Entscheidungsdatum: 14.03.2013
In der Beschwerdesache
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…
betreffend das Gebrauchsmuster …
(hier: Beschwerde gegen Kostenfestsetzung)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter Baumgärtner sowie die Richterin Bayer und den Richter Eisenrauch
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss in Sachen Lö III 79/04 der Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Oktober 2009 aufgehoben.
Die der Löschungsantragstellerin von der Löschungsantragsgegnerin im genannten Löschungsverfahren zu erstattenden Kosten werden auf
19.312,00 €
(in Worten: neunzehntausenddreihundertzwölf)
festgesetzt.
Der Betrag ist ab dem 29. Juli 2009 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsgegnerin zu 3/5 und die Antragstellerin zu 2/5 zu tragen.
I.
Die Löschungsantragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) war Inhaberin des am 11. Oktober 2001 von einer Rechtsvorgängerin angemeldeten und am 17. Januar 2002 mit drei Schutzansprüchen eingetragenen Gebrauchsmusters … (Streitgebrauchsmuster) mit der Bezeichnung „Referenzstandards zur Bestimmung der Reinheit oder Stabilität von Amlodipinmaleat“. Der eingetragene Schutzanspruch 1 hatte folgenden Wortlaut:
„1. Zusammensetzung umfassend Amlodipinmaleat, herstellbar durch ein Verfahren, das folgende Schritte umfasst:
das Vermischen von Amlodipinmaleat mit mindestens einem pharmazeutisch annehmbaren Hilfsstoff zur Bildung einer Mischung;
das Entnehmen einer Probe der Mischung,
das Untersuchen dieser Probe, um ein Proben-Analysenergebnis zu erhalten; und
das Vergleichen des Proben-Analysenergebnisses mit einem entsprechenden Referenzstandard-Analysenergebnis für Amlodipinaspartat oder Amlodipinmaleamid, um die Menge an Amlodipinaspartat oder Amlodipinmaleamid relativ zum Amlodipinmaleat zu bestimmen; und
entweder (a) das Abfüllen der Mischung in Kapseln oder (b) das Verpressen der Mischung zu Tabletten.“
Die Löschungsantragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) hatte mit Löschungsantrag vom 14. April 2004 das Streitgebrauchsmuster in vollem Umfang angegriffen.
Nach Zwischenbescheid der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) vom 30. März 2007 hatte die Antragsgegnerin ihren zunächst gegen den Löschungsantrag erhobenen Widerspruch am 7. Mai 2007 wieder zurückgenommen. Daraufhin ist das Streitgebrauchsmuster im Register gelöscht worden und die Gebrauchsmusterabteilung I des DPMA hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 24. Juni 2009, der den Verfahrensbeteiligten am 29. Juni 2009 zugestellt wurde, die Kosten des Löschungsverfahrens auferlegt.
Die Antragstellerin hat sodann beantragt, die ihr von der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten, die auch die Kosten für die Mitwirkung eines Rechtsanwalts umfassen, auf 82.005,60 € festzusetzen. Sie geht hierbei von einem Gegenstandswert in Höhe von 10 Millionen € aus. Sie sieht in dem eingetragenen Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters einen „product-by-process“-Anspruch. Ihrer Meinung nach sei damit faktisch jegliche Tablette oder Kapsel vom Schutzbereich umfasst worden, die den Wirkstoff Amlodipinmaleat enthalten habe. Im Jahr 2006 seien in Deutschland gemäß einer Veröffentlichung des unabhängigen IMS Health Instituts mit Amlodipinmaleat-Präparaten in Form von Tabletten Umsätze in Höhe von ca. 22.750.000 € erzielt worden. Da zum Zeitpunkt der Stellung des Löschungsantrags die hypothetisch mögliche Laufzeit des Streitgebrauchsmusters noch etwa 7 ½ Jahre betragen habe, errechne sich über diesen Zeitraum unter Zugrundelegung von konstanten jährlichen Umsätzen für die Restlaufzeit des Streitgebrauchsmusters ein Gesamtumsatz in Höhe von über 170 Millionen €. Bei Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Amlodipinmaleat handele es sich zudem um wichtige Arzneimittel, die zur Bekämpfung der Volkskrankheit Bluthochdruck eingesetzt würden, weshalb ein Lizenzsatz in Höhe von 8 % als angemessen erscheine. Nehme man von der so errechneten Lizenzgebühr in Höhe von etwa 13.600.000 € - wegen möglicher Zukunftsunsicherheiten - noch einen großzügigen Abschlag von 25 % vor, so ergebe sich der genannte Gegenstandswert in Höhe 10 Millionen €.
