Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 08.03.2012


BPatG 08.03.2012 - 35 W (pat) 469/09

Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren – Einordnung der Erfindung als Erzeugnis – Schutzfähigkeit -


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
35. Senat
Entscheidungsdatum:
08.03.2012
Aktenzeichen:
35 W (pat) 469/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Gebrauchsmuster 20 2007 002 954

hier: Löschungsantrag

hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter Baumgärtner, den Richter Dipl.-Ing. agr. Dr. Huber sowie die Richterin Dr.-Ing. Prasch

beschlossen:

1. Der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. März 2009 wird aufgehoben und der Löschungsantrag zurückgewiesen.

2. Die Löschungsantragstellerin trägt die Kosten des Löschungsverfahrens in beiden Rechtszügen.

Gründe

I.

1

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (im Folgenden: der Antragsgegner) ist Inhaber des am 1. März 2007 angemeldeten und am 26. April 2007 mit 5 Schutzansprüchen in das Register eingetragenen Gebrauchsmusters 20 2007 002 954 mit der Bezeichnung "Vorrichtung zur fortlaufenden Herstellung eines Verbundrohres mit Rohrmuffe" (Streitgebrauchsmuster). Seine Schutzdauer ist auf 6 Jahre verlängert.

2

Der eingetragene Schutzanspruch 1 lautet:

3

"Vorrichtung zur fortlaufenden Herstellung eines aus einem glatten Innenrohr und einem mit diesem verschweißten, mit Querrillen (38) versehenen Außenrohr bestehenden Verbundrohres (10) mit  einer Rohrmuffe (41),

4

- wobei mit ringförmigen Formausnehmungen (32) versehene, sich auf einer Formstrecke (16) jeweils paarweise zu einer Form mit einer Mittel-Längsachse (18) ergänzende Halbkokillen (12, 12’) im Kreislauf und in Förderrichtung (4) geführt angeordnet sind,

5

- wobei mindestens ein Paar Halbkokillen (12, 12’) mit einer Muffenausnehmung (42) versehen ist,

6

- wobei Einrichtungen zur Erzeugung eines von innen nach außen wirkenden relativen Überdrucks vorgesehen sind,

7

- wobei der Formstrecke (16) ein Spritzkopf (8) eines ersten Extruders (1) vorgeordnet ist,

8

- wobei der Spritzkopf (8) mit einer Außen-Düse (22) zur Extrusion eines Außen-Schlauches (37) und in Förderrichtung (4) nachgeordnet mit einer Innen-Düse (21) zur Extrusion eines Innen-Schlauches (39) und an seinem in Förderrichtung (4) stromabwärts liegenden Ende mit einem Kalibrierdorn (25) versehen ist,

9

- wobei die Innen-Düse (21) mit dem ersten Extruder (1) verbunden ist,

10

- wobei ein zweiter Extruder (2) vorgesehen ist, der mit der Außen-Düse (22) verbunden ist,

11

- wobei eine Steuerung (50) zur Steuerung von Antriebsmotoren (3, 3’) des ersten Extruders (1) und des zweiten Extruders (2) vorgesehen ist,

12

- wobei die Steuerung (50) derart ausgebildet ist,

13

- dass die Extruderdrehzahl n1 des ersten Extruders (1) von einer Drehzahl n1,1 während der Herstellung des mit einem glatten Innenrohr und Querrillen (38) bestehenden Verbundrohres auf eine Drehzahl n,1,2 erhöht wird, während ein sich erweiternder Übergangsabschnitt (44) der Muffenausnehmung (42) sich über die Innen-Düse (21) bewegt und

14

- dass anschließend die Extruderdrehzahl des ersten Extruders (1) auf eine Drehzahl n1,3 reduziert wird, während die Muffenausnehmung (42) über die Innen-Düse (21) bewegt wird, wobei gilt: n1,2 > n1,3 > n1,1".

15

Wegen des Wortlauts der Schutzansprüche 2 bis 5 wird auf die Gebrauchsmusterschrift DE 20 2007 002 954 U1 verwiesen.

16

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: die Antragstellerin) hat mit Schriftsatz vom 27. September 2007 die Löschung des Streitgebrauchsmusters wegen Schutzunfähigkeit beantragt. Ihr Löschungsbegehren hat sie zum einen damit begründet, dass das Streitgebrauchsmuster ein Verfahren betreffe und somit vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen sei. Zum anderen hat sie vorgetragen, dass dem Gegenstand des Streitgebrauchsmuster die Neuheit fehle und er jedenfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe. Sie hat hierzu auf folgende Entgegenhaltungen verwiesen:

17

D1: EP 0 995 579 A2

18

D2: EP 0 563 575 A2

19

D3: EP 0 385 465 A2

20

D5: DE 103 28 626.

21

Darüber hinaus hat die Antragstellerin noch auf die Entscheidung des Europäischen Patentamts vom 9. September 2005 zu D1 hingewiesen, die sie als D4 vorgelegt hat.

22

Der Antragsgegner hat dem Löschungsantrag widersprochen und ist dem Vorbringen der Antragstellerin in allen Punkten entgegen getreten.

23

In der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2009 vor der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts hat der Antragsgegner das Streitgebrauchsmuster hauptsächlich in der eingetragenen Fassung und hilfsweise in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrags 1 verteidigt. Wegen dessen Wortlaut wird auf die Anlage zum Protokoll vom 24. März 2009 verwiesen. Die Gebrauchsmusterabteilung I hat die das Streitgebrauchsmuster gelöscht und dem Antragsgegner die Verfahrenskosten auferlegt.

