Entscheidungsdatum: 06.04.2010
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 306 39 043.4/9
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Vogel von Falckenstein sowie der Richterin Hartlieb und des Richters Paetzold
beschlossen:
Die Beschwerde wird sowohl im Hauptantrag als auch in den Hilfsanträgen 1 und 2 zurückgewiesen.
I.
Angemeldet zur Eintragung als Wortmarke in das Markenregister ist
Topscan
für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 11 und 42
Elektrische, optische, opto-elektrische und fotografische Signal-, Zähl-, Mess-, Kontroll- und Überwachungsapparate und -instrumente und Sensoren, induktive, kapazitive oder Ultraschall- oder Infrarot- oder Farbsensoren, Analogwertgeber sowie elektrische, optische, opto-elektrische und fotografische Bauelemente; Lichtschranken, Lichtleitergeräte, Lichtgitter, Lichttaster, Druckmarkentaster, Sicherheitslichtschranken, Sicherheitslichtschaltgeräte, Datenübertragungslichtschranken; elektrische und elektronische Steuer- und Regelgeräte sowie Sicherheitsschaltgeräte, Datenanzeigegeräte; elektrische Schaltverstärker; Lesegeräte, Barcode-Lesegeräte, Lesestifte, Lesepistolen und Kartenleser; Barcode-Dekoder; Teile von derartigen Signal-, Zähl-, Mess-, Kontroll- und Überwachungsapparaten und -instrumenten und Sensoren sowie von Bauelementen (sämtliche Waren soweit in Klasse 9 enthalten); elektrische Beleuchtungsgeräte; Erstellung und Aktualisierung von Softwareprogrammen für die Parametrierung von elektrischen, optischen, opto-elektrischen und fotografischen Signal-, Zähl-, Mess-, Kontroll- und Überwachungsapparaten und -instrumenten und Sensoren.“
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch Beschluss eines Prüfers des höheren Dienstes für alle Waren und Dienstleistungen, ausgenommen „Beleuchtungsgeräte“, wegen fehlender Unterscheidungskraft und als freihaltungsbedürftige beschreibende Angabe zurückgewiesen mit der Begründung, die englischsprachige Wortkombination werde von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres in ihrer deutschen Übersetzung „hervorragender Scan“ als lediglich anpreisende Angabe über Eigenschaften und Bestimmung der so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen verstanden. In einer solchen Sachangabe erblicke der Verkehr keinen betrieblichen Herkunftshinweis, so dass der Marke die Eintragungshindernisse mangelnder Unterscheidungskraft und einer lediglich beschreibenden Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG entgegenstünden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die zur Begründung ausführt, dass der fremdsprachlichen, lexikalisch nicht nachweisbaren Wortfolge lediglich eine unscharfe Bedeutung ohne präzise Zuordnung zu einem Sinngehalt zukomme; zudem sei sie nicht zur Beschreibung der beanspruchten Waren geeignet: entweder könnten sie keinen Scan herstellen bzw. ausführen oder sie würden allenfalls durch den Begriff „Scanner“ beschrieben, aber nicht durch das Verb. Auch die Dienstleistungen wiesen keinen Zusammenhang mit einem Scanvorgang auf. Dementsprechend bestehe auch für die Allgemeinheit kein Bedürfnis an der freien Verwendung der Wortkombination, die in korrekter Schreibweise mit Bindestrich in der Mitte versehen sein müsste. Daher könne der Marke auch nicht die erforderliche geringe Unterscheidungskraft abgesprochen werden, zumal die Verkehrskreise mit Englischkenntnissen die sprachregelwidrige Schreibweise ohne weiteres erkennen würden. Im Übrigen seien im europäischen Ausland zahlreiche nationale Marken „Topscan“ eingetragen.
Die Anmelderin beantragt,
den Amtsbeschluss vom 9. Februar 2007 aufzuheben und die Eintragung der Marke zu verfügen.
Hierzu hat sie zusätzlich zwei eingeschränkte Waren-/Dienstleistungsverzeichnisse vorgelegt, die sie als Hilfsantrag 1 und 2 geltend macht.
Nach der mündlichen Verhandlung hat sie ein weiteres eingeschränktes Verzeichnis als Hilfsantrag 3 nachgereicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Anmelder ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet.
Nach Ansicht des Senats unterliegt die angemeldete Marke hinsichtlich der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen sowohl dem Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG als auch dem einer freihaltungsbedürftigen beschreibenden Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Zu solchen Angaben gehören insbesondere Wortkombinationen, die im Verkehr unter anderem zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen dienen können.
Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind alle absoluten Schutzhindernisse im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, das ihnen jeweils zugrunde liegt (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 725 (Nr. 25 - 27) - Chiemsee; GRUR 2004, 674, 677 (Nr. 68) - Postkantoor). Diesen Auslegungsgrundsatz wendet der EuGH sowohl auf die Beurteilung der Unterscheidungskraft als auch auf die des Freihaltungsbedürfnisses an (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 608 (Nr. 60) - Libertel und GRUR 2003, 514, 519 (Nr. 74) - Linde, Winward u. Rado). Das Allgemeininteresse im Zusammenhang mit Unterscheidungskraft und Freihaltungsbedürfnis liegt in dem Schutz vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen, ein Interesse, das im Fall der beschreibenden Angaben des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht erst durch tatsächlich eingetretene Behinderungen berührt wird, sondern schon durch eine bloße potenzielle Beeinträchtigung (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG: „… dienen können, …“). Ungerechtfertigte Monopole müssen im Interesse der Rechtssicherheit möglichst frühzeitig, effektiv und ökonomisch durch die dafür zuständigen Behörden und Gerichte verhindert werden. Dazu hat der EuGH ausdrücklich hervorgehoben, dass „die Prüfung anlässlich des Antrages auf Eintragung einer Marke nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden darf. Diese Prüfung muss streng und vollständig sein, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu vermeiden“ (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607 (Nr. 57 - 59) - Libertel und GRUR 2004, 674, 680 (Rn. 23 - 125) - Postkantoor).
Wie von der Markenabteilung bereits ausführlich und zutreffend erläutert, handelt es sich bei dem angemeldeten Markenwort um eine sprachüblich gebildete Kombination von zwei Begriffen, die der von den beanspruchten Waren angesprochene Verkehr ohne weiteres und zwanglos im Sinne von einem „besonders guten/hervorragenden Scannen“ verstehen wird, was nicht nur das Eintragungshindernis einer freihaltebedürftigen beschreibenden Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, sondern auch jenes der mangelnden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erfüllt.
Dem Markeninhaber ist zwar zuzugestehen, dass das angegriffene Markenwort lexikalisch nicht nachweisbar ist. Dies reicht aber nicht für die Annahme einer originellen Wortschöpfung aus, der Unterscheidungskraft zukommt und an der kein Freihaltebedürfnis besteht. Vielmehr handelt es sich um eine einfach zusammengesetzte Wortkombination, deren Gesamtaussage sich - insbesondere im Kontext der geschützten Waren - ohne weiteres Nachdenken erschließt. Dies gilt zunächst für die Einzelbegriffe „Top“ und „scan“, die bereits dem Endverbraucher als aus dem Englischen eingedeutschte Wörter bekannt sind (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006, S. 1440 li. Sp. „das Absuchen“; Duden, Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl. 2007, S. 1214 li. Sp.; Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 25. Aufl. 2009, S. 930, re. Sp.). Da „scan“ im technischen Sinne weitergehend auch „durchsuchen, prüfen, abtasten“ bedeutet (vgl. Ernst, Wörterbuch der industriellen Technik Band II englisch - deutsch, 7. Aufl. 2007, S. 1218; Langenscheidt Fachwörterbuch Ingenieurwesen Englisch, 2007, S. 803), kommt als beschreibende Bedeutung ein weitaus größerer Sinngehalt in Frage, der selbst einem breiteren Publikum aus Begriffen wie „Virenscanner“ oder „Körperscanner“ geläufig ist. Ebenso bekannt ist dem Verkehr die werbeübliche Praxis, in vergleichbaren Wortbildungen den Gegenstand einer Ware oder Dienstleistung mit dem Schlagwort „top“ zu verstärken, die lediglich eine rühmende Funktion wie „super“ oder „mega“ erfüllt; wie bereits die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, was auch eine im Deutschen ohne weiteres bekannte Abkürzung für „super, herausragend“ darstellt (vgl. Duden, das Wörterbuch der Abkürzungen, 5. Aufl. 2005, S. 276 mi. Sp.). So sind „Topgerät, Topleistung, Topmanager, Topstar, Topzuschlag“ geläufige Begriffe der Umgangssprache. Insgesamt ergibt sich der beschreibende Sinngehalt „hervorragender Scan/Prüfer/Absucher“, der ohne weiteres alle von der Zurückweisung betroffenen Waren und Dienstleistungen erfassen kann. Nachdem nach der Rechtsprechung ein Wort bereits dann im Allgemeininteresse von der Eintragung auszuschließen ist, wenn es in einer möglichen Mehrdeutigkeit auch nur in einer Richtung zur Beschreibung geeignet ist, ist auch „topscan“ als beschreibende Angabe einzustufen. Vor diesem Hintergrund werden die angesprochenen Verkehrskreise die angemeldete Marke im Kontext der beanspruchten Waren und Dienstleistungen ohne weiteres Nachdenken als werbeüblichen Hinweis auf eine Dienstleistung oder Waren verstehen, die zu dieser Dienstleistung eingesetzt werden (können).
Dies gilt zunächst für die von der Zurückweisung betroffenen Waren, die sämtlich zu einem hervorragenden Scan beitragen können, gleichgültig, ob es sich um elektrische, optische, opto-elektrische und fotografische Signal-, Zähl-, Mess-, Kontroll- und Überwachungsapparate, Sensoren, Analogwertgeber oder elektrische, optische, opto-elektrische und fotografische Bauelemente handelt oder auch um (Sicherheits- bzw. Datenübertragungs-)Lichtschranken sowie sonstige Steuer-, Regel- und Schaltgeräte; es gilt auch für Datenanzeigegeräte und elektrische Schaltverstärker, die für einen hervorragenden Scan herangezogen werden können. Insbesondere beschreibt die angemeldete Marke die beanspruchