Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 14.04.2011


BPatG 14.04.2011 - 35 W (pat) 26/10

Gebrauchsmusterbeschwerdeverfahren – "Rückgängigmachung einer Umschreibung" - zu den Voraussetzungen eines auf Rückgängigmachung einer Umschreibung eines Gebrauchsmusters gerichteten Begehrens - zur Zulässigkeit einer Beschwerde


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
35. Senat
Entscheidungsdatum:
14.04.2011
Aktenzeichen:
35 W (pat) 26/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
§ 19 Abs 3 Nr 3 PatG

Leitsätze

Reflexionsvorrichtung

Wendet sich ein Antragsteller aufgrund einer ihm zugegangenen "Umschreibungs-Mitteilung" an das DPMA mit dem Begehren, eine durchgeführte Umschreibung ungeschehen zu machen, ist seine Eingabe grundsätzlich nicht als Beschwerde gegen die "Umschreibungs-Mitteilung" oder gegen die ihr zugrunde liegende Umschreibungsverfügung zu behandeln; eine solche Eingabe ist regelmäßig als Antrag auf Rückumschreibung auszulegen, zu dessen Bearbeitung dieselbe Stelle oder Abteilung des DPMA berufen ist, die die beanstandete Umschreibung vorgenommen hat.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Gebrauchsmuster 20 2004 021 212

(hier: Rückgängigmachung der Umschreibung)

hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 14. April 2011 durch den Vorsitzenden Richter Müllner sowie die Richter Baumgärtner und Eisenrauch

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts, der in der Form des Bescheides der Gebrauchsmusterstelle vom 15. November 2010 ergangen ist, aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

1

Mit Eingabe vom 8. November 2010 hat die Antragstellerin und Beschwerdeführerin beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) „Widerspruch gegen die Umschreibung“ des Gebrauchsmusters 20 2004 021 212 erhoben und beantragt, die „Umschreibungs-Mitteilung“ der Gebrauchsmusterstelle vom 7. Juli 2009 aufzuheben sowie die Umschreibung des Gebrauchsmusters rückgängig zu machen. Anlass ihrer Eingabe ist die von der Gebrauchsmusterstelle des DPMA am 3. Juli 2009 im Register vermerkte Umschreibung des Gebrauchsmusters auf ihren ehemaligen Geschäftsführer, den Antragsgegner, Herrn W… Die Antragstellerin hat hierzu vorgetragen, die Umschreibung sei zu Unrecht erfolgt. Ein Rechtsübergang habe nicht stattgefunden. Der Antragsgegner, dessen Geschäftsführerfunktion bei der Antragstellerin bereits am 18. September 2007 beendet gewesen sei, stehe im Verdacht, das DPMA in betrügerischer Weise und unter Zuhilfenahme des (möglicherweise arglosen) bisherigen Inlandsvertreters der Antragstellerin, Herrn Patentanwalt F…, zur Umschreibung auf sich veranlasst zu haben. Darüber hinaus habe die Gebrauchsmusterstelle die Antragstellerin in ihrem grundgesetzlich verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt und gegen wesentliche Regelungen der patentamtlichen Umschreibungsrichtlinien verstoßen. Es sei z. B. übersehen worden, dass weder die bisherige Inhaberin noch der (angebliche) neue Inhaber des Gebrauchsmusters Inländer im Sinne von Nr. 1.1.2. der Umschreibungsrichtlinien seien. Die Anforderungen an eine Umschreibung seien daher insoweit erhöht gewesen, als eine gesonderte Umschreibungsbewilligung der Antragstellerin notwendig gewesen sei; auch hätte ein aktueller Bevollmächtigungsnachweis des die Umschreibung beantragenden, bisherigen Inlandsvertreters eingeholt werden müssen.

2

Die Gebrauchsmusterstelle des DPMA hat auf die Eingabe der Antragstellerin mit einem Bescheid einer Beamtin im gehobenen Dienst vom 15. November 2010 reagiert, der als Betreff die Angabe „Antrag auf Rückumschreibung des Gebrauchsmusters 20 2004 021 212“ enthält. Mit dem Bescheid wird der Antragstellerin jedoch im Wesentlichen mitgeteilt, dass die Gebrauchsmusterstelle nichts veranlassen werde, da es zur beantragten Rückumschreibung die Vorlage einer Umschreibungsbewilligung des gegenwärtigen als Inhaber eingetragenen Antragsgegners oder eines rechtskräftigen „Urteils zur Rückübertragung“ bedürfe. Falls die Eingabe eine Beschwerde darstelle, die gegen die „Umschreibungs-Mitteilung“ vom 7. Juli 2009 gerichtet sei, werde vorsorglich auf die innerhalb der Beschwerdefrist zu zahlende Beschwerdegebühr verwiesen.

3

Auf diesen Bescheid hat die Antragstellerin mit Eingabe vom 22. November 2010 mitgeteilt, dass ihre Eingabe vom 8. November 2010 als „Beschwerde“ anzusehen sei. Inhaltlich handele es sich allerdings um einen „Widerspruch gegen die Umschreibung“, also um einen Rechtsbehelf, der auf die Rückgängigmachung der Umschreibung gerichtet sei. Die besonderen Voraussetzungen, unter denen die Rückgängigmachung einer Umschreibung statthaft sei, lägen hier auch vor.