24

In ihrer Begründung hat die Gebrauchsmusterabteilung zwar die Zulässigkeit des eingetragenen Schutzanspruchs 1 bejaht, "obwohl der Kern der Erfindung zumindest in der Ausbildung der Steuerung Anhaltspunkte für den Schutz eines Verfahrens" aufweise. Die auf eine Steuerung, die "derart ausgebildet ist, dass …" gerichteten Merkmale seien in Anpassung an ihren Charakter an einen Vorrichtungsanspruch in ihrer gegenständlichen sowie programmtechnischen Ausgestaltung berücksichtigt. Der Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag beruhe jedoch nicht auf einem erfinderischen Schritt, was auch für den Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag gelte.

25

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.

26

Er macht geltend, dass der Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters von der Gebrauchsmusterabteilung zu Recht für zulässig erachtet worden sei, denn die im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit in Rede stehenden verfahrenshaften Merkmale würden zusammen mit der Beschreibung den Aufbau der Steuerung charakterisieren, d. h. es gehe hier nicht um den Sinn und Zweck der Steuerung, sondern um ihre Ausgestaltung im Hinblick darauf, dass sie eine ganz bestimmte Funktion erfüllt. Der Gegenstand nach dem eingetragenen Schutzanspruch 1 sei auch neu aufweise, weil der Fachmann dem Stand der Technik nach D1 keinerlei Hinweise und Anregungen entnehmen könne, die Steuerung nach D1 derart zu modifizieren, dass sie die Merkmale gemäß Streitgebrauchsmuster aufweise.

27

Der Antragsgegner stellt den Antrag,

28

den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. März 2009 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen,

29

hilfsweise,

30

den Löschungsantrag zurückzuweisen, soweit er sich gegen das Streitgebrauchsmuster mit den Schutzansprüchen 1 bis 4

31

gemäß Hilfsantrag vom 24. März 2009 bzw. vom 21. Oktober 2009 richtet.

32

Die Antragstellerin beantragt,

33

die Beschwerde zurückzuweisen.

34

Sie macht auch im Beschwerdeverfahren geltend, das das angegriffene Gebrauchsmuster ein Verfahren beanspruche und daher vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen sei. Im Übrigen beruhe sein Gegenstand weder in der eingetragenen noch in der hilfsweise verteidigten Form gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik auf einem erfinderischen Schritt.

35

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Löschungs- und der Beschwerdeakte Bezug genommen.

II.

36

Die zulässige Beschwerde ist in vollem Umfang begründet. Der geltend gemachte Löschungsgrund des § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG liegt nicht vor. Der Gegenstand des Gebrauchsmusters schützt entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin kein Verfahren, er ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu und er beruht auch auf einem erfinderischen Schritt.

37

1. Gegenstand des Streitgebrauchsmusters ist lt. dessen Bezeichnung eine Vorrichtung zur fortlaufenden Herstellung eines Verbundrohres mit Rohrmuffe.

38

Das Streitgebrauchsmuster geht gemäß Abs. [0002] der Gebrauchsmusterschrift DE 20 2007 002 954 U1 von einem Stand der Technik aus, wie er durch die EP 0 995 579 A bekannt geworden ist. Mit der bekannten Vorrichtung ist es möglich, Verbundrohre aus einem glattwandigen Innenrohr und einem mit diesem verschweißten, mit Querrillen versehenen Außenrohr mit einer Rohrmuffe herzustellen. Die bekannte Vorrichtung weist hierzu entsprechende zirkulierende Halbkokillenpaare auf, wobei mindestens ein Paar Halbkokillen mit einer Muffenausnehmung versehen ist. Zur Herstellung von Außen- und Innenschlauch sind dabei eine Außen- und eine Innendüse vorgesehen, die jeweils mit einem eigenen Extruder verbunden sind. Ferner ist eine Steuerung vorgesehen, die die Antriebsmotoren des Extruders für den Außenschlauch und des Extruders für den Innenschlauch ansteuern kann.

39

Gemäß Abs. [0004] der Gebrauchsmusterschrift soll mit dem Schutzgegenstand die Aufgabe gelöst werden, die bekannte Vorrichtung so weiter zu bilden, dass die Herstellung der Rohrmuffe noch weiter verbessert wird.

40

Der Schutzanspruch 1 in der eingetragenen Fassung beschreibt demgemäß eine Vorrichtung mit den folgenden Merkmalsgruppen:

41

1) Vorrichtung zur fortlaufenden Herstellung eines aus einem glatten Innenrohr und einem mit diesem verschweißten, mit Querrillen (38) versehenen Außenrohr bestehenden Verbundrohres (10) mit einer Rohrmuffe (41),

42

2) wobei mit ringförmigen Formausnehmungen (32) versehene, sich auf einer Formstrecke (16) jeweils paarweise zu einer Form mit einer Mittel-Längsachse (18) ergänzende Halbkokillen (12, 12’) im Kreislauf und in Förderrichtung (4) geführt angeordnet sind,

43

3) wobei mindestens ein Paar Halbkokillen (12, 12’) mit einer Muffenausnehmung (42) versehen ist,

44

4) wobei Einrichtungen zur Erzeugung eines von innen nach außen wirkenden relativen Überdrucks vorgesehen sind,

45

5) wobei der Formstrecke (16) ein Spritzkopf (8) eines ersten Extruders (1) vorgeordnet ist,

46

6) wobei der Spritzkopf (8) mit einer Außen-Düse (22) zur Extrusion eines Außenschlauches (37) und in Förderrichtung (4) nachgeordnet mit einer Innen-Düse (21) zur Extrusion eines Innenschlauches (39) und an seinem in Förderrichtung (4) stromabwärts liegenden Ende mit einem Kalibrierdorn (25) versehen ist,

47

7) wobei die Innen-Düse (21) mit dem ersten Extruder (1) verbunden ist,

48

8) wobei ein zweiter Extruder (2) vorgesehen ist, der mit der Außen-Düse (22) verbunden ist,

49

9) wobei eine Steuerung (50) zur Steuerung von Antriebsmotoren (3, 3’) des ersten Extruders (1) und des zweiten Extruders (2) vorgesehen ist.

