Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 19.03.2013


BPatG 19.03.2013 - 33 W (pat) 39/11

Markenbeschwerdeverfahren – "G8-Strandkorb" – zum Schutz staatlicher Hoheitszeichen – Zeichen besteht neben anderen Elementen aus der Kombination verschiedener Flaggen – Abbildung als verzierendes, dekoratives Element auf einem Strandkorb – kein Eindruck eines hoheitlichen Zeichens – kein Eintragungshindernis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
33. Senat
Entscheidungsdatum:
19.03.2013
Aktenzeichen:
33 W (pat) 39/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze
Art 6ter PVÜ

Leitsätze

G8-Strandkorb

1. Der Schutz staatlicher Hoheitszeichen, wie z. B. Staatsflaggen, im Sinne von Art. 6ter Abs. 1 lit. a PVÜ setzt, anders als Art. 6ter Abs. 1 lit. b, c PVÜ, nicht voraus, dass der Eindruck einer Verbindung zwischen dem Benutzer der Marke und dem Hoheitsträger entsteht (EuGH GRUR Int 2010, 45 (Nr. 45) - Ahornblatt).

2. Das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG, mit dem Art. 6ter Abs. 1 lit. a PVÜ umgesetzt wurde, greift aber nicht ein, wenn durch die Art der Abbildung der Staatsflagge überhaupt nicht der Eindruck entstehen kann, dass es sich um ein hoheitliches Symbol handelt, mit dem eine bestimmte Legitimationswirkung verbunden ist.

3. Der Eindruck eines hoheitlichen Symbols entsteht nicht, wenn das Zeichen neben anderen Elementen aus der Kombination verschiedener Flaggen besteht und diese lediglich als verzierendes, dekoratives Element auf einem Strandkorb abgebildet sind.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 017 458.7

hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch den Vorsitzenden Richter Bender, den Richter am Amtsgericht Dr. Wache und die Richterin Dr. Hoppe am 19. März 2013

beschlossen:

Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 36 vom 5. März 2009 und vom 24. Mai 2011 aufgehoben, soweit die Zurückweisung der Anmeldung die noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen

Verpackungsbeutel, -hüllen, -taschen aus Papier oder Kunststoff, Verpackungsmaterial aus Karton, Verpackungsmaterial aus Stärke, Verpackungspapier

Fernsehwerbung, Öffentlichkeitsarbeit, Public Relations, Plakatanschlagwerbung, Sponsoring in Form von Werbung, Versandwerbung, Verteilung von Werbemitteln, Werbung

umfasst.

Gründe

I.

1

Am 14. März 2008 hat die Anmelderin die farbige Bildmarke

Abbildung

2

für verschiedene Waren und Dienstleistungen angemeldet, von denen nach teilweiser Rücknahme der Anmeldung im Beschwerdeverfahren noch verfahrensgegenständlich sind:

3

Klasse 16:

4

Verpackungsbeutel, -hüllen, -taschen aus Papier oder Kunststoff, Verpackungsmaterial aus Karton, Verpackungsmaterial aus Stärke, Verpackungspapier.

5

Klasse 35:

6

Fernsehwerbung, Öffentlichkeitsarbeit, Public Relations, Plakatanschlagwerbung, Sponsoring in Form von Werbung, Versandwerbung, Verteilung von Werbemitteln, Werbung.

7

Mit Beschluss vom 5. März 2009 hat die Markenstelle für Klasse 36 die Markenanmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG vollständig zurückgewiesen und dazu ausgeführt, dass allein durch die in der begehrten Bildmarke abgebildeten Staatsflaggen der Eindruck entstehe, dass die beanspruchten Waren und Dienstleistungen einen Bezug zur staatlichen Gewalt hätten. Auf Grund der hiergegen eingelegten Erinnerung hat der Erinnerungsprüfer den Erstbeschluss teilweise aufgehoben und zwar für:

8

„Papeteriewaren, Buchbindeartikel, Siegel; Rundfunkwerbung; Finanzwesen, Informationen (Auskünfte) zu und Beratung in Vermögensanlagen, Finanzierungen, Fragen des Versicherungsschutzes und des Vermögensschutzes, soweit in Klasse 36 enthalten; Vermittlung von Vermögensanlagen, Versicherungen, Finanzierungen und Vermögensschutz, soweit in Klasse 36 enthalten; Finanzberatung; Finanzierungsberatung; Vermögensverwaltung; Vermögensplanung; Geldgeschäfte; Abwickeln von Geldgeschäften mit Kreditkarten; Versicherungswesen; Versicherungsberatung; Immobilienwesen.“

9

Im Übrigen hat er die Erinnerung zurückgewiesen. Der Erinnerungsprüfer ist der Ansicht, dass ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 6 bzw. Nr. 8 MarkenG nicht vorliege, da die von der graphischen Gestaltung umfassten Flaggen in ihrer Vielzahl lediglich als ein dekoratives Element, nicht aber als Hoheitszeichen oder Zeichen einer internationalen zwischenstaatlichen Organisation erscheinen würden.

