Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 15.03.2012


BPatG 15.03.2012 - 30 W (pat) 59/10

Markenbeschwerdeverfahren - "TradeBase OMS" – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
15.03.2012
Aktenzeichen:
30 W (pat) 59/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 306 55 386.4

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2012 unter Mitwirkung der Richterin Winter als Vorsitzende sowie der Richterin Dorn und des Richters am Amtsgericht Backes

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung als Wortmarke in das Markenregister angemeldet ist die Bezeichnung

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TradeBase OMS

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für die Waren und Dienstleistungen:

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„Computerprogramme für den Wertpapierhandel an elektronischen Börsen; Erstellen von Computerprogrammen für den Wertpapierhandel an elektronischen Börsen“.

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Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG beanstandet, weil OMS die Abkürzung für „Object Management System“ sei und die Gesamtmarke damit einen Sachhinweis auf eine Handelsdatensammlung mit Datenmanagementsystem ergebe. Die Zurückweisung der Anmeldung erfolgte mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zuletzt wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. „OMS“ sei vielfach als Fachabkürzung im genannten Sinn im Gebrauch, einem Datenmanagementsystem zur Verwaltung von Softwaredokumenten. Das englische Wort „Trade“ bedeute „Handel, Branche, Gewerbe“, das Wort „Base“, bedeute allgemein „Basis“ und weise in der Computertechnologie auf eine Sammlung von Daten (Database) hin. Die Gesamtbezeichnung werde von den angesprochenen Verkehrskreisen, für die im hier maßgeblichen Bereich Englisch Fachsprache sei, dahin verstanden, dass sich die Computerprogramme auf die Verwaltung und Integration von (Wertpapier) Handelsdaten bezögen bzw. derartige Programme erstellt würden. Auch in weiteren Bedeutungen der Abkürzung „OMS“, wie „Office Management System“ oder „Output Management System“ sei die Gesamtbezeichnung beschreibend und nicht mehrdeutig. Die Zusammenschreibung von „TradeBase“ sei als werbeübliches Gestaltungsmittel nicht geeignet, den Schutz zu begründen. Auch von der Anmelderin angeführte Voreintragungen könnten nicht zur Eintragung führen. Auch bei dem „äußerst hilfsweise“ angebotenen Disclaimer „ausgenommen Datenmanagement Systeme zur Verwaltung von Softwaredokumenten“ bliebe, soweit überhaupt zulässig, eine beschreibende Angabe erhalten.

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Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Eine Begründung ist nicht zu den Akten gelangt. Im Patentamtsverfahren hat sie insbesondere die Auffassung vertreten, dass der angemeldeten Bezeichnung kein im Vordergrund stehender, beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden könne, weil „OMS“ nicht die Abkürzung für „Object Management System“ sei und auch im Bereich Software/EDV/IT jedenfalls nicht in dieser Bedeutung genannt werde; sie hat weiter darauf hingewiesen, dass „TradeBase“ als Serienzeichen eingesetzt werden solle und die Marke „TradeBaseMX“ auch schon für sie eingetragen sei.

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Der Senat hat der Anmelderin mit der Ladungsverfügung Nachweise übersendet, demnach „OMS“ im Online-Handel, auch im elektronischen Börsenhandel, als Abkürzung für „order management system“ für Computersoftware zur Bearbeitung eingehender Aufträge im Gebrauch ist (Anlagen Blatt 18 - 39 der Akte). Eine Stellungnahme der Anmelderin ist nicht eingegangen. Zur mündlichen Verhandlung ist für die Anmelderin niemand erschienen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Die angemeldete Marke ist wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen; die Markenstelle hat die Anmeldung deshalb zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

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Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass die Marke im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise geeignet sein muss, die Waren und Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und somit diese Produkte und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren (st. Rspr.; EuGH GRUR 2008, 608 ff. - Rn. 66, 67 - EUROHYPO; GRUR 2006, 229 - Rn. 27 ff. - BioID; GRUR 2004, 674 - Rn. 34 - POSTKANTOOR; BGH GRUR 2010, 935 - Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826 - Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 952 - Rn. 9 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 - Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2005, 257 - Bürogebäude; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; BGH GRUR 2001, 1153, 1154 - anti KALK). Als beteiligte Verkehrskreise sind alle Kreise zu verstehen, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Die maßgeblichen Verkehrskreise definiert der EuGH als den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 29 m. w. N.; vgl. z. B. EuGH GRUR 2006, 411, 413 - Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla).