Die Antragsgegnerin hat der Gebrauchsmusterabteilung mitgeteilt, dass sie lediglich einen Gegenstandswert in Höhe von 25.000,-- € für angemessen erachte. Das Schutzbegehren des Streitgebrauchsmusters sei lediglich auf ein Analyseverfahren gerichtet gewesen. Es habe daher ein nach Gebrauchsmusterrecht überhaupt nicht schutzfähiger Gegenstand vorgelegen. Ferner sei zu beachten, dass ein Patentschutz für den Wirkstoff Amlodipinbesylat Ende März 2007 ausgelaufen gewesen sei. Ab diesem Zeitpunkt sei es möglich gewesen, einen etwaigen vom Streitgebrauchsmuster für Produkte mit dem Wirkstoff Amlodipinmaleat begründeten Gebrauchsmusterschutz durch ein Umsteigen auf Alternativpräparate, die insbesondere den Wirkstoff Amlodipinbesylat enthielten, zu umgehen. Demnach sei der von der Antragstellerin für die mögliche Restlaufzeit des Streitgebrauchsmusters hochgerechnete Gesamtumsatz in Höhe von über 170 Millionen € viel zu hoch gegriffen. Der von der Antragstellerin genannte Gesamtumsatz beziehe sich nicht nur auf Präparate mit dem Wirkstoff Amlodipinmaleat, sondern vor allem auf Präparate mit dem Wirkstoff Amlodipinbesylat. Es sei daher auch angemessen, bei der Berechnung des Gegenstandswertes nur einen Lizenzsatz in Höhe von 1 % zu Grunde zu legen.
Mit Beschluss vom 20. Oktober 2009 hat die Gebrauchsmusterabteilung II des DPMA auf der Basis eines Gegenstandswertes in Höhe von 300.000,-- € die der Antragstellerin von der Antragsgegnerin für das patentamtliche Löschungsverfahren zu erstattenden Kosten auf 2.704,-- € festgesetzt, wobei sie eine 10/10-Geschäftsgebühr nach § 118 BRAGO, eine Pauschale für Kommunikationsdienstleistungen (20 €), Kopierkosten (96 €) und die von der Antragstellerin für den Löschungsantrag entrichtete Gebühr (300 €) in Ansatz gebracht hat. Zusätzlich wurde eine Verzinsung des festgesetzten Betrages in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Kostengrundentscheidung (29. Juli 2009) ausgesprochen.
