Entscheidungsdatum: 24.11.2016
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2015 105 078.8
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Februar 2016 insoweit aufgehoben, als darin die Anmeldung für die Waren
„Uhren und Zeitmessinstrumente“
zurückgewiesen worden ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Das Wortzeichen
Engelsflüsterer
ist am 7. August 2015 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für verschiedene Waren der Klassen 1, 14 und 19 angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 1 hat die Anmeldung mit Beschluss vom 29. Februar 2016 wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und eines Freihaltungsbedürfnisses an dieser Bezeichnung (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) teilweise zurückgewiesen, nämlich für folgende Waren der Klasse 14:
„Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren; Schmuckwaren; Edelsteine; Uhren; Zeitmessinstrumente“.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, nach den Ergebnissen einer Internetrecherche handele es sich bei einem Engelsflüsterer um einen (Mode-)Schmuckartikel in Anhängerform, welcher zunehmend Verbreitung finde und welcher insbesondere aus einer Klangkugel bestehe. Auf Grund seines somit für die angesprochenen Verkehrskreise unmissverständlichen Bedeutungsinhalts stelle das Anmeldezeichen in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren eine unmittelbar beschreibende Angabe dar. Die Bezeichnung weise lediglich auf Eigenschaften, die (Zweck-)Bestimmung und den Gegenstand dieser Waren hin, da diese selbst einen Engelsflüsterer darstellen könnten oder jedenfalls geeignet seien, Bestandteil hiervon zu sein. Die angemeldete Marke sei daher nicht geeignet, die obengenannten Waren in Bezug auf ihre Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen zu unterscheiden. Zudem sei sie zur Beschreibung dieser Waren geeignet und für Mitbewerber freihaltungsbedürftig.
Der Anmelder hat hiergegen Beschwerde eingelegt, diese jedoch nicht weiter begründet. Sinngemäß beantragt er,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 29. Februar 2016 aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
Zur mündlichen Verhandlung am 24. November 2016, welche auf den hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung anberaumt worden ist, sind der Anmelder und sein Verfahrensbevollmächtigter nach entsprechender Vorankündigung nicht erschienen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Anmelders ist gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 MarkenG statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache ist sie lediglich im aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang begründet, da Eintragungshindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 MarkenG insoweit nicht bestehen.
Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet, da die angemeldete Marke in Bezug auf die weiteren beschwerdegegenständlichen Waren nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist; die Markenstelle hat die Anmeldung insoweit zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 und 5 MarkenG).
Der Senat teilt insoweit die Auffassung der Markenstelle, dass dem angemeldeten Wortzeichen Engelsflüsterer im Zusammenhang mit folgenden Waren der Klasse 14, nämlich
„Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren; Schmuckwaren; Edelsteine“
jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH GRUR 2012, 610 (Nr. 42) - Freixenet; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) - Kaleido; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2010, 1008, 1009 (Nr. 38) - Lego; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8) - Link economy).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).
Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Nr. 86) - Postkantoor; BGH GRUR 2014, 1204, 1205 (Nr. 12) - DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 270, 271 (Nr. 11) - Link economy; GRUR 2009, 952, 953 (Nr. 10) - DeutschlandCard). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2014, 1204, 1205 (Nr. 12) - DüsseldorfCongress; GRUR 2012, 1143, 1144 (Nr. 9) - Starsat; GRUR 2009, 952, 953 (Nr. 10) - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 (Nr. 19) - FUSSBALL WM 2006).
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen weist die angemeldete Marke Engelsflüsterer in Bezug auf die obengenannten Waren keine Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf.
a) Die Ergebnisse einer Internetrecherche des Senats, die dem Anmelder zur Verfügung gestellt worden sind, sowie die amtsseitigen Rechercheergebnisse belegen, dass es sich bei Engelsflüsterer um einen - auch schon vor dem Anmeldezeitpunkt - gängig verwendeten Begriff zur Bezeichnung eines bestimmten Modeschmuckartikels mit esoterischem Bezug handelt.
