Entscheidungsdatum: 29.10.2012
Fakten statt Akten
Ein von Hause aus unterscheidungskräftiger Werbespruch kann nicht als Marke geschützt werden, wenn er im Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung zu einem branchen-üblichen Werbemittel geworden ist.
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 307 62 792.6
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und des Richters am Amtsgericht Backes
beschlossen:
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Am 25. September 2007 ist die Wortfolge
Fakten statt Akten
als Marke für die Waren und Dienstleistungen:
„Computersoftware (gespeichert), insbesondere für das Vertragsmanagement; Unternehmensberatung (Beratung bei Einführung, Konfiguration, Betrieb); EDV-Beratung (Beratung bei technischen Problemen rund um Einführung und Betrieb); Programmierung von Software für das Vertragsmanagement“
zur Eintragung angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Bescheid vom 22. Februar 2008 darauf hingewiesen, dass der Eintragung die absoluten Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegenstünden, weil es sich um einen anpreisenden Slogan handele, der lediglich auf Dienstleistungen hinweise, mit deren Hilfe in Papierform vorliegende Unterlagen, zum Beispiel Akten, EDV-technisch verarbeitet und damit zur schnellen Verfügung bereitgestellt würden, sowie auf hierfür erforderliche Waren. Dieselbe Markenstelle hat die Anmeldung unter Bezugnahme auf diesen Bescheid mit Erstbeschluss vom 17. August 2009 gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen, weil dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft fehle. Begründend ist ausgeführt, dass das Zeichen als bloße Sachangabe in der Form eines Werbespruchs aufgefasst werde, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis. Voreintragungen seien nicht geeignet, einen Anspruch auf Eintragung zu begründen. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Erinnerung ist mit Beschluss vom 31. Januar 2011 zurückgewiesen worden, weil der angemeldeten Wortfolge ausschließlich die unmittelbar sachbezogene, beschreibende Angabe entnommen werde, dass es mit Hilfe der so beworbenen Waren und Dienstleistungen möglich sein solle, statt umständlich zu bearbeitenden Akten gleich die für den Fall wichtigen Fakten heranziehen zu können. Es sei ein geläufiges Problem, dass Papierakten so voll und dadurch unübersichtlich seien, dass es ohne größeren Zeitaufwand kaum noch möglich sei, die für den Fall maßgeblichen Fakten herauszuarbeiten.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hält mit näheren Ausführungen die Wortfolge wegen ihrer Kürze und Prägnanz, die es dem Verkehr ermöglichten, sich den Slogan gut zu merken, für schutzfähig. Aus diesen Gründen habe der Bundesgerichtshof beispielsweise auch der Wortfolge „Radio von hier. Radio wie wir“ die erforderliche Unterscheidungskraft zugesprochen, auch weil sie aufgrund der einfachen, in Reimform gehaltenen Aussage besonders eingängig sei und zum Nachdenken anrege. Dasselbe treffe auf die Wortfolge „Fakten statt Akten“ zu. Zudem würden mit dieser Wortfolge die Waren und Dienstleistungen der Anmeldung nicht unmittelbar beschrieben, sondern ein Mindestmaß an Interpretations- bzw. analysierendem Aufwand sei erforderlich. Ohne interpretierende Zwischenschritte ergebe die Wortfolge keinen Sinn. Sie löse beim Verkehr einen Denkprozess aus. Die von der Markenstelle zugrunde gelegte Bedeutung, es handle sich um Waren und Dienstleistungen, die Hilfestellung dabei böten, aus unübersichtlichen Akten die inhaltlich relevanten Fakten herauszufiltern, müsse durch mehrere Interpretationsvorgänge ermittelt werden. Denn das Wort „Akten“ bezeichne keinen unbeherrschbaren Berg von Papier, sondern einen körperlichen Gegenstand, in dem auf denselben Vorgang bezogene Dokumente aufbewahrt würden. Dass Akten „voll und dadurch unübersichtlich“ seien, sei nicht notwendig, sondern werde in das Wort hineininterpretiert. Was das Wort „Fakt“ anbetreffe, so werde im allgemeinen Sprachgebrauch etwas Fakt, das zuvor ungewiss gewesen und nun real/bestätigt sei. Die Wortfolge enthalte indessen keine Informationen darüber, auf welche Weise die Waren und Dienstleistungen dazu beitrügen, Akten zu Fakten werden zu lassen. Da auch Akten Fakten enthielten, sei ohnehin fraglich, wie Fakten die Akten ersetzen sollten, wenn diese nur ein Bestandteil derselben seien. Die Akte bleibe auch dann noch als Vorgang vorhanden, wenn man ihr die Fakten entnommen habe. Da sich die Bedeutung der Wortfolge nicht unmittelbar erschließe und sie mehrdeutig sei, führe dies zur Eintragungsfähigkeit des Slogans. Zur Begründung der Schutzfähigkeit hat sich die Anmelderin ferner auf die Eintragung von Marken mit dem Wort „Fakten“ bezogen.