10

Im Hinblick auf verschiedene Waren und Dienstleistungen würde jedoch das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegen, da das angemeldete Bildzeichen aus der fotografischen Wiedergabe eines Strandkorbes bestehe, der anlässlich des sogenannten G8-Gipfels im Juni 2007 in Heiligendamm bei einem Fototermin als Sitzgelegenheit für die an dem Gipfeltreffen teilnehmenden Staats- und Regierungschefs Verwendung gefunden habe und dadurch weithin bekannt geworden sei. Das Zeichen könne daher zur Bezeichnung der Art, des Themas bzw. des Gegenstandes verschiedener Waren und Dienstleistungen dienen. Im Zusammenhang mit den zurückgewiesenen Dienstleistungen der Klasse 35 könne das angemeldete Zeichen darauf hindeuten, dass diese unter Verwendung der als Marke angemeldeten Wiedergabe eines G8-Strandkorbes erbracht würden.

11

Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen diese teilweise Zurückweisung der Anmeldung im Hinblick auf die noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen.

12

Die Anmelderin ist der Ansicht, dass das angemeldete Bildzeichen die erforderliche Unterscheidungskraft aufweise, da es eine Strandkorbformation abbilde, welche eine besondere Eigentümlichkeit und Originalität aufweise. Insbesondere würden nicht nur die typischen Merkmale irgend eines Strandkorbes abgebildet, sondern das Bildzeichen weise spezifische Elemente auf, die über die übliche Gestaltung von Strandkörben hinausgingen.

13

Im Übrigen würden die noch verfahrensgegenständlichen Waren der Klasse 16 durch das abgebildete Zeichen nicht beschrieben. Auch für die noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35 sei das Zeichen unterscheidungskräftig und nicht beschreibend. Der angesprochene Verkehr erkenne in der Darstellung des sogenannten G8-Strandkorbes nicht die Beschreibung von Werbeprodukten bzw. einzelner Dienstleistungen aus der Werbebranche.

II.

14

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist im Hinblick auf die nach der teilweisen Rücknahme der Anmeldung noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen begründet, da ihr insoweit keine Eintragungshindernisse nach § 8 MarkenG entgegenstehen.

1.

15

Das begehrte Zeichen enthält eine Wiedergabe des sogenannten G8-Strandkorbes, der eigens für das G8-Gipfeltreffen in Heiligendamm im Juni 2007 hergestellt wurde.

16

Die G8-Gruppe ist ein informelles Forum der Staats- und Regierungschefs aus acht Industrieländern. Hierzu zählen die größten Industrienationen der Welt, nämlich: Deutschland, die Vereinigten Staaten, Japan, das Vereinigte Königreich, Kanada, Frankreich, Italien und Russland. Auf ihren jährlichen Gipfeltreffen stimmen sie die gemeinsamen Positionen zu globalen politischen Fragestellungen ab, insbesondere zu den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklung und Klima. In dem Gremium der G8 ist auch die Europäische Kommission mit einem Beobachterstatus vertreten.

17

Bei dem Treffen im Juni 2007 in Heiligendamm posierten die Staats- bzw. Regierungschefs der G8-Länder und der Präsident  der Europäischen Kommission zu einem Abschiedsfoto in einem überdimensional großen Strandkorb, der in einem Halbkreis Sitzplatz für neun Personen bietet und im Innenraum mit einem blau-weißgestreiften Stoff bespannt ist, der für norddeutsche Strandkörbe typisch ist. Über den Sitzplätzen des Strandkorbes sind die Staatsflaggen der Mitgliedsstaaten und die EU-Flagge farbig abgebildet. Bei dem Abschiedsfoto des Gipfeltreffens im Juni 2007 nahmen die Vertreter der Staaten bzw. der EU-Kommission jeweils unter der Flagge des von ihnen vertretenen Hoheitsträgers Platz. Das hierbei angefertigte Foto wurde in zahlreichen Presseberichten veröffentlicht.

