Entscheidungsdatum: 11.06.2015
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2012 063 077.4
(hier: Antrag auf Akteneinsicht)
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker, des Richters Merzbach und der Richterin Uhlmann
beschlossen:
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegnerin werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.
3. Der Gegenstandswert wird auf 5.000,-- € festgesetzt.
I.
Die Beschwerdeführerin und Anmelderin der am 10. Dezember 2012 unter der Registernummer 30 2012 063 077.4 zur Eintragung als Marke in das bei dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldeten Wortfolge TRANSZENDENTALE MEDITATION wendet sich gegen die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamtes, der Antragstellerin vor Eintragung Akteneinsicht in die Registerakte zu gewähren.
Die Beschwerdeführerin hat am 9. Januar 2014 aus dieser Markenanmeldung Widerspruch gegen die am 15. Januar 2013 angemeldete und 20. August 2013 unter der Nummer 30 2013 000 204 eingetragene Wort-/Bildmarke
der Antragstellerin erhoben. Diese hat daraufhin am 12. März 2014 Antrag auf Aktensicht in die Registerakte der Widerspruchsmarkenanmeldung gestellt und vorgetragen, sie müsse befürchten, dass nach Eintragung der angemeldeten Wortfolge Rechte gegen ihre prioritätsjüngere Marke hergeleitet würden. Als Inhaberin der angegriffenen Marke habe sie bereits jetzt ein legitimes Interesse daran, das bisherige Eintragungsverfahren und den sich daraus ergebenden Schutzumfang der Markenanmeldung zu prüfen.
Am 8. April 2014 teilte die auch das Widerspruchsverfahren bearbeitende Markenstelle für Klasse 44 mit, dass das Widerspruchsverfahren bis zur Entscheidung über die Eintragung der Widerspruchsmarke zurückgestellt werde.
Die Markenanmelderin ist dem Antrag auf Akteneinsicht unter Hinweis auf die Zurückstellung des Widerspruchsverfahrens entgegengetreten. Die Antragstellerin könne ein berechtigtes Interesse an Akteneinsicht wenn überhaupt erst nach Abschluss des Eintragungsverfahrens geltend machen. Sollte die Anmeldung zurückgewiesen werden, erledige sich das Widerspruchsverfahren von selbst. Eine Akteneinsicht zum jetzigen Zeitpunkt sei ohnehin noch unvollständig, da das Anmeldeverfahren möglicherweise noch mehrere Instanzen durchlaufen werde.
Mit Beschlüssen vom 24. Juni 2014 und 12. Dezember 2014, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 44 dem Antrag auf Akteneinsicht stattgegeben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Geltendmachung von Rechten aus der Markenanmeldung berechtige zur Einsicht in die Akten der Anmeldung, aus der der Widerspruch erhoben werde. Dies gelte auch dann, wenn das Widerspruchsverfahren ausgesetzt sei. Denn die formale Kollisionslage bestehe auch bei Aussetzung fort. Die Antragstellerin habe ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob die angemeldete Marke zur Eintragung kommen werde und welchen Stand das Eintragungsverfahren habe. Sie habe nicht zuletzt ein wirtschaftliches Interesse daran zu erfahren, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie ihre Marke weiter nutzen könne oder eine Einschränkung zu erwarten habe, die ihr Anlass gebe, ihre Markenstrategie zu überdenken. Ein Zuwarten bis zur Eintragung sei ihr nicht zuzumuten. Demgegenüber seien für die Anmelderin keine Nachteile aus der Akteneinsicht zu erwarten. Konkrete Anhaltspunkte für ein bestehendes Geheimhaltungsinteresse seien nicht dargelegt.