Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 19.07.2011


BPatG 19.07.2011 - 24 W (pat) 14/11

Markenbeschwerdeverfahren – "HOT" – Akteneinsicht in Verfahren einer zurückgenommenen Anmeldung - Inhalt der Akten bietet der Antragstellerin einen konkreten Erkenntnisgewinn – berechtigtes Interesse an Akteneinsicht - zur Kostenauferlegung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
24. Senat
Entscheidungsdatum:
19.07.2011
Aktenzeichen:
24 W (pat) 14/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 006 308.4

(hier: Akteneinsicht)

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 19. Juli 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richter Viereck und Paetzold

beschlossen:

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin hatte am 1. Februar 2010 die Wortmarke

2

HOT

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für Waren der Klassen 3, 5 und 16 angemeldet. Diesem Anmeldeverfahren hat das Deutschen Patent- und Markenamt die Nummer 30 2010 006 308.4 zugeordnet. Die Markenstelle für Klasse 3 hat diese Anmeldung mit Bescheid vom 14. Mai 2010 beanstandet. Mit Beschluss vom 9. August 2010 hat die Markenstelle, vertreten durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes, die Anmeldung zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat dagegen zunächst Erinnerung eingelegt, dann aber die Anmeldung mit Schriftsatz vom 13. September 2010 zurückgenommen.

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Noch vor dieser Rücknahme, nämlich am 6. Juli 2010, hatte die Antragstellerin  Einsicht in die patentamtlichen Akten über die zurückgenommene Markenanmeldung beantragt. Dem hat die Antragsgegnerin widersprochen.

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Mit Beschluss vom 9. August 2010 hat die Markenstelle für Klasse 3, vertreten durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes, dem Antrag auf Akteneinsicht stattgegeben mit der Begründung, dass die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse i. S. v. § 62 Abs. 1 MarkenG glaubhaft gemacht habe.

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Die Erinnerung der Antragsgegnerin hat die Markenstelle, diesmal vertreten durch eine Beamtin des höheren Dienstes, mit Beschluss vom 18. November 2010 zurückgewiesen. Die Markenstelle war weiterhin der Meinung, dass die Antragstellerin ein wirtschaftliches Interesse an der Akteneinsicht glaubhaft gemacht hätte. Mögliche Geheimhaltungsinteressen, die diesen wirtschaftlichen Interessen entgegenstehen könnten, hätte die Antragsgegnerin nicht dargelegt und seien auch sonst nicht ersichtlich.

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Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt. Sie hat bis zur Beschlussfassung durch den Senat keine Anträge und keine Beschwerdebegründung zu den Akten gereicht. Die Antragstellerin hat sich bisher im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

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Im patentamtlichen Verfahren hatte die Antragstellerin ihren Antrag auf Akteneinsicht wie folgt begründet:

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Die Antragsgegnerin sei zu 66,67 % an der H… GmbH beteiligt, habe ihren Sitz an derselben Anschrift wie die vorgenannte GmbH und die Herren K… und H… seien Gesellschafter beider Gesellschaften. Dazu hat die Antragstellerin entsprechende Auszüge aus dem Justiz Firmenbuch der Republik Österreich vorgelegt. Weiter hat die Antragstellerin vorgetragen, die H… GmbH verfüge über eine internationalregistrierte Wort-Bild-Marke mit der Nummer IR 797 277, die aus dem Wortbestandteil „HOT“ und einer quadratischen Umrandung dieses Wortes mit einer durchgehenden Linie bestehe. Dazu hat die Antragstellerin einen entsprechenden Registerauszug  vorgelegt, aus dem sich u. a. ergibt, dass diese IR-Marke für Waren der Klassen 3, 5, 16 und 25 registriert worden ist. Mit der Begründung, die Antragstellerin hätte mit der markenmäßigen Benutzung der Wortkombination RALPH Ralph Lauren HOT die Rechte der H… GmbH aus deren international registrierten Marke verletzt, nehme diese GmbH die Antragstellerin vor dem Landgericht Düsseldorf auf Schadensersatz in Anspruch (Az.: 34 O 31/09). Daraufhin hätte die Antragstellerin beim Deutschen Patent- und Markenamt ein Verfahren angestrengt, mit dem der international registrierten Wort-Bild-Marke Nummer IR 797 277 der H… GmbH für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland der Schutz entzogen werden solle. Mit Rücksicht auf dieses Verfahren sei das Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf ausgesetzt worden.

