Entscheidungsdatum: 09.02.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2014 035 233.8
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 9. Februar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Das Wortzeichen
Lash Lifting
ist am 24. Juli 2014 als Marke für die Waren und Dienstleistungen der
„Klasse 3: Artifzielle Wimpern; Klebstoffe für künstliche Wimpern;
Klebstoffe zum Befestigen künstlicher Wimpern; Künstliche Wimpern; Wimpern, künstliche; Wimpernfarbe; Wimpernkosmetika;
Wimperntusche [Mascara]
Klasse 21: Wimpernformer; Wimpernkämme
Klasse 44: Schönheitsbehandlungen für Wimpern“
bei dem Deutschen Patent-und Markenamt angemeldet worden.
Mit Beschluss vom 5. August 2015 hat die Markenstelle für Klasse 44 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dem aus zwei Begriffen der englischen Sprache zusammengesetzten Anmeldezeichen komme die deutsche Bedeutung „Wimpern liften/hochziehen“ zu. Somit erschließe sich die Wortfolge dem Verkehr ohne weiteres als sinnvolle Gesamtaussage. Im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen werde der Verkehr die Wortfolge als einen im Vordergrund stehenden Sachhinweis dahingehend verstehen, dass es um Waren gehe, die der Verschönerung (dem „Liften“) der Wimpern dienten. Auf vermeintlich vergleichbare Voreintragungen könne sich der Anmelder nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht berufen. Zudem sei hinsichtlich der vom Anmelder genannten Marke 30 3014 042 270.6 („Wimpernlifting“) darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um eine Wort-/Bildmarke handele, die aufgrund ihrer graphischen Ausgestaltung Schutz erhalten habe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, die dieser nicht begründet hat. Im Amtsverfahren hatte der Anmelder vorgetragen, die Verwendung des Begriffs „Lash“ für Wimpern sei im deutschen Sprachraum nicht üblich; auch eine Verwendung des zusammengesetzten Begriffs Lash Lifting sei nicht gebräuchlich. Sämtliche von der Markenstelle im Rahmen einer Internetrecherche ermittelten Verwendungsnachweise beträfen nachweislich Kunden der von dem Anmelder unter der Bezeichnung „C…“ betriebenen Firma. Somit sei belegt, dass die Verwendung des Begriffs Lash Lifting ausschließlich im Hinblick auf Produkte des Anmelders erfolge, so dass der Verkehr das Anmeldezeichen als Herkunftshinweis verstehen werde. Schließlich könne auf die Marke 30 2014 042 270.6 („Wimpernlifting“) sowie eine Vielzahl von Voreintragungen mit dem Bestandteil „Lash“ verwiesen werden. Die Markenstelle habe dem Anmeldezeichen daher zu Unrecht die Unterscheidungskraft abgesprochen.
Der Anmelder beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aktenlage Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da es der angemeldeten Wortmarke Lash Lifting in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen an jeglicher Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2012, 610 (Nr. 42) - Freixenet; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) - Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) - Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; GRUR2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) - Link economy).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).
Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678, Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271, Nr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Nr. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten).Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100, Nr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).
2. Nach diesen Grundsätzen fehlt es der angemeldeten Marke Lash Lifting im vorliegenden Waren- und Dienstleistungszusammenhang an jeglicher Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
a) Mit der Markenstelle ist zunächst davon auszugehen, dass die angemeldete Wortfolge aus den englischsprachigen Wörtern „Lash“ und „Lifting“ zusammengesetzt ist. Dem Wort „Lash“ kommt in der deutschen Übersetzung u. a. die Bedeutung „Wimper“ zu. Das zweite Wortelement „Lifting“ hat Eingang in den deutschen Sprachschatz gefunden und steht hier für ein Verfahren (der Schönheitschirurgie bzw. allgemein der Schönheitspflege) zur Straffung von Haut oder Gewebe, wobei auch auf gängige Wortzusammensetzungen wie beispielsweise den Begriff des „Facelifting“ verwiesen werden kann.
Die hier schutzsuchende Bezeichnung richtet sich an die an (Augen-)Kosmetikprodukten und Dienstleistungen zur Schönheitspflege interessierten Endverbraucher ebenso wie an den hiermit befassten Fachverkehr. Das Bundespatentgericht hat bereits Anfang der 1970er-Jahre für den Kosmetiksektor festgestellt, dass Englisch in diesem Bereich - ähnlich wie in der Mode und Teilgebieten der Technik - zur Zweitsprache geworden ist. Dabei konnte insbesondere auf dem - auch vorliegend verfahrensgegenständlichen - engen Gebiet der Augenkosmetik schon damals eine intensive Verwendung von Wörtern des englischen Sprachkreises zur beschreibenden Werbung festgestellt werden (vgl. BPatG, Beschl. v. 24. April 1970, 24 W (pat) 162/69, Mitt. 1970, 173 - Eye shiner; siehe auch BPatGE 13, 245 ff. - DREAMWELL), darunter u. a. auch des Begriffes „Eyelashes“ für „Zweitwimpern“ (BPatG, a. a. O., Mitt. 1970, 173), so dass der Vortrag des Anmelders, der Begriff „Lash“ sei im Inland nicht gebräuchlich, offensichtlich fehlgeht.
