Entscheidungsdatum: 02.08.2018
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2012 028 285
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 2. August 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 05 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. August 2016 aufgehoben, soweit die angegriffene Marke 30 2012 028 285 aufgrund des Widerspruchs aus der Unionsmarke 009 438 136 für die Waren
„Klasse 05: pharmazeutische Erzeugnisse“
gelöscht worden ist.
Der Widerspruch aus der Unionsmarke 009 438 136 wird auch insoweit zurückgewiesen.
I.
Die am 3. Mai 2012 angemeldete Wortmarke
VIGILA
ist am 30. Juli 2012 unter der Nummer 30 2012 028 285 für die Waren
„Klasse 05: pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke“
in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 31. August 2012.
Gegen die Eintragung ist am 30. November 2012 Widerspruch erhoben worden aus der am 27. September 2010 angemeldeten und am 11. Februar 2011 unter der Nummer 009 438 136 für die Waren
„Klasse 05: pharmazeutische Präparate“
eingetragenen Unions(wort)marke
VUBILA
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2014 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Nichtbenutzungseinrede erhoben und diese damit begründet, dass die Widerspruchsmarke eine Wiederholungsmarke der ebenfalls zugunsten der Widersprechenden für identische Waren eingetragenen Wortmarke „VUBILA“ (UM 004 105 276) sei. Für diese ältere Marke sei die Benutzungsschonfrist am 18. Januar 2011 abgelaufen. Anhaltspunkte für eine Benutzung seien nicht gegeben. Die Neuanmeldung der Widerspruchsmarke sei lediglich zur Umgehung des Benutzungszwangs erfolgt. Auf die Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke könne sich die Widersprechende in einem solchen Fall nicht berufen.
Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 05 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 29. August 2016 unter Zurückweisung des weitergehenden Widerspruchs die Teillöschung der angegriffenen Marke für die Waren „Klasse 05: pharmazeutische Erzeugnisse“ angeordnet, da zwischen den sich gegenüberstehenden Marken insoweit Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestehe.
Die mit Schreiben vom 7. Oktober 2014 seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke erhobene Einrede der Nichtbenutzung gegen die Widerspruchsmarke sei unzulässig, da sich die am 11. Februar 2011 in das Markenregister eingetragene Widerspruchsmarke zu diesem Zeitpunkt formell noch in der fünfjährigen Benutzungsschonfrist gemäß §§ 43 Abs. 1, 125b Nr. 4 MarkenG i. V. m. Art. 15 GMV befunden habe.
Eine abweichende Bestimmung der Benutzungsschonfrist ergebe sich entgegen der Auffassung der Markeninhaberin auch nicht daraus, dass es sich bei der Widerspruchsmarke offenbar um eine sog. Wiederholungsmarke zu der ebenfalls für die Widersprechende eingetragenen inhaltsgleichen Unions(wort)marke 004 105 276 „VUBILA“, deren Benutzungsschonfrist am 18. Januar 2011 abgelaufen sei, handele. Zwar seien grundsätzlich auch im patentamtlichen Widerspruchsverfahren sog. Wiederholungsmarken zu beachten mit der Folge, dass die Widerspruchsmarke als Wiederholungszeichen am Verfall der voreingetragenen Erstmarke teilnimmt, allerdings nur dann, wenn keine weiteren Tatsachen aufklärungsbedürftig seien.
Vorliegend sei jedoch aufklärungsbedürftig, ob die Widersprechende die Widerspruchsmarke rechtsmissbräuchlich angemeldet habe und/oder sich auf berechtigte Gründe der Nichtbenutzung berufen könne. Eine solche Aufklärung sei im patentamtlichen Widerspruchsverfahren nicht statthaft. Maßgebend sei daher vorliegend allein die Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke.
Nach Ablauf der danach allein maßgeblichen Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke am 11. Februar 2016 habe sich die Inhaberin der angegriffenen Marke in der Sache nicht mehr geäußert und insbesondere nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie die Benutzungseinrede ausdrücklich aufrechterhalte, so dass es an einer rechtswirksamen Benutzungseinrede fehle.
Ausgehend von der danach maßgeblichen Registerlage sowie einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke seien die Vergleichszeichen im Klang- und Schriftbild so angenähert, dass eine Verwechslungsgefahr im Rahmen der Gesamtabwägung jedenfalls im Bereich der Warenidentität nicht verneint werden könne. Dies betreffe vorliegend die von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren „Klasse 05: pharmazeutische Erzeugnisse“. In Bezug auf die übrigen von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren liege hingegen ein ausreichender Zeichenabstand vor.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. In ihrer mit Schriftsatz vom 15. Februar 2017 eingereichten Beschwerdebegründung hat sie unter Hinweis auf die am 11. Februar 2016 abgelaufene Benutzungsschonfrist die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke erneut bestritten.
Weiterhin macht sie geltend, dass mangels hinreichender Ähnlichkeit beider Zeichen die Gefahr von Verwechslungen auch insoweit ausgeschlossen sei, als sich beide Marken auf identischen Waren begegnen könnten.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 05 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. August 2016 aufzuheben, soweit darin die Teillöschung der angegriffenen Marke für die Waren „Klasse 05: pharmazeutische Erzeugnisse“ angeordnet worden ist.
