom gleichen Tag ihren gegen den Löschungsantrag erhobenen Widerspruch zurückgenommen. Die Abteilung hat daraufhin die Löschung des Streitgebrauchsmusters verfügt.
Mit Beschluss vom 22. Juli 2009 hat die Gebrauchsmusterabteilung der Antragsgegnerin die Kosten des Löschungsverfahrens auferlegt. In der Begründung hat sie ausgeführt, für eine Anwendung des § 93 ZPO - wie von der Antragsgegnerin angeregt - gebe es keinen Raum. Die Zurücknahme des Widerspruchs könne nicht mehr als eine sofortige Anerkennung bewertet werden, da die vom Antragsteller im Löschungsantrag gemachten Ausführungen ohne weiteres geeignet gewesen seien, die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmustergegenstandes in Frage zu stellen.
Gegen diese Kostenentscheidung der Abteilung hat die Antragsgegnerin am 27. August 2009 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass aus Gründen der Billigkeit zu ihren Gunsten die Regelung des § 93 ZPO zur Anwendung kommen müsse und dementsprechend die Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen seien. Der Löschungsantrag sei anfänglich unschlüssig gewesen. Erst später - nämlich mit der Eingabe des Antragstellers vom 6. Oktober 2008 - sei der Antragsgegnerin die Löschungsreife des Streitgebrauchsmusters aufgezeigt worden. Ihr Widerspruch sei daher aus kostenrechtlicher Sicht noch als unverzüglich zurückgenommen anzusehen.
Die Antragsgegnerin beantragt (sinngemäß),
den angefochtenen Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben und die Kosten des Löschungsverfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen.
Der Antragsteller beantragt (sinngemäß),
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Meinung, dass sein Löschungsantrag von Anfang an ausreichend begründet gewesen sei und die Antragsgegnerin ihren Löschungsantrag auch nicht unverzüglich zurückgenommen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Zu Recht hat die Gebrauchsmusterabteilung I mit dem angefochtenen Beschluss vom 22. Juli 2009 die Kosten des patentamtlichen Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens der Antragsgegnerin auferlegt.
Der Kostenausspruch zu Lasten der Antragsgegnerin, wie er in dem angefochtenen Beschluss getroffen wurde, folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Wie im Patentnichtigkeitsverfahren entscheidet sich im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren die Frage, welcher der Beteiligten die Kosten des Löschungsverfahren zu tragen hat, grundsätzlich nach dem Unterliegensprinzip (§§ 91 ff. ZPO). Dies ergibt sich aus der Verweisung in § 17 Abs. 4 Satz 2 GebrMG auf § 84 Abs. 2 PatG. Die Regelung des § 91 Abs. 1 ZPO ist vorliegend deshalb einschlägig, weil die Antragsgegnerin den ursprünglich von ihr gegen den Löschungsantrag erhobenen Widerspruch zurückgenommen und sich auf diese Weise mit der Löschung des Streitgebrauchsmusters einverstanden erklärt hat. Nach ständiger Rechtsprechung begibt sich ein Gebrauchsmusterinhaber durch die Zurücknahme des Widerspruchs in die Rolle der unterlegenen Partei, was regelmäßig rechtfertigt, ihm die Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens aufzuerlegen (vgl. BPatGE 14, 55, 57; 22, 131, 132; BPatG Mitt. 1999, 374, 376).
Zu Recht geht die Antragsgegnerin davon aus, dass sie von der Tragung der Kosten dann zu befreien wäre, wenn der vorliegende Sachverhalt ausnahmsweise die entsprechende Anwendung des § 93 ZPO als angemessen erscheinen ließe (vgl. BPatG Mitt. 1999, 374, 376). § 93 ZPO bestimmt, dass die Kosten dem Löschungsantragsteller zur Last fallen, wenn der Antragsgegner und Gebrauchsmusterinhaber den Löschungsanspruch sofort anerkennt und keinen Anlass zum Löschungsantrag gegeben hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber nicht gegeben.
