Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 10.05.2012


BPatG 10.05.2012 - 30 W (pat) 88/10

Markenbeschwerdeverfahren – "GerontoCare Ambulante geronto-psychiatrische Pflege Südbrookmerland" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
10.05.2012
Aktenzeichen:
30 W (pat) 88/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 030 214.6

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 10. Mai 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters am Amtsgericht Backes

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wortfolge

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GerontoCare Ambulante geronto-psychiatrische Pflege Südbrookmerland

3

ist als Marke für die Dienstleistungen

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„Klasse 43: Dienstleistungen zur Verpflegung von Gästen in Seniorenheimen, Pflegeheimen und Tagespflegeeinrichtungen; Catering;

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Klasse 44: Ambulante Pflegedienstleistungen; Betrieb von Pflegeheimen; ärztliche, psychiatrische, pflegerische und psychologische Versorgung, insbesondere von Senioren“

6

zur Eintragung in das Register angemeldet.

7

Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen vom 29. April 2010 und vom 19. August 2010 - letzterer ist im Erinnerungsverfahren ergangen - zurückgewiesen, weil die beanspruchte Marke jeder Unterscheidungskraft entbehre und als beschreibende Angabe einem Freihaltebedürfnis unterliege. Die Wortfolge „GerontoCare Ambulante geronto-psychiatrische Pflege Südbrookmerland“ erschöpfe sich in einer Zusammenstellung gängiger und auch im Deutschen geläufiger englischer und deutscher Begriffe, die die beanspruchten Dienstleistungen im Sinne einer ambulanten Betreuung für ältere Menschen beschrieben. Diese Leistung könne auch in der Gemeinde Südbrookmerland grundsätzlich von jedem erbracht werden. Die Marke sei deshalb auch mit der geographischen Herkunftsangabe nicht schutzfähig.

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Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Der Bedeutungsgehalt der Marke sei unscharf und interpretationsbedürftig. Im Übrigen rügt sie - wie schon im Verfahren vor der Markenstelle - die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Hinblick auf mehrere ihrer Ansicht nach vergleichbare Marken, die zur Eintragung gelangt seien. Insoweit hätte es der Einbeziehung und argumentativen Auswertung aller genannten vergleichbaren Voreintragungen bedurft.

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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

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die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

12

Die Beschwerde des Anmelders ist gemäß § 66 MarkenG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die Markenstelle hat die Anmeldung im Ergebnis zu Recht wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

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Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Nr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Nr. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Nr. 18  - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Nr. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Nr. 27 - BioID; EuGH a. a. O. Nr. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Nr. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Nr. 10 - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Nr. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 Nr. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 f. Nr. 10 - My World; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Nr. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Nr. 24 - SAT 2; BGH a. a. O. - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826 Nr. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; a. a. O. - FUSSBALL WM 2006).

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Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 Nr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953 Nr. 10 - DeutschlandCard; a. a. O. Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen auch solche Zeichen keine Unterscheidungskraft, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (BGH GRUR 2010, 1100, 1102 Nr. 23 - TOOOR!; a. a. O. Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

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Nach diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Marke nicht die erforderliche Unterscheidungskraft beigemessen werden. Der Zeichenbestandteil „Ambulante geronto-psychiatrische Pflege“ beschreibt unmittelbar den Inhalt und die Erbringungsweise der beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 44. Zu den Dienstleistungen der Klasse 43 besteht zumindest ein enger beschreibender Bezug. Der weitere Zeichenbestandteil „Südbrookmerland“ beschreibt das Gebiet, in dem diese Dienstleistungen erbracht werden.

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Aber auch der vorangestellte Zeichenbestandteil „GerontoCare“ vermag die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke nicht zu begründen. Er ist, wie auch durch die Binnengroßschreibung ersichtlich, aus den Bestandteilen „Geronto“ und „Care“ gebildet. „Geronto“ ist, wie von der Markenstelle zutreffend dargelegt und mit Beispielen untermauert, ein in Wortzusammensetzungen üblicher und sprachregelgerechter Hinweis auf das Fachgebiet der Gerontologie, also die Alternsforschung und die medizinische Lehre von den je nach Alter unterschiedlichen Krankheitsverläufen, und insoweit Bestandteil der deutschen Sprache (vgl. z. B. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 2006, S. 604). „Care“ ist das dem Verkehr bekannte englische Wort für „Pflege“. Demzufolge gibt auch „GerontoCare“ insgesamt lediglich einen beschreibenden Hinweis auf den Gegenstand der beanspruchten Dienstleistungen, nämlich die Altenpflege.

18

Allerdings ist anerkannt, dass auch dann, wenn der Verkehr den beschreibenden Sinngehalt eines Zeichens erkennt, die besondere Art der Wortbildung im Einzelfall die erforderliche Unterscheidungskraft begründen kann (vgl. z. B. BPatG GRUR 1997, 639, 640 - FERROBRAUSE; BPatG, 24 W (pat) 97/07 - Heliocare; 24 W (pat) 124/06 - derma fit; Senatsbeschl. v. 10. Mai 2012, 30 W (pat) 79/10 - lipoweg). Ob dies auch auf die Wortbildung „GerontoCare“ zutrifft, kann im vorliegenden Fall jedoch dahingestellt bleiben. Nach ständiger Rechtsprechung ist es zwar zulässig, im Rahmen der Schutzfähigkeitsprüfung zunächst die einzelnen Bestandteile eines Zeichens gesondert zu betrachten; die abschließende Beurteilung hat sich jedoch stets an dem Zeichen in seiner Gesamtheit zu orientieren. Insoweit ist es möglich, dass ein einzelner Bestandteil die Schutzfähigkeit des Gesamtzeichens begründet (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8 Rn. 24 m. w. N.). Wie jedoch der Europäische Gerichtshof klargestellt hat, kann aber auch umgekehrt ein für sich gesehen schutzfähiger Zeichenbestandteil, z. B. ein als solches nicht verständliches Akronym, diese Bedeutung verlieren, wenn das Zeichen dazuhin den beschreibenden Sinngehalt des isoliert gesehen schutzfähigen Bestandteils verdeutlicht (EuGH MarkenR 2012, 147, 149 [Nr. 29 ff.] - MMF/NAI).

19

Hiervon ausgehend kann der angemeldeten Marke auch und gerade in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht zuerkannt werden. Denn selbst wenn der Verkehr in „GerontoCare“ in Alleinstellung eine Marke erkennen könnte, wird dieser Eindruck durch die nachfolgende Erläuterung „Ambulante geronto-psychiatrische Pflege“ wieder beseitigt.

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Schließlich liegt auch der gerügte Verfahrensfehler nicht vor. Die Markenstelle war nicht gehalten, sich mit den beigebrachten Voreintragungen im Einzelnen auseinanderzusetzen (vgl. BGH GRUR 2012, 276, 277 [Nr. 18] - Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V. m. w. N.).

21

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.