Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 28.07.2011


BPatG 28.07.2011 - 25 W (pat) 38/11

Markenbeschwerdeverfahren – "ContentBase" – kein betrieblicher Herkunftshinweis – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
25. Senat
Entscheidungsdatum:
28.07.2011
Aktenzeichen:
25 W (pat) 38/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 040 175.6

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juli 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, des Richters Metternich und der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Grote-Bittner

beschlossen:

Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

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ContentBase

3

ist am 9. Juli 2009 zur Eintragung in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister für die Waren und Dienstleistungen

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Klasse 9: Computersoftware;

5

Klasse 42: Entwurf und Entwicklung von Computersoftware;

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angemeldet worden.

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Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese unter der Nummer 30 2009 040 175.6 geführte Anmeldung nach vorheriger Beanstandung in einem Beschluss durch einen Beamten des höheren Dienstes zurückgewiesen.

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Aus Sicht der Markenstelle ist die angemeldete Wortzusammenstellung in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibend i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und ihr fehlt zudem die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Das angemeldete Wortzeichen sei eine Kombination zweier gebräuchlicher Wörter aus der englischen Sprache, nämlich "Content" also "Inhalt" und "Base", was "Basis, Grundlage" bedeute. Im Zusammenhang mit dem Internet, Computern, Soft- und Hardware finde sich der Begriff "Content" in zahlreichen Zusammensetzungen, z. B. in der Fachbezeichnung Content-Management-System. "Base" bezeichne im Bereich der Computertechnologie auch die Sammlung von Dateien, der "Datenbase". Daher stelle die angemeldete Wortfolge in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eine Angabe über deren Art und Beschaffenheit dar. Sie bezeichne den Speicher für die Informationen als zentralen Baustein eines Content-Management-Systems, das sich mit Sammlung und Verwaltung von Informationen befasse. Der Begriff "Content Base" werde in diesem Zusammenhang im Sinne eines Inhaltsbestandes im Rahmen eines Content-Management-Systems sogar schon verwendet. Als unmittelbar beschreibende Angabe fehle dem angemeldeten Wortzeichen auch jegliche Unterscheidungskraft.

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Hiergegen hat der Anmelder Beschwerde eingelegt.

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Er ist der Auffassung, dass dem angemeldeten Zeichen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG entgegenstünden. Die Wortzusammensetzung "ContentBase" sei als lexikalische Wortneuschöpfung unterscheidungskräftig. Sie sei zudem in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend, da es keine Entsprechung des Begriffs "ContentBase" in der deutschen Sprache gäbe und beide Wortelemente in Alleinstellung mehrdeutig seien, weshalb die angesprochenen Verkehrskreise in dem Gesamtzeichen einen Phantasiebegriff ohne Sinngehalt sehen würden. Der Begriff "Content" werde nämlich mit "zufriedenstellen, zufrieden" sowie mit "Fassungsvermögen, Gehalt, Inhalt, Rauminhalt" übersetzt und "Base" mit "Arbeitsgrundlage, Arm, Base, Befestigung, Blattgrund, Boden, Fliegerhorst, Fundament, Fuß, Grundfläche, Grundstoff, Kransockel, Kufe, Lumpensockel, Lauge".

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Der Markenanmelder beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. November 2010 aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze des Anmelders und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

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Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthaft. Sie ist jedoch unbegründet, da der angemeldeten Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen hat, § 37 Abs. 1 MarkenG.

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Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der durch die Marke  gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, Tz. 30, 31 "Henkel"; BGH GRUR 2006, 850, Tz. 18 "FUSSBALL WM 2006"). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, Tz. 86 "Postkantoor"; BGH GRUR 2006, 850, Tz. 19 "FUSSBALL WM 2006"). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu den betreffenden Waren und Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. BGH - FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).

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Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an (Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 23, 24). Von der beanspruchten Ware der Klasse 9 und den Dienstleistungen der Klasse 42 werden sowohl die allgemeinen Verbraucher als auch IT-Fachkreise angesprochen.

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Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze wird der inländische Verkehr in der angemeldeten Wortfolge im Zusammenhang mit den Waren und Dienstleistungen, für die der Anmelder Schutz beansprucht, lediglich einen Hinweis auf die Thematik der Software bzw. der zu entwerfenden und zu erstellenden Software erkennen, nämlich auf eine Informationsplattform mit verschiedensten Konfigurationen, die mit unterschiedlichsten Inhalten gefüllt werden und damit in vielen Bereichen verwendbar sind.

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Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um eine sprach- und werbeübliche Aneinanderreihung zweier beschreibender Begriffe zu einem verständlichen, schlagwortartigen Sachbegriff und entgegen der Auffassung des Anmelders nicht um einen Phantasiebegriff. Dabei ist der Verkehr daran gewöhnt, mit neuen schlagwortartigen Begriffen aus der englischen Sprache - besonders im IT-Bereich - konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen in einprägsamer und schlagwortartiger Form übermittelt werden (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 89). Zwar ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass sich selbst zwei Sachangaben durch ihre Zusammenstellung zu einem kennzeichnungskräftigen Zeichen verbinden. Voraussetzung hierfür wäre aber, dass ein merklicher und schutzbegründender Unterschied zwischen der Kombination und der bloßen Summe ihrer Bestandteile besteht (vgl. EuGH GRUR 2006, 680, Tz. 39 - 41 Biomild). Die angemeldete Bezeichnung weist jedoch keine solche ungewöhnliche Struktur oder weitere Besonderheit syntaktischer oder semantischer Art auf, die von einem rein sachbezogenen Aussagegehalt wegführen könnte.