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Den vorstehenden Tatsachenvortrag der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin nicht bestritten.

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Die Antragstellerin möchte im Wege der beantragten Akteneinsicht Aufschluss darüber gewinnen, wie die Anmeldung der Wortmarke „HOT“ der Antragsgegnerin sowohl von dieser selbst als auch von der zuständigen Markenstelle gesehen und behandelt wurde, und verspricht sich davon weitere Aufschlüsse für die Schutzfähigkeit der international registrierten Marke, aus der sie in Anspruch genommen wird und gegen die sie die Schutzentziehung betreibt.

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Ihren Widerspruch gegen das Akteneinsichtsgesuch der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin wie folgt begründet: Die Antragstellerin habe zur Begründung ihres Antrag kein berechtigtes Interesse i. S. v. § 62 Abs. 1 MarkenG glaubhaft gemacht. Die Markenanmeldung, in deren patentamtliche Akte die Antragstellerin Einsicht nehmen wolle, habe sich durch Rücknahme erledigt, das zivilrechtliche Verfahren, dass gegen die Antragstellerin aus der international registrierten Marke Nr. IR 797 277 betrieben werde, sei ausgesetzt mit Rücksicht auf das von der Antragstellerin betriebene Verfahren, mit dem der IR-Marke der Schutz für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland entzogen werden solle. Außerdem spiele die Wortmarken-Anmeldung, die Gegenstand des hiesigen Akteneinsichtsverfahrens ist, in dem ausgesetzten zivilgerichtlichen Verfahren keine Rolle. Im übrigen habe die Antragsgegnerin ein eigenes schutzwürdiges Interesse daran, ihre später wieder zurückgenommene Markenanmeldung Dritten und damit auch der Antragstellerin nicht zugänglich zu machen. Die Rücknahme von Markenanmeldungen gehörten grundsätzlich zur Unternehmenspolitik und deshalb bestehe auch ein schutzwürdiges Interesse daran, angemeldete, aber noch nicht veröffentlichte Marken Dritten nicht zugänglich zu machen.

II.

13

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des Senats ist der Antragstellerin gemäß § 62 Abs. 1 MarkenG Einsicht in die Akten der zurückgenommenen Markenanmeldung 30 2010 006 308.4 zu gewähren.

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Nach der genannten Vorschrift gewährt das Patentamt auf Antrag Einsicht in die Akten von Markenanmeldungen, wenn ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Unter Akten von Anmeldungen von Marken i. S. d. Vorschrift sind nicht nur Akten noch anhängiger - existenter - Markenanmeldungen zu verstehen, sondern ebenfalls die Akten zurückgewiesener sowie auch zurückgenommener Anmeldungen (vgl. BPatGE 23, 166, 169 f.; BPatG GRUR 2006, 614, 615 „Akteneinsicht Markenanmeldung“, bestätigt durch BGH BlPMZ 2007, 322 f. „MOON“). Der Umstand, dass die hier in Rede stehende Markenanmeldung bereits im September 2010 zurückgenommen worden ist, steht daher dem Akteneinsichtsbegehren nicht entgegen.

15

Zutreffend ist die Markenstelle weiterhin davon ausgegangen, dass ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht regelmäßig dann anzunehmen ist, wenn ein künftiges Verhalten des Antragstellers bei der Wahrung oder Verteidigung von Rechten durch die Kenntnis vom Akteninhalt beeinflusst werden kann. Hierbei genügt auch ein tatsächliches, insbesondere ein wirtschaftliches Interesse. Ein rechtliches Interesse i. S. v. § 299 ZPO ist nicht erforderlich. Auch ist das berechtigte Interesse grundsätzlich nicht durch den Gegenstand desjenigen Verfahrens begrenzt, in dessen Akten Einsicht begehrt wird (vgl. BGH GRUR 1994, 104 „Akteneinsicht XIII“; BPatGE 30, 139, 141). Ein nach diesen Beurteilungsgrundsätzen berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Akten der zurückgenommenen Markenanmeldung „HOT“ ist nach dem hier insoweit unstreitigen Sachverhalt zu bejahen.

16

Die Antragstellerin wird von einem mit der Antragsgegnerin wirtschaftlich eng verbundenen Unternehmen gerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen aus einer Wort-Bild-Marke, deren einziger Wortbestandteil „HOT“ im Gesamtaufbau der Marke herausgestellt ist. Die Antragstellerin hält diese Marke für nicht schutzfähig und betreibt deswegen ein Verfahren, mit dem der Marke für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland der Schutz entzogen werden soll. In beiden Verfahren wird es entscheidend auf die Frage ankommen, ob und in welchem Umfang das Wort „HOT“ kennzeichnungskräftig ist für die Waren, für die die Marke international registriert worden ist. Diese Waren sind in den Klassen 3, 5 und 16 mit den Waren, für die die reine Wortmarke „HOT“ angemeldet worden war, identisch oder sie sind diesen Waren ähnlich. Für die beiden Rechtsstreite kann daher der Inhalt der Akten der zurückgenommenen Markenanmeldung „HOT“ der Antragstellerin einen konkreten Erkenntnisgewinn bieten, weil diese Akten weitere Anhaltspunkte enthalten können für die Einschätzung der Kennzeichnungskraft bzw. Schutzfähigkeit des Wortes „HOT“ im - für die anhängigen Rechtsstreite - einschlägigen Warenbereich. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Antragstellerin vor dem Landgericht Düsseldorf nicht aus der hier in Rede stehenden zurückgenommenen Markenanmeldung „HOT“ in Anspruch genommen wird, sondern aus der international registrierten Wort-Bild-Marke. Denn das Erfordernis eines berechtigten Interesses begrenzt die Einsicht in die Akten von Markenanmeldungen nicht auf Fälle, in denen gerade aus der betreffenden Markenanmeldung Rechte gegenüber dem Antragsteller geltend gemacht werden, was bei zurückgenommenen Markenanmeldungen ohnehin kaum vorkommen dürfte (vgl. zuletzt BPatG, Beschluss vom 22. Januar 2008 - 24 W (pat) 89/2007, weiter BPatG GRUR 2006, 614, 615 f. „Akteneinsicht Markenanmeldung“).

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Ein das dargelegte berechtigte Interesse der Antragstellerin an der Akteneinsicht überwiegendes Geheimhaltungsinteresse am gesamten Akteninhalt oder Teilen davon, hat die Antragsgegnerin nicht dargetan. Es ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Idee, dass ein Anmelder ein wirtschaftliches Interesse daran haben kann, zurückgenommene Anmeldungen vor Dritten geheimzuhalten, ist nachvollziehbar. Das geltende Markenrecht hat sich aber gegen die rechtliche Schutzwürdigkeit eines solchen Interesses entschieden. Der mit Wirkung vom 1. Juli 1998 eingeführte § 33 Abs. 3 MarkenG sieht die regelmäßige Veröffentlichung auch solcher Markenanmeldungen vor, die nicht zur Eintragung gekommen sind. Als Voraussetzung für die Veröffentlichung wird nur verlangt, dass für die entsprechende Anmeldung ein förmlicher Anmeldetag i. S. v. § 32 Abs. 2 MarkenG begründet worden ist. Diese Voraussetzung trifft auf die hier in Rede stehende Anmeldung zu. Sie ist dem entsprechend auf der offiziellen Internetplattform „DPMARegister“ des Deutschen Patent- und Markenamts zusammen mit ihrem Warenverzeichnis veröffentlicht worden.

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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen (§ 71 Abs. 1 MarkenG). Im Akteneinsichtsverfahren entspricht es im allgemeinen der Billigkeit, dem Unterlegenen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (vgl. Knoll in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 71 Rdn. 17 mit weiteren Nachweisen).