50

10) wobei die Steuerung (50) derart ausgebildet ist, dass die Extruderdrehzahl n1 des ersten Extruders (1) von einer Drehzahl n1,1 während der Herstellung des mit einem glatten Innenrohr und Querrillen (38) bestehenden Verbundrohres auf eine Drehzahl n1,2 erhöht wird, während ein sich erweiternder Übergangsabschnitt (44) der Muffenausnehmung (42) sich über die Innen-Düse (21) bewegt,

51

11) wobei die Steuerung (50) ferner derart ausgebildet ist, dass anschließend die Extruderdrehzahl des ersten Extruders (1) auf eine Drehzahl n1,3 reduziert wird, während die Muffenausnehmung (42) über die Innen-Düse (21) bewegt wird,

52

12) wobei n1,2 > n1,3 > n1,1 ist.

53

Die Vorrichtung zur Herstellung eines in Merkmal 1) beschriebenen Verbundrohres mit Rohrmuffe weist dabei gemäß Merkmal 2) im Kreislauf geführte Halbkokillen auf mit mindestens einem Paar von Halbkokillen mit Muffenausnehmung (vgl. Merkmal 3)) und verfügt auch über Einrichtungen zur Erzeugung eines von innen nach außen wirkenden relativen Überdrucks.

54

Die folgenden Merkmale 5) bis 8) bezeichnen die beiden Düsen, die Innendüse (in Förderrichtung nach Merkmal 6) der Außendüse etwas nachgeordnet), welche zur Extrusion des Innenschlauchs um einen stromabwärts gelegenen Kalibrierdorn vorgesehen ist und die Außendüse, welche zur Extrusion des Außenschlauchs vorgesehen ist. Jede Düse ist dabei mit einem eigenen Extruder verbunden (Merkmal 7) und 8)).

55

Merkmal 9) besagt, dass eine Steuerung zur Ansteuerung von Antriebsmotoren des ersten und des zweiten Extruders vorgesehen ist. In den folgenden Merkmalen wir die Ausbildung der Steuerung für den sog. "ersten Extruder" - dieser ist für die Lieferung der Schmelze zur Herstellung des Innenschlauchs vorgesehen - beschrieben und zwar dahingehend, dass die Drehzahl dieses Extruders von der für die Herstellung eines glatten Innenrohres notwendigen Drehzahl n1,1 auf eine Drehzahl n1,2 erhöht wird, während ein sich erweiternder Übergangsabschnitt der Muffenausnehmung über die Innendüse fährt (Merkmal 10)). Nach Merkmal 11) soll bei Weiterwandern der Muffenausnehmung über die Innendüse die zuvor angesteuerte Drehzahl n1,2 auf eine weitere Drehzahl n1,3 zurückgefahren werden. In Merkmal 12) wird dann das Größen-Verhältnis dieser drei Drehzahlwerte zueinander derart angegeben, dass die höchste Drehzahl diejenige ist, die beim Erreichen des Übergangsabschnitts der Muffenausnehmung angesteuert wird, während die Drehzahl in der Phase der Herstellung des normal im Außenschlauch verlaufenden Innenschlauchs die geringste ist und die Drehzahl in der Phase, in der die Muffenausnehmung über die Innendüse bewegt wird, zwischen den beiden vorgenannten Drehzahlwerten liegt.

56

Mit diesen Maßnahmen, insbesondere durch die starke Erhöhung der Drehzahl des Antriebsmotors für den Extruder zur Herstellung des Innenschlauchs an dem Übergang zum Muffenabschnitt wird gemäß Abs. [0005] der Beschreibung des angegriffenen Gebrauchsmusters gewährleistet, dass während des Übergangs von dem normalen mit Querrillen versehenen Rohr in die erweiterte Rohrmuffe der Innenschlauch bei der plötzlichen Erweiterung zum im Wesentlichen zylindrischen Abschnitt der Rohrmuffe nicht aufreißt. Auch wird dieser sich erweiternde Abschnitt an dieser Stelle besonders stabil.

57

2. Dem nach Schutzanspruch 1 beanspruchten Gegenstand steht der Schutzausschließungsgrund des § 2 Nr. 3 GebrMG nicht entgegen. Die Gebrauchsmusterabteilung I hat die von der Antragstellerin bezweifelte Zulässigkeit des eingetragenen Schutzanspruchs 1 zu Recht bejaht.

58

Das Streitgebrauchsmuster betrifft eine Vorrichtung zur fortlaufenden Herstellung eines aus einem Innenrohr und einem Außenrohr bestehenden Verbundrohres. Dass ein derartiger ein Erzeugnis betreffender Gegenstand ohne weiteres dem Gebrauchsmusterschutz zugänglich ist, unterliegt keinem Zweifel. Hinsichtlich der Merkmale 1) bis 9) besteht insoweit zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Streitig ist allerdings, ob aufgrund der Angaben in den Merkmale 10) bis 12) nicht mehr ein Erzeugnis, sondern ein Verfahren geschützt wird, das vom Schutzausschließungsgrund des § 2 Nr. 3 GebrMG erfasst würde.

