Entscheidungsdatum: 07.07.2011
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 30 2010 001 917
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 7. Juli 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie die Richterinnen Winter und Hartlieb
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. März 2011 wird aufgehoben und die Sache an das DPMA zurückverwiesen.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
I.
Der Antragsteller beantragte mit Eingabe vom 17. September 2010 die Löschung der am 11. Mai 2010 eingetragenen Marke 30 2010 001 917
Sanalogikum
da sie entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden sei.
Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Löschungsantrag ohne Anhörung mit Beschluss vom 1. März 2011 zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde im Original von der Vorsitzenden und einem weiteren Mitglied der Markenabteilung unterschrieben. Unter dem Namen des dritten Mitglieds hat die Vorsitzende handschriftlich vermerkt "wegen Abwesenheit an der Unterschrift verhindert" und diesen Vermerk ebenfalls unterzeichnet.
Der Löschungsantragsteller, dem der Beschluss am 7. März 2011 zugestellt wurde, hat dagegen am 10. März 2011 Beschwerde eingelegt.
Der Senat hat mit Schreiben vom 18. Mai 2011 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die angefochtene Entscheidung der Markenabteilung aufzuheben und die Sache an das DPMA zurückzuverweisen, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Das Verfahren leide an einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG; zur Begründung ist auf den dem Schreiben beigefügten Beschluss des Senats 30 W (pat) 98/09 Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich zu diesem Schreiben nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. März 2011, mit dem der Löschungsantrag zurückgewiesen wurde, wird aufgehoben und die Sache an das DPMA zurückverwiesen, da das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet (§ 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG).
Über einen Löschungsantrag gemäß §§ 54, 50 MarkenG entscheidet die Markenabteilung in der Besetzung mit mindestens drei Mitgliedern des Patentamts (§ 56 Abs. 3 Satz 2 MarkenG). Die Beschlüsse der Markenabteilung müssen von den Mitgliedern, die den Beschluss erlassen haben, unterschrieben werden (Kirschneck in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl. § 61 RdNr. 3, Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl. § 61 RdNr. 3). Zwar ist streitig, ob bei einem Beschluss eines Kollegialgerichts die bloße Unterschrift des Vorsitzenden und des Berichterstatters genügt (Reichhold in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 329 RdNr. 11; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 329 RdNr. 36), oder ob alle, die an der Entscheidung mitgewirkt haben, unterschreiben müssen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 69. Aufl., § 329 RdNr. 8; MünchKommZPO/Musielak, 3. Aufl., § 329 RdNr. 3; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 329 RdNr. 17), jedoch muss in jedem Fall deutlich gemacht sein, dass es sich um einen Beschluss eines Kollegiums handelt (Reichhold in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl., § 329 RdNr. 11). Der Senat hält bei Löschungsbeschlüssen grundsätzlich die Unterschriften aller an der Entscheidung beteiligten Mitglieder der Markenabteilung für eine Wirksamkeit des Beschlusses für erforderlich, um klar zu machen, dass es sich nicht mehr nur um einen Entwurf gehandelt hat und wer die Entscheidung getroffen hat. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Unterschriften des Vorsitzenden und des Berichterstatters bei einem Beschluss eines Kollegiums ausreichend sein können, so wäre im vorliegenden Fall selbst dann die Unterschrift des dritten Mitglieds der Markenabteilung nicht entbehrlich, da aus dem vorliegenden Beschluss nicht eindeutig hervorgeht, wer die Entscheidung getroffen hat.
Weder aus dem Beschluss noch aus dem übrigen Akteninhalt ist ersichtlich, dass der angefochtene Beschluss von drei Mitgliedern der Markenabteilung erlassen wurde. Das Rubrum des Beschlusses enthält zwar einen Passus dahingehend, dass die angefochtene Entscheidung von drei Mitgliedern des Patentamts getroffen wurde. Die in der Unterschriftszeile des Beschlusses genannten Mitglieder der Markenabteilung stimmen auch mit den auf einem Vorblatt der Akte aufgeführten Angaben der bestimmten Berichterstatter I und II überein. Auch ist ein Beratungstermin vom Donnerstag, den 27. Januar 2011, 10 Uhr erwähnt. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass die angefochtene Entscheidung in diesem Termin getroffen wurde; in der Akte befindet sich keine Niederschrift über Mitwirkung und Ergebnis der Beratung. Davon ist um so weniger auszugehen, als der Beschluss mit dem 1. März 2011 datiert ist, nicht aber mit dem Datum der Beratung. Am 1. März 2011 kann aber das dritte Mitglied der Markenabteilung wegen vermerkter Abwesenheit wohl kaum an einer Beratung mitgewirkt haben.