18

Nach dem Gipfeltreffen war der G8-Strandkorb zudem auf zahlreichen Veranstaltungen, u. a. im Bundesrat, im Kanzleramt und vor dem Brandenburger Tor zu sehen. Darüber hinaus fanden auch Protestaktionen gegen den G8-Gipfel im G8-Strandkorb statt. Im November 2007 ersteigerte die Anmelderin den Strandkorb zugunsten der Aktion „Ein Herz für Kinder“. Danach hat die Anmelderin den Strandkorb für Fotogelegenheiten im Rahmen einer Spendenaktion zugunsten von „Ein Herz für Kinder“ öffentlich zur Verfügung gestellt.

2.

19

Die begehrte Marke verstößt nicht gegen die Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 6 und Nr. 8 MarkenG.

20

Die beanspruchte Bildmarke zeigt allerdings den G8-Strandkorb auf dem unter anderem die nationalen Flaggen der sogenannten G8-Länder: (Deutschland, Vereinigte Staaten, Japan, Vereinigtes Königreich, Kanada, Frankreich, Italien und Russland) abgebildet sind. Zudem ist auch die EU-Flagge, bei der es sich um das Kennzeichen einer internationalen zwischenstaatlichen Organisation handelt, abgebildet. Diese Flaggen sind girlandenartig an dem oberen gebogenen Rand des Strandkorbes zu erkennen, in dem 9 Personen in einem Halbkreis angeordnet sitzen können.

21

Während die Eintragung von Staatsflaggen in § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG geregelt ist, finden sich die Bestimmungen für Flaggen und andere Kennzeichen zwischenstaatlicher Organisationen in § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG.

22

a) Ein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG kann vorliegen, wenn eines der dort genannten Zeichen, z. B. eine Staatsflagge, identisch übernommen wird oder wenn die Marke gem. § 8 Abs. 4 S. 1 MarkenG eine Nachahmung des Zeichens enthält.

23

Mit § 8 Abs. 2 Nr. 6, Abs. 4 S. 1 MarkenG wird die völkervertragsrechtliche Bestimmung des Art. 6 ter Abs. 1 lit. a der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) und zugleich Art. 3 Abs. 1 lit. h MarkenRL (Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union 2008/95/EG) in deutsches Recht umgesetzt. Ihr gesetzgeberischer Zweck liegt darin zu verhindern, dass öffentliche Hoheitszeichen für geschäftliche Zwecke ausgenutzt oder gar missbraucht werden, zumal sie auch nicht Gegenstand von Monopolrechten einzelner Privater werden dürfen (BPatG GRUR 2005, 679 (680) - Bundesfarben; BPatG GRUR 2009, 495 (496) - Flaggenball; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rd. 630; Fezer, MarkenR, 4. Aufl., § 8 Rd. 601; Fuchs-Wissemann, HK-MarkenR, 2. Aufl., § 8 Rd. 78). Eine solche Eintragung oder Benutzung würde nämlich das Recht des Staates, die Verwendung der Symbole seiner Hoheitsgewalt zu kontrollieren, verletzen und könnte außerdem den Verkehr über den Ursprung der mit solchen Marken gekennzeichneten Waren irreführen (EuG GRUR 2004, 773 (Nr. 39) - ECA; BGH GRUR 2003, 705 (706) - Euro-Billy).

24

Ausgehend von diesem Gesetzeszweck ist § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG eng auszulegen und einer ausdehnenden Interpretation nicht zugänglich (vgl. zu § 4 Abs. 2 Nr. 2 WZG: BGH GRUR 1993, 47 (48) - SHAMROCK; BPatG GRUR 2009, 495 (496) - Flaggenball; Fezer, MarkenR, 4. Aufl., § 8 Rd. 599).

