Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 17.02.2011


BPatG 17.02.2011 - 30 W (pat) 507/10

Markenbeschwerdeverfahren – "easy-collect" – Freihaltungsbedürfnis – keine Unterscheidungskraft


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
17.02.2011
Aktenzeichen:
30 W (pat) 507/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 010 895.9

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 17. Februar 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und der Richterin Hartlieb

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Bezeichnung

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easy-collect

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für die Waren und Dienstleistungen

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„Elektronische Datenträger mit juristischen Informationen, Software, insbesondere individuell programmierte Software und Standardsoftware; Recherche, Nachforschung über Vermögensverhältnisse für Inkassogeschäfte; Inkassogeschäfte; Bereitstellung des Zugriffs auf juristische Informationsangebote zum Abruf aus dem Internet, Bereitstellen des Zugriffs auf elektronische Zeitungen, Zeitschriften, juristische Dokumente mit juristischem Inhalt im Internet; Übermittlung von Forderungsdaten für Inkassoaufträge über das Internet; Entwicklung und Programmierung von Software und Standardsoftware, insbesondere Individualprogrammierung, Softwarepflege, -wartung und Homepageprogrammierung; juristische Dienstleistungen, nämlich Rechtsberatung und -vertretung“.

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Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angemeldete Marke „easy-collect“ in der Bedeutung „einfaches einziehen“ oder „einfaches einsammeln“ werde als beschreibender Sachhinweis auf leichtes Einziehen von Forderungen verstanden. Das dem Grundwortschatz angehörende Wort „easy“ (angenehm, leicht, bequem einfach, problemlos) werde, zumal es in der inländischen Werbesprache häufig benutzt werde (z. B. easy-care, easy going, easy listening etc.), auch vom inländischen Verkehr ohne weiteres verstanden. Auch das englische Wort „collect“ habe mit seiner Bedeutung „einziehen“ oder „einkassieren“ Eingang in die deutsche Werbesprache gefunden. Mit dieser Bedeutung sei die angemeldete Marke geeignet, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen hinsichtlich Art, Inhalt und Gegenstand sowie Bestimmung zu beschreiben.

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Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, es handle sich um eine neuartige und in dieser Form ungewöhnliche Wortkombination. Die Zusammensetzung beider Wörter gehe weit über den beschreibenden Gehalt der einzelnen Wortbestandteile hinaus und begründe Unterscheidungskraft. Die Zusammensetzung „easy-collect“ vermittle lediglich eine Assoziation ohne konkret warenbeschreibenden Inhalt und werde nicht zur Beschreibung oder Bestimmung der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen benötigt. Sie verweist auf Voreintragungen von vergleichbaren Wortmarken mit dem Bestandteil „easy“.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, da die angemeldete Marke eine für den Wettbewerb freizuhaltende beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist, der auch jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

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1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren dienen können.

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Auch Wortneubildungen kann der Eintragungsversagungsgrund des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehen, wenn sie sprachüblich gebildet sind und ihr beschreibender Aussagegehalt so deutlich und unmissverständlich ist, dass sie ihre Funktion als Sachbegriffe erfüllen können. Dies ist dann der Fall, wenn sich den angesprochenen Abnehmern eine konkret beschreibende Angabe ohne die Notwendigkeit besonderer Denkprozesse unmittelbar erschließt, wobei auch bei der Kombination fremdsprachiger Wörter die Verständnisfähigkeit des inländischen Publikums vor allem als Folge des gemeinsamen europäischen Markts nicht zu gering veranschlagt werden darf (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 413 (Nr. 26) - Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR 2001, 1047, 1049 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 735, 736 - Test it; Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 326, 327 m. w. N.).

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Es ist zudem nicht erforderlich, dass die Zeichen oder Angaben, aus denen die Marke besteht, zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits tatsächlich zu beschreibenden Zwecken für Waren oder Dienstleistungen wie die in der Anmeldung beanspruchten verwendet werden. Es genügt, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ergibt, dass die Zeichen oder Angaben zu diesem Zweck „dienen können“.

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2. Diese Voraussetzungen liegen bei der angemeldeten Begriffskombination „easy-collect“ vor. Die Wortmarke „easy-collect“ stellt eine Zusammensetzung aus zwei zum englischen Grundwortschatz gehörenden Wörtern dar. Bei derartigen, aus mehreren Bestandteilen kombinierten Marken ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 - BioID). Der Bestandteil „easy“ bedeutet „bequem, leicht, einfach, zügig“, das englische Verb „collect“ hat die Bedeutung „einkassieren, einziehen, Inkasso vornehmen“ (vgl. Duden-Oxford-Großwörterbuch Englisch 3. Aufl. Mannheim 2005 (CD-ROM); LEO-Online Lexikon der TU München unter dict.leo.org; PONS Großwörterbuch für Experten und Universität, 1. Aufl. 2001).