Die Ersetzung der fehlenden Unterschrift durch die Vorsitzende war nicht wirksam. Anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall, in dem die Ersetzung der Unterschrift mit dem Vermerk der Verhinderung infolge Urlaubs bei einer von der Patentabteilung ohne mündliche Verhandlung getroffenen Entscheidung bei Niederschrift über die Sitzung als möglich angesehen wurde (vgl. BGH NJW-RR 1994, 1406), steht - wie oben ausgeführt - im vorliegenden Fall nicht fest, dass der angefochtene Beschluss in der Löschungssache von den drei Mitgliedern der Markenabteilung als verfahrensbeendende Entscheidung als Ergebnis der Beratung am 27. Januar 2011 gewollt war. Hinzu kommt, dass auch der Vermerk der Ersetzung der Unterschrift nicht konkret den Grund erkennen lässt, weshalb die Unterschrift ersetzt wurde, da als Grund der Verhinderung lediglich "Abwesenheit" angegeben wurde. Dies ist nicht ausreichend (vgl. Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 28. Aufl., § 315 RdNr. 1).
Da die Ersetzung der Unterschrift in dem angefochtenen Beschluss unwirksam ist, kann vorliegend nur von einem Beschluss ausgegangen werden, der lediglich von zwei Mitgliedern unterzeichnet wurde und bei dem zudem nicht erkennbar ist, ob er - wie erforderlich - von drei Mitgliedern der Markenabteilung getroffen wurde. Zwar mag die Ersetzung der Unterschrift möglicherweise noch erkennen lassen, dass damit eine abschließende Entscheidung gewollt war, jedoch bringt der Beschluss nicht hinreichend zum Ausdruck, wer an der Entscheidung beteiligt war.
Nachdem das Verfahren somit an einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG leidet, wird die Entscheidung aufgehoben und die Sache an das DPMA zurückverwiesen.
Die Zurückverweisung steht im Ermessen des Gerichts. Im Einzelfall ist abzuwägen zwischen dem Interesse an einer erneuten Befassung des DPMA mit der Sache einerseits und der Verfahrensbeschleunigung andererseits (Knoll in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 70 RdNr. 5). Nachdem durch die fehlende Unterschrift eines Mitglieds der Markenabteilung bzw. der fehlerhaften Ersetzung dieser Unterschrift durch die Vorsitzende der Markenabteilung an der Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses zumindest erhebliche Zweifel bestehen und jedenfalls nicht von einer Entscheidung ausgegangen werden kann, die von - wie erforderlich - drei Mitgliedern getroffen worden ist, besteht ein erhebliches Interesse daran, dass die Markenabteilung sich erneut mit dem Löschungsantrag befasst, um zu einer in gesetzlich bestimmter Besetzung getroffenen Entscheidung zu gelangen. Das Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung in der Weise, dass der Senat sachlich über die Frage der Löschung entscheidet, ist demgegenüber geringer einzustufen. Ohnehin ist - wie ausgeführt - zumindest zweifelhaft, ob überhaupt ein wirksamer Beschluss vorliegt, der dem Senat die Möglichkeit einer Entscheidung in der Sache eröffnet. Die Beteiligten haben zu dem Schreiben des Senats vom 18. Mai 2011 zudem nicht Stellung genommen, so dass Gründe, die gegen eine Zurückverweisung sprechen könnten, vorliegend nicht erkennbar sind.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG angeordnet, da dies der Billigkeit entspricht. Der Beschwerdeführer war gezwungen, Beschwerde einzulegen, ohne dass er wegen der fehlenden bzw. fehlerhaft ersetzten Unterschrift eines Mitglieds der Markenabteilung eine Entscheidung in der Sache erlangen konnte.