59

Über die Reichweite des Anwendungsbereichs von § 2 Nr. 3 GebrMG hat der Bundesgerichtshof bereits mehrere Entscheidungen getroffen (BGH GRUR 2004, 495 ff. - Signalfolge; GRUR 2006, 135 ff. - Arzneimittelgebrauchsmuster; Beschluss vom 29.7.2008 Az.: X ZB 23/07, abrufbar unter juris, Das Rechtsportal, red. Leitsatz veröffentlicht in CIPReport 2008, 130 = Newsletter des Zentrums für Gewerblichen Rechtsschutz an der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf). Er hat hierzu ausgeführt, dass der Gesetzgeber bei Einführung des § 2 Nr. 3 GebrMG durch das Produktpirateriegesetz die Absicht verfolgt hat, auf das bis dahin geltende Raumformerfordernis zu verzichten und zu erreichen, dass alle technischen Erfindungen, also zum Beispiel auch gestaltlose Stoffe als Gebrauchsmuster geschützt werden können, wobei nur Verfahrenserfindungen ausgeschlossen bleiben sollten, da sie sich mangels konkreter Darstellbarkeit für ein ungeprüftes Schutzrecht nicht eigneten (BT-Drucks. 11/5744, S. 31 ff.; BlPMZ 1990, 195, 199). In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses wird als Grund dafür angeführt, dass bei Verfahrenserfindungen wegen des Fehlens von Zeichnungen oder von Darstellungen chemischer Formeln es an einer Überprüfbarkeit auf Schutzfähigkeit und Schutzumfang mangele (Bericht S. 23; BlPMZ 1990, 195, 197). Es kann vorliegend dahinstehen, ob die vom Gesetzgeber genannten Umstände den Schutzausschluss rechtfertigen, da sich Verfahrenserfindungen einerseits z.B. durch Blockschaltbilder ohne weiteres zeichnerisch darstellen lassen und andererseits auch im Übrigen Zeichnungen nicht zwingend vorgeschrieben sind (vgl. § 4a Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 3 GebrMG; Bühring GebrMG 8. Aufl. 2011, § 4 Rn. 70). Denn nach § 2 Nr. 3 GebrMG können nur solche Verfahren nicht als Gebrauchsmuster geschützt werden, die der herkömmlichen Verfahrensdefinition bei den technischen Schutzrechten des gewerblichen Rechtsschutzes entsprechen, was insbesondere Arbeitsverfahren und Herstellungsverfahren einschließt (vgl. BGH a. a. O.). Diese Kriterien erfüllt der eingetragene Schutzanspruch 1 nicht.

60

2.1. Anspruch 1 des Streitgebrauchsmusters betrifft kein Herstellungsverfahren im herkömmlichen Sinn. Dies ist regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass aus einem näher bezeichneten Ausgangsmaterial mittels einer näher bezeichneten Arbeitsmethode ein näher bezeichnetes Endprodukt erhalten wird (BGH GRUR 1986, 163 - Borhaltige Stähle; BPatGE 8, 136 ff.; Benkard a. a. O. Rn. 31). Derartiges ist vorliegend nicht beansprucht. Für die Einordnung einer Erfindung als Erzeugnis oder als Verfahren ist zwar grundsätzlich nicht die sprachliche Fassung der Ansprüche maßgebend, sondern der nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Inhalt der Erfindung, wie er sich nach dem sachlichen Offenbarungsgehalt der Anmeldungsunterlagen darstellt. Bei Herstellungsverfahren besteht die Lehre zum technischen Handeln regelmäßig in der Beschreibung der beiden eigentlichen Verfahrensmaßnahmen, nämlich der Wahl der Ausgangsstoffe und der Art der Einwirkung auf diese Stoffe. (BGH GRUR 1986, 163 - Borhaltige Stähle). Dies ist bei der hier beanspruchten, durch ihre gegenständlichen Merkmale 1 bis 9 gekennzeichnete Vorrichtung zur fortlaufenden Herstellung eines Verbundrohres nicht der Fall, entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht aufgrund der Merkmale 10) bis 12). Im Schutzanspruch 1 ist schon nicht beschrieben, wie auf die ebenfalls nicht explizit im Anspruch genannten Stoffe eingewirkt werden soll. Stattdessen soll die nach Merkmal 9) zur Steuerung der Antriebsmotoren des ersten und des zweiten Extruders vorgesehene Steuerung so ausgelegt sein, dass sie den Antriebsmotor des für die Ausbildung des Innenrohrs vorgesehenen ersten Extruders zunächst so ansteuert, dass die für die Herstellung des glatten Innenrohrs vorgesehenen Drehzahl n1,1 auf eine Drehzahl n1,2 erhöht wird (Merkmal 10), während ein Teil der Muffenausnehmung, nämlich der sich erweiternde Übergangsabschnitt, sich über der Innendüse bewegt. Die Steuerung soll ferner so ausgelegt sein (Merkmal 11), dass sie den Antriebsmotor des ersten Extruders derart ansteuert, dass die Drehzahl auf eine zwischen der Drehzahl n1,2 und der Drehzahl n1,1 liegende Drehzahl n3,1 abgesenkt wird (Merkmal 12), und zwar während die Muffenausnehmung selbst über die Innendüse bewegt wird. Die technische Lehre betrifft somit die Auslegung der im Merkmal 9) genannten Motorsteuerung für den Antriebsmotor der ersten Extruders. Wie die Konfigurierung der Steuerung im Einzelfall zu geschehen hat, ist im Streitgebrauchsmuster nicht näher erläutert und auch nicht Gegenstand der Problemstellung. Die konkrete Ausgestaltung ist dem hier maßgeblichen Fachmann, einem Diplom-Ingenieur des allgemeinen Maschinenbaus mit zumindest Fachhochschulabschluss und mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von Maschinen für Verbundrohre und den erforderlichen Kenntnissen in der Kunststoffverarbeitung, aber ohne weiteres möglich, was zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit steht.

