Entscheidungsdatum: 07.04.2011
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 306 77 024
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 7. April 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Bayer
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Juni 2009 wird aufgehoben und die Sache an das DPMA zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
I.
Der Antragsteller beantragte mit Eingabe vom 11. Oktober 2007 die Löschung der am 13. Juli 2007 eingetragenen Marke 306 77 024
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da sie entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden sei.
Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Löschungsantrag mit Beschluss vom 19. Juni 2009 zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde nur vom Vorsitzenden und einem weiteren Mitglied der Markenabteilung unterschrieben. Unter dem Namen des dritten Mitglieds hat der Vorsitzende handschriftlich vermerkt „wg Abwesenheit an der Unterschrift verhindert“ und diesen Vermerk ebenfalls unterzeichnet.
Der Löschungsantragsteller, dem der Beschluss am 17. Juli 2009 zugestellt wurde, hat dagegen am 17. August 2009 Beschwerde eingelegt.
Der Senat hat mit Schreiben vom 17. Januar 2011 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die angefochtene Entscheidung der Markenabteilung aufzuheben und die Sache an das DPMA zurückzuverweisen, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Das Verfahren leide an einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG. Die Ersetzung der Unterschrift bei Entscheidungen der Markenabteilung sei nur in den Fällen unproblematisch, in denen eine Anhörung nach § 60 Abs. 1 Satz 2 MarkenG unter Mitwirkung der erforderlichen Mindestzahl von drei Mitgliedern stattgefunden habe und die Entscheidung unmittelbar im Anschluss an die Entscheidung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 MarkenG verkündet worden sei. Vorliegend habe weder eine Anhörung stattgefunden noch sei aus dem Akteninhalt ersichtlich, dass eine Beratung und Beschlussfassung unter Mitwirkung von drei Mitgliedern der Markenabteilung stattgefunden habe. Es bestehe bei der vorliegenden Aktenlage auch die Möglichkeit, dass die angefochtene Entscheidung nur von zwei Mitgliedern getroffen worden sei. Schließlich sei auch der Ersetzungsvermerk unter dem dritten Namen mangelhaft, da der eigentliche Grund der Verhinderung nicht angegeben worden sei. Der bloße Hinweis auf Abwesenheit sei nicht ausreichend konkret.
Die Beteiligten haben sich zu diesem Schreiben nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. Juni 2009, mit dem der Löschungsantrag zurückgewiesen wurde, wird aufgehoben und die Sache an das DPMA zurückverwiesen, da das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet (§ 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG).
Über einen Löschungsantrag gemäß §§ 54, 50 MarkenG entscheidet die Markenabteilung in der Besetzung mit mindestens drei Mitgliedern des Patentamts (§ 56 Abs. 3 MarkenG). Die Löschungsbeschlüsse der Markenabteilung müssen von den Mitgliedern, die den Beschluss erlassen haben, unterschrieben werden (Kirschneck in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl. § 61 Rdn. 3, Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl. § 61 Rdn. 3). Zwar ist streitig, ob bei einem Beschluss eines Kollegialgerichts die bloße Unterschrift des Vorsitzenden und des Berichterstatters genügt (Reichhold in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl. § 329 Rdn. 11; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 329 Rdn. 36), oder ob alle, die an der Entscheidung mitgewirkt haben, unterschreiben müssen (Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 69. Aufl., § 329 Rdn. 8; MünchKommZPO/Musielak, 3. Aufl. § 329 Rdn 3; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 329 Rdn. 17), jedoch muss in jedem Fall deutlich gemacht sein, dass es sich um einen Beschluss eines Kollegiums handelt (Reichhold in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl. § 329 Rdn. 11). Der Senat hält bei Löschungsbeschlüssen grundsätzlich die Unterschriften aller an der Entscheidung beteiligten Mitglieder der Markenabteilung für eine Wirksamkeit des Beschlusses für erforderlich, um klar zu machen, dass es sich nicht mehr nur um einen Entwurf gehandelt hat und wer die Entscheidung getroffen hat. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Unterschriften des Vorsitzenden und des Berichterstatters bei einem Beschluss eines Kollegiums ausreichend sein können, so wäre im vorliegenden Fall selbst dann die Unterschrift des dritten Mitglieds der Markenabteilung nicht entbehrlich, da aus dem vorliegenden Beschluss nicht eindeutig hervorgeht, wer die Entscheidung getroffen hat.
