Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 10.06.2010


BPatG 10.06.2010 - 30 W (pat) 78/09

Markenbeschwerdeverfahren - "transparent grün (abstrakte Farbmarke)" - grafische Darstellbarkeit - Unterscheidungskraft - kein Freihaltungsbedürfnis


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
10.06.2010
Aktenzeichen:
30 W (pat) 78/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

…    

betreffend die Markenanmeldung 307 80 956.0

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 2010 unter Mitwirkung der Richterin Winter als Vorsitzende sowie der Richterin Hartlieb und des Richters Paetzold

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 16. Juni 2008 und 29. April 2009 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung für die Waren der Klassen 9 „Elektrische Schalter, insbesondere Schnappschalter, Miniaturschalter, Taster“ angemeldet als „sonstige Markenform“ ist die Farbe „transparent grün“ gemäß Darstellung in Anlage 1 zum Beschluss.

2

Die eingereichte Beschreibung der Farbmarke lautet:

3

„Die Marke bezieht sich auf die Gehäusefarbe der beanspruchten Schalter. Diese Farbe ist transparent grün und wird durch folgende Koordinaten

4
        

D 65./10°

A…/10°

TL84/10°

L       

90,79 

89,94 

90,47 

a       

-8,50 

-8,31 

-7,98 

b       

1,70   

-0,49 

1,21   

5

des Systems CIE L*a*b*, auch CIELAB genannt, festgelegt. Hinter der Abkürzung CIELAB steht die Commission International de l’Eclairage, welche die Farbidentifikationen mittels dreier Koordinaten definiert. Die einzelnen Spalten bezeichnen verschiedene Lichtquellen, z. B: D65 für tageslicht. Die Zeilen beschreiben die Lage auf den Farbachsen, L steht für hell (+) / dunkel (-), a für rot (+) / grün (-), b für gelb (+) / blau (-).“

6

Die Markenstelle hat die Anmeldung in zwei Beschlüssen vom 16. Juni 2008 und 29. April 2009, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen mangelnder grafischer Darstellbarkeit nach § 8 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die von der Anmelderin zur Beschreibung eingereichten Unterlagen den Anforderungen an die grafische Darstellbarkeit nicht genügten. Zum einen mache das verwendete Cielab-System mit der Angabe von Farbraumkoordinaten die beanspruchte Farbe nicht hinreichend verständlich und auch nur mit Hilfe eines besonderen Computerprogrammes zugänglich; zum anderen fehle es auch an einem eigenständigen Farbmuster, welches durch die eingereichte Abbildung eines Schnappschalters nicht ersetzt werden könne.

7

Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass die formellen Anforderungen jedenfalls mit den nun eingereichten Unterlagen - ein mit der angemeldeten Farbe eingefärbtes transparentes Kunststoffplättchen sowie vergrößerte Farbfotografie hiervon (Anlage 2 zum Beschluss) - erfüllt seien.

8

Bei CIELAB handele es sich um ein international anerkanntes und gebräuchliches Farb-System. Auch beim RAL-System müsse zur genauen Bestimmung der Farbe weitere Hilfe in Anspruch genommen werden, etwa durch Heranziehen von Farbtabellen etc.

9

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Anmelderin ihr Warenverzeichnis auf „Einbau-Miniaturschalter für die Verkehrstechnik und die Investitionsgüterindustrie“ eingeschränkt und meint, dass nun der angemeldeten Marke keine absoluten Eintragungshindernisse entgegenstünden. In dem begrenzten Warenbereich habe sich die Praxis entwickelt, die Schalter aufgrund ihrer unterschiedlichen Farbgebung voneinander zu unterscheiden, nachdem es wegen der sehr kleinen Bauform der Miniaturschalter kaum andere Möglichkeiten der Kennzeichnung gebe.

10

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 16. Juni 2008 und 29. April 2009 aufzuheben.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

13

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat auch in der Sache Erfolg. Das zur Eintragung angemeldeten Zeichen erfüllt die Anforderungen der grafischen Darstellbarkeit nach § 8 Abs. 1 MarkenG, und ihm ist die Eintragung für die beanspruchten Waren weder wegen fehlender Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch wegen Bestehens eines Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu versagen.

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1. Mit dem im Beschwerdeverfahren eingereichten Farbmuster hat die Anmelderin die erforderlichen Angaben zur grafischen Darstellbarkeit erfüllt. Zum einen hat sie sich zu Recht auf das CIELAB-Farbsystem gestützt, dessen internationale Anerkennung von ihr nachgewiesen wurde und von der Markenstelle auch nicht in Frage gestellt worden ist; sondern nur deren Verständlichkeit und leichte Zugänglichkeit. Insoweit dürfen allerdings auch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, zumal diese Probleme auch bei anderen Farbklassifikationssystemen auftreten können (vgl. Kirschneck in Ströbele/Hacker, MarkenG 9. Aufl. 2009, § 32 Rdn. 38 f. m. w. N.) und bei der Anmeldung auch nicht die darin angegebenen RAL-Nummern oder entsprechende Klassifizierungen bei „Pantone“ auf ihre Übereinstimmung mit dem nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 12 MarkenV einzureichendem Farbmuster geprüft werden; ohnehin wird dieses regelmäßig dazu dienen, die als Marke beanspruchte Farbe für die Prüfung im Eintragungsverfahren genau festzulegen (vgl. Kirschneck in Ströbele/Hacker, a. a. O. Rdn. 37 m. w. N.). Nachdem die Anmelderin nunmehr ein Farbmuster vorgelegt hat, dessen Nachreichung sich auch nicht auf die Priorität der Anmeldung auswirkt (vgl. Kirschneck a. a. O. Rdn. 37), bestehen keine weiteren Bedenken mehr gegen die grafische Darstellbarkeit der Marke.