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Der Bestandteil „easy“ wird mit der obengenannten Bedeutung z. B. in englischen Zusammensetzungen wie „easy-care“ (pflegeleicht), „easy access“ (leichter Zugang), „easy entry“ (Einstiegshilfe), „easy handling“ (leichte Handhabung) verwendet (vgl. LEO-Online Lexikon a. a. O.). Der Bestandteil „collect“ wird in englischen Zusammensetzungen auch substantivisch verwendet wie z. B. „collect charges“ (Gebühreneinzug), „collect system“ (Holsystem) (vgl. LEO-Online Lexikon a. a. O.).

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Die angemeldete Zusammensetzung „easy-collect“ reiht sich in die obengenannten vergleichbar gebildeten Zusammensetzungen ein und ist im Deutschen daher als „leichter Einzug, bequemes Inkasso“ zu verstehen. Da die Bedeutung der Bestandteile nicht abstrakt-lexikalisch zu beurteilen ist, sondern stets im Zusammenhang mit den jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu sehen ist (vgl. BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt), die im vorliegenden Fall u. a. den Bereich der Software, Programmierung, des Inkassogeschäfts sowie juristische Dienstleistungen betreffen, steht die Bedeutung „leichter Einzug, bequemes Inkasso“ hier im Vordergrund.

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In diesem Sinne wird der inländische Verkehr die angemeldete Marke ohne weiteres verstehen. Der Verkehr ist in der Werbesprache an neue und auch schlagwortartige Wortkombinationen - gerade in englischer Sprache und teils in verkürzter Form - gewöhnt, weshalb sich ihm der Sinngehalt von „easy-collect“ zwanglos erschließt. Es liegt für die fachlich informierten Verkehrskreise in Bezug auf sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen daher nahe, die angemeldete Bezeichnung „easy-collect“ als „leichter Einzug, bequemes Inkasso“ aufzufassen.

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In Bezug auf die angemeldeten Waren ergibt die angemeldete Bezeichnung „easy-collect“ daher die zur Beschreibung geeignete, naheliegende Sachaussage, dass es sich nach Art und Beschaffenheit um Waren handelt, die für den einfachen Einzug z. B. von Forderungen verwendet werden oder dafür bestimmt sind oder sich inhaltlich damit beschäftigen. Die beanspruchten Dienstleistungen können sich in naheliegender Weise hierauf beziehen, insbesondere ein bequemes Inkasso ermöglichen.

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Entgegen der Ansicht der Anmelderin bedarf es - soweit die Eignung zur Beschreibung festgestellt worden ist - für die Begründung des Eintragungshindernisses wegen eines bestehenden Freihaltebedürfnisses keines weiteren lexikalischen oder sonstigen Nachweises, dass und in welchem Umfang die angemeldete Marke als beschreibende Angabe bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird (vgl. BGH a. a. O. SPA II; Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 240 m. w. N.).

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Selbst wenn der Begriff „easy-collect“ auf eine Wortschöpfung durch die Anmelderin zurückzuführen wäre, so ist er doch sprachüblich gebildet, ohne weiteres verständlich und deshalb zur Beschreibung der Waren und Dienstleistungen geeignet, so dass seine freie Benutzung durch Dritte gewährleistet sein muss (vgl. BGH GRUR 2005, 578, 580 - LOKMAUS).

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3. Wegen des in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehenden Begriffsgehalts sowohl der Einzelelemente als auch der daraus gebildeten Kombination handelt es sich um eine deutlich und unmissverständlich beschreibende Angabe ohne jegliche begriffliche Ungenauigkeit. Die angesprochenen Verkehrskreise werden die Anmeldung daher auch nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel auffassen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

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4. Die Anmelderin kann sich zur Ausräumung der Schutzhindernisse auch nicht auf eine ihrer Meinung nach abweichende Eintragungspraxis berufen. Etwaige Entscheidungen über ähnliche Anmeldungen sind zwar, soweit sie bekannt sind, im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht; sie sind jedoch keinesfalls bindend (vgl. EuGH, GRUR 2009, 667 Rn. 17, 19 - Bild digital u. a.). Denn für die Entscheidung, ob der Markenanmeldung ein Eintragungshindernis entgegensteht, kommt es allein darauf an, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines der gesetzlich geregelten Schutzhindernisse gegeben sind. Der Umstand, dass identische oder ähnliche Zeichen als Marken eingetragen worden sind, ist demgegenüber nicht maßgebend (EuGH a. a. O. Rn. 15, 18 f.; BGH I ZB 59/09 vom 17. August 2010 - SUPERgirl).