Weder aus dem Beschluss noch aus dem übrigen Akteninhalt ist ersichtlich, dass der angefochtene Beschluss von drei Mitgliedern der Markenabteilung erlassen wurde. Das Rubrum des Beschlusses enthält keinen Passus dahingehend, dass die angefochtene Entscheidung von drei Mitgliedern des Patentamts getroffen wurde. Die in der Unterschriftszeile des Beschlusses genannten Mitglieder der Markentabteilung stimmen zwar mit den auf einem Vorblatt der Akte aufgeführten Angaben der bestimmten Berichterstatter I und II überein. Auch ist ein Beratungstermin vom Donnerstag, den 12. Juni 2008, 10 Uhr erwähnt. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass die angefochtene Entscheidung in diesem Termin getroffen wurde. Davon ist um so weniger auszugehen, als der Beschluss erst vom 19. Juni 2009 datiert ist, also ein Datum, das etwa ein Jahr später liegt.
Die Ersetzung der fehlenden Unterschrift durch den Vorsitzenden war nicht wirksam. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall, in dem die Ersetzung der Unterschrift bei einer von der Patentabteilung ohne mündliche Verhandlung getroffenen Entscheidung als möglich angesehen wurde (vgl. BGH, NJW-RR 1994, 1406), steht im vorliegenden Fall nicht fest, dass der angefochtene Löschungsbeschluss von den drei Mitgliedern der Markenabteilung als verfahrensbeendende Entscheidung gewollt war. Hinzu kommt, dass auch der Vermerk der Ersetzung der Unterschrift nicht konkret den Grund erkennen lässt, weshalb die Unterschrift ersetzt wurde, da als Grund der Verhinderung lediglich „Abwesenheit“ angegeben wurde. Dies ist nicht ausreichend (vgl. Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 28. Aufl. § 315 Rdn. 1).
Da die Ersetzung der Unterschrift in dem angefochtenen Beschluss unwirksam ist, kann vorliegend nur von einem Beschluss ausgegangen werden, der lediglich von zwei Mitgliedern unterzeichnet wurde und bei dem zudem nicht erkennbar ist, ob er - wie erforderlich - von drei Mitgliedern der Markenabteilung getroffen wurde. Zwar mag die Ersetzung der Unterschrift möglicherweise noch erkennen lassen, dass damit eine abschließende Entscheidung gewollt war, jedoch bringt der Beschluss nicht hinreichend zum Ausdruck, wer an der Entscheidung beteiligt war.
Nachdem das Verfahren somit an einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG leidet, wird die Entscheidung aufgehoben und die Sache an das DPMA zurückverwiesen.
Die Zurückverweisung steht im Ermessen des Gerichts. Im Einzelfall ist abzuwägen zwischen dem Interesse an einer erneuten Befassung des DPMA mit der Sache einerseits und der Verfahrensbeschleunigung andererseits (Knoll in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl. § 70 Rdn. 5). Nachdem durch die fehlende Unterschrift eines Mitglieds der Markenabteilung bzw. der fehlerhaften Ersetzung dieser Unterschrift durch den Vorsitzenden der Markenabteilung an der Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses zumindest erhebliche Zweifel bestehen und jedenfalls nicht von einer Entscheidung ausgegangen werden kann, die von - wie erforderlich - drei Mitgliedern getroffen worden ist, besteht ein erhebliches Interesse daran, dass die Markenabteilung sich erneut mit dem Löschungsantrag befasst, um zu einer in zutreffender Besetzung getroffenen Entscheidung zu gelangen. Das Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung in der Weise, dass der Senat sachlich über die Frage der Löschung wegen Bösgläubigkeit entscheidet, ist demgegenüber geringer einzustufen. Ohnehin ist zumindest zweifelhaft, ob überhaupt ein wirksamer Beschluss vorliegt, der dem Senat die Möglichkeit einer Entscheidung in der Sache eröffnet. Selbst wenn man von einem wirksamen Beschluss und nicht nur von einem Entwurf oder nichtigen Beschluss ausginge, würde jedenfalls eine (zuständige) Instanz übergangen. Die Beteiligten haben zu dem Schreiben des Senats vom 17. Januar 2011 zudem nicht Stellung genommen, so dass Gründe, die gegen eine Zurückverweisung sprechen könnten, vorliegend nicht erkennbar sind.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG angeordnet, da dies der Billigkeit entspricht. Der Beschwerdeführer war gezwungen, Beschwerde einzulegen, ohne dass er wegen der fehlenden bzw. fehlerhaft ersetzten Unterschrift eines Mitglieds der Markenabteilung zu einer Entscheidung in der Sache gelangen konnte.