Entscheidungsdatum: 24.07.2014
In der Beschwerdesache
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betreffend die Markenanmeldung 30 2012 002 277.4
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung am 24. Juli 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker und der Richterinnen Winter und Uhlmann
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Oktober 2012 aufgehoben.
I.
Das Zeichen GASTROSMART ist am 18. Januar 2012 zur Eintragung als Marke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register angemeldet worden für folgende Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35 und 42:
Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; CDs, DVDs und sonstige digitale Aufzeichnungsmedien; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Computersoftware; Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; Industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software“.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 1. Oktober 2012 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die angemeldete Marke beinhalte für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eine im Vordergrund stehende Sachaussage. Bei „gastro“ handele es sich um die gängige Kurzform für „Gastronomie“ bzw. „gastronomisch“, während „smart“ ein üblicher Begriff für „klug, geschickt, raffiniert“, aber auch „intelligent“ im technischen Sinn sei. „GASTROSMART“ erweise sich daher angesichts der angemeldeten Waren und Dienstleistungen lediglich als ein Hinweis darauf, dass diese dazu vorgesehen seien, eine gastronomische Einrichtung geschickt und technisch intelligent zu gestalten. Die angesprochenen Verkehrskreise würden in der angemeldeten Marke deshalb keinen Hinweis auf einen ganz bestimmten Geschäftsbetrieb erkennen, sondern lediglich eine beschreibende Angabe im vorgenannten Sinn.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass „GASTRO“ aus dem Griechischen komme und „Bauch, Magen“ bedeute; demzufolge werde „GASTRO“ überwiegend als Suffix im medizinischen Bereich eingesetzt. Wortzusammensetzungen im Bereich „Gastronomie“ seien demgegenüber untergeordnet. Die Vielzahl der Bedeutungen von „GASTRO“ führe zu einer phantasievollen Wortzusammensetzung. Auch „SMART“ sei mehrdeutig, insbesondere sei die Bedeutung dieses englischen Wortes „schmerzvoll“ oder auch „fein, von modischer und auffallend erlesener Eleganz“. Weder die Bestandteile „GASTRO“ und „SMART“ noch die Wortzusammensetzung „GASTROSMART“, bei der es sich um ein phantasievolles Kunstwort handele, seien für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibend; das Verzeichnis enthalte keinen Hinweis auf „Gastronomie“ oder „gastronomisch“. Ein unmittelbarer Produktbezug sei nicht erkennbar. Ein eventuell bestehender mittelbarer Produktbezug stehe der Eintragung nicht entgegen. Der Anmelder verweist ferner auf eine Vielzahl eingetragener Marken mit dem Bestandteil „GASTRO“ sowie die Eintragung von „GASTRO SMART“ und „GASTROSMART“ beim HABM.
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Oktober 2012 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Anmelders ist in der Sache begründet. Der zur Eintragung in das Markenregister angemeldeten Bezeichnung GASTROSMART stehen in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen.
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rn. 42 - Freixenet; GRUR 2008, 608, 611, Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2013, 731, Rn. 11 - Kaleido; GRUR 2012, 1143, Rn. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, 1045, Rn. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2010, 825, 826, Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935, Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854, Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235, Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230, Rn. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611, Rn. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Rn. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949, Rn. 10 - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Rn. 7 - Starsat; GRUR 2012, 1044, 1045, Rn. 9 - Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Rn. 8 - Link economy).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rn. 24 - SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826, Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Durch die Wortwahl „und/oder“ ist klargestellt, dass auch das Verständnis der beteiligten Fachkreise für sich gesehen von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 100).
2. Nach diesen Grundsätzen verfügt die angemeldete Bezeichnung GASTROSMART über die erforderliche Unterscheidungskraft. Weder lässt sich der Marke in Bezug auf die maßgeblichen Waren und Dienstleistungen ein im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt entnehmen noch bestehen sonstige Anhaltspunkte dafür, die es rechtfertigen würden, der Marke jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen.
GASTROSMART ist, worauf der Anmelder zutreffend hinweist, ein Kunstwort; als gebräuchliche Bezeichnung der deutschen oder einer im Inland bekannten Fremdsprache ist das Wort nicht feststellbar. Die Markenstelle ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Anmeldung erkennbar aus den Elementen „GASTRO“ und „SMART“ zusammengesetzt ist. „Gastro“ ist ein aus dem Griechischen Wort „gaster“ hergeleitetes Wortbildungselement mit der Bedeutung „Bauch, Magen“. „Gastronomie“ - wörtlich „Bauchgesetz“ - ist in der deutschen Sprache die Bezeichnung für das Gaststättengewerbe, die feine Kochkunst oder eine Gaststätte (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl. 2011, S. 668). Das englische Adjektiv „smart“ bedeutet im Deutschen allgemein „gewandt, schlau, intelligent“ (vgl. Duden Oxford, Großwörterbuch Englisch, 3. Aufl. 2005, S. 1552), im hier - auch - einschlägigen Computerbereich zudem „fähig zu unabhängigen und scheinbar intelligenten Operationen“ und steht damit für die sogenannte „gerätetechnische Intelligenz“ (vgl. BGH GRUR 2014, 565, Rn. 15, 16 - smartbook; GRUR 1990, 517 - SMARTWARE). Als Adjektiv ist das Wort in die deutsche Sprache mit der Bedeutung „clever, gewitzt“ eingegangenen (vgl. Duden, a. a. O., S. 1617).
Der angesprochene Verkehr, zu dem auch Fachkreise zählen (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rn. - Matratzen Concord/Hukla), wird auch den jeweiligen Sinngehalt der beiden Wortbestandteile verstehen und könnte insoweit beschreibende Bezüge zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen herstellen. Dies allein reicht aber nicht aus, um der angemeldeten Bezeichnung die Schutzfähigkeit abzusprechen. Das Vorliegen des Schutzhindernisses bemisst sich nämlich nicht nur danach, ob etwaige Wortbestandteile für sich betrachtet unterscheidungskräftig sind; entscheidend ist vielmehr, ob dem durch die Verbindung der Bestandteile entstandenen Gesamtzeichen die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung fehlt (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rn. 99 - Postkantoor; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 40 - BIOMILD; Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rdn. 142). Insoweit ist anerkannt, dass ein beschreibender Sinngehalt eines Markenwortes im Einzelfall durch eine hinreichend fantasievolle Wortbildung so weit überlagert sein kann, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abzusprechen ist (vgl. z. B. BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH; BPatG GRUR 1997, 639, 640 - FERROBRAUSE; BPatG 32 W (pat) 50/05 - linguadict, 24 W (pat) 124/06 - derma fit, 24 W (pat) 95/07 - Heliocare, 30 W (pat) 79/10 - lipoweg, jeweils veröffentlicht auf der Internetseite des Gerichts). Dies ist vorliegend zu bejahen.
Durch die ungewöhnliche Verbindung des griechischen Wortbildungselements „GASTRO“ mit dem englischsprachigen Adjektiv „SMART“ am Wortende entsteht eine neuartige Wortkombination, die aus sich heraus originell und durch den ungewöhnlichen sprachlichen Gesamteindruck ohne weiteres individualisierend wirkt. Diese Wortkombination ist der mit dem deutschen Substantiv „Kauf“ gebildeten Bezeichnung „gastrokauf24“ nicht vergleichbar, die Gegenstand der von der Markenstelle angeführten und insbesondere den Handel mit Waren für den Gastronomie- und Hotelleriebedarf betreffenden Entscheidung des Bundespatentgerichts 33 W (pat) 111/06 war.
Entsprechendes gilt für den vom Anmelder angeführten medizinischen Bereich, in dem „Gastroenterologie“ der Fachbegriff für die Wissenschaft und Lehre von den Krankheiten des Magens und Darms ist. Hier wird „Gastro“ üblicherweise in fremdsprachigen bzw. fachsprachlichen Zusammensetzungen wie z. B. Gastroenteritis, Gastrodynie oder Gastroskop verwendet (vgl. Duden, Wörterbuch medizinischer Fachbegriffe, 8. Aufl. 2007, S. 319 f.). Die Verbindung mit dem englischen Adjektiv „smart“ ist auch auf diesem Gebiet ungewöhnlich. Eine derartige herkunftssprachliche Vermischung der Begriffe findet nach den Feststellungen des Senats nicht statt.
Die Anmeldung GASTROSMART ist im Hinblick auf den ungewöhnlichen sprachlichen Gesamteindruck in ihrer Gesamtheit damit geeignet, von den angesprochenen Verkehrskreisen als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. GASTROSMART fehlt damit nicht die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
3. Im Hinblick auf ihre fantasievolle Wortbildung unterliegt die angemeldete Marke ungeachtet etwaiger beschreibender Anklänge auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
4. Die Beschwerde hat daher Erfolg.