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Markenanmelderin und Antragsgegnerin vom 19. Januar 2015. Sie trägt vor, die Antragstellerin habe kein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht glaubhaft gemacht, jedenfalls stehe ein erhebliches Geheimhaltungsinteresse der Anmelderin der Akteneinsicht entgegen. Die Gegenseite habe während der Dauer der Aussetzung des Widerspruchsverfahrens eine Verschlechterung ihrer Position weder zu erwarten noch konkret zu befürchten. Es sei nicht ersichtlich, warum ihr nicht zugemutet werden könne, den Abschluss des Eintragungsverfahrens abzuwarten. Dem allenfalls formalen Informationsinteresse der Antragstellerin stehe das Recht der Anmelderin auf ihre informationelle Selbstbestimmung aufgrund ihres verfassungsmäßig verbürgten Persönlichkeitsrechts entgegen. Dieses gestatte dem Einzelnen grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte preisgegeben und persönliche Daten verwendet werden dürften. Die Beschwerdeführerin habe im Erinnerungsverfahren auch diverse Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse vorgetragen, die als Hinderungsgrund für die Akteneinsicht anerkannt seien. Sie habe umfassende Informationen über die Entstehungsgeschichte, Bedeutung, bereits durchgeführte Verfahren sowie persönliche Daten des Gründers der Anmelderin eingereicht. Diese seien zwar zum Teil auch über das Internet erhältlich, andere Informationen betrachte die Anmelderin dagegen als Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, deren Einsichtnahme Dritten nicht gestattet sein solle. Ferner seien in den in der Anmeldeakte befindlichen Schriftsätzen vom 20. August 2013 und 18. März 2014 interne Vorgänge angesprochen und offen gelegt, die vertrauliche Informationen enthielten.
Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag,
der Beschwerde stattzugeben und unter Aufhebung der ergangenen Beschlüsse der Antragstellerin die Akteneinsicht zu verweigern.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
1. die Beschwerde zurückzuweisen sowie
2. der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Sie trägt vor, ihr berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht resultiere aus der Benutzung der Anmeldung als Angriffsmittel im Widerspruchsverfahren gegen ihre in den Wortbestandteilen identische Wort-/Bildmarke. Aus der Registerakte könnten sich Argumente für ihr Verteidigungsvorbringen im Widerspruchsverfahren ableiten lassen. Dass der Widerspruch im Fall der Zurückweisung der Anmeldung hinfällig werde, sei irrelevant.
Die Beschwerdeführerin habe zudem aus einer weiteren Markenanmeldung mit dem Wortbestandteil „Transzendentale Meditation“ Widerspruch gegen die Marke der Antragstellerin erhoben. Daher sei die aus der Anmeldeakte ersichtliche markenrechtliche Bewertung dieses Wortbestandteils seitens des DPMA für die Beschwerdegegnerin von maßgeblichem Interesse. Überwiegende Geheimhaltungsinteressen habe die Beschwerdeführerin nicht dargelegt. Auch wenn es ihr gelingen sollte, ein eventuell bestehendes Eintragungshindernis durch Nachweis der Verkehrsdurchsetzung zu überwinden, könne ihr Geheimhaltungsinteresse nicht höher bewertet werden als das Informationsinteresse der Beschwerdegegnerin an der Bestimmung des Schutzumfangs des Widerspruchzeichens.
Zum weiteren Vortrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Markenstelle hat der Antragstellerin mit zutreffender Begründung gemäß § 62 Abs. 1 MarkenG Einsicht in die Akte der Markenanmeldung gewährt.
Gemäß § 62 Abs. 1 MarkenG gewährt das Patentamt Dritten Einsicht in die Akten von Anmeldungen von Marken, wenn ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Nach Eintragung der Marke ist Dritten gemäß § 62 Abs. 2 MarkenG auch ohne Geltendmachung eines berechtigten Interesses Akteneinsicht zu gewähren. Gemäß § 62 Abs. 4 MarkenG ist die Akteneinsicht ausgeschlossen, soweit eine Rechtsvorschrift entgegensteht oder soweit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen im Sinne des § 3 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes offensichtlich überwiegt.
Die Antragstellerin hat ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht glaubhaft gemacht. Rechtsvorschriften oder offensichtlich überwiegende Interessen der Antragsgegnerin stehen diesem Interesse nicht entgegen.