61

Schutzanspruch 1 betrifft insgesamt eine Vorrichtung, nämlich eine Herstellungsvorrichtung. Die in Rede stehenden Merkmale 10) bis 12) kennzeichnen eine der Vorrichtung innewohnende Eignung für einen bestimmten Funktionsablauf zur Herstellung eines Verbundrohres. Sie beschreiben bei dieser Vorrichtung ein gegenständliches Merkmal, nämlich die Steuerung der Antriebsmotoren für die Extruder und, bezogen auf den ersten Extruder, nach deren Funktion und Arbeitsweise, die damit zugleich auch die Vorrichtung kennzeichnen. Ein solcher Vorrichtungsanspruch ist nach herkömmlicher Definition ein Erzeugnis- und kein Verfahrensanspruch (vgl. BGH GRUR 1997, 892 ff. - Leiterplattennutzen; Beschluss vom 29.7.2008 a. a. O.).

62

Die durch die Auslegung der Steuerung beabsichtigten Maßnahmen bewirken zwar aufgabengemäß eine Verbesserung des Herstellungsprozesses für einen Teil eines Erzeugnisses, nämlich der Rohrmuffe von Verbundrohren. Über die anspruchsgemäß entsprechend den Merkmalen 10) bis 12) des Schutzanspruchs 1 konzipierte Steuerung soll während des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der beanspruchten Vorrichtung jeweils eine Beschleunigung oder Verlangsamung des Schmelzstroms bewirken, die zu bestimmten Zeitpunkten des Herstellungsprozesses des Verbundrohres und in einer bestimmten Abfolge zu erfolgen haben, um den gewünschten Erfolg zu erzielen, nämlich die aufgabengemäße (weitere) Verbesserung der Herstellung der Rohrmuffe (vgl. Abs. 0004 der Streitgebrauchsmusterschrift), indem ein Aufreißen des Innenschlauchs bei der plötzlichen Erweiterung zum im Wesentlichen zylindrischen Abschnitt der Rohrmuffe vermieden werden soll (Abs. 0005). Dies soll durch Maschine insgesamt und insbesondere durch die Steuerung der Extruderdrehzahl ermöglicht werden. Weder sind Verfahrensschritte noch der Herstellungsprozess als solcher noch das Endprodukt oder die betroffene Muffe dabei Gegenstand des Schutzbegehrens.

63

2.2. Es liegt auch kein Arbeitsverfahren vor. Unter einem Arbeitsverfahren wird herkömmlich ein Verfahren verstanden, das nicht auf das Hervorbringen eines Erzeugnisses gerichtet ist (vgl. Busse, 6. Aufl. 2003, § 1 Rn. 144) oder ein solches verändern soll. Mit einem Arbeitsverfahren wird vielmehr auf ein Objekt veränderungsfrei eingewirkt (Benkard PatG 6. Aufl. 2006, § 1 Rn. 35 m. w. N.). Dies beansprucht der Antragsgegner in Schutzanspruch 1 nicht, auch nicht in den Merkmalen 10) bis 12). Vorliegend geht es, wie dargelegt, um eine Herstellungsvorrichtung, und bei der in den genannten Merkmalen beschriebenen Steuerung um ein Organ dieser Herstellungsvorrichtung sowie um dessen bestimmungsgemäßes Tätigwerden. Auch wenn hierdurch im Gebrauch Einwirkungen oder Tätigkeiten eines Verfahrens bewirkt werden sollen, entstehen diese erst beim tatsächlichen Einsatz der entsprechend vorkonfigurierten Vorrichtung. Insgesamt ist damit objektiv eine Vorrichtung als Gegenstand des Schutzbegehrens anzusehen (vgl. auch BPatG 5 W (pat) 5/07, abrufbar unter juris, Das Rechtsportal).

64

2.3. Im Hinblick auf die für den Gesetzgeber maßgebenden Überlegungen, im Gebrauchsmusterrecht keine Verfahren zu schützen, ist im Übrigen folgendes zu bedenken: Wie oben ausgeführt, ist für die Einordnung einer Erfindung als Erzeugnis oder als Verfahren grundsätzlich nicht die sprachliche Fassung der Ansprüche ausschlaggebend, sondern der nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Inhalt der Erfindung, wie er sich nach dem sachlichen Offenbarungsgehalt der Anmeldungsunterlagen darstellt. Dabei gilt aber auch, dass der Anmelder, wenn ihm nach Art und Umfang der offenbarten technischen Lehre verschiedene Möglichkeiten offen stehen, die Kategorie, die er wünscht, festlegen kann (BGH GRUR 1986, 163 - Borhaltige Stähle m. w. N.). Der Anmelder eines Patents ist rechtlich nicht gehindert, sein Schutzbegehren auch dann, wenn es sich z.B. um die Erfindung eines neuen Erzeugnisses handelt, auf ein Herstellungsverfahren zu beschränken (BGH a. a. O. - Borhaltige Stähle). Dies gilt allerdings nicht für die Anmeldung eines Gebrauchsmusters, bei der der Schutzausschließungsgrund des § 2 Nr. 3 GebrMG zu beachten ist. In diesem Fall muss es dem Anmelder aber offen stehen, im Rahmen der Offenbarung auf ein Sachpatent "auszuweichen". Er kann daher Schutz entweder für das Erzeugnis oder - wie im vorliegenden Fall - für die entsprechende Herstellungsvorrichtung zu begehren. Die Bedenken, die den Gesetzgebern zum Ausschluss des Verfahrens im Gebrauchsmusterrecht bewogen haben, insbesondere die mangelnde zeichnerische Darstellbarkeit, stehen dem nicht entgegen.

65

3. Die Vorrichtung zur fortlaufenden Herstellung eines Verbundrohres mit Rohrmuffe nach dem eingetragenen Schutzanspruch 1 ist neu und beruht auch auf einem erfinderischen Schritt.

66

3.1 Der Gegenstand des eingetragenen Schutzanspruchs 1 ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu (§ 3 GebrMG).