25

Für den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG enthält § 8 Abs. 4 S. 4 MarkenG, der Art. 6ter Abs. 1 lit. c PVÜ umsetzt, eine Einschränkung dahingehend, dass das Eintragungshindernis zu verneinen ist, wenn das begehrte Zeichen nicht geeignet ist, beim Publikum den unzutreffenden Eindruck einer Verbindung zu der betreffenden internationalen zwischenstaatlichen Organisation hervorzurufen. Für den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG fehlt es an einer solchen einschränkenden Regelung. Der EuGH hat dementsprechend entschieden, dass der Schutz staatlicher Hoheitszeichen im Sinne von Art. 6ter Abs. 1 lit. a PVÜ - anders als der Schutz von Zeichen zwischenstaatlicher Organisationen (Art. 6ter Abs. 1 lit. c PVÜ) - nicht voraussetze, dass der Eindruck einer Verbindung zwischen dem Benutzer der Marke und dem Hoheitsträger entstehe (EuGH GRUR Int. 2010, 45 (Nr. 45) - Ahornblatt). Für Art. 6ter lit. c PVÜ bedarf es demgegenüber einer Prüfung, ob der Tätigkeitsbereich der betreffenden Organisation in irgendeiner sachlichen Beziehung zu dem Gebiet gehören kann, dem die Waren und Dienstleistungen der angemeldeten Marke angehören (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rd. 651; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 8 Rd. 291; Fuchs-Wissemann, HK-MarkenR, 2. Aufl., § 8 Rd. 81; vgl. Fezer, MarkenR, 4. Aufl., § 8 Rd. 631 a. E.). Das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG kommt demnach auch dann in Betracht, wenn die für das angemeldete Zeichen begehrten Waren und Dienstleistungen weit vom originären Anwendungsbereich des Hoheitszeichens entfernt sind (Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 8 Rd. 286).

26

Von der im Rahmen des § 8 Abs. 4 S. 4 MarkenG vorzunehmenden Prüfung zu unterscheiden ist indes die Frage, ob durch die Art der Abbildung der Staatsflagge überhaupt der Eindruck eines hoheitlichen Symbols, mit dem eine bestimmte Legitimationswirkung oder der Eindruck einer staatlichen Gewalt verbunden ist, entstehen kann. Insoweit gebietet eine teleologische Auslegung im Sinne des Gesetzeszwecks, Abbildungen, die wegen abweichender Größenverhältnisse und/oder der Art der Darstellung nicht den Eindruck einer Flagge als Hoheitssymbol erwecken, vom Schutzbereich der Norm auszunehmen (vgl. BPatG GRUR 2009, 495 (496) - Flaggenball; EuG vom 5.52011, T-41/10 - esf école du ski français (Nr. 29 - 37). § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG (bzw. in Art. 6ter Abs. 1 lit. a PVÜ) kann nämlich nicht entnommen werden, dass staatliche Hoheitszeichen generell jeder gewerblichen Verwendung entzogen würden (BGH GRUR 2003, 705 (706) - Euro-Billy). Das absolute Verbot, das staatliche Hoheitszeichen vor Missbrauch und privater Monopolisierung schützen soll, greift angesichts der erforderlichen engen Anforderungen daher nur dann, wenn der vom Sinn und Zweck der Vorschrift allein missbilligte Eindruck eines hoheitlichen Symbols erweckt wird (BPatG GRUR 2009, 495 (Ls) - Flaggenball). Letztlich kommt es deshalb maßgeblich darauf an, ob das jeweilige Gebilde den Eindruck eines hoheitlichen Bezugs (z. B. einer staatlichen Prüfung, Empfehlung) erweckt oder ob es sich lediglich auf eine rein dekorative Verwendung ohne Hinweis auf offizielle Legitimationen beschränkt (BPatG, GRUR 2005, 679 (681) - Bundesfarben; LG Hamburg GRUR 1990, 196 (197) - BP CARD; vgl. Ströbele/Hacker MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rd. 644; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 8 Rd. 287). Aus diesem Grund ist auch im Rahmen von § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG zu prüfen, ob das beanspruchte Zeichen in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise geeignet ist, als Hoheitszeichen in Erscheinungen zu treten (vgl. BPatGE 30, 233, 235 - Verkleinertes Wappen; BPatG GRUR 2009, 495, 496 - Flaggenball; vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rd. 644; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl., § 8 Rd. 287).

27

Im Hinblick auf die hier begehrten Waren der Klasse 16 zählen zum angesprochenen Verkehr sowohl Fachkreise als auch Endverbraucher. Dabei ist auf das Verständnis eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen (EuGH, GRUR Int. 1998, 795 Nr. 31) - Gut Springenheide). Die begehrten Dienstleistungen der Klasse 35 richten sich vorwiegend an gewerblich tätige Unternehmen.