Gegen den ihr am 23. November 2009 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 4. Dezember 2009, mit der sie ihren Kostenerstattungsanspruch auf der Basis des Gegenstandswertes in Höhe von 10 Millionen € weiterverfolgt. Nachdem die Antragstellerin zwischenzeitlich von einer Erstattung der Kosten für die Mitwirkung eines Rechtsanwalts Abstand genommen hat, verfolgt sie gegenüber der Antragsgegnerin einen Erstattungsanspruch nur noch in Höhe von 31.912,-- € weiter. Die Höhe dieses Betrages ergibt sich aus den zu Gunsten der Antragstellerin bereits als erstattungsfähig festgesetzten Kopierkosten, der Telekommunikationspauschale und der gezahlte Löschungsantragsgebühr unter Hinzurechnung einer 10/10-Geschäftsgebühr gemäß § 118 BRAGO in Höhe von 31.496,-- €. Zur Begründung ihrer Beschwerde wiederholt Antragstellerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung II des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. Oktober 2009 aufzuheben und die ihr von der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten auf 31.912,-- € festzusetzen sowie eine Verzinsung des festgesetzten Betrages mit 5 % über dem Basiszinssatz ab dem 27. Juli 2009 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hält den von der Gebrauchsmusterabteilung in Höhe von 300.000,-- € angenommenen Gegenstandswert noch für akzeptabel. Im Übrigen tritt sie dem Vorbringen der Antragstellerin wiederum mit den gleichen, bereits im patentamtlichen Festsetzungsverfahren geäußerten Argumenten entgegen. Sie weist nochmals darauf hin, dass in den Jahren ab 2007 die Umsätze von Präparaten mit dem Wirkstoff Amlodipinmaleat in Deutschland nicht gleich geblieben, sondern aus den bereits genannten Gründen eingebrochen seien. Von den Umsätzen, die die Antragstellerin behauptet habe, seien später nur noch ein Drittel mit Amlodipinmaleat-Präparaten gemacht worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Vorbringens wird auf die Akten des patentamtlichen Festsetzungsverfahrens sowie auf die vorliegenden Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
1. | Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist innerhalb der zweiwöchigen Frist nach § 17 Abs. 4 GebrMG i. V. m. §§ 62 Abs. 2 Satz 4, 73 PatG eingelegt worden, wobei die Antragstellerin innerhalb dieser Frist auch die Beschwerdegebühr in Höhe von 50,-- € (Nr. 401 200 der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG) einbezahlt hat. Zudem handelt es sich bei dem mit der Beschwerde verfolgten Rechtsschutzziel der Antragstellerin, nämlich eine Neufestsetzung der ihr von der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten auf der Basis eines höheren Gegenstandswertes zu erreichen, um ein zulässiges Begehren. |
2. | Die Beschwerde ist auch teilweise begründet. |
2.1. Wie sich anhand des Löschungsantrages vom 14. April 2004 ergibt, war der unbedingte Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit von der Antragstellerin noch vor dem 1. Juli 2004 erteilt worden. Daher bemisst sich im vorliegenden Fall die Vergütung für das patentamtliche Löschungsverfahren gemäß der Übergangsregelung des § 61 Abs. 1 RVG nach den insoweit noch weiter anwendbaren Vorschriften der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO). Unproblematisch ist ferner, dass hier die Gebühren für eine patentanwaltliche Tätigkeit nach den für Rechtsanwälte gültigen Vorschriften in Ansatz gebracht werden. Im Falle eines Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens, das vor einer Gebrauchsmusterabteilung des DPMA stattfindet, sind diese Regelungen entsprechend heranzuziehen (vgl. BPatGE 49, 29, 30 ff. = BPatG Mitt. 2006, 518 ff.).
2.2. Die Gebrauchsmusterabteilung des DPMA hat bei der Kostenfestsetzung zu Recht berücksichtigt, dass es sich bei einem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren nicht um ein gerichtliches Verfahren handelt. Das Löschungsverfahren vor einer Gebrauchsmusterabteilung des DPMA trägt zwar Züge eines justizförmigen Verfahrens (vgl. BGH GRUR2010, 231, 233 - „Legostein“), gebührenrechtlich ist es aber als ein Verfahren vor einer Verwaltungsbehörde anzusehen. Einschlägig für die Gebühren eines Patentanwalts sind daher nicht die Regelungen des 3.bis 11. Abschnitts der BRAGO, also insbesondere nicht § 31 BRAGO, sondern § 118 BRAGO i. V. m. § 12 Abs. 1 BRAGO (vgl. BPatGE49, 29, 32). Danach kann die Antragstellerin für das Bemühen ihres Patentanwalts die Erstattung einer Geschäftsgebühr nach der Regelung des § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO verlangen.
2.3. Hinsichtlich der Gebührenhöhe ist § 8 BRAGO zu beachten, wonach sich diese nach dem Gegenstandswert des Löschungsverfahrens in Verbindung mit der Gebührentabelle richtet. Hierbei erweist sich die Annahme der Gebrauchsmusterabteilung, es sei lediglich von einem Gegenstandswert in Höhe von 300.000,--€ auszugehen, als deutlich zu niedrig gegriffen.