4

Die Antragstellerin beantragt,

5

die „Umschreibungs-Mitteilung“ der Gebrauchsmusterstelle vom 7. Juli 2009 aufzuheben sowie die Umschreibung des Gebrauchsmusters 20 2004 021 212 auf den Antragsgegner rückgängig zu machen.

6

Die Leitung der Gebrauchsmusterstelle hat am 29. November 2010 die Vorlage der Akten an das Bundespatentgericht verfügt.

7

Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

8

1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft und zulässig. Im vorliegenden Fall muss allerdings bezweifelt werden, dass es sich bei der „Umschreibungs-Mitteilung“ der Gebrauchsmusterstelle vom 7. Juli 2009 oder der ihr zugrunde liegenden Umschreibungsverfügung um einen Beschluss handelt, gegen den die vorliegende Beschwerde in statthafter Weise gerichtet werden kann (vgl. a. A. wohl: Bühring, GebrMG, 7. Aufl., § 8 Rn. 92; BPatG Bl. f. PMZ 2006, 67 ff.). Bedenken gegen eine solche Sichtweise bestehen bereits deshalb, weil sie darauf hinausläuft, dass ein formlos ergangener Verwaltungsakt, der offensichtlich nicht als beschwerdefähige Entscheidung gedacht war, nachträglich zu einem beschwerdefähigen Beschluss deklariert wird (vgl. hierzu allgemein: BPatGE 26, 152, 154). Die Antragstellerin und der als (neuer) Rechtsinhaber eingetragene Antragsgegner haben zudem einen Anspruch darauf, dass das DPMA einen solchen Antrag, der auf einen „actus contrarius“ zur vollzogenen Umschreibung gerichtet ist, wie jeden Umschreibungsantrag - hier nach der einschlägigen Regelung des § 10 Abs. 1 GebrMG - erstinstanzlich in Bearbeitung nimmt und das entsprechende Verfahren mit einem formellen, mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschluss abschließt. Wendet sich daher ein Antragsteller - wie hier- aufgrund einer ihm zugegangenen „Umschreibungs-Mitteilung“ an das DPMA mit dem Begehren, eine durchgeführte Umschreibung ungeschehen zu machen, ist seine Eingabe grundsätzlich nicht als Beschwerde gegen die „Umschreibungs-Mitteilung“ oder gegen die ihr zugrunde liegende Umschreibungsverfügung zu behandeln; eine solche Eingabe ist regelmäßig als Antrag auf Rückumschreibung auszulegen, zu dessen Bearbeitung dieselbe Stelle oder Abteilung des DPMA berufen ist, die die beanstandete Umschreibung vorgenommen hat. Hierfür finden sich auch zahlreiche Belege aus der einschlägigen Rechtsprechung (vgl. BGH GRUR 1969, 43 ff. - „Marpin“; BPatGE 46, 92 ff. - „Umschreibung einer Marke“; BPatGE 50, 54 ff. - „Markenumschreibung“).

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Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist dagegen der Bescheid der Gebrauchsmusterstelle des DPMA vom 15. November 2010, in dem zwar das Begehren der Antragstellerin zutreffend als „Antrag auf Rückumschreibung des Gebrauchsmusters 20 2004 021 212“ bezeichnet worden ist, mit dem die Gebrauchsmusterstelle aber letztlich klargestellt hat, dass sie ein ordnungsgemäßes Rückumschreibungsverfahren nicht durchführen wird, sondern die Angelegenheit gegebenenfalls - sofern die Antragstellerin dies wünscht - als Beschwerde an das Bundespatentgericht abgeben wird. Damit wird der Bescheid der Gebrauchsmusterstelle zu einem Beschluss im materiellen Sinne, da er eine abschließende Regelung einer Stelle des DPMA darstellt, mit der in (Verfahrens-) Rechte der Verfahrensbeteiligten eingegriffen wird (vgl. hierzu: BPatGE 26, 152, 153; BPatGE 50, 1, 3 - „Mischvorrichtung“; Schulte/Rudloff-Schäffer, PatG mit EPÜ, 8. Aufl., § 47 Rn. 4). Die Antragstellerin hat zwar erst mit ihrer Eingabe vom 22. November 2010 mitgeteilt, dass die Angelegenheit im Wege einer Beschwerde an das Bundespatentgericht abgegeben werden soll. Diese nachträgliche Festlegung kann jedoch der Antragstellerin nicht zum Vorwurf gemacht werden, da ihr angesichts der Weigerung der Gebrauchsmusterstelle, selbst in die Prüfung der Rückumschreibungsvoraussetzungen einzutreten, keine andere Wahl blieb. Die Beschwerde ist zudem fristgerecht eingelegt worden, da der Bescheid (Beschluss) der Gebrauchsmusterstelle vom 15. November 2010 weder förmlich zugestellt worden ist noch eine Rechtsmittelbelehrung enthielt (§ 18 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 47 Abs. 2 Satz 2 PatG).