15

2. Der Anmeldung kann nicht die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abgesprochen werden.

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Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Sie entspricht der Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, Nr. 27 f. - BioID; GRUR 2004, 674, Nr. 34 - POSTKANTOOR; BGH GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2006, 850, Rdn. 18 - FUSSBALL WM 2006).

17

Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer abstrakten Farbmarke ist zu berücksichtigen, dass der Verbraucher nicht daran gewöhnt ist, allein aus der Farbe von Waren oder ihrer Verpackung auf die Herkunft der Waren zu schließen. Nur unter besonderen Umständen besteht die Möglichkeit der Bejahung der Unterscheidungskraft einer Farbmarke, nämlich auf spezifischen, eng begrenzten Bereichen von Waren oder Dienstleistungen; nur auf einem spezifischen Markt kann eine Gewöhnung des Verkehrs an Farben als Kennzeichnungsmittel erfolgen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607 f. Nr. 65, 66 - Libertel; GRUR 2004, 858, 860 Nr. 39 - 42 - Heidelberger Bauchemie GmbH; GRUR Int. 2005, 227, 231 (Nr. 79) - Farbe Orange; BGH GRUR  2005, 427, 428 - Lila-Schokolade); dies hat der Bundesgerichtshof bestätigt ( BGH GRUR 2010, 637 Nr. 13  - Farbe gelb).

18

Vorliegend hat die Anmelderin dargelegt, dass die jetzt noch beanspruchten Waren einen sehr engen Handelsbereich betreffen, so dass von einem „spezifischen Markt“ mit besonderen Kennzeichnungsgewohnheiten ausgegangen werden kann.

19

Die Erzeugnisse für besondere Zwecke der Verkehrstechnik und Investitionsgüterindustrie stellen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH eine sehr beschränkte Zahl von Waren dar, nämlich die kleinste Baugröße von Schnappschaltern für die industrielle Anwendung. Unter diesen Umständen kann nach Auffassung des Senats von einer beschränkten Zahl von Waren und einem in sich abgeschlossenen spezifischen Marktsegment im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgegangen werden.

20

Darüber hinaus hat die Anmelderin ausführlich dargelegt, dass auf Grund der besonderen Umstände eines spezifischen Marktes, abweichend vom Regelfall, unter Berücksichtigung von Besonderheiten bei der Präsentation im Geschäftsverkehr, Farbkombinationen vom angesprochenen Verkehr als betrieblichen Herkunftshinweis bewertet werden.

21

Hierzu hat sie die Produktaufmachungen einer Reihe von Mitbewerbern im einzelnen aufgelistet und in ihrer Farbgebung gegenübergestellt. Dabei ergibt sich, dass zwar Schwarz- oder Beigetöne (Fa. K. , Fa. Ch. Electrical Products, Fa. H. Fa. C.) überwiegen, aber auch andere Farben wie blau (Fa. M.), braun, rot oder hellblau (Fa. C. , Fa. GE.) in Gebrauch sind, ohne dass aus dieser Farbgestaltung eindeutig ein technischer oder beschreibender Bezug, zum Beispiel als Baureihe, ersichtlich wäre. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass der Verkehr an die Verwendung von Farben zur betrieblichen Kennzeichnung gewöhnt worden ist. Aus diesem Farbspektrum fällt die vorliegend angemeldete Farbe deutlich heraus. Eine betriebliche Herkunftswirkung kann ihr damit nach der Rechtsprechung nicht abgesprochen werden.

22

3. Darüber hinaus besteht auch kein Anlass zur Annahme, dass die konkret angemeldete Farbe zur Bezeichnung von Merkmalen der beanspruchten Schnappschalter dienen könnte, die ein freie Verwendung im Allgemeininteresse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG geboten erscheinen ließe. Weder ergibt sich aus der Natur der Waren noch aus branchenspezifischen Gewohnheiten ein beschreibender Bezug. Auch kommt nach Auffassung des Senats kein Hinweis auf ein sonstiges Merkmal aus dem Umstand in Betracht, dass die Farbe „grün“ als Symbol für den ökologischen Bereich eingesetzt wird. Abgesehen davon, dass hier ein solcher Zusammenhang nicht ohne weiteres erkennbar ist (ökologische Materialien, geringer Stromverbrauch etc.?), kann nicht jede Grüntönung ohne weiteres mit dieser Symbolwirkung verbunden werden. Jedenfalls die vorliegend blassgrüne Farbe weicht so stark von den eher sattgrünen Farbgebungen ab, mit denen üblicherweise Hinweise auf ökologische Tatbestände signalisiert werden. Ein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG lässt sich daraus nicht ableiten.

23

4. Da sonstige Eintragungshindernisse nicht ersichtlich sind, war der Beschwerde der Anmelderin stattzugeben.

24

Anlage 1 zum Beschluss

25

30 W (pat) 78/09

Abbildung

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