2.3.1. Der Gegenstandswert ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO nach billigem Ermessen zu bestimmen, weil es für das Gebrauchsmusterlöschungsverfahren an Wertvorschriften für die Anwaltsgebühren fehlt. Er richtet sich grundsätzlich nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Löschung des angegriffenen Gebrauchsmusters und entspricht im Allgemeinen dem gemeinen Wert des Gebrauchsmusters bei Beantragung der Löschung (vgl. Busse/Keukenschrijver, 7. Aufl., Rn. 57 zu § 17 GebrMG i. V. m. Rn. 57 zu § 84 PatG). Für die Bestimmung des gemeinen Wertes gelten die folgenden grundsätzlichen Überlegungen: Mit der Löschung besteht für die Mitbewerber die Möglichkeit, den geschützten Gegenstand frei zu benutzen. Während des Bestandes eines Schutzrechts müssten hierfür Lizenzen gezahlt werden. Demnach kann das Allgemeininteresse in etwa den von der Anzahl aller Konkurrenten während der Laufzeit des Gebrauchsmusters fiktiv aufzubringenden bzw. durch die Löschung ersparten Lizenzzahlungen, also mit dem Lizenzsatz multipliziert mit dem in Deutschland im gleichen Zeitraum zu erwartenden Gesamtumsatz, gleichgesetzt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 25. April 2007, 5 W (pat) 6/06, veröffentlicht im Internet bei JURIS® Das Rechtsportal). Damit eine Schätzung hinsichtlich des Gesamtumsatzes vorgenommen werden kann, bedarf es jedoch konkreter, tatsächlicher Anhaltspunkte. Dies bedeutet wiederum, dass derjenige, der sich auf einen bestimmten Gegenstandswert beruft, hierfür einen hinreichend substantiierten Vortrag liefern muss (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 33. Aufl., § 287 Rn. 11; zu den Substantiierungsanforderungen vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. September 2009, X ZR 81/08, [Rz. 12 ff.]). Dies ist der Antragstellerin teilweise gelungen.
2.3.2 Das Allgemeininteresse an der Beseitigung des vorliegenden Streitgebrauchsmusters muss bezogen auf den Zeitpunkt der Löschungsantragstellung als ziemlich hoch eingeschätzt werden. Ein Indiz hierfür ist bereits, dass unabhängig von der Antragstellerin noch zwei weitere Mitbewerberinnen die Löschung des Streitgebrauchsmusters betrieben hatten. Die Antragstellerin liegt zudem richtig, indem sie meint, aufgrund der breiten Anspruchsfassung beim Streitgebrauchsmuster hätten sich vermutlich Schutzwirkungen gegen eine Vielzahl von auf dem Markt befindlichen Produkten mit dem Wirkstoff Amlodipinmaleat herleiten lassen.
2.3.2.1 Der Einwand der Antragsgegnerin, dass bereits deshalb von einem relativ geringen Gegenstandswert auszugehen sei, da der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters - jedenfalls nach der im patentamtlichen Zwischenbescheid geäußerten Auffassung - nicht als Gebrauchsmuster schutzfähig gewesen sei, geht ins Leere. Einem im Löschungsverfahren unterlegenen Antragsgegner ist es im Kostenfestsetzungsverfahren nicht gestattet, mit dem Hinweis auf die nunmehr erwiesene Löschungsreife seines Gebrauchsmusters den Gegenstandswert des Löschungsverfahrens zu Lasten des obsiegenden Antragstellers kleinzureden. Bei der Frage nach dem Gegenstandswert ist vielmehr in erster Linie zu prüfen, welches „Drohpotential“ für die am Markt beteiligten Mitbewerber das Gebrauchsmuster aufwies. Die Rechtsbeständigkeit eines Gebrauchsmusters ist somit bei der Bemessung des Gegenstandswertes grundsätzlich zu unterstellen (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl., § 17 Rn. 116 - m. w. N.).