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Keine Unterscheidungskraft kommt Bezeichnungen zu, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel versteht (BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Waren und Dienstleistungen hergestellt wird (BGH WRP 2010, 1504, 1506 - Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2009, 949, 951 - Rn. 20 - My World; GRUR 2009, 411 - Rn. 9 - STREETBALL; GRUR 2006, 850, 854 - Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006).

12

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze fehlt dem zur Eintragung in das Markenregister angemeldeten Zeichen jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Der inländische Verkehr wird in der angemeldeten Marke im Zusammenhang mit den Waren und Dienstleistungen, für die Schutz beansprucht ist, lediglich einen Hinweis auf die Thematik der Software bzw. der zu entwerfenden und zu erstellenden Software erkennen.

13

Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um eine sprach- und werbeübliche Aneinanderreihung zweier beschreibender Begriffe und einer gebräuchlichen Abkürzung zu einem verständlichen, schlagwortartigen Sachbegriff. Dabei ist der Verkehr daran gewöhnt, mit neuen, schlagwortartigen Begriffen aus der englischen Sprache - besonders im IT-Bereich - konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen in einprägsamer und schlagwortartiger Form übermittelt werden (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 107; 139; 142 m. w. N.). Zwar ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass sich selbst nicht unterscheidungskräftige Einzelelemente durch ihre Zusammenstellung zu einem kennzeichnungskräftigen Zeichen verbinden. Voraussetzung hierfür wäre aber, dass ein merklicher und schutzbegründender Unterschied zwischen der Kombination und der bloßen Summe ihrer Bestandteile besteht (vgl. EuGH GRUR 2006, 680, Rn. 39 - 41 BIOMILD). Die angemeldete Bezeichnung weist jedoch keine solche ungewöhnliche Struktur oder weitere Besonderheit syntaktischer oder semantischer Art auf, die von einem rein sachbezogenen Aussagegehalt wegführen könnte.

14

Das angemeldete Zeichen ist aus den zwei englischen Begriffen „Trade“ und „Base“ gebildet, was bereits aufgrund der (Binnen)Großschreibung des Buchstabens „B“ ohne weiteres erkennbar ist, sowie der Buchstabenfolge „OMS“. „Trade“ bedeutet „Gewerbe, Geschäft, Handel“, und „Base“ wird mit „Basis, Grundlage, Grundbestandteil“ übersetzt (vgl. Duden Oxford, Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl., S. 930; 1644; Muret Sanders, Langenscheidt, Großwörterbuch, Englisch-Deutsch, 2010, 92; 1000; vgl. auch  BPatG 25 W (pat) 38/11 - ContentBase, veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts).

15

In diesem Sinne sind diese beiden Begriffe des englischen Grundwortschatzes (vgl. E. Weiss, Grund- und Aufbauwortschatz Englisch, S. 20; 107) auch dem inländischen Verkehr bekannt und werden in ihrer Zusammensetzung als „Handelsbasis, Basis für den Handel“ verstanden; „TradeBase“ gibt mit diesem Verständnis im Zusammenhang mit den für den Wertpapierhandel an elektronischen Börsen beanspruchten Waren und Dienstleistungen einen Hinweis auf die Thematik der Software bzw. der zu erstellenden Software, nämlich als Basis für den Handel als Handelsdatenbank. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Wertpapierhandel heute fast ausnahmslos auf elektronischen Plattformen stattfindet (vgl. die übersendeten Nachweise, Blatt 43, auch http://www.novis-software.de/home/novis/index.php?id=philosophie).

16

Wie den der Anmelderin vom Senat übersendeten Nachweisen zu entnehmen ist, ist „OMS“ im Bereich von Online-Handel die gebräuchliche Abkürzung für „Order Management System“ (Auftragsverwaltungssystem). In den übersendeten Anlagen heißt es zum Beispiel:

17

„…GLOX ist ein zuverlässiges „Multi-Asset“ Handelssystem mit einem benutzerfreundlichen Front End und einem leistungsstarken Order Management System…Seit 2001 bieten wir unser OMS als gehostete Applikation an…“ (Blatt 25, http://www.macd.com/what_we_offer/glox_de.html), oder auch:

18

„Vollelektronische Order-Management-Systeme (OMS) als Trading Desk zur Organisation des Wertpapierhandels im Auftrag institutioneller Kunden und im Retailhandel,…“(Blatt 29, http://www.novis-software.de/home/novis/index.php?id=produkte), sowie:

19

„Was ist ein Order.Management-System (OMS)?“ (Google-Ausdruck http://www.wu.ac.at/dcf/lehre/ibk/jp-ek-ehp/sk08.pdf), oder auch:

20

„Dies kann im Bereich Wertpapierhandel...(Mit einer STP-Verbin)dung vom OMS („Order Management System“) des Kunden zum Handelssystem des (Brokers)…“ (Blatt 26, Google-Ausdruck www.springerlink.com/index/h2085h50652nu573.pdf).