28

Unter Berücksichtigung des Gesamteindrucks, den die begehrte Abbildung beim angesprochenen Verkehr hervorruft, greift das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG nicht durch, da die Anmeldung in ihrer Gesamtheit dem Publikum nicht als Marke gegenübertritt, die durch die Wiedergabe von Staatsflaggensymbolen einen Eindruck von Hoheitlichkeit hervorruft. Gegen den Eindruck von Hoheitlichkeit spricht zum Einen, dass das Zeichen neben anderen Elementen aus der Kombination mehrerer verschiedener nationaler Symbole besteht, so dass eine Zuordnung zu einem einzigen Hoheitsträger nicht mehr möglich ist, sondern lediglich ein Eindruck von Internationalität mit rein dekorativem Charakter entsteht (vgl. ebenso: BPatG GRUR 2009, 495, 496 - Flaggenball). Durch diese Art der Darstellung kann das einzelne nationale Symbol für den Betrachter in einer Vielzahl anderer untergehen, so dass ein konkreter nationaler hoheitlicher Bezug oder mehrere rein nationale und hoheitliche Bezüge des Zeichens nicht mehr erkennbar sind. Dies gilt vorliegend vor allem im Hinblick auf die Anbringung der Flaggen auf einem Strandkorb, der keinen hoheitlichen Bezug nahelegt, sondern die Flaggen als verzierendes, dekoratives Element eines Möbelstücks erscheinen lässt, das weder ein hoheitliches Symbol verkörpert noch einen sonstigen Bezug zu einem staatlichen Organ vermittelt. Vielmehr erinnert ein Strandkorb an Freizeit und Urlaub, die regelmäßig nicht mit staatlichen Legitimationen o. ä. verbunden sind. Gerade an Stränden oder sonstigen Touristenorten ist der Gebrauch von Kombinationen von Wimpeln und Fähnchen auch mit Nationalfarben gang und gäbe, ohne dass sie deshalb vom Verkehr als hoheitliche Symbole aufgefasst würden.

29

Auch der Umstand, dass das Zeichen den G8-Strandkorb, in dem die Staats- und Regierungschefs der G8-Länder für ein Foto posiert haben, abbildet, gibt diesem noch keine hoheitliche, sondern allenfalls eine historisch-politische Bedeutung. In der Gesamtheit wird der Verkehr die abgebildeten Flaggen daher als rein schmückendes Dekor an einem Strandkorb wahrnehmen, das der Abbildung ein internationales Ambiente verschafft und an den G8-Gipfel im Juni 2007 erinnert, ohne dem Zeichen eine hoheitliche Würde oder einen Hinweis auf eine Staatsgewalt zu verleihen.

30

b) Es liegt auch kein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG durch die Abbildung der Europaflagge vor.

31

§ 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG schützt u. a. Kennzeichen internationaler zwischenstaatlicher Organisationen, die nach einer Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz im Bundesgesetzblatt von der Eintragung als Marke ausgeschlossen sind. Bei der Europaflagge handelt es sich um ein solches Kennzeichen. Die Bekanntmachung ist am 29. Oktober 1979 (BGBl. 1979 I S. 1800) erfolgt.

32

Ein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG liegt vor, wenn eines der dort genannten Zeichen identisch übernommen wird oder wenn die Marke gem. § 8 Abs. 4 S. 1 MarkenG eine Nachahmung des Zeichens enthält. Mit § 8 Abs. 2 Nr. 8, Abs. 4 S. 1 MarkenG wird die völkervertragsrechtliche Bestimmung des Art. 6ter Abs. 1 lit. b der Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ) in deutsches Recht umgesetzt (EuG GRUR 2004, 773 - ECA; EuG GRUR Int. 2013, 250 - EUROPEAN DRIVESHAFT SERVICES).

33

Nach § 8 Abs. 4 S. 4 MarkenG ist § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG indes nicht anzuwenden, wenn die angemeldete Marke nicht geeignet ist, beim Publikum den unzutreffenden Eindruck einer Verbindung mit einer zwischenstaatlichen Organisation hervorzurufen.

34

Selbst bei isolierter, von den begehrten Waren und Dienstleistungen losgelöster Betrachtung des begehrten Zeichens besteht, wie oben unter Ziff. II 2a dargelegt, nicht der Eindruck einer Verbindung zu einem Hoheitsträger, da die Europaflagge lediglich ein dekorativer Bestandteil des mit verschiedenen Flaggen verzierten Strandkorbes ist. Dies gilt auch, wenn man das Zeichen in Zusammenhang mit den noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen der Klassen 16 und 35 beurteilt, da die Darstellung des mit Flaggen verzierten G8-Strandkorbes auch für diese Waren und Dienstleistungen keinen hoheitlichen Bezug zur EU erkennen lässt.