Der Senat hat der Anmelderin Internetausdrucke aus dem Monat April 2012 übersandt, die belegen, dass die Wortfolge „Fakten statt Akten“ in den Jahren 2009 und 2010 im Bereich des sogenannten „Vertragsmanagements“ verwendet worden ist.
Dazu meint die Anmelderin unter Vorlage zahlreicher Anlagen, dass aus den Verwendungsbeispielen nichts gegen die Eintragungsfähigkeit hergeleitet werden könne. Die Verwendungen seien auf die Anmelderin zurückzuführen. Soweit der Slogan von wenigen Dritten übernommen worden sei, handele es sich um Nachahmer in dem nicht so großen Markt, gegen die sie vorgegangen sei. Die Verfahrensdauer könne nicht zu ihren Lasten gehen.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. August 2009 und vom 31. Januar 2011 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet; die angemeldete Marke ist wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen; die Markenstelle hat die Anmeldung deshalb zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Marke erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rn. 45 - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 Rn. 27 - BioID; GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Rn. 12 - VISAGE; GRUR 2009, 949 Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2010, 825, 826 Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rn. 8 - STREETBALL; GRUR 2009, 778, 779 Rn. 11 - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 f. Rn. 10 - My World; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006).
Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 Rn. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953 Rn. 10 - DeutschlandCard; GRUR 2006, 850, 854 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854 Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855 Rn. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).
An die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen und Slogans sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Wortzeichen (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 36 - Vorsprung durch Technik; EuGH GRUR 2004, 1027 Rn. 32, 44 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2009, 949 Rn. 12 - My World; BGH GRUR 2009, 778 Rn. 12 - Willkommen im Leben). Es wäre daher unzulässig, besondere Kriterien aufzustellen, die das Kriterium der Unterscheidungskraft ersetzen oder von ihm abweichen (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 38 - Vorsprung durch Technik; EuGH GRUR 2004, 1027 Rn. 35 und Rn. 36 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT), etwa dergestalt, dass die sloganartige Wortfolge phantasievoll sein und ein begriffliches Spannungsfeld, das einen Überraschungs- und damit Merkeffekt zur Folge habe, aufweisen müsse (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 39 - Vorsprung durch Technik; EuGH GRUR 2004, 1027 Rn. 31, 32 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; vgl. BGH GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft). Auch wenn Werbeslogans keinen strengeren Schutzvoraussetzungen unterliegen, ist jedoch zu berücksichtigen, dass Wortmarken in Form von Werbeslogans vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen werden wie andere Markenkategorien. Insoweit ist bei Slogans, die eine im Vordergrund stehende Werbefunktion ausüben, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Durchschnittsverbraucher aus solchen Slogans gewöhnlich nicht auf die Herkunft der Waren schließen. Bei nach Art eines Slogans gebildeten Wortfolgen wird der Verkehr diese daher als eine Beschreibung oder Anpreisung des Inhalts oder Gegenstands entsprechender Waren und Dienstleistungen auffassen (vgl. GRUR 2004, 1027, 1029 Rn. 35 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt; BGH GRUR 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft; EuG GRUR Int. 2003, 834, 835 f. - Best buy; GRUR Int. 2004, 944, 946 - Mehr für Ihr Geld). Nicht unterscheidungskräftig sind demzufolge spruchartige Wortfolgen, die lediglich in sprach- oder werbeüblicher Weise eine beschreibende Aussage über die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen enthalten oder sich in Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art erschöpfen (vgl. EuGH GRUR 2004, 1027 Rn. 35 - DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT; BGH GRUR 2001, 1047, 1049 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; BGH GRUR 2001, 735, 736 - Test it.).
