Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.04.2011


BPatG 26.04.2011 - 33 W (pat) 9/10

Markenbeschwerdeverfahren – "GEOTHERMICS" – Freihaltungsbedürfnis – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
33. Senat
Entscheidungsdatum:
26.04.2011
Aktenzeichen:
33 W (pat) 9/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 003 075.5

hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Bender, den Richter Kätker und die Richterin Dr. Hoppe am 26. April 2011

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Am 17. Januar 2008 hat der Anmelder die Wortmarke

2

GEOTHERMICS

3

für das nachfolgende Verzeichnis von Waren und Dienstleistungen angemeldet:

4

Klasse 37

5

Brunnenbau (Tiefenbohrungen und Ausbau für die Wassergewinnung und Wasserversickerung), Installation von Bewässerungs- und Pumpsystemen, Erdwärmeanlagen und Wärmepumpen für alle Arten von Wärme- sowie Kältegewinnung, von Solaranlagen, von Anlagen für Komplettlösungen der Nutzung regenerativer Energien; Pfahlgründungen; alle vorgenannten Dienstleistungen soweit in Klasse 37 enthalten;

6

Klasse 42

7

Aufschlussbohrungen zur Erkundung des Untergrundes und/oder des Baugrundes, Erstellung von technischen Baugrundgutachten, Erdsondierungen als industrielle Analysedienstleistungen.

8

Die Markenstelle für Klasse 37 hat die Eintragung der begehrten Wortmarke mit Beschluss vom 5. Mai 2008 nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Erinnerung hat die Markenstelle mit Beschluss vom 27. November 2008 wegen eines Eintragungshindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.

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Sie hat hierzu ausgeführt, dass die angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen lediglich als sachbezogene Information über die beanspruchten Dienstleistungen auffassen würden. Bei dem Begriff „Geothermics“ handele es sich um den englischsprachigen, lexikalisch nachweisbaren Fachbegriff für eine die Erdwärme betreffende Wissenschaft. „Geothermic“ bezeichne sowohl die ingenieurtechnische Beschäftigung mit der Erdwärme und ihrer Nutzung als auch die wissenschaftliche Untersuchung der thermischen Situation des Erdkörpers. Da die begehrten Dienstleistungen eindeutig dem Bereich der Geothermie zuzuordnen seien, bezeichne das angemeldete Zeichen als Oberbegriff des Dienstleistungsspektrums lediglich die Art der angebotenen Dienstleistungen. Dem stehe nicht entgegen, dass es sich um einen englischen Begriff handele, weil der englischen Sprache im deutschen Sprachraum häufig ein höherer Stellenwert beizumessen sei, als der deutschen Sprache.

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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er ist der Ansicht, dass es sich bei dem begehrten Zeichen um eine Wortneuschöpfung handele, die in der englischen Sprache keine eigenständige Bedeutung besitze und durch ihre Großschreibung auffalle. Lediglich dem Adjektiv „geothermic“, nicht aber der begehrten Abwandlung „GEOTHERMICS“ komme eine beschreibende Bedeutung zu. Darüber hinaus handele es sich bei den angesprochenen Verkehrskreisen um deutsche Unternehmen und Institutionen, bei denen sich die Bezeichnung „Geothermie“ nicht durchgesetzt habe, sondern die Bezeichnung „Erdwärme“ üblich sei. Zudem habe die deutsche Sprache Vorrang.

11

Der Anmelder beantragt sinngemäß,

12

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 37 vom 5. Mai 2008 und vom 27. November 2008 aufzuheben.

13

Mit Schreiben vom 20. Januar 2011 hat der Senat den Anmelder unter Vorlage von Belegen aus dem Internet (im Folgenden zitiert als „Anlagen“) darauf hingewiesen, dass die Beschwerde wegen Eintragungshindernissen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen verwiesen.

II.

14

Die zulässige Beschwerde des Anmelders hat in der Sache keinen Erfolg.

15

Der angemeldeten Marke stehen hinsichtlich der angemeldeten Dienstleistungen die Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Anmeldung ist deshalb von der Markenstelle zu Recht gemäß § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen worden.

1.

16

a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können.