Zur Begründung des Rechts auf Akteneinsicht genügt ein tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse (BGH GRUR 1994, 104, 105 - Akteneinsicht XIII; BPatG Beschluss vom 19. Juli 2011, 24 W (pat) 14/11 - HOT). Dieses ist schon dann gegeben, wenn der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt, das auch tatsächlicher Art sein kann und im Allgemeinen dann vorliegen wird, wenn ein künftiges Verhalten des Antragstellers durch die Kenntnis vom Akteninhalt beeinflusst werden kann. Es ist nicht stets erforderlich, dass das Interesse nicht auf andere Weise befriedigt werden kann und deshalb die Einsichtnahme in die Akten notwendig sein müsste. Ob das geltend gemachte Interesse berechtigt ist, ist durch Abwägung der Belange des Antragstellers und des durch die Akteneinsicht Betroffenen zu ermitteln.
Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, hat derjenige, dessen Markeneintragung im Widerspruchsverfahren aus einer prioritätsälteren Markenanmeldung angegriffen wird, ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Akten der Anmeldung, aus der Widerspruch erhoben wird. Der Angriff auf seine Marke selbst stellt bereits eine jedenfalls wirtschaftliche Beeinträchtigung seiner Rechtsposition dar, da er die Verwendungsmöglichkeit seiner Marke in Frage stellt und den Markeninhaber zwingt, langfristige Planungen seiner Markenstrategie zu überdenken und gegebenenfalls zu korrigieren. Um derartige Entscheidungen über Investitionen in die Marke oder eine andere Markenstrategie treffen zu können, ist eine frühzeitige möglichst genaue Vorstellung von der Erfolgsaussicht des gegen ihn geführten Angriffs erforderlich. Diese hängt maßgeblich von Umständen ab, die aus der Registerakte hervorgehen können, etwa von der Frage, ob die als Angriffsmittel benutzte Anmeldung den an die Erlangung einer Priorität geknüpften Anforderungen gemäß §§ 32 Abs. 2, 33 Abs. 1 MarkenG entspricht, oder für welche Waren und Dienstleistungen die Anmeldung Aussicht auf Eintragung hat. Ein Zuwarten bis zum Abschluss des Eintragungsverfahrens ist ihm bei dieser Sachlage wirtschaftlich auch dann nicht zumutbar, wenn das Widerspruchsverfahren bis zu diesem Zeitpunkt nicht fortgeführt wird, eine Löschung seiner Marke also nicht unmittelbar bevorsteht. Dieses gemäß Art. 12 GG im Rahmen der Wettbewerbsfreiheit geschützte Interesse wiegt in der Regel höher als das gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Recht des Anmelders auf informationelle Selbstbestimmung über die für die Anmeldung gemäß § 32 Abs. 2 MarkenG, §§ 3, 5 MarkenV erforderlichen persönlichen und sachlichen Daten, die meist keine besondere datenrechtliche Brisanz haben. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung unterliegt seinerseits Schranken. Der Einzelne muss Beschränkungen seines Rechts im überwiegenden Allgemeininteresse, auf gesetzlicher Grundlage und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots hinnehmen. Dabei fällt ins Gewicht, dass das berechtigte Interesse des Antragstellers, von dem § 62 Abs. 1 MarkenG die Akteneinsicht abhängig macht, nicht lediglich ein Individualinteresse darstellt. Vielmehr besteht ein Allgemeininteresse daran, dass keine Marken zu Unrecht eingetragen werden oder zu Unrecht eingetragen bleiben und dass nicht aus eingetragenen Marken zu Unrecht Ausschließlichkeitsrechte abgeleitet werden (BGH GRUR 2007, 628 Rn. 14 – MOON m. w. N).
Gerade ein Anmelder, der vor Eintragung den Schutz aus einer Markenanmeldung als Angriffsmittel gegen eine jüngere Marke einsetzt, muss es sich grundsätzlich gefallen lassen, dass er im diesem Verfahren wie der Inhaber einer eingetragenen Marke behandelt wird und diese Daten dem Gegner schon vor Abschluss des Anmeldeverfahrens zur Vorbereitung seiner Rechtsverteidigung zugänglich gemacht werden.