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2. Die Beschwerde führt gemäß § 18 Abs. 2 GebrMG i. V. m. § 79 Abs. 3 Nr. 3 PatG zur Aufhebung des Bescheides (Beschlusses) der Gebrauchsmusterstelle vom 15. November 2010 und zur Zurückverweisung der Sache an das DPMA, da dieses entgegen §§ 8 Abs. 4, 10 Abs. 1 GebrMG noch nicht in der Sache selbst entschieden hat.

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Die Gebrauchsmusterstelle wird nunmehr den von der Antragstellerin mit Eingabe vom 8. November 2010 gestellten Antrag auf Rückumschreibung des Gebrauchsmusters 20 2004 021 212 (nebst Anlagen) dem Antragsgegner zu übermitteln und ihn zur Stellungnahme aufzufordern haben. Die Gebrauchsmusterstelle wird hierbei nicht gehindert sein, beim Antragsgegner unmittelbar nachzufragen, ob dieser bereit ist, in die Rückumschreibung einzuwilligen. Sofern hierdurch keine Verfahrenserledigung zustande kommen sollte, wären von der Gebrauchsmusterstelle sodann jene Voraussetzungen für eine Rückumschreibung zu prüfen, wie sie der Bundesgerichtshof in seiner „Marpin“-Entscheidung skizziert hat (GRUR 1969, 43 ff.) und die der Gebrauchsmusterstelle - wie das entsprechende Zitat im angegriffenen Bescheid (Beschluss) vom 15. November 2010 zeigt - an sich geläufig sein dürften. Die Rückgängigmachung einer Umschreibung kommt hiernach in Betracht, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im Wege einer Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigt werden könnte (vgl. auch: Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 30 Rn. 22). Dies wäre vorliegend beispielsweise dann der Fall, wenn die hier beanstandete Umschreibung - wie von der Antragstellerin behauptet - vom Antragsgegner in unredlicher Weise erschlichen worden sein sollte (vgl. §§ 578 Abs. 1, 580 Nr. 4 ZPO). Ferner wäre hier eine Rückumschreibung nach den Grundsätzen der „Marpin“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (a. a. O.) dann gerechtfertigt, wenn der Antragstellerin nicht in ausreichendem Maße rechtliches Gehör gewährt worden wäre und die Umschreibung auf diesem Verfahrensmangel beruht hätte. Insoweit wird sich die Gebrauchsmusterstelle mit dem Vortrag der Antragstellerin auseinanderzusetzen haben, dass wesentliche Regelungen der patentamtlichen Umschreibungsrichtlinien (Bl. f. PMZ 2002, 11 ff.) missachtet worden seien und insbesondere mangels ausdrücklicher Umschreibungsbewilligung durch die Antragstellerin oder wegen Nichtvorlage einer aktuellen Urkunde über eine erteilte Vertretervollmacht keine hinreichenden Nachweise für einen Rechtsübergang auf den Antragsgegner vorgelegen hätten.

12

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Gebrauchsmusterstelle den Rahmen der rechtlichen Nachprüfung nicht allzu weit zu ziehen haben wird. Auch im Falle eines Antrags auf Rückumschreibung gilt nämlich, dass eine umfassende Prüfung nicht dem Wesen eines Registerverfahrens entspräche (BGH GRUR 1969, 43, 44 u. 46 - „Marpin“). Eine solche Prüfung findet beispielsweise im Rahmen einer Umschreibungsbewilligungsklage (vor den ordentlichen Gerichten) statt, die deshalb oft der sachdienlichere Rechtsbehelf sein wird (vgl. BGH a. a. O.; Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 30 Rn. 22 m. w. N.). Die Gebrauchsmusterstelle wird dagegen bei ihrer Entscheidung nur das unstreitige Vorbringen der Verfahrensbeteiligten und gegebenenfalls auch offenkundige Tatsachen zu berücksichtigen haben.

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3. Von einer Auferlegung von Kosten des Beschwerdeverfahrens wurde vorliegend aus Gründen der Billigkeit abgesehen (§ 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG i. V. m. § 80 Abs. 1 Satz 1 PatG), da mit der Zurückverweisung an das DPMA keine Entscheidung in die Sache getroffen wurde.

14

4. Die Beschwerdegebühr war der Antragstellerin gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG i. V. m. § 80 Abs. 3 PatG ebenfalls aus Gründen der Billigkeit zu erstatten, weil die Gebrauchsmusterstelle unter Verstoß gegen einschlägige, von der Rechtsprechung entwickelte Verfahrensgrundsätze (vgl. z. B. BGH GRUR 1969, 43 ff. - „Marpin“; BPatGE 46, 92 ff. - „Umschreibung einer Marke“; BPatGE 50, 54 ff. - „Markenumschreibung“) eine Entscheidung in der Sache selbst verweigert und hierdurch die Antragstellerin in ungerechtfertigter Weise zur Einlegung der Beschwerde bestimmt hat.