17

Bei der Auslegung der absoluten Eintragungshindernisse ist nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 3 Abs. 1 der MarkenRL (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union 2008/95/EG) das Allgemeininteresse, das der Regelung zugrunde liegt, zu berücksichtigen (EuGH GRUR 2008, 608 (Nr. 66) - EUROHYPO m. w. N.). Die auf Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c der MarkenRL zurückzuführende Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, sämtliche Zeichen oder Angaben, die geeignet sind, Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beschreiben, frei zu halten (EuGH GRUR 2008, 503 (Nr. 22, 23) - ADIDAS II). Es gibt nämlich - insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit eines unverfälschten Wettbewerbs - Erwägungen des Allgemeininteresses, die es ratsam erscheinen lassen, dass bestimmte Zeichen von allen Wettbewerbern frei verwendet werden können. Solche Zeichen oder Angaben dürfen deshalb nicht aufgrund einer Eintragung nur für ein Unternehmen monopolisiert werden (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 25) - Chiemsee; EuGH GRUR 2004, 146 (Nr. 31) - DOUBLEMINT; EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 54, 56) - Postkantoor; EuGH GRUR 2004, 680 (Nr. 35 - 36) - BIOMILD; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rd. 222 m. w. N.).

18

b) Bei der Prüfung von Eintragungshindernissen ist auf die Wahrnehmung des angesprochenen Verkehrs abzustellen. Dieser umfasst alle Kreise, in denen die fragliche Marke aufgrund der beanspruchten Dienstleistungen Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 65) - Henkel).

19

Zum angesprochenen Verkehr zählen vorliegend sowohl Fachverkehrskreise, die im Bereich der Geothermie tätig sind, als auch Endverbraucher, die an der privaten Nutzung geothermischer Energie interessiert sind. Aufgrund dieser Anwenderkreise und der allgemeinen Fassung des Verzeichnisses bestehen keine Anhaltpunkte für die von dem Anmelder propagierte Beschränkung des Kundenkreises auf die Wissenschaft. Vielmehr werden gerade auch private Hauseigentümer, die geothermische Energie nutzen wollen, an den beanspruchten Dienstleistungen interessiert sein.

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Auszugehen ist von dem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher auszugehen (EuGH GRUR 2006, 411 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla; EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 29) - Chiemsee; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rd. 23 ff.).

21

c) Ausgehend von diesen Vorgaben ist das begehrte Zeichen für die angemeldeten Dienstleistungen aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs beschreibend im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Die begehrte Marke darf wegen der darin enthaltenen inhaltlichen Sachaussage, die geeignet ist, Merkmale der angemeldeten Dienstleistungen zu beschreiben, nicht monopolisiert werden.

22

Das Wort „Geothermics“, das in dieser konkreten, grammatikalischen Fassung bzw. Schreibweise der englischen Sprache zuzuordnen ist, ist gleichbedeutend mit dem deutschen Wort „Geothermik“. Mit dem Begriff „Geothermic“ oder „Geothermik“ wird u. a. die technische Nutzung geothermischer Energie bezeichnet (Brockhaus, 9. Aufl., Band 2; Lexikon der Geowissenschaften, 2. Band, 2000; The Oxford English Dictionary, 2. Aufl., Volume VI; Langenscheidts Fachwörterbuch Physik Deutsch-Englisch, 2001; www.Linguee.com).

23

Entgegen der Auffassung des Anmelders findet sich die konkret angemeldete Schreibweise „Geothermics“ nicht nur in elektronischen Wörterbüchern mit Übersetzungen ohne Herkunftsnachweis, sondern ausweislich der Ergebnisse der Senatsrecherche auch in zahlreichen Druckschriften und zwar sowohl als Adjektiv als auch als alleinstehendes Substantiv ohne weitergehende Zusätze (z. B. „Geothermics Referenzliste“, „Geothermic projects“, „Geothermics in Basin Analysis“; „Geothermics and geothermal energy“; „Geothermic and radiometric investigations“).

24

Wenngleich die Auffassung des DPMA, wonach der englischen Sprache im deutschen Sprachraum häufig ein höherer Stellenwert beizumessen sei, als der deutschen Sprache, in dieser Pauschalität nicht zutrifft, sind bei dem hier angemeldeten Zeichen die Unterschiede zwischen der englischen und der deutschen Schreibweise so gering, dass selbst Personen ohne Englischkenntnisse die Bedeutungsgleichheit beider Worte ohne weiteres erkennen werden. Aus den beigefügten Anlagen ist außerdem erkennbar, dass im Bereich der Geothermie eine Vielzahl von Veröffentlichungen in englischer Sprache erfolgt, so dass gerade der angesprochene Fachverkehr mit englischen Fachbegriffen vertraut ist. Die Auffassung des Anmelders, wonach im Bereich der maßgeblichen Dienstleistungen vornehmlich die deutsche Sprache in Gebrauch sei, lässt sich dem gegenüber nicht belegen. Vielmehr existiert sogar eine englische Fachzeitschrift mit dem Titel „geothermics“, die in Fachverkehrskreisen bekannt ist. Dementsprechend wird der englische Fachbegriff „geothermics“ zum Teil auch in deutschsprachigen Veröffentlichungen benutzt (z. B.: „Geothermics“-Referenzliste“).