21

Zwar hat, wie die Markenstelle angeführt hat, „OMS“ im IT-Bereich weitere Bedeutungen; durch das in der Anmeldung enthaltene Wort „Trade“ und die im Waren-/Dienstleistungsverzeichnis aufgenommene Bestimmung für den Wertpapierhandel an elektronischen Börsen wird den angesprochenen Verkehrskreisen indessen mit „OMS“ im Vordergrund stehend die Bedeutung „Order Management System“ vor Augen geführt.

22

Das begriffliche Verständnis der Gesamtbezeichnung TradeBase OMS im Sinn einer Handelsplattform mit Order Management System (Auftragsverwaltungssystem) bereitet unter Zugrundelegung der Aufmerksamkeit des sich informierenden Publikums somit keinerlei Schwierigkeiten. Auch in der Gesamtheit ist die angemeldete Marke mit der vorgenannten Bedeutung daher geeignet, schlagwortartig beschreibend auf Art, Bestimmung und Beschaffenheit der Software bzw. der zu entwerfenden und zu erstellenden Software hinzuweisen, die nach dem Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen für den Wertpapierhandel an elektronischen Börsen eingesetzt wird.

23

Die Marke kann damit ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die Ursprungsidentität der mit der Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu garantieren, nicht erfüllen. Die angemeldete Marke ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.

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Dabei führt die Schreibweise der angemeldeten Bezeichnung, d. h. die (Binnen)Großschreibung zu Beginn des zweiten Wortelements „Base“, als völlig gebräuchliche und häufig vorkommende werbeübliche Schreibform nicht von der sachbezogenen Aussage weg, vielmehr wird sie schriftbildlich unterstützt, da hierdurch noch deutlicher erkennbar wird, dass das Zeichen aus einer Kombination von zwei Sachbegriffen besteht.

25

Auch die von der Anmelderin angeführten Voreintragungen können zu keinem anderen Ergebnis führen. Etwaige Entscheidungen über ähnliche Anmeldungen sind zwar, soweit sie bekannt sind, im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, ob im gleichen Sinn zu entscheiden ist oder nicht; sie sind aber keinesfalls bindend (vgl. EuGH, GRUR 2009, 667 Rn. 17 und 19 - Bild digital und ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart). Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken haben hinsichtlich der Schutzfähigkeit weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung, weil zum einen aus nicht begründeten Eintragungen anderer Marken keine weitergehenden Informationen im Hinblick auf die Beurteilung der konkreten Anmeldung entnommen werden können und zum anderen auch unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht von einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Entscheidung abgesehen werden darf (vgl. EuGH, GRUR 2009, 667 Rn. 18 - Bild digital und ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart; BGH, GRUR 2011, 230 Rn. 12 - SUPERgirl; WRP 2011, 349 Rn. 12 - FREIZEIT Rätsel Woche; BGH MarkenR 2012, 76, 78, Rn. 18 - Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.).

26

Die im Erinnerungsverfahren in Aussicht gestellte Aufnahme des Ausnahmevermerks „ausgenommen Datenmanagement Systeme zur Verwaltung von Softwaredokumenten“ könnte nicht zum Erfolg der Beschwerde führen. Wie die Markenstelle ausgeführt hat, bliebe es bei einer beschreibenden Angabe. Abgesehen davon sind Ausnahmevermerke, die sich darauf beschränken, dass die fraglichen Waren/Dienstleistung ein bestimmtes Merkmal nicht mehr aufweisen, welches durch die Marke ausdrücklich benannt wird, nicht entscheidungserheblich (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 679, Rn. 114 -  Postkantoor); insoweit könnten die angesprochenen Verkehrskreise tatsächlich eher zu dem gegenteiligen Schluss kommen, die mit der Marke gekennzeichnete Ware/Dienstleistung enthalte gerade das fragliche Merkmal bzw. beziehe sich hierauf (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 316 m. w. N.; BPatG 25 W (pat) 15/05 - revolver, veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts).

27

Nach den vorstehenden Ausführungen zur fehlenden Unterscheidungskraft spricht sehr viel dafür, dass die angemeldete Bezeichnung sich als produkt- und dienstleistungsbeschreibende Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eignet und auch unter diesem Aspekt ein Schutzhindernis gegeben ist, was aber letztlich dahingestellt bleiben kann.