Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 12.05.2011


BPatG 12.05.2011 - 30 W (pat) 554/10

Markenbeschwerdeverfahren – "Haarschmiede" – geläufige Etablissementbezeichnung - keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
12.05.2011
Aktenzeichen:
30 W (pat) 554/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 023 112.2

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 12. Mai 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und der Richterin Hartlieb

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Bezeichnung

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Haarschmiede

3

u. a. für die Waren und Dienstleistungen

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"Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Dienstleistungen eines Friseursalons".

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Die Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung teilweise im Umfang der obengenannten Waren und Dienstleistungen wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, da sie einen erkennbaren beschreibenden Begriffsinhalt aufweise. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das sprachüblich gebildete Zeichen setze sich zusammen aus dem Begriff "-schmiede", der - auch im übertragenen Sinne - eine Stätte bezeichne, in der etwas geschmiedet, d. h. hergestellt, bearbeitet und gestaltet werde, sowie dem vorangestellten sachbezogenen Wort "Haar". In seiner konkreten Zusammenstellung werde das im Verkehr bereits hinlänglich verwendete Zeichen lediglich als Hinweis auf einen Fachbetrieb aufgefasst, in dem Waren und Leistungen angeboten und erbracht würden, die speziell auf Haare bezogen bzw. hierfür bestimmt sein könnten, was hinsichtlich der Mittel zur Körper- und Schönheitspflege sowie der Dienstleistungen eines Friseursalons der Fall sei. Die Verwendung des Wortes "Schmiede" sei gerade in Bezug auf die Arbeit eines Friseurs bzw. den Umgang mit Haaren nicht originell, ironisch oder sonst wie schutzbegründend. Der Begriff "Schmiede" werde nämlich nicht nur in Verbindung mit einer kraftbezogenen bzw. - aufwendigen Fertigung oder dem Umgang mit groben Materialien gesehen, was auch den Verwendungsbeispielen "Ideenschmiede" "Talentschmiede", "Kaderschmiede" oder "Multimedia Schmiede" zu entnehmen sei. Zudem übe auch ein Friseur eine handwerkliche Tätigkeit aus, so dass das Publikum das Zeichen "Haarschmiede" als reine Etablissementbezeichnung auffassen werde.

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Der Anmelder hat Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, der angemeldete Begriff sei für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht ohne weiteres beschreibend. Das Wort "Schmiede" weise nur zwei Bedeutungen auf, die voneinander zu trennen seien. Einmal die originäre Bedeutung als Handwerksbetrieb, in dem Metallwaren bearbeitet werden, zum anderen eine Bedeutung im übertragenen Sinne als "Erbringungsort geistiger Leistungen" wie zum Beispiel in einer "Kaderschmiede" oder "Talentschmiede". Der Begriff "Schmiede" für die "klassische handwerkliche Metallschmiede" werde nicht im übertragenen Sinne für andere Handwerksbetriebe verwendet. Da der Friseur Handwerk betreibe, sei eine Bedeutung im Sinne eines Ortes, an dem geistige Leistung erbracht werde, nicht herzuleiten. Die Kombination der Begriffe "Haar" und "Schmiede" sei daher originell. Dass diese Zusammensetzung auch vom Durchschnittsverbraucher als ironisch oder originell verstanden werde, lasse sich an der tatsächlichen Verwendung des Begriffs "Haarschmiede" durch einige wenige Friseurbetriebe erkennen, die diesen Begriff als individuelles Kennzeichen für ihren Friseursalon benutzten. Der Verkehr werde den Begriff "Haarschmiede" daher als Hinweis auf einen bestimmten Friseursalon verstehen.

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Der Anmelder beantragt (sinngemäß),

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den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 10. September 2010 aufzuheben.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde der Anmelderin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

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Die angemeldete Marke ist gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, weil ihr für die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

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Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 33 - Audi (Vorsprung durch Technik); GRUR 2006, 220 Rn. 27 - BioID; BGH GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 138 Rn. 23 - ROCHER-Kugel; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; MarkenR 2004, 39 - City Service). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum einen in Bezug auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Durchschnittsempfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. EuGH GRUR 2008, 608 - EUROHYPO; MarkenR 2004, 99 - Postkantoor; BGH GRUR 2009, 411 - STREETBALL).

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Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Wortmarken nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann (BGH GRUR 2005, 417, 418 - Berlin Card; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch) oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2009, 411 Rn. 9 - STREETBALL; GRUR 2006, 850 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 1998, 465, 468 - Bonus). Weiter fehlt solchen Angaben die erforderliche Unterscheidungskraft, bei denen es sich um ein geläufiges und alltägliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027 Rn. 38 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2001, 735 - Test it; a. a. O. - City Service).

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Bei der Prüfung ist nach der Rechtsprechung des BGH von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch). Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern sie muss vielmehr gründlich und vollständig ausfallen (vgl. EuGH WRP 2003, 735 - Libertel-Orange; a. a. O. - Postkantoor).

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Nach diesen Grundsätzen erfüllt die angemeldete Wortmarke selbst diese geringen Anforderungen nicht, da sie eine Sachaussage beinhaltet, die sich ausschließlich in der Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen erschöpft (vgl. BGH a. a. O. – marktfrisch).

16

Der Markenbestandteil "Schmiede" bezeichnet "die Werkstatt eines Schmieds, in der schmiedbare Metalle durch Kalt- oder Warmverformung in Form, Gefügestruktur und Oberfläche verändert werden" (vgl. Wikipedia.org). Entsprechend den Bedeutungen des Verbs "schmieden", das zum einen im Sinne von "anfertigen, herstellen, bearbeiten", zum anderen im Sinne von "ersinnen, planen, vorhaben" (vgl. "Pläne schmieden" sowie Synonyme zu "schmieden" unter wortschatz.uni. leipzig; synonyme.woxikon.de) verwendet wird, wird auch das Wort "Schmiede" in entsprechenden Zusammensetzungen verwendet, um zum einen den Aspekt des Planens und Entwickelns, zum anderen den des Formens und Bearbeitens – auch im Sinne eines Veredelns - zum Ausdruck zu bringen. So sind dem Verkehr nicht nur die von der Markenstelle bereits genannten Begriffe wie "Talentschmiede", "Ideenschmiede" oder "Kaderschmiede" bekannt, die  auf das Formen und Entwickeln von menschlichen Fähigkeiten oder geistigen Konzepten abzielen, sondern auch Begriffe wie z. B. "Sportwagenschmiede", "Tuning-Schmiede" und "PS-Schmiede", die die - handwerkliche - Weiterentwicklung und "Veredelung" zu höherer Leistung und exklusivem Design im Autobau bzw. die entsprechende Werkstätte bezeichnen. Nur zur Ergänzung wird darauf hingewiesen, dass entsprechend diesen allgemein bekannten Begriffen auch in anderen Bereichen entsprechende Zusammensetzungen mit dem Begriff "Schmiede" verwendet werden, wie z. B. "Fahrradschmiede", "Küchenschmiede", "Möbelschmiede", "Hardwareschmiede", "Softwareschmiede", um auf Exklusivität und besondere planerische Leistung hinzuweisen sowie die entsprechende Angebotsstätte bzw. das jeweilige Etablissement nach der Art der angebotenen Waren und Dienstleistungen zu bezeichnen. Wie die Markenstelle im angefochtenen Beschluss zutreffend festgestellt hat, ergibt sich aus den mit dem Beanstandungsbescheid übersandten Verwendungsbeispielen darüber hinaus, dass auch der Begriff "Haarschmiede" zur Bezeichnung eines Friseursalons und der angebotenen Leistungen bereits tatsächlich in beachtenswertem Umfang Verwendung findet.

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Zutreffend ist die Markenstelle daher davon ausgegangen, dass es sich bei der angemeldeten Bezeichnung "Haarschmiede" um eine inzwischen geläufige Etablissementbezeichnung für Friseursalons handelt. In solchen Bezeichnungen erkennt der Verkehr zwar regelmäßig eine besondere Geschäftsbezeichnung im Sinne von § 5 Abs. 2 MarkenG, da ihm bekannt ist, dass es in dem betreffenden Geschäftszweig innerhalb eines umgrenzten örtlichen Bereichs regelmäßig nur ein Unternehmen mit dieser Bezeichnung gibt (vgl. BGH GRUR 1995, 507, 508 - City-Hotel); er wird darin jedoch ihrer häufigen Verwendung wegen keinen bundesweit individualisierenden betrieblichen Herkunftshinweis in Bezug auf damit gekennzeichnete Waren und Dienstleistungen sehen, so dass eine solche weithin gebräuchliche Etablissementbezeichnung nicht ihre für eine konkrete Unterscheidungskraft erforderliche betriebliche Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. BPatG 25 W (pat) 38/04 - Stanglwirt - in PAVIS PROMA - CD ROM; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 64 m. w. N.).

18

Vor dem Hintergrund dieser gebräuchlichen Verwendung werden die angesprochenen Verkehrskreise im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen die Bezeichnung "Haarschmiede" lediglich als werbeüblichen Sachhinweis auf das übliche Produktangebot eines Friseursalons und die dort angebotenen Dienstleistungen sehen, nicht hingegen als Marke.

19

Entgegen der Ansicht des Anmelders kann aus dem Umstand, dass der Verkehr einen Friseursalon anhand seines Namens von einem anderen Friseursalon unterscheidet, nicht allgemein und uneingeschränkt auf die markenrechtliche Schutzfähigkeit geschlossen werden. Die namensmäßige Unterscheidungskraft nach § 5 Abs. 2 MarkenG kann nämlich der konkreten Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht gleichgesetzt werden, dem steht schon die unterschiedliche Funktion von Unternehmenskennzeichen und Marke entgegen (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 5 Rdn. 27 ff.). Zudem genießen besondere Geschäftsbezeichnungen (Etablissementbezeichnungen) nur einen auf das Wirkungsgebiet des sog. Platzgeschäftes örtlich beschränkten Schutz (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 5 Rdn. 30, 56 m. w. N.).

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Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.