2.3.2.2 Unabhängig davon trifft es auch nicht zu, dass es sich beim Gegenstand des vorliegenden Streitgebrauchsmusters lediglich um ein nach § 2 Nr. 3 GebrMG schutzunfähiges Analyseverfahren gehandelt hat. Verfahrensmerkmale in einem Schutzanspruch, der letztlich auf ein Erzeugnis - hier eine „Zusammensetzung“ - gerichtet ist, führen nicht dazu, dass die geschützte Lehre als Verfahren anzusehen wäre (vgl. Benkard, PatG, 10. Aufl., § 2 GebrMG, Rn. 11; BGH GRUR 2004, 495, 496 - „Signalfolge“; BGH, Beschluss vom 29.7.2008, Az. X ZB 23/07 - „Telekommunikationsanordnung“). Die Schutzansprüche des Streitgebrauchsmusters sind so zu verstehen, dass trotz der in ihnen enthaltenen Verfahrensmerkmale, die u.a. Entnahme-, Analyse- und Herstellungsschritte betreffen, letztlich in Kapseln abgefüllte oder zu Tabletten verpresste Mischungen aus Amlodipinmaleat und mindestens einem pharmazeutisch annehmbaren Hilfsstoff geschützt werden sollten. Derartige Schutzansprüche sind - wie die Antragstellerin zu Recht bemerkt hat - „product-by-process“-Ansprüche. Solche Ansprüche sind Sachansprüche, bei denen nach einhelliger Meinung das Erzeugnis als solches Gegenstand des Gebrauchsmusters ist (vgl. BGH GRUR 1993, 651, 654 – „Tetraploide Kamille“; Busse/Keukenschrijver, PatG, 7. Aufl., § 1 Rn. 114; Fitzner in Fitzner/Bodewig/Lutz, PatRKomm, PatG § 1a Rn. 34f.).
Aus etwaigen zur Kennzeichnung eines Erzeugnisses angegebenen Verfahrensschritten kann sich grundsätzlich eine Beschränkung des Schutzbereichs ergeben; ob dies im Einzelfall zutrifft, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. BGH GRUR 2001, 1129, 1133 – „Zipfelfreies Stahlband“). Vorliegend kann aber eine beschränkende Wirkung der Verfahrensmerkmale weitgehend ausgeschlossen werden, da es sich - wie die Antragstellerin wiederum zutreffend bemerkt hat - bei den hier in Rede stehenden Verfahrensmerkmalen, insbesondere bei denen des Entnehmens, Untersuchens und Vergleichens, um solche handelte, die auf die Beschaffenheit des Endprodukts, nämlich eines Präparats in Kapsel- oder Tablettenform mit dem Wirkstoff Amlodipinmaleat, keinen Einfluss hatten.
2.3.2.3 Hinsichtlich des gemeinen Wertes des Streitgebrauchsmusters gilt zudem Folgendes: Die Antragstellerin hat anhand von Informationen, die das IMS Health Institut ermittelt hat, und weiterer Unterlagen dargelegt, dass im Jahr 2006 in Deutschland mit Amlodipinmaleat-Präparaten in Form von Tabletten ein Gesamtumsatz in Höhe von ca. 22.750.000 € erzielt worden war. Von entsprechenden Werten geht sie auch für die Jahre 2004 und 2005 aus. Die Antragsgegnerin hat dies im Wesentlichen zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Lediglich zu den Folgejahre 2007 bis 2011 hat die Antragsgegnerin aufgezeigt, dass die Umsätze mit Amlodipinmaleat-Präparaten zu Gunsten von Präparaten mit anderen Amlodipinsalzen, insbesondere mit dem Wirkstoff Amlodipinbesylat, eingebrochen seien - ausgelöst durch den in Deutschland im Jahr 2007 für diesen Wirkstoff ausgelaufenen Patentschutz; in der Beschwerde hat die Antragsgegnern ergänzt, dass gegen Ende der hypothetischen Laufzeit des Streitgebrauchsmusters der jährliche Gesamtumsatz mit Amlodipinmaleat-Präparaten nur noch ein Drittel der ursprünglichen Größenordnung betragen habe. Dies wiederum hat die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 15. Juni 2010 eingeräumt, wobei sie bei ihrer Berechnung des Gegenstandswertes einen Abschlag von etwas mehr als 25 % angeboten hat. Mit Rücksicht auf die wohl unzutreffende Annahme, dass der Pharmamarkt bei Amlodipinmaleat-Präparaten stabil bleiben würde, dürfte ein derartiger Abschlag jedoch nicht ausreichend sein.