Die Antragsgegnerin irrt insoweit, als sie meint, der Umstand, dass vorliegend möglicherweise nicht alle Gründe, die den Löschungsantrag rechtfertigten, erschöpfend dargelegt worden seien, habe den Löschungsantrag unschlüssig gemacht und damit zu ihren Gunsten eine entsprechende Anwendung des § 93 ZPO nahegelegt. Auch wenn ein offensichtlich unschlüssiger Löschungsantrag keine Veranlassung zu einem sofortigen Verzicht auf das Schutzrecht geben mag, so verkennt die Antragsgegnerin hierbei, dass sich - im anderen Falle - ein Gebrauchsmusterinhaber bei einem ernsthaften Angriff auf sein Schutzrecht selbst über die Schutzfähigkeit dessen Gegenstandes vergewissern muss (vgl. BPatGE 8, 171, 175; Bühring, GebrMG, 7. Aufl., § 17 Rn. 76). Für einen ernsthaften Angriff bedarf es jedoch keines im Einzelnen ausgeführten Nachweises, warum das Gebrauchsmuster keinen Bestand hat. Es genügt, dass der geltend gemachte Löschungsgrund nebst den für ihn vorgebrachten, nachprüfbaren Tatsachen nicht völlig abwegig erscheint (BPatGE 26, 139, 141; BPatG GRUR 1989, 587, 588 - „Ausklinkvorrichtung“). Diesen Anforderungen war der vorliegende Löschungsantrag vom 1. April 2008 in vollem Umfang gerecht geworden. Der Antragsteller hatte in seinem Antrag in nachvollziehbarer Weise dargelegt, warum er den technischen Charakter der in den Schutzansprüchen niedergelegte Lehre für nicht gegeben erachte und weshalb vom Vorliegen des Schutzausschlussgrundes des § 1 Abs. 2 Nr. 4 GebrMG - und des damit implizierten Löschungsgrundes einer mangelnden Schutzfähigkeit gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG - auszugehen sei. Seine Einschätzung lag durchaus nahe, wie sich aus dem späteren Zwischenbescheid der Abteilung vom 8. Dezember 2008 ergab.
Dass die Anwendung von § 93 ZPO im vorliegenden Fall der Billigkeit entspräche, belegen auch nicht die von der Antragsgegnerin genannten Zitate, nämlich Benkard/ Goebel , PatG und GebrMG, 10. Aufl., § 17 GebrMG Rn. 22 und 24; auch dort wird vielmehr klargestellt, dass das in § 93 ZPO enthaltene Tatbestandsmerkmal eines sofortigen Anerkenntnisses in aller Regel mit der Erhebung des Widerspruchs entfällt und eine Möglichkeit zur Nachholung einer solchen Erklärung nur unter sehr engen Voraussetzungen gewahrt bleibt. Eine entsprechende Möglichkeit zum sofortigen Anerkenntnis wird in den von der Antragsgegnerin genannten Zitaten beispielsweise nur in solchen Fällen in Erwägung gezogen, in denen nachträglich ein neuer Löschungsgrund im Verfahren geltend gemacht wird oder ein ursprünglich nur auf einen druckschriftlichen Stand der Technik gestützter Löschungsantrag im weiteren Verlauf des Verfahrens auch auf eine offenkundige Vorbenutzung gegründet wird. Einen derartigen - oder einen zumindest hiermit vergleichbaren - Sachverhalt hat die Antragsgegnerin aber weder vorgetragen noch ist ein solcher Sachverhalt in anderer Weise ersichtlich geworden.
Als die im vorliegenden Beschwerdeverfahren unterlegene Partei trägt die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin zusätzlich die Kosten des Beschwerdeverfahrens, was aus § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. §§ 84 Abs. 2 Satz 2 PatG, 91 Abs. 1 ZPO folgt.