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Die angemeldete Wortfolge ist aus den zwei englischen Begriffen "Content" und "Base" gebildet, was bereits aufgrund der Binnengroßschreibung ohne weiteres erkennbar ist. "Content" bedeutet "(Raum)Inhalt, Fassungsvermögen, Volumen; meist "Inhalt" und "base" wird mit "Basis, Grundlage" bzw. "Stützpunkt" übersetzt (s. Muret Sanders, Langenscheidt, Großwörterbuch, Englisch-Deutsch, 2010, dem Anmelder übersandt mit Ladungsverfügung des Senats vom 5. Juli 2011, Anlage 1, Bl. 31 - 33 d. A.). In diesem Sinne sind diese beiden Begriffe des englischen Grundwortschatzes auch dem inländischen Verkehr bekannt und werden in ihrer Zusammensetzung - wenn auch nicht ganz korrekt gebildet - entsprechend kombiniert als "Grundlage von Inhalten" verstanden und geben mit diesem Verständnis im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen einen Hinweis auf die Thematik der Software bzw. der zu erstellenden Software, nämlich auf die Informationsplattform mit verschiedensten Konfigurationen, die mit unterschiedlichsten Inhalten gefüllt werden und damit in vielen Bereich verwendbar sind. Der Begriff "ContentBase" ist mit diesem Verständnis auf dem IT-Markt bereits mehrfach zu finden (s. google-Recherche, dem Anmelder mit der Ladungsverfügung des Senats vom 5. Juli 2011 als Anlage 2 übersandt, Bl. 34 - 35 d. A.). Jedenfalls wird er von diversen Unternehmen zur Bezeichnung ihrer Informations- oder Kommunikationsplattformen verwendet (z. B. Marco Polo, Reiseinhalte für Navigationsservices; Syntags, Microsoft; Lindner Software & Consulting, s. die dem Anmelder mit der Ladungsverfügung des Senats vom 5. Juli 2011 als Anlagen 3 und 4 übersandten Unterlagen, Bl. 36 - 45 d. A.).

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Aber auch wenn es sich bei dem angemeldeten Wortzeichen um eine Wortneuschöpfung handeln würde, wie der Anmelder meint, kann diesem allein deshalb Schutzfähigkeit nicht zugebilligt werden. Denn die Neuheit einer Wortbildung ist weder eine unabdingbare Voraussetzung für deren Eintragungsfähigkeit noch begründet sie für sich gesehen eine hinreichende Unterscheidungskraft (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 117). Daher ist für die Annahme des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG kein lexikalischer oder sonstiger Hinweis erforderlich, dass die Angabe oder das Zeichen bereits im Verkehr geläufig ist oder verwendet wird, z. B. die Bezeichnung bereits im Internet durch eine Suchmaschine feststellbar ist oder nicht (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O).

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Der Auffassung, dass die Bedeutung von "ContentBase" nicht eindeutig sei, sondern eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit aufweise, kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass diese Frage immer im Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Produkten zu beurteilen ist, führt die Mehrdeutigkeit eines Begriffs bzw. einer Bezeichnung regelmäßig dann nicht zur Schutzfähigkeit, wenn zumindest eine der Bedeutungen für die beanspruchten Produkte oder Dienstleistungen beschreibenden Charakter hat (vgl. EuGH GRUR 2004, 147, Tz. 32 - DOUBLEMINT; BGH GRUR 2008, 900, Tz. 15 - SPA II), was hier der Fall ist.

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Ausgehend hiervon und angesichts seiner im Vordergrund stehenden produktbeschreibenden Bedeutung ist das angemeldete Zeichen nicht geeignet, im Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis wahrgenommen zu werden, d. h. als Hinweis darauf, dass die derart gekennzeichneten beanspruchten Produkte für Computersoftware und deren Entwurf sowie Entwicklung von einem ganz bestimmten Unternehmen stammen. Dabei führt die Schreibweise der angemeldeten Bezeichnung, d. h. die (Binnen)Großschreibung zu Beginn des zweiten Wortelements, als völlig gebräuchliche und häufig vorkommende werbeübliche Schreibform nicht von der sachbezogenen Aussage weg, vielmehr wird sie schriftbildlich unterstützt, da hierdurch noch deutlicher erkennbar wird, dass das Zeichen aus einer Kombination von zwei Sachbegriffen besteht.

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Nach den vorstehenden Ausführungen zur fehlenden Unterscheidungskraft spricht sehr viel dafür, dass die angemeldete Bezeichnung sich als produkte- und dienstleistungsbeschreibende Angabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG eignet und auch unter diesem Aspekt ein Schutzhindernis gegeben ist, was aber letztlich dahingestellt bleiben kann.

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Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.