3.

35

Es liegt auch kein Verstoß gegen das Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG vor.

36

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass § 8 Abs. 2 Nr. 6 und Nr. 8, Abs. 4 MarkenG spezielle Regelungen für die Eintragung von Hoheitszeichen enthalten. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände, an denen es vorliegend fehlt, stellt die Abbildung eines Hoheitssymbols daher keinen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung dar (BGH GRUR 2003, 705 (706) - Euro-Billy).

4.

37

Es liegt auch kein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vor.

38

a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können.

39

Bei der Auslegung der absoluten Eintragungshindernisse ist nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 3 Abs. 1 der MarkenRL das Allgemeininteresse, das der Regelung zugrunde liegt, zu berücksichtigen (EuGH GRUR 2008, 608 (Nr. 66) - EUROHYPO m. w. N.). Die auf Art. 3 Abs. 1 lit. c der MarkenRL zurückzuführende Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, sämtliche Zeichen oder Angaben, die geeignet sind, Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beschreiben, frei zu halten (EuGH GRUR 2008, 503 (Nr. 22, 23) - ADIDAS II; EuGH MarkenR 2012, 147 (Nr. 32) - NAI - Der-Natur-Aktien-Index). Es gibt nämlich - insbesondere im Hinblick auf die Notwendigkeit eines unverfälschten Wettbewerbs - Erwägungen des Allgemeininteresses, die es ratsam erscheinen lassen, dass bestimmte Zeichen von allen Wettbewerbern frei verwendet werden können. Solche Zeichen oder Angaben dürfen deshalb nicht aufgrund einer Eintragung nur für ein Unternehmen monopolisiert werden (vgl. EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 25) - Chiemsee; EuGH GRUR 2004, 146 (Nr. 31) - DOUBLEMINT; EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 54, 56) - Postkantoor; EuGH GRUR 2004, 680 (Nr. 35 - 36) - BIOMILD; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rd. 265 m. w. N.).

40

b) Auf der Grundlage dieser Vorgaben ist das begehrte Zeichen für die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs nicht beschreibend im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

41

Selbst wenn der Verkehr das abgebildete Bildzeichen als sogenannten G8-Standkorb erkennen sollte, was wegen des lange Zeit zurückliegenden Ereignisses kaum mehr zu erwarten ist, handelt es sich nicht um eine Abbildung der Waren der Klasse 16, da Verpackungsbeutel, -hüllen, -taschen aus Papier oder Kunststoff, Verpackungsmaterial aus Karton, Verpackungsmaterial aus Stärke oder Verpackungspapier nicht die Form eines Strandkorbes haben. Auch sonstige Merkmale dieser Waren werden durch die Abbildung eines Strandkorbes nicht beschrieben.

42

Auch die in Klasse 35 noch verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit Werbung und Öffentlichkeitsarbeit stehen, werden durch das begehrte Bildzeichen nicht beschrieben, da ein Strandkorb weder über die Art und Weise der Erbringung noch über das Bezugsobjekt oder den Erbringer der Dienstleistung eine Aussage beinhaltet.

43

Entgegen der Ansicht der Markenstelle kann das Bildzeichen insbesondere nicht deshalb als Merkmalsbeschreibung angesehen werden, weil nicht ausgeschlossen ist, dass die Werbedienstleistungen „unter Verwendung der als Marke angemeldeten Wiedergabe eines G8-Strandkorbes erbracht werden“. Mit einer derartigen Begründung wäre nämlich jegliche markenmäßige Verwendung von Bildzeichen zur Kennzeichnung von Dienstleistungen unmöglich. Auch ein Bildzeichen ist jedoch erst dann zur Beschreibung einer Dienstleistung geeignet, wenn ein Merkmal der Dienstleistung durch die Abbildung beschrieben wird (EuG GRUR-Prax 2010, 336 - Pferdebild). Das ist vorliegend indes - wie dargelegt - nicht der Fall.

5.