Die von den Beteiligten vorgetragenen, unstreitigen Tatsachen stellen belastbare Angaben für eine Schätzung des Gegenstandswertes dar. Dem Vortrag können tatsächliche Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass in den ersten 2 ½ Jahren nach Einleitung des Löschungsverfahrens, also von Mitte 2004 bis Ende 2006, mit Amlodipinmaleat-Präparaten in Deutschland ein Gesamtumsatz in Höhe von etwa 56.875.000 € (2,5 x 22.750.000 €) erzielt wurde; dieser ist mit einem Unsicherheitsfaktor von 10 % auf 51.187.500 € zu bereinigen. Für die noch verbleibenden 5 Jahre der hypothetischen Restlaufzeit des Streitgebrauchsmusters von 2007 bis 2011, in denen die Umsatzzahlen bezogen auf Amlodipinmaleat-Präparaten offenbar sukzessive auf ein Drittel des ursprünglichen, jährlichen Umsatzes zurückgegangen waren, ist über die Jahre hinweg ein durchschnittlicher Jahresumsatz in Höhe von 40 % des ursprünglichen Jahresumsatzes in Höhe von 22.750.000 € anzusetzen, was bezogen auf den gesamten 5-Jahreszeitraum zu einem Gesamtumsatz in Höhe von 45.500.000 € führt (5 x 0,4 x 22.750.000 €). Der Einwand der Antragstellerin, dass die später eingetretene, degressive Umsatzentwicklung bei Amlodipinmaleat-Präparaten zum Zeitpunkt der Stellung des Löschungsantrags nicht bekannt war und daher nicht berücksichtigt werden dürfe, überzeugt nicht. Zwar trifft es zu, dass bei der Festlegung des Gegenstandswertes auf den Sach- und Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Löschungsantragstellung abzustellen ist; jedoch dürfte bereits zu diesem Zeitpunkt für die einschlägigen Marktteilnehmer abzusehen gewesen sein, dass sich mit Rücksicht auf den Ende März 2007 auslaufenden Patentschutz für Amlodipinbesylat-Produkten eine Stagnation beim Absatz von Präparaten mit dem Wirkstoff Amlodipinmaleat ergeben würde.
2.3.2.4. Hinsichtlich des zu Grunde zulegenden Lizenzsatzes ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Präparaten mit dem Wirkstoff Amlodipin und seinen Salzen um Arzneimittel handelt, die der Bekämpfung von Bluthochdruck, also eines relativ weit in der Bevölkerung verbreiteten gesundheitlichen Risikofaktors, dienen; damit dürfte ein Lizenzsatz - wie von der Antragsgegnerin vorgeschlagen - in Höhe von 1 % deutlich zu niedrig bemessen. Daneben gibt es aber auch keinen Grund, von einem Lizenzsatz in Höhe von 8 % - wie ihn die Antragstellerin favorisiert - auszugehen. Vielmehr erscheint ein mittlerer Lizenzsatz in Höhe von 6 % angemessen.
2.4. Hiernach errechnet sich der vorliegende Gegenstandswert aus der Summe der beiden folgenden Werte:
a) Für die Laufzeit des Streitgebrauchsmusters ab Löschungsantrag von Mitte 2004 bis Ende 2006: 22,75 x 10 6 € (Umsatz pro Jahr) x 6 x 10 -2 (Lizenzfaktor 6 %) x 2,5 (Jahre) = 22,75 x 10 4 x 6 x 2,5 = 22,75 x 10 4 x 15 = 227.500 € x 15 = 3.412.500 €. Davon ca. 10 % Abschlag (vgl.
oben) 3,1 Mio €
b) Für die hypothetische Restlaufzeit des Streitgebrauchsmusters von 2007 bis 2011: 22,75 x 10 6 € (Umsatz pro Jahr) x 6 x 10 -2 (Lizenzfaktor 6 %) x 5 (Jahre) = 22,75 x 10 4 x 6 x 5 = 22,75 x 10 4 x 30 = 227.500 € x 30 = 6.825.000 €. Davon
ca. 60 % Abschlag (vgl. oben) 2,7 Mio €
= 5,8 Mio €
=======
Für einen Gegenstandswert über einen Betrag von 5,8 Mio € hinaus besteht dagegen keine sichere Schätzungsgrundlage.
2.5. Der nach §118 Abs.1 Nr.1 BRAGO bei der Geschäftsgebühr anzuwendende Gebührensatz in Höhe einer 10 / 10-Gebühr wird von den Beteiligten nicht in Frage gestellt und dieser erscheint auch mit Rücksicht auf Umfang und Schwierigkeitsgrad der Sache angemessen. Ebenso sind bei der Festsetzung die Kopierkosten, die Telekommunikationspauschale und die gezahlte Löschungsantragsgebühr wieder zuzusprechen gewesen, die bereits von der Gebrauchsmusterabteilung als erstattungsfähig anerkannt und den Beteiligten nicht beanstandet wurden.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin sind somit - unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses - folgende Kosten als erstattungsfähig anzuerkennen:
a) 10/10-Geschäftsgebühr entsprechend § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO i. V. m. §§10, 12 Abs. 1
BRAGO (Wert: 5.800.000,00 €) 18.896,00 €
b) Erstattungsfähige Kopierkosten 96,00 €
c) Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Pauschale entsprechend
§ 26 BRAGO 20,00 €
d) Verauslagte Löschungsantragsgebühr 300,00 €
Summe: 19.312,00 €
=========
4. Die festgesetzten Kosten sind nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Zwar ist hierzu ein entsprechenden Antrag erforderlich (vgl. § 17 Abs. 4 Satz 2 GebrMG, § 62 Abs. 2 Satz 3 PatG, § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO); diesen hatte die Antragstellerin aber bereits mit ihrer Eingabe vom 30. Juli 2008 gestellt. Der Verzinsungsanspruch entsteht allerdings nicht vor der Bestands- bzw. Rechtskraft der Kostengrundentscheidung (vgl. Bühring/Schmid, GebrMG, 8. Aufl. § 17 Rn. 140). Die Kostengrundentscheidung der Gebrauchsmusterabteilung I vom 24. Juni 2009 war den Verfahrensbeteiligten gemäß den in der Amtsakte befindlichen Empfangsbekenntnissen erst am 29. Juni 2009 zugegangen und nicht bereits - wie die Antragstellerin irrig meint - am 27. Juni 2009. Demnach war der im angefochtenen Beschluss enthaltene Ausspruch einer ab dem 29. Juli 2009 beginnenden Verzinsung des festgesetzten Betrages zutreffend und hier erneut vorzunehmen.
III.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG, § 84 Abs. 2 PatG, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Diese Kosten sind verhältnismäßig zu teilen, da dies der Billigkeit entspricht. Die Antragstellerin ist mit ihrer Beschwerde nur teilweise durchgedrungen. Sie hat ausgehend von einem Gegenstandswert von 10.000.000,00 € und einer 10/10 Gebühr die Erstattung von Anwaltskosten in einer Gesamthöhe von 31.912,-- € begehrt; mithin hat sie gegenüber dem von der Gebrauchsmusterabteilung II festgesetzten Betrag (2.704,-- €) eine Mehrforderung von 29.208,-- € geltend gemacht, wobei sie aber mit ihrer Beschwerde nur in Höhe von 16.608 € (19.312,-- € abzüglich 2.704,-- €) - mithin also zu etwa 57 % - durchgedrungen ist. Deshalb waren die Kosten des Beschwerdeverfahrens billigerweise der Antragstellerin zu 2/5 und der Antragsgegnerin zu 3/5 aufzuerlegen.
IV.
Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entschieden, da im Verfahren über die Beschwerde gegen einen vom DPMA erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss eine mündliche Verhandlung nicht zwingend erforderlich ist (vgl. BPatGE 32, 123, 124; Bühring, GebrMG, 8. Aufl., § 18 Rn. 98; Schulte, PatG, 8. Aufl., § 78 Rn. 14) und diese auch weder beantragt wurde noch sachdienlich erschien.