Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 10.05.2012


BPatG 10.05.2012 - 30 W (pat) 79/10

Markenbeschwerdeverfahren – "lipoweg" – Unterscheidungskraft -


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
10.05.2012
Aktenzeichen:
30 W (pat) 79/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 041 205.7

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 10. Mai 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterin Winter und des Richters am Amtsgericht Backes

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Dezember 2009 und vom 21. Juli 2010 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung als Wortmarke in das Markenregister angemeldet worden ist die Bezeichnung

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lipoweg

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für die Dienstleistungen

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„Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen, auch online, nämlich in Bezug auf homöopathische Produkte, Kräutertees und Bücher; Werbung; Publikation von Zeitschriften und Büchern in elektronischer Form, auch im Internet; Unterricht; Ernährungsberatung; Gesundheitsberatung; homöopathische Behandlungen, soweit in Klasse 44 enthalten“.

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Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung in zwei Beschlüssen - einer davon ist im Erinnerungsverfahren ergangen - wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die Zusammensetzung aus dem Begriff „lipo“ (= griechisch „lipos“ für „Fett“), der als Bestandteil von Fachbegriffen verwendet werde, und dem Wort „weg“ werde der Verkehr sofort und ohne weiteres in der Bedeutung von „Fett weg“ verstehen. In dieser Bedeutung enthalte die angemeldete Marke lipoweg in Verbindung mit den beanspruchten Dienstleitungen lediglich eine beschreibende, sloganartige Angabe hinsichtlich ihrer Art und ihres inhaltlichen Gegenstands. Weder die konkrete Gestaltung noch etwa vergleichbare Voreintragungen seien geeignet, den Schutz zu begründen.

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Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Sie hält die angemeldete Bezeichnung wegen unscharfen Bedeutungsgehalts nicht für beschreibend. Im Übrigen hat sie auf Voreintragungen mit dem Bestandteil „lipo“ hingewiesen.

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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Dezember 2009 und vom 21. Juli 2010 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat auch in der Sache Erfolg. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG bestehen. Insbesondere kann der angemeldeten Bezeichnung nicht jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden.

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1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten (Waren und) Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Rn. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Rn. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard).

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Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rn. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 Rn. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 f. Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten (Waren oder) Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen (Waren oder) Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rn. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rn. 53 - Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).

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Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 Rn. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953 Rn. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten).

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Darüber hinaus ist die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Zeichen abzusprechen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855 Rn. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).

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2. Nach diesen Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung lipoweg über die erforderliche Unterscheidungskraft.

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Die Markenstelle ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die angemeldete Marke aus den Elementen „lipo“ und „weg“ zusammengesetzt ist und das aus dem Griechischen stammende Wortbildungselement „lipo“ im Deutschen „Fett“ bedeutet (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Auflage 2011, S. 1126) und der Bestandteil „weg“ ein anderes Wort für „nicht mehr vorhanden“ ist (vgl. Duden, a. a. O. S. 1978); in der Gesamtheit ist die Bedeutung der Marke mit „Fett weg“ daher auch zutreffend beurteilt worden.

18

Der angesprochene Verkehr, zu dem auch Fachkreise zählen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rn. - Matratzen Concord/Hukla), wird auch den jeweiligen Sinngehalt der beiden Wortbestandteile verstehen und insoweit einen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen herstellen. Dies allein reicht aber nicht aus, um der angemeldeten Bezeichnung die Schutzfähigkeit abzusprechen. Das Vorliegen des Schutzhindernisses bemisst sich nämlich nicht nur danach, ob etwaige Wortbestandteile für sich betrachtet unterscheidungskräftig sind; entscheidend ist vielmehr, ob dem durch die Verbindung der Bestandteile entstandenen Gesamtzeichen die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung fehlt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rn. 99 - Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 40 - BIOMILD; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 142). Insoweit ist anerkannt, dass ein beschreibender Sinngehalt eines Markenwortes im Einzelfall durch eine hinreichend fantasievolle Wortbildung so weit überlagert sein kann, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abzusprechen ist (vgl. z. B. BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH; BPatG GRUR 1997, 639, 640 - FERROBRAUSE; BPatG 32 W (pat) 50/05 - linguadict, 24 W (pat) 124/06 - derma fit, 24 W (pat) 95/07 - Heliocare, jeweils veröffentlicht auf der Internetseite des Gerichts). Dies ist vorliegend zu bejahen.

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Durch die ungewöhnliche Verbindung des Begriffs „lipo“ mit dem Wort „weg“ entsteht eine neuartige Wortkombination, die aus sich heraus originell und insoweit ohne Weiteres individualisierend wirkt. Da „lipo“ als Wortbildungselement der griechischen Sprache üblicherweise in fremdsprachigen bzw. fachsprachlichen Zusammensetzungen wie z. B. „Lipodystrophie, Lipogenese, Lipolyse, Lipoproteine, Liposom“ verwendet wird (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 2012, S. 1206 f.), ist die Verbindung mit dem deutschen, eher der Umgangssprache zuzurechnenden Wort „weg“ ungewöhnlich. Nach den Feststellungen des Senats wird „lipo“ nicht mit deutschen Wörtern verbunden, oder umgekehrt das deutsche Wort „weg“ mit fremdsprachigen Wortelementen; soweit es um Fettauflösung geht, ist in Beschreibungen entweder von „Lipolyse“ oder von „Fett weg“ die Rede, ohne dass die Begriffe herkunftssprachlich vermischt werden. Die Anmeldung lipoweg stellt eine neuartige Wortkombination dar, die aus sich heraus originell und insoweit ohne weiteres individualisierend wirkt. Es ist daher davon auszugehen, dass der ungewöhnliche sprachliche Gesamteindruck der angemeldeten Bezeichnung hinreichende Unterscheidungskraft verleiht.

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3. Im Hinblick auf ihre fantasievolle Wortbildung unterliegt die angemeldete Marke ungeachtet etwaiger beschreibender Anklänge auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

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4. Die Beschwerde hat daher Erfolg.