25

Wenn der Begriff „Geothermics/Geothermik“ für Dienstleistungen benutzt wird, die mit der Nutzung geothermischer Energie zusammenhängen, wird der Verkehr das Zeichen daher ausschließlich als Hinweis auf den Einsatzbereich, die Art oder Bestimmung dieser Produkte im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verstehen. Dies belegen auch die Ergebnisse der Internetrecherche (z. B.: „Geothermik-Materialien“; „Geothermie: Gern beraten wir sie über die Nutzung von Erdwärme …“). Dementsprechend wird der Verkehr das angemeldete Zeichen auch im Zusammenhang mit den hier begehrten Dienstleistungen der Klassen 37 und 42 als spezifizierenden Hinweis bzw. benennende Klassifizierung dahingehend auffassen, dass die Bau-, Installations-, Bohr-, Gründungs- und Sondierungsmaßnahmen sowie die gutachterliche Tätigkeit dazu bestimmt sind, geothermische Energie aufzufinden oder nutzbar zu machen. In diesem Sinne wird der Begriff „Geothermik“ auch bereits beschreibend für die begehrten Dienstleistungen verwendet (z. B.:„Geothermie/Erdwärme und Brunnenbau“; „Tiefenbohrungen für oberflächennahe Geothermie“; „Eine besondere Pfahlart ist die Kombination von Pfahlgründung und Energiepfählen zur Nutzung oberflächennaher Geothermie. Bei Gebäuden, die auf Grund der Geologie eine Pfahlgründung benötigen, lässt sich die Geothermie besonders kostengünstig einsetzen.“; „… Für die 4445 m tiefe geothermische Aufschlussbohrung …“; „Solargeothermie bezeichnet den Versuch, Sonnen- oder Erdwärme in einem System zur Heizwärmegestaltung zusammenzufassen …“; „Solar- und Geothermie ideal kombiniert“; „Bei einem solchen geo-solarthermischen System wird die Solaranlage in den Erdwärmekreis eingehen.“).

2.

26

Dem begehrten Zeichen fehlt auch die Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

27

Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR Int. 2005, 135 (Nr. 29) - Maglite; EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 30 f.) - Henkel). Die Hauptfunktion der Marke besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2005, 1042 (Nr. 23, 24) - Thomson LIFE; EuGH GRUR 2004, 943 (Nr. 23) - SAT.2; BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 12) - VISAGE). Der Verbraucher kann erwarten, dass die Herstellung der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens erfolgt ist. In Anbetracht des Umfangs des einer Marke verliehenen Schutzes gehen das Allgemeininteresse, das § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zugrunde liegt, und die wesentliche Funktion der Marke, die darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, um diese ohne Verwechslungsgefahr von denjenigen anderer Herkunft zu unterscheiden, offensichtlich ineinander über (EuGH GRUR 2004, 943 (Nr. 23, 27) - SAT.2). Die Prüfung der Herkunftsfunktion hat dabei streng und umfassend zu erfolgen, um die ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern (EuGH GRUR 2004, 1027 (Nr. 45) - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; EuGH GRUR 2003, 604 (Nr. 59) - Libertel; EuGH GRUR 2003, 58 (Nr. 20) - Companyline; BGH GRUR 2009, 949 (Nr. 11) - My World; BGH BlPMZ 2010, 273 (275) - Roche-Kugel).

28

Das hier beanspruchte Zeichen ist im Hinblick auf die angemeldeten Dienstleistungen nicht unterscheidungskräftig, denn das angesprochene Publikum wird ihm nicht den Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen entnehmen können. Eine Wortmarke, die, wie die hier begehrte Marke „GEOTHERMICS“, Merkmale von Dienstleistungen beschreibt, fehlt regelmäßig die Unterscheidungskraft in Bezug auf diese Waren oder Dienstleistungen (EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 86) - Postkantoor; EuGH GRUR 2004, 680 (Nr. 19) - Biomild). Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (vgl. BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 16) - VISAGE; BGH GRUR 2006, 850 (Nr. 19) - FUSSBALL WM 2006 m. w. N.).

29

Entgegen der Ansicht des Anmelders vermag auch der Umstand, dass das Wort „GEOTHERMICS“ in Großbuchstaben gedruckt ist, das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht überwinden. Bei der Großschreibung handelt es sich um ein werbeübliches Gestaltungsmittel, dem der Verkehr keine herkunftshinweisende Funktion entnimmt (vgl. für Binnengroßschreibung: EuGH GRUR 2006, 229 (Nr. 71) - BioID; EuG GRUR Int. 2008, 1037 (Nr. 30) - BioGeneriX).