67

Von dem nächstkommenden Stand der Technik nach der EP 0 995 579 A2 (D1) unterscheidet sich die Vorrichtung nach Schutzanspruch 1 dadurch, dass die Steuerung dort derart ausgebildet ist, dass die Extruderdrehzahl n1 des ersten Extruders während der Herstellung des mit einem glatten Innenrohr und Querrillen bestehenden Verbundrohres von einer Drehzahl n1,1 auf eine Drehzahl n1,2 erhöht wird, während ein sich erweiternder Übergangsabschnitt der Muffenausnehmung sich über die Innen-Düse bewegt (Merkmal 10) gemäß Merkmalsgliederung nach Punkt 2.1), denn die Drehzahlerhöhung des Extruders für das Innenrohr erfolgt bei der entgegengehaltenen Vorrichtung nach D1 erst nachdem der Übergangsabschnitt über die Innen-Düse hinweg gefahren ist (vgl. Sp. 6, Zeilen 10 bis 22 der D1). Eine Reduktion der Drehzahl dieses Extruders im Anschluss an das Überfahren des Übergangsabschnitts (Merkmal 11) erfolgt bei der entgegengehaltenen Vorrichtung ebenfalls nicht, denn dort findet die erste und einzige Drehzahlerhöhung erst dann statt, während die Muffenausnehmung über die Innen-Düse bewegt wird (vgl. Sp. 6, Zeilen 10 bis 22). Nachdem die Vorrichtung nach der D1 lediglich mit zwei verschiedenen Drehzahlen für den Extruder der Innen-Düse, nämlich einer Drehzahl zur Herstellung des Innenschlauchs außerhalb des Muffenabschnitts einschließlich des Übergangsabschnitts zum Muffenbereich hin sowie einer weiteren gegenüber der ersten Drehzahl erhöhten Drehzahl im Muffenbereich, arbeitet, unterscheidet sich die Vorrichtung nach Schutzanspruch 1 von der Vorrichtung nach D1 auch in der in Merkmal 12) angegebenen Beziehung zwischen den Größenordnungen der drei dort verwendeten unterschiedlichen Drehzahlgrößen.

68

Die Vorrichtung nach der EP 0 536 575 A2 (D2) weist lediglich einen Extruder auf von dem sowohl die Innendüse als auch die Außendüse beschickt werden (vgl. Sp. 9, Zeilen 39 bis 58), wobei die dem jeweiligen Produktionsabschnitt für das Verbundrohr (Abschnitt mit Außen- und Innenschlauch bzw. Muffenabschnitt) zugeordnete Schmelzemenge nicht über die Extruderdrehzahl, sondern über die Abzugsgeschwindigkeit (Vorschubgeschwindigkeit) (vgl. Sp. 11, Zeilen 45 bis 54) der Halbkokillen eingestellt wird. Die Vorrichtung nach Schutzanspruch 1 unterscheidet sich von diesem Stand der Technik daher in allen Merkmalen, die auf den Betrieb zweier Extruder (Merkmale 7) und 8)) sowie auf die Ansteuerung unterschiedlicher Drehzahlen am Extruder für die Innendüse in Abhängigkeit vom jeweiligen Produktionsabschnitt (Merkmale 9) bis 12)) gerichtet sind.

69

Die EP 0 385 465 A2 (D3) ist u. a. auch auf die Herstellung von Verbundrohren mit einem glatten Innenrohr und einem mit Querrillen versehenen Außenrohr gerichtet, bei der glatte Abschnitte am Außenrohr dadurch erzeugt werden können, dass die Extrudierungsgeschwindigkeit für das äußere Rohr immer dann reduziert wird, wenn die Formbacken mit glattem Profil zum Einsatz kommen (vgl. Sp. 3, Zeilen 15 bis 23). Die Vorrichtung nach Schutzanspruch 1 unterscheidet sich von diesem Stand der Technik bereits in allen Merkmalen, die auf die Ansteuerung unterschiedlicher Drehzahlen des Extruders zur Herstellung des Innenrohres in Abhängigkeit von dem jeweiligen Produktionsabschnitt gerichtet sind (Merkmale 10) bis 12)).

70

Durch die DE 103 28 626 A1 (D5) ist ein Rohr-Bausatz bekannt geworden, der aus Rohrabschnitten besteht, die über Muffen miteinander verbunden sind. Nachdem eine Vorrichtung zur Herstellung dieser Rohr-Strukturen nicht dargestellt und beschrieben wird, unterscheidet sich die Vorrichtung zur fortlaufenden Herstellung von Verbundrohren mit einer Rohrmuffe nach dem angegriffenen Gebrauchsmuster in allen Merkmalen des Schutzanspruchs 1 von diesem Stand der Technik.

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3.2 Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des eingetragenen Schutzanspruchs 1 beruht auf einem erfinderischen Schritt (§ 1 GebrMG).

72

Der nächstkommende Stand der Technik wird auch nach insoweit übereinstimmender Bewertung durch die Beteiligten durch die EP 0 995 579 A2 (D1) gebildet.

73

Die D1 offenbart ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Herstellung eines Verbundrohres, wobei das herzustellende Erzeugnis im Patentanspruch 1 - dieser ist auf ein Herstellungsverfahren gerichtet - im dortigen 1. Absatz so charakterisiert ist, wie auch das Produkt der nach Schutzanspruch 1, Merkmal 1) (vgl. Merkmalsgliederung nach Punkt 2.1) beanspruchten Vorrichtung sein soll.

74

Der auf eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens u. a. nach Anspruch 1 gerichtete Anspruch 8 der D1 beschreibt dann weiter größtenteils wörtlich die gegenständlichen Merkmale 2) bis 9) des eingetragenen Schutzanspruchs 1.

