Entscheidungsdatum: 18.02.2010
In der Beschwerdesache
…
betreffend die IR-Marke 666 155
(hier: Schutzentziehungsverfahren SB 402/08)
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 18. Februar 2010 unter Mitwirkung der Richterin Winter als Vorsitzende, des Richters Schell und der Richterin Hartlieb
beschlossen:
Auf die Beschwerde der IR-Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 1. Juli 2009, mit der der IR-Marke 666 155 der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland entzogen wurde, aufgehoben.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
I.
Der unter der Nummer 666 155 für
„Veterinary preparations, ie. animal washes“
international registrierten Marke
MALASEB
ist der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland bewilligt worden.
Gegen die Eintragung der Marke hat die Antragstellerin beim Deutschen Patent- und Markenamt Antrag auf Schutzentziehung wegen Verfalls nach §§ 115, 49, 53 MarkenG gestellt.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Mitteilung vom 26. August 2008 - mit welcher sie die IR-Markeninhaberin über den Antrag unterrichtet und zur Mitteilung innerhalb von zwei Monaten aufgefordert hat, ob sie der Schutzrechtsentziehung widerspreche - an die IR-Markeninhaberin mittels Zustellung durch Aufgabe zur Post übersandt. Ausweislich der Amtsakten und eines Vermerks des Dokumentenversands des Deutschen Patent- und Markenamtes wurde das Schriftstück am 1. September 2008 zum Zweck der Zustellung zur Post gegeben. Nachdem die IR-Markeninhaberin dem Antrag nicht widersprochen hat, hat die Markenabteilung mit Beschluss vom 1. Juli 2009 die Schutzentziehung verfügt.
Die IR-Markeninhaberin hat hiergegen Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, sie habe die Unterrichtung zum Antrag auf Schutzentziehung nie erhalten und habe erstmals durch die Zustellung des Beschlusses über die Schutzentziehung Kenntnis vom Verfahren erhalten. Die Voraussetzungen für eine Zustellung gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 MarkenG ins Ausland hätten nicht vorgelegen, da die Notwendigkeit zur Bestellung eines Inlandsvertreters nicht erkennbar gewesen sei. Jedenfalls die Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags habe nicht in dieser Form erfolgen dürfen. Die Bestellung eines Inlandsvertreters sei zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig gewesen. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ergebe sich aus der fehlerhaften Sachbehandlung durch die Markenabteilung.
Die IR-Markeninhaberin beantragt,
den Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 1. Juli 2009 aufzuheben sowie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Darüber hinaus widerspricht sie dem Schutzentziehungsantrag.
Die Antragstellerin hat um Überprüfung gebeten, ob die Zustellung mittels Aufgabe zur Post vom 1. September 2008 der einzige Zustellungsversuch an die IR-Markeninhaberin gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der IR-Markeninhaberin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da die markenregisterrechtlichen Voraussetzungen für eine Schutzentziehung der angegriffenen Marke wegen Verfalls gemäß §§ 115, 107, 49, 53 Abs. 3 MarkenG nicht vorliegen.
Nach § 53 Abs. 3 MarkenG wird eine Eintragung aufgrund eines Antrages auf Löschung wegen Verfalls (§ 49 MarkenG) gelöscht, wenn der Inhaber der Marke nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Mitteilung des Patentamtes gemäß § 53 Abs. 2 MarkenG der Löschung widerspricht.
Einen solchen Widerspruch hat die IR-Markeninhaberin nunmehr mit der Beschwerdeschrift vom 31. Juli 2009 eingereicht. Es fehlte aber bereits an der wirksamen Zustellung der Mitteilung des Patentamts über den Löschungsantrag an die IR-Markeninhaberin, so dass eine Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden ist.
Der Zustellungsversuch des Amtes durch Aufgabe zur Post am 1. September 2008 war nicht von § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG (a. F. v. 21.6.2006 gültig bis 30.9.2009) gedeckt. Nach dieser Vorschrift kann an Empfänger, die sich im Ausland aufhalten und die keinen Inlandsvertreter (§ 96 MarkenG) bestellt haben, auch durch Aufgabe zur Post zugestellt werden, soweit für den Empfänger die Notwendigkeit zur Bestellung eines Inlandsvertreters im Zeitpunkt der zu bewirkenden Zustellung erkennbar war. Diese Voraussetzung trifft auf die IR-Markeninhaberin nicht zu.
Zwar kann nach § 96 Abs. 1 MarkenG ein Markeninhaber, der im Inland weder einen Wohnsitz, Sitz noch eine Niederlassung hat, an einem in MarkenG geregelten Verfahren vor dem Patentamt nur teilnehmen und die Rechte aus einer Marke geltend machen, wenn er im Inland einen Vertreter (Rechts- oder Patentanwalt) bestellt hat, der zur Vertretung im Verfahren vor dem Patentamt bevollmächtigt ist.
Von einer „Teilnahme“ am Verfahren im Sinne von § 96 Abs. 1 MarkenG kann jedoch nur die Rede sein, wenn ein Rechtsverkehr mit dem Auswärtigen stattfindet, der durch einen Inlandsvertreter erleichtert werden kann (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG, 9. Aufl. § 96 Rdn. 1, 7). Der bloße Besitz eines Markenrechts begründet jedoch noch kein Verfahren (mit dem DPMA), an dem der Markeninhaber i. S. v. § 96 Abs. 1 (ständig) teilnimmt. Insoweit bedarf der auswärtige Inhaber einer im Inland geschützten Marke nicht ständig eines Inlandsvertreters, an den mögliche Löschungs- oder Schutzentziehungsanträge Dritter zugestellt werden könnten, zumal es sich dabei nach Abschluss des Markeneintragungsverfahrens um eher seltene Zustellungsfälle handelt (vgl. BGH GRUR 1993, 476, 477 f. - Zustellungswesen; Ströbele/Hacker a. a. O. § 96 Rdn. 9, 26).
Die Notwendigkeit einer Vertreterbestellung aufgrund des Eingangs des vorliegenden Antrags auf Schutzentziehung war für die Antragsgegnerin im Zeitpunkt der zu bewirkenden Zustellung nicht erkennbar. Weitere Zustellungsversuche sind nicht erfolgt.
Mangels wirksamer Zustellung konnte die Frist zur Einlegung des Widerspruches gegen den Antrag auf Schutzentziehung wegen Verfalls nicht in Lauf gesetzt werden, so dass die Voraussetzungen für eine Schutzentziehung entgegen der Feststellung der Markenabteilung vom 1. Juli 2009 nicht vorgelegen haben. Der Beschluss war deshalb aufzuheben, wobei der Senat eine weitere Zustellung für entbehrlich hält, nachdem die IR-Markeninhaberin in der Beschwerdeschrift ihren Widerspruch gegen den Antrag erklärt hat, so dass gemäß § 53 Abs. 4 MarkenG die Antragstellerin zu informieren und auf den Klageweg nach § 55 MarkenG zu verweisen ist.
Die Entscheidung über die Rückzahlung der Beschwerdegebühr beruht auf § 71 Abs. 3 MarkenG. Angesichts der fehlerhaften Sachbehandlung durch die Markenabteilung, die eine wirksame Zustellung nicht vorgenommen und damit ohne rechtliches Gehör der Antragsgegnerin eine Entscheidung zu ihren Lasten über den Bestand ihres inländischen Markenrechts getroffen hat, gegen die sich die Antragsgegnerin zur Wahrung ihrer Rechte nur im Wege der Beschwerde verteidigen konnte, entspricht es der Billigkeit, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Eine weitergehende Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 MarkenG).