Auch die Voraussetzungen für einen Ausschluss der Akteneinsicht nach § 62 Abs. 4 MarkenG liegen nicht vor.
Eine Rechtsvorschrift steht der Akteneinsicht gemäß § 62 Abs. 4 MarkenG nicht entgegen. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen der Beteiligten im konkreten Fall ein schutzwürdiges Interesse der Beschwerdeführerin im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG das Interesse des Antragstellers an der Akteneinsicht offensichtlich überwiegt. Dies ist nur in Ausnahmefällen anzunehmen, bei denen der Schutz besonders sensibler Daten den Ausschluss der Akteneinsicht im Ganzen oder für einzelne Schriftstücke rechtfertigt. Denkbar ist dies bei personenbezogenen Daten, die Rückschlüsse auf die Gesundheit oder persönliche Lebenssituation des Betroffenen zulassen, bzw. bei Geschäftsgeheimnissen, wobei auch hier bei der Güterabwägung nicht unberücksichtigt bleiben kann, dass derjenige, der ein Schutzrecht als Mittel im Wettbewerbskampf einsetzt, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht dazu benutzen darf, dem Gegner die gesetzlich vorgesehenen Mittel zur zeitnahen und effektiven Rechtsverteidigung zu beschneiden. Der Umstand, dass aus der Registerakte Rückschlüsse auf eine geringe Erfolgsaussicht des Eintragungsgesuchs gezogen werden können, rechtfertigt es jedenfalls nicht, die Akteneinsicht auszuschließen, da sie ja gerade der Prüfung der Erfolgsaussicht des Angriffs aus der Anmeldung dient.
Derartige besonders schutzwürdige Daten befinden sich in der Registerakte nicht. Der Schriftsatz vom 20. August 2013 enthält in erster Linie allgemeine Rechtsausführungen zur Unterscheidungskraft des Anmeldezeichens. Die Angaben über die Verbindung zwischen der Anmelderin und dem Yogalehrer, auf den der Begriff „transzendentale Meditation“ zurückgehen soll, sind so allgemein gehalten, dass sie nicht die Qualität eines Betriebsgeheimnisses erreichen. Gleiches gilt für die Angaben zu dem globalen Vertriebskonzept der Beschwerdeführerin. Die dem Schriftsatz beigefügten Anlagen bestehen überwiegend aus Registerurkunden über die Markeneintragung des Anmeldezeichens in anderen Ländern, die als solche öffentlich zugänglich und nicht geheimhaltungsbedürftig sind. Im Übrigen handelt es sich um Auszüge aus im Internet abrufbaren öffentlich zugänglichen Quellen oder sonstige Daten ohne schützenswerten Informationsgehalt.
Auch im Schriftsatz vom 18. März 2014 finden sich keine geheimhaltungsbedürftigen Informationen. Weder der als Anlage beigefügte Wikipedia-Auszug noch die sprachwissenschaftlichen und philosophischen Ausführungen zur Bedeutung der Wortbestandteile des Anmeldezeichens enthalten persönliche oder betriebliche Tatsachenangaben, die die Beschränkung des Akteneinsichtsrechts der Beschwerdegegnerin rechtfertigen könnten.
2. Die Kosten des Verfahrens waren gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG der Beschwerdeführerin aufzuerlegen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hatte. In Nebenentscheidungen, zu denen auch das Akteneinsichtsverfahren gehört, entspricht es in der Regel der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens entsprechend dem Ausgang des Verfahrens zu verteilen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 71 Rn. 18). im konkreten Fall besteht kein Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
3. Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus §§ 33 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 RVG und entspricht dem sogenannten „Regelwert“ nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Im Hinblick auf die Bedeutung des Akteneinsichtsgesuchs für das zwischen den Beteiligten schwebende Widerspruchsverfahren erscheint der Betrag von 5.000,-- € nach Lage des Falles angemessen.