75

Die Steuerung der entgegengehaltenen Vorrichtung nach D1 arbeitet indes anders als die der Vorrichtung nach dem Streitgebrauchsmuster. Während die beiden Extruder der Vorrichtung nach D1 bei der Herstellung des normalen gewellten Verbundrohres (10) - ebenso wie dies auch bei der Vorrichtung nach dem angegriffenen Gebrauchsmuster der Fall ist - mit einer vorgegebenen Drehzahl, d. h. einen konstanten Massestrom an Kunststoff-Schmelze pro Zeiteinheit extrudierend, laufen, erfolgt bei der Vorrichtung nach D1 eine Drehzahlerhöhung des Antriebsmotors des das Innenrohr erzeugenden Extruders erst nachdem "der Übergangsabschnitt 44 über die Innen-Düse 21 hinweggefahren ist" (vgl. Sp. 6, Zeilen 10 bis 13). Dies bedeutet, dass zumindest die vorgegebene Drehzahl des Extruders (1) für die Extrusion des Innenrohrs während der eingangs beschriebenen Herstellung des normalen gewellten Verbundrohres auch noch im Bereich des Übergangsabschnittes (44) beibehalten wird. Erst nachdem der Übergangsabschnitt (44), also der in Figur 3 bis 5 ersichtliche Bereich, in dem das Innenrohr eine steil zunehmende räumliche Ausdehnung in radialer Richtung erfährt, bereits über die Innendüse gefahren ist, wird der Antriebsmotor (3) des Extruders (1) für das Innenrohr in der Weise angesteuert, dass seine Drehzahl erhöht und damit der pro Zeiteinheit extrudierte Massestrom  an Kunststoffschmelze im Vergleich zum Bereich des normalen gewellten Verbundrohres vergrößert wird (vgl. Sp. 6, Zeilen 10 bis 22). Diese erhöhte Drehzahl wird dann so lange beibehalten, bis ein weiterer Übergangsabschnitt (47) die Innen-Düse (21) überfahren hat und der Extruder (1) wieder auf die ursprüngliche Extrusionsgeschwindigkeit zurück gefahren wird, die zur Erzeugung des glatten Innenrohrs bei der Herstellung des normalen gewellten Verbundrohres erforderlich ist (Sp. 6, Zeilen 37 bis 44).

76

Nach alledem weist die Drehzahlsteuerung des Extruders (1) für das Innenrohr bei der entgegengehaltenen Vorrichtung nach D1 eine völlig andere Charakteristik auf, als die in Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters beschriebene Steuercharakteristik, denn zum einen findet der (erste) Übergangsabschnitt vom normalen Verbundrohrbereich zum Muffenabschnitt in der entgegengehaltenen Steuercharakteristik im Hinblick auf eine etwaige Veränderung der Drehzahl des Extruder-Antriebsmotors in diesem Bereich keine Beachtung und zum anderen wird der Antriebsmotor dieses Extruders bei der Steuerung nach D1 im Rohr-Herstellungsprozess mit nur zwei unterschiedlichen Drehzahlen betrieben, nämlich der dem Streitgebrauchsmuster entsprechenden Grunddrehzahl n1,1 während der Herstellung des normalen Verbundrohres einschließlich des Übergangsabschnittes zur Muffe sowie der dem Streitgebrauchsmuster entsprechenden Drehzahl n1,3 während der Herstellung des geraden Muffenabschnittes. Eine derartige Steuercharakteristik wie in D1 beschrieben konnte daher einem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur des allgemeinen Maschinenbaus mit zumindest Fachhochschulabschluss und mehrjähriger Erfahrung in der Kunststoffverarbeitung mit Hilfe von Extrusionsvorrichtungen, keinerlei Anregungen vermitteln, dem Herstellungsprozess für den geraden Muffenabschnitt eines Verbundrohres mit einem diesem Prozess zugeordneten Drehzahlwert für den Extruder des Innenschlauchs noch einen weiteren, gesonderten Herstellungsprozess für den Übergangsbereich vom normalen Verbundrohr zum Muffenabschnitt, dem ebenfalls ein eigener und weiterer Extruder-Drehzahlwert zugeordnet ist, voran zu stellen. Somit konnte der maßgebliche Fachmann aus dem Offenbarungsgehalt der D1 keine Hinweise zur Ausgestaltung einer Vorrichtung zur Herstellung von Verbundrohren mit Rohrmuffe mit den Merkmalen 10) bis 12) des eingetragenen Schutzanspruchs 1 erlangen.

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Der Senat kann sich der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht anschließen, wonach im Stand der Technik nach D1 noch eine weitere und über den Umfang des bislang abgehandelten Ausführungsbeispiels hinaus gehende allgemeine Lehre gegeben sei, welche sich aus der Beschreibungseinleitung nach Absatz 0005 der D1 ergebe und einem Fachmann durch die dort gegebene Formulierung "… und der Schmelzestrom für den Innenschlauch erhöht, um eine ausreichende Wanddicke für das Recken des Innen-Schlauches am Anfang der Verbindungs-Muffe verfügbar zu haben" Anregungen vermitteln könne, den Herstellungsprozess für den Übergangsabschnitt als gesonderten, vom Herstellungsprozess des eigentlichen Muffenabschnitts getrennten Prozessabschnitt mit eigenen Drehzahlparametern für den Extrudermotor auszugestalten. Im Kontext der gesamten Offenbarung der D1 bezeichnet der Ausdruck "am Anfang der Verbindungs-Muffe" vielmehr den Beginn des geraden Muffenabschnittes und nicht etwa den Übergangsbereich vom normalen Verbundrohr zum geraden Muffenabschnitt. Das Recken des (Innen-)Schlauches wird im Kontext der D1 dabei als die sprunghafte Zunahme von Umfang und Radius von den entsprechenden Werten des normalen Verbundrohres im Vergleich zu den Werten des geraden Muffenabschnitts verstanden. Andernfalls würde auch die Beschreibung des einzigen Ausführungsbeispiels in der D1 hierzu detaillierte Angaben erkennen lassen.

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Auch kann dem Vortrag der Beschwerdegegnerin darin nicht gefolgt werden, dass die D1 keine Sprungfunktionen in der Veränderung der Drehzahlwerte der Extrudermotoren erkennen lasse, sondern dass Zwischenwerte, ähnlich wie beim Streitgebrauchsmuster, vorhanden seien oder zumindest nahegelegt werden würden, weil in Spalte 2, Zeilen 3 bis 6 ausgeführt ist: "Es ist bei dem erfindungsgemäßen Verfahren ohne weiteres möglich, eine entsprechende Schmelzestrom-Kurve durch eine entsprechende Ansteuerung zu fahren". Nachdem die Beschreibung des Ausführungsbeispiels sowohl für den Extruder des Außenschlauchs als auch für den des Innenschlauchs lediglich eine Herabsetzung bzw. Erhöhung der Drehzahl des jeweiligen Extruder-Motors, jeweils ausgehend von einer "Normaldrehzahl" zur Herstellung des normalen gewellten Verbundrohres erkennen lässt, kann eine Schmelzstrom-Kurve nur den Bereich zwischen der Ausgangs- und der gewünschten Enddrehzahl des Extrudermotors und der damit verbundenen Entwicklung der Schmelzstrom-Menge abbilden. Eine Veränderung der Drehzahl eines Extruder-Motors führt in der Praxis jedenfalls zu einem allmählichen Anstieg oder Abfall der Motor-Drehzahl und damit der ausgebrachten Schmelze-Menge, da sich ein Motor nicht zwischen zwei unterschiedlichen Drehzahlen sprunghaft punktuell schalten lässt. Daher ist es bei einer Veränderung der Motoren-Drehzahl grundsätzlich möglich, diese entweder durch allmähliche Erhöhung oder Erniedrigung der Drehzahl zu erreichen oder durch eine höhere positive oder negative Beschleunigung steiler zu führen. Entsprechende Beschleunigungswerte können dabei in die Steuerungsdaten mit aufgenommen werden, wodurch ein flacherer oder steilerer Anstieg oder Abfall der Motor-Drehzahlen und damit des Schmelzstroms zwischen einem Ausgangs- und einem Endwert erreicht werden kann. Dies bedeutet allerdings nicht die Einführung eines (weiteren) hier dritten Zwischenwertes, der dann für eine bestimmte längere Zeitspanne in einem bestimmten Produktionsabschnitt gehalten werden soll, wie dies beim Streitgebrauchsmuster der Fall ist.

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Auch der verbleibende im Verfahren befindliche Stand der Technik konnte dem maßgeblichen Fachmann keinerlei Hinweise dazu vermitteln, die Herstellung des Übergangsbereichs zwischen dem normalen Verbundrohr und dem Muffenabschnitt als eigenen Produktionsprozess mit einer eigens für diesen Abschnitt bestimmten Drehzahl des Antriebsmotors des Extruders zur Erzeugung des Innenrohrs auszugestalten, denn die Vorrichtungen und Gegenstände nach diesen Druckschriften liegen - wie bereits aus dem Neuheitsvergleich ersichtlich - weiter vom Gegenstand des Streitgebrauchsmusters ab. So wird bei der Herstellung des glatten äußeren Rohrabschnittes eines Verbundrohres nach der EP 0 385 465 A2 (D3) lediglich die Drehzahl des Antriebsmotors für den Extruder zur Extrusion des Außenrohrs abgesenkt, während beim Stand der Technik nach der EP 0 563 575 A2 (D2) die zugeführte Schmelzemenge pro Zeiteinheit in bestimmten Produktionsabschnitten wie der Muffenausformung durch Veränderung (hier: Reduzierung) der Vorschubgeschwindigkeit der Halbkokillen eingestellt wird und die DE 103 28 626 A1 (D5) lediglich einen Rohr-Bausatz an sich beschreibt, ohne eine Vorrichtung zu dessen Herstellung näher zu kennzeichnen.

80

Nach alledem konnte der im Verfahren befindliche Stand der Technik weder einzeln für sich betrachtet noch in einer Zusammenschau gewürdigt dem maßgeblichen Fachmann Hinwiese zum Auffinden der Lehre des Schutzanspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters vermitteln. So bedurfte es über allgemein fachübliche Überlegungen hinausgehender Erkenntnisse und Erwägungen, um bei einer Vorrichtung zur fortlaufenden Herstellung eines aus Innen- und Außenrohr bestehenden Verbundrohres den Herstellungsprozess für das Innenrohr in drei - anstatt wie bisher im Stand der Technik in lediglich zwei - Prozessabschnitte zu unterteilen, wobei der hinzu gekommene Prozessabschnitt ausschließlich der Herstellung des Übergangsbereichs zwischen dem Normalrohr und der Muffenstruktur beim Innenrohr gewidmet ist und der Antriebsmotor für den Extruder zur Schmelzelieferung für das Innenrohr mit einer eigens für diesen Bereich bestimmten Drehzahl-Ansteuerung versehen wird.

81

Der Schutzanspruch 1 in eingetragener Fassung ist nach alledem schutzfähig.

82

3.3 Die auf Schutzanspruch 1 rückbezogenen eingetragenen Schutzansprüche 2 bis 5 betreffen nicht selbstverständliche Ausgestaltungen des Gegenstandes nach Schutzanspruch 1 und sind daher zusammen mit ihrem tragenden Hauptanspruch ebenfalls schutzfähig.

III.

83

Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 S. 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 S. 1 und 2 PatG, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.