2. Nach diesen Grundsätzen fehlt der zur Eintragung in das Markenregister angemeldeten Wortfolge Fakten statt Akten jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
a) Der Senat ist allerdings mit der Anmelderin der Auffassung, dass der Wortfolge Fakten statt Akten in Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht schon von Hause aus jede Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann. Diese Wortfolge ist zwar aus gebräuchlichen Wörtern der deutschen Sprache gebildet, und ihr fehlt auch nicht jeder Sinnbezug. Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, liegt die Annahme nahe, dass die angemeldete Marke die Vorstellung vermittelt, dass die mit ihr gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen einer EDV-gestützten Aktenverwaltung dienen. Dieser beschreibende Aussagekern steht bei der angemeldeten Marke aber nicht im Vordergrund, sondern wird dem Publikum nach Art eines sprechenden Zeichens in eher vager und unterschwelliger Form nahegebracht. Solche suggestiven Andeutungen nehmen einer Marke grundsätzlich nicht die erforderliche Unterscheidungskraft (vgl. BPatG GRUR 2004, 333 - ZEIG DER WELT DEIN SCHÖNSTES LÄCHELN [schutzfähig u. a. für Zahnputzmittel]; EuG GRUR 2001, 332, 333 f. Rn. 23 und Rn. 29 f. - VITALITE). Die angemeldete Marke erfordert einen gewissen Interpretationsaufwand, um zu ihrem beschreibenden Aussagegehalt vorzudringen, und ist daher geeignet, bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen entsprechenden Denkprozess auszulösen (EuGH GRUR 2010, 228 Rn. 57 - Vorsprung durch Technik; vgl. auch BGH GRUR 2009, 949, Rn. 12 - My World). Darüber hinaus erhält sie durch die gleichen Endsilben der Substantive „Fakten“ und „Akten“ als reimendes Schmuckelement eine gewisse Originalität und Prägnanz.
b) Jedoch ist den der Anmelderin mit der Ladung übersandten Nachweisen zu entnehmen, dass der Slogan Fakten statt Akten gerade in dem hier betroffenen Bereich des IT-gestützten Vertragsmanagements gegenwärtig bereits als Werbespruch verwendet wird. So heißt es in einem Artikel eines Internetmagazins der „bba Bau, Beratung, Architektur“, Ausgabe 7-8/2009 unter der Überschrift „Fakten statt Akten“: „Ausladende Planschränke sind nur noch selten zu finden. Die meisten Planer verwalten ihre Unterlagen heute elektronisch“. In einem Artikel im „midrangemagazin“ des ITP Verlags zum Produkt „NTC-Vertragsmanager“ heißt es: „Stiefkind Vertragsmanagement Fakten statt Akten. Das Vertragsmanagement ist in vielen Firmen noch ein Stiefkind…Jedes Jahr verschlafen viele Unternehmen jedoch wichtige Vertragsfristen…Ein elektronisches System bringt Transparenz ins Vertragsdickicht und minimiert so das unternehmerische Risiko sowie Verluste durch versäumte Termine“. Auch von der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung übergebene Ausdrucke aus dem Internet belegen die Verwendung der Wortfolge: im Zusammenhang mit einem von der Firma XING im Jahr 2010 angebotenen Live Webcast zum Thema Vertragsmanagement heißt es „Fakten statt Akten“; die Firma TBS hat „Vertragsmanagement für Leasinggesellschaften“ im Jahr 2010 in Verbindung mit der Wortfolge „Fakten statt Akten“ angeboten.