Die sog. „Llamadores de Angeles“ (im Deutschen als „Engelsrufer“ bzw. eben auch Engelsflüsterer, hierzu im Folgenden, bezeichnet) stammen ursprünglich aus Spanien und sind dort schon seit dem Mittelalter als Talisman mit einem Aberglauben verbunden; gerade in den letzten Jahren hat sich das Schmuckstück in ganz Europa verbreitet. Es handelt sich um Klangkugeln aus Silber oder Gold, die ein zartes Glöckchen in ihrem Inneren bergen und zumeist mit einer Kette als Anhänger um den Hals, aber etwa auch als Armband oder Ohrringe getragen werden. Das Design der Klangkugeln variiert: sie werden teilweise mit Engelsflügeln, rund oder auch in der Form eines Herzens angeboten; zudem können sie ein- oder mehrfarbig ausgestaltet sowie mit Strass oder Edelsteinen besetzt sein (vgl. hierzu etwa die Anlage „www.engelsrufer-anhaenger.de/“).
Nach den Ergebnissen der Senatsrecherche wird das Schmuckstück dabei im Inland gängig - und von einer Vielzahl von Anbietern - auch unter der Bezeichnung Engelsflüsterer (die sich nachweislich neben „Engelsrufer“ eingebürgert hat) vertrieben. Die Internetfundstellen belegen eine umfangreiche beschreibende Verwendung des Begriffs im Inland, dies auch schon vor dem Anmeldezeitpunkt (vgl. hierzu die Ergebnisse der Google-Recherchen des Senats zu dem Stichwort „Engelsflüsterer (…)“ nebst Ausdrucken von Anbieter-Webseiten, z. B: www.micheltoys.de/de/engelsfluesterer.html (12. Oktober 2014): „Engelsflüsterer - Dein himmlischer Begleiter. Hoffnungsträger, Talisman, Mutmacher sind nur einige der Begriffe, die für diesen neuen Trendartikel stehen. Jede Farbe der Engelsflüsterer-Klangkugeln im Inneren des Anhängers hat ihre eigene Bedeutung (…)“).
b) Unter Zugrundelegung dieser gängigen Verwendung zur Bezeichnung eines (esoterischen) Modeschmuckartikels eignet sich Engelsflüsterer zur unmittelbaren Beschreibung der Art, Beschaffenheit und Bestimmung der in Klasse 14 beschwerdegegenständlichen „Juwelierwaren“ und „Schmuckwaren“. Das Anmeldezeichen beschreibt die so gekennzeichneten Waren dahingehend, dass sie als Engelsflüsterer-Schmuckstück (eine Klangkugel beinhaltend) ausgestaltet sind.
Zu den weiteren o. g. Waren („Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte und damit plattierte Waren soweit in Klasse 14 enthalten; Edelsteine“) besteht zumindest ein die Unterscheidungskraft ausschließender, enger beschreibender Bezug. Denn nach den Rechercheergebnissen des Senats werden die Engelsflüsterer-Klangkugeln in der Regel aus Edelmetallen (zumeist Gold oder Silber) hergestellt; Edelsteine können zur Verzierung von Engelsflüsterern dienen bzw. das Material der Klangkugel darstellen; ebenso werden nachweislich Edelsteinketten als Zubehör zu Engelsflüsterern vertrieben.
Somit wird der angesprochene Verkehr, hier der mit (esoterischem) Modeschmuck handelnde Fachverkehr und die hieran interessierten Verbraucherkreise, den Bedeutungsgehalt des Begriffs Engelsflüsterer stets nur als Sachhinweis, jedoch nicht als Hinweis auf die Herkunft der Waren auffassen.
Die Markenstelle hat die Anmeldung daher hinsichtlich der o. g. Waren gem. § 37 Abs. 1 MarkenG zu Recht zurückgewiesen; die Beschwerde hat insoweit keinen Erfolg und ist daher in diesem Umfang zurückzuweisen.
3. Anders verhält es sich für die im Tenor dieses Beschlusses genannten Waren. Denn diese oder deren Merkmale vermag Engelsflüsterer weder glatt zu beschreiben, noch stehen sie in einem die Unterscheidungskraft ausschließenden engen sachlichen Bezug zu dem Anmeldezeichen. Es ist insbesondere nicht nachweisbar, dass „Uhren“ oder sonstige „Zeitmessinstrumente“ in Gestalt oder als Bestandteil von Engelsflüsterern vertrieben werden; auch die Senatsrecherche hat hierfür keine Anhaltspunkte ergeben.
Auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht einer Eintragung des Anmeldezeichens für diese Waren aus den vorgenannten Gründen nicht entgegen. Soweit die Markenstelle die Markenanmeldung auch für die im Tenor genannten Waren zurückgewiesen hat, ist der angefochtene Beschluss daher auf die Beschwerde des Markenanmelders aufzuheben.