44

Dem begehrten Bildzeichen fehlt im Hinblick auf die noch verfahrensgegenständlichen Waren der Klasse 16 und die Dienstleistungen der Klassen 35 auch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

45

Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR Int. 2005, 135 (Nr. 29) - Maglite; EuGH GRUR 2004, 428 (Nr. 30) – Henkel; BGH GRUR 2012, 270 (Nr. 8) - Link economy). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist im Hinblick auf jede der Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet ist, zu beurteilen, wobei es auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise ankommt (EuGH GRUR Int. 2005, 135 (Nr. 19) - Maglite; BGH GRUR 2009, 411 (Nr. 8) - STREETBALL). Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2005, 1042, 1043 (Nr. 23, 24) - Thomson LIFE; EuGH GRUR 2004, 943 (944 Nr. 23) - SAT.2; BGH GRUR 2008, 710 (Nr. 12) - VISAGE; BGH GRUR 2012, 270 (Nr. 8) - Link economy; BGH IZB 68/11 - Deutschlands schönste Seiten), denn der Verbraucher kann erwarten, dass die Herstellung der mit der Marke gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens erfolgt ist. Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen. Darüber hinausgehend fehlt die Eignung, Waren oder Dienstleistungen ihrer Herkunft nach zu unterscheiden, auch solchen Angaben, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH GRUR 2006, 850 (Nr. 17) - FUSSBALL WM 2006).

46

Der Anmeldung fehlt in Bezug auf die noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen nicht die Unterscheidungskraft, da es sich weder um eine unmittelbar beschreibende Angabe handelt noch ein enger beschreibender Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird. Bei dem vorliegenden Bildzeichen handelt es sich auch nicht um ein gebräuchliches Zeichen.

47

Insbesondere kann der bildlichen Wiedergabe von Kunstwerken oder sonstigen bekannten Abbildungen nicht grundsätzlich jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Allerdings kann die Wahrnehmung als betrieblicher Herkunftshinweis völlig zurücktreten, wenn der Verkehr an die Verwendung einer Abbildung als bloß dekoratives Werbemotiv gewöhnt ist (vgl. BGH GRUR Int. 2012, 666 (Nr. 24) - Medusa; BPatG GRUR 1998, 1021 (1022) - Mona Lisa; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rd. 202; ähnlich: Fuchs-Wissemann, HK-MarkenR 2. Aufl., § 8 Rd. 27; Ingerl/Rohnke, 3. Aufl., § 8 Rd. 175). Auch wenn zumindest noch geringe Teile des Verkehrs Ursprung und Hintergrund des G8-Strandkorbes erkennen würden, gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Verwendung dieses Zeichens in Zusammenhang mit der Vermarktung der noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen als Werbemotiv oder in sonstiger Weise üblich wäre.

48

Selbst wenn man den G8-Strandkorb als bedeutendes Kulturgut der Allgemeinheit ansehen würde, wäre dies allein kein Grund, den Markenschutz zu versagen, auch wenn dadurch bedeutende Kulturgüter der Allgemeinheit einer markenrechtlichen Monopolisierung zugänglich werden (vgl. BGH GRUR 2012, 1044 (1047) - Neuschwanstein; BGH GRUR Int. 2012, 666 (667) - Medusa; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rd. 201). Liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht vor, so kann einer Marke nämlich nicht allein wegen eines allgemeinen, von den tatbestandlichen Voraussetzungen dieses Paragraphen losgelösten Freihaltebedürfnisses der Schutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 MarkenG versagt werden (BGH GRUR 2012, 1044 (1047) - Neuschwanstein; BPatG GRUR-RR 2013, 17 (18) - Domfront; Assaf, Der Markenschutz und seine kulturelle Bedeutung, GRUR Int. 2009, 1 (3, 4) ; a. A. Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in den Schlussanträgen vom 8.9.2005, C-361/04 (Nr. 68) - PICARO/PICASSO; Slg. 2005, I-645, 659; OLG Dresden OLGR Dresden 2001, 18 (Ls) - Johann-Sebastian Bach). Ein etwaiges Interesse der Allgemeinheit an der freien Verfügbarkeit als kulturelles Erbe für jedermann, darf insoweit nicht zu erhöhten Anforderungen an die Unterscheidungskraft führen, da dies den Markenschutz in unbilliger Weise einschränken würde. Allein der Umstand, dass es sich bei der Abbildung des G8-Strandkorbes um ein Zeichen handelt, das eine besondere historisch-politische Bedeutung haben kann, rechtfertigt daher nicht seine Zurückweisung.