Gehört demnach die Welthandelssprache Englisch auf dem Kosmetiksektor zu denjenigen Fremdsprachen, derer sich die Fachwelt und die fachspezifisch orientierte Werbebranche erfahrungsgemäß besonders häufig bedienen (vgl. auch BPatG PAVIS PROMA, 30 W (pat) 23/13 - sweat off - Free your life), wobei auch die Englischkenntnisse des normal informierten und verständigen Durchschnittsverbrauchers nicht zu gering veranschlagt werden (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rdnr. 168, 169), so ist vorliegend davon auszugehen, dass die einzelnen, dem Englischen entnommenen Begriffe der angemeldeten Wortfolge von den beteiligten Verkehrskreisen ohne Weiteres in ihrem Sinn- und Bedeutungsgehalt verstanden werden.
Zugleich wird sich die sprachüblich und grammatikalisch korrekt zusammengesetzte Wortfolge Lash Lifting dem Verkehr auf Anhieb als Sachhinweis auf ein „Wimpernlifting“ und damit zusammenhängende Waren und Dienstleistungen erschließen.
b) Ausgehend hiervon erschöpft sich das Anmeldezeichen Lash Lifting im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 44 („Schönheitsbehandlungen für Wimpern“) erkennbar in einer Beschreibung der Art dieser Dienstleistungen sowie ihrer Bestimmung und Wirkung.
Die in Klasse 21 beanspruchten Waren („Wimpernformer; Wimpernkämme“) können einem „Wimpernlifting“ dienen bzw. im Rahmen einer solchen Schönheitsbehandlung zum Einsatz kommen, so dass es sich auch insoweit um eine klare Bestimmungsangabe handelt.
Die Waren der Klasse 3 „Wimpernfarbe; Wimpernkosmetika; Wimperntusche [Mascara]“ stehen zu dem Anmeldezeichen zumindest in einem die Unterscheidungskraft ausschließenden, engen beschreibenden Bezug, da das Verfahren des Lash Lifting neben dem Anheben und der „optischen Verlängerung“ der Wimpern auch deren Färbung mit einschließen kann.
Die weiterhin in Klasse 3 beanspruchten Waren, nämlich „Artifzielle Wimpern; Klebstoffe für künstliche Wimpern; Klebstoffe zum Befestigen künstlicher Wimpern; Künstliche Wimpern; Wimpern, künstliche“ beschreibt das Anmeldezeichen zwar nicht unmittelbar, da es sich beim Lash Lifting gerade um eine „natürliche Alternative“ zur künstlichen Wimpernverlängerung handeln soll. Jedoch können diese Waren ohne weiteres ergänzende und/oder alternative Angebote zum sog. Lash Lifting darstellen, so dass auch zumindest ein enger beschreibender Bezug besteht.
c) Der Verkehr wird das Anmeldezeichen daher im vorliegenden Waren- und Dienstleistungszusammenhang auch in seiner Gesamtheit lediglich als beschreibenden Sachhinweis, jedoch nicht als betriebskennzeichnenden Herkunftshinweis wahrnehmen. Dabei weist die Wortfolge Lash Lifting auch weder eine ungewöhnliche Struktur noch Besonderheiten syntaktischer oder semantischer Art auf, die von einem rein sachbezogenen Aussagegehalt wegführen könnten.
d) Unerheblich ist der Vortrag des Anmelders, dass er selbst die Bezeichnung Lash Lifting erfunden habe bzw. diese ausschließlich selbst für seine Produkte verwende (bzw. im Anmeldezeitpunkt verwendet habe). Bei der Prüfung der Schutzfähigkeit einer Marke kommt es nämlich nicht darauf an, ob die Angabe bereits lexikalisch verzeichnet ist oder ob es sich um eine Wortneuschöpfung handelt. Vielmehr kommt es alleine darauf an, ob die Wortbildung zur Beschreibung dienen kann (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdnr. 371), was aus den dargelegten Gründen der Fall ist.
e) Soweit der Anmelder auf Voreintragungen Bezug nimmt, entfalten in rechtlicher Hinsicht selbst identische oder vergleichbare Voreintragungen keine Bindungswirkung (vgl. EuGH GRUR 2009, 667 Nr. 18 - Bild.t.-Online.de m. w. N.; BGH GRUR 2008, 1093 Nr. 8 - Marlene-Dietrich-Bildnis; BGH GRUR 2011, 230 - SUPERgirl; BGH MarkenR 2011, 66 - Freizeit Rätsel Woche). Die Frage der Schutzfähigkeit einer angemeldeten Marke ist keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung, die allein anhand des Gesetzes und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen ist.
3. Da der angemeldeten Marke somit bereits die erforderliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG abzusprechen ist, kann die Frage, ob an ihrer freien Verwendung auch ein schutzbedürftiges Allgemeininteresse i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht, dahinstehen.
Die Beschwerde war damit zurückzuweisen.