Vor dem Hintergrund der gebräuchlichen Verwendung ist die Wortfolge Fakten statt Akten im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren, die nach den beispielhaften Angaben im Verzeichnis Vertragsmanagement zum Gegenstand haben sollen und können, und bei den Dienstleistungen ausdrücklich darauf bezogen sind, nicht unterscheidungskräftig. Denn wenn das angesprochene Publikum - hier in erster Linie geschäftliche Abnehmer - mit dem beanspruchten Slogan seitens einer größeren Anzahl von Anbietern von Vertragsmanagementprodukten konfrontiert ist, kann sich hieran keine individuelle betriebliche Herkunftsvorstellung mehr knüpfen. Unerheblich ist dabei, ob - wie von der Anmelderin behauptet - jedenfalls teilweise Kooperationen mit der Anmelderin bestehen. Denn dies ist für den Verkehr nicht erkennbar. Das Zeichen hat somit seine von Hause aus gegebene Unterscheidungskraft verloren und erschöpft sich in einer werbeüblichen Anpreisung.
c) Die von der Anmelderin angestellten Erwägungen zur Dauer des Eintragungsverfahrens, die ihr nicht entgegengehalten werden könne, führen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar lässt sich nicht nachweisen, dass die beanspruchte Wortfolge schon im Zeitpunkt der Anmeldung (25. September 2007) als bloßes Werbemittel verbreitet war. Darauf kommt es aber nicht an. Nach deutschem Recht ist eine Eintragung ausgeschlossen, wenn Schutzhindernisse im Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung vorliegen (BGH GRUR 1993, 744, 745 - MICRO CHANNEL; GRUR 2009, 411 Nr. 14 - STREETBALL; GRUR 2009, 780 Nr. 11 - IVADAL; vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 15-17). Insoweit unterscheidet sich die deutsche Praxis vom Recht der Gemeinschaftsmarken, in dem grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Markenanmeldung als maßgeblich angesehen wird, um eine Markeneintragung nicht von der Dauer des Prüfungsverfahrens abhängig zu machen und durch erst nachträglich auftretende Schutzhindernisse infrage zu stellen (vgl. EuGH MarkenR 2010, 439 Rn. 47 - Flugbörse). Eine solche unterschiedliche Betrachtungsweise steht nicht im Widerspruch zur Markenrichtlinie, weil diese das Verfahrensrecht unberührt lässt (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdn. 16).
3. Ein Eingehen auf die von der Anmelderin genannten Voreintragungen ist nicht veranlasst (vgl. BGH GRUR 2012, 276, 277 Rn. 18 - Institut der Norddeutschen Wirtschaft e. V. m. w. N.). Der Hinweis der Anmelderin, dass die Wortfolge aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Marke „Radio von hier. Radio wie wir“ schutzfähig sei, kann schon deshalb nicht zum Erfolg der Beschwerde führen, weil dort nicht die Frage fehlender Unterscheidungskraft wegen der gebräuchlichen Verwendung einer Wortfolge zur Entscheidung stand; vielmehr ging es um die Frage eines direkt produktbezogenen Inhalts des Slogans.
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), da es weiterer höchstrichterlicher Klärung bedarf, auf welchen Zeitpunkt für die Feststellung absoluter Schutzhindernisse abzustellen ist. Zwar entspricht es - wie ausgeführt - ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass hierfür der Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung maßgeblich ist. Die betreffenden Entscheidungen sind jedoch vor dem „Flugbörse“-Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 23. April 2010 ergangen. Die praktische Bedeutung dieser Frage ist allerdings nach Auffassung des Senats eher gering. In aller Regel nämlich scheitern Markenanmeldungen wegen fehlender Unterscheidungskraft im Hinblick auf den beschreibenden Sinngehalt des Zeichens. Dieser Sinngehalt ist im Zeitpunkt der Entscheidung meist nicht anders zu beurteilen als im Zeitpunkt der Anmeldung; soweit die Markenstellen und -senate ihren Entscheidungen praktische Verwendungsbeispiele - meist aktuelle Internetrecherchen - zugrunde legen, dient dies nur der Illustration des Verkehrsverständnisses. Anders liegt es nur, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Zeichen seine im Anmeldezeitpunkt noch gegebene Unterscheidungskraft im Laufe des Verfahrens nachweislich verloren hat. Die geringe praktische Relevanz der Frage des maßgeblichen Zeitpunkts ändert indessen nichts an ihrer grundsätzlichen Bedeutung.