Der Widersprechenden ist der Schriftsatz der Inhaberin der angegriffenen Marke vom 15. Februar 2017 gegen Empfangsbekenntnis übermittelt worden. Die Absendung durch die zuständige Geschäftsstelle erfolgte am 17. Februar 2017. Das vom Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden unterzeichnete, jedoch nicht mit einer Datumsangabe versehene Empfangsbekenntnis ging per Fax am 7. März 2017 beim Bundespatentgericht ein. Die Widersprechende hat sich zu diesem Schriftsatz nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt, insbesondere hat sie weder etwas zu einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke vorgetragen noch hierzu Unterlagen vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Die Widersprechende hat auf die nach Ablauf der sog. Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke am 11. Februar 2016 erstmals im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 15. Februar 2017 in zulässiger Weise erhobene Nichtbenutzungseinrede der Inhaberin der angegriffenen Marke eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 125 b Nr. 4 MarkenG i. V. m. Art. 18 UMV nicht glaubhaft gemacht.
Mit am 16. Februar 2017 beim Bundespatentgericht eingegangenem Schriftsatz vom 15. Februar 2017 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Dieses Bestreiten der Benutzung der Widerspruchsmarke ist gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 125 b Nr. 4 MarkenG zulässig, nachdem zum Zeitpunkt der Erhebung der Einrede die fünfjährige Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke, die mit der Eintragung am 11. Februar 2011 zu laufen begonnen hatte, bereits abgelaufen war.
Der Widersprechenden oblag es damit, eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Widerspruchsmarke in dem nach §§ 43 Abs. 1 Satz 2, 125 b Nr. 4 MarkenG maßgeblichen „wandernden“ Benutzungszeitraum, nämlich den letzten fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch - mithin für den Zeitraum August 2013 bis August 2018 - nach Art, Zeit, Ort und Umfang glaubhaft zu machen, wobei sich die Anforderungen an eine rechtserhaltende Benutzung bei der Widerspruchsmarke VUBILA als Unionsmarke nicht nach § 26 MarkenG, sondern nach Art. 18 UMV bestimmen. Dieser Obliegenheit zur Glaubhaftmachung ist die Widersprechende nicht nachgekommen. Weder hat die Widersprechende irgendetwas zur Benutzung der Widerspruchsmarke vorgetragen, erst recht nicht Unterlagen zur Glaubhaftmachung vorgelegt, noch hat sie eine Glaubhaftmachung angekündigt und/oder hierfür eine Frist beantragt.
Für den notwendigen Sachvortrag zur rechtserhaltenden Benutzung und die Einreichung von Glaubhaftmachungsunterlagen bedurfte es im vorliegenden Fall auch keines besonderen Hinweises durch den Senat nach § 139 ZPO. Die Widersprechende hat nach Übermittlung der Einrede von sich aus die erforderlichen Unterlagen vorzulegen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 12. Aufl., § 43 Rdnr. 5). Der im Rahmen des Benutzungszwangs danach herrschende Beibringungsgrundsatz verbietet es dem DPMA wie auch dem BPatG grundsätzlich, den Widersprechenden zur notwendigen Glaubhaftmachung einer bestrittenen Markenbenutzung anzuhalten. Der Widersprechende darf daher auch nicht darauf vertrauen, dass ihm mit oder nach der Übermittlung des die Nichtbenutzungseinrede enthaltenden Schriftsatzes eine ausdrückliche Aufforderung zur Glaubhaftmachung zugeht und ihm entsprechende Äußerungsfristen gesetzt werden (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 43 Rdnr. 66 unter Hinweis auf BGH GRUR 1997, 223, 224 – Ceco).
Zudem musste die Widersprechende damit rechnen, dass die Inhaberin der angegriffenen Marke, welche sich bereits im patentamtlichen Verfahren auf eine fehlende rechtserhaltende Benutzung der sich zu diesem Zeitpunkt formell noch in der Benutzungsschonfrist befindlichen Widerspruchsmarke unter Hinweis auf eine Wiederholungsmarke berufen hatte, nach Ablauf der formellen Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke entweder vor dem DPMA, spätestens aber im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht die Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke erneut erheben wird.
Die Widersprechende hat vorliegend auch ausreichend Gelegenheit gehabt, sich zur Nichtbenutzungsreinrede des Inhabers der angegriffenen Marke zu äußern. Der – nicht einer förmlichen Zustellung nach § 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 1 Abs. 2 VwZG unterliegende - Schriftsatz der Inhaberin der angegriffenen Marke vom 15. Februar 2017 ist der Widersprechenden zugegangen, wie das zwar nicht mit einem Datum versehene, jedoch vom Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden unterzeichnete und am 7. März 2017 beim Bundespatentgericht per Fax eingegangene Empfangsbekenntnis belegt. Seit diesem Zeitpunkt ist weit mehr als ein Jahr vergangen. Eine Reaktion auf die Beschwerdebegründung erfolgte seitens der Widersprechenden nicht.
Mangels berücksichtigungsfähiger Widerspruchswaren kommt es auf die weiteren Fragen der Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Vergleichsmarken nicht mehr an.
Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen bestand kein Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG. Zwar hat die Widersprechende keinen Versuch unternommen, eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft zu machen. Andererseits hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Nichtbenutzungseinrede erst im Beschwerdeverfahren (erneut) erhoben, obwohl ihr dies auch im patentamtlichen Verfahren noch möglich gewesen wäre, da die Markenstelle erst 29. August 2016 und damit nach Ablauf der Benutzungsschonfrist am 11. Februar 2016 entschieden hat. Dass nach Erhebung der Einrede weitere nennenswerte und z. B. durch Rücknahme des Widerspruchs vermeidbare Verfahrenskosten entstanden sind, ist ebenfalls nicht ersichtlich
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung getroffen werden, da die Widersprechende keinen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt hat, auch nicht hilfsweise (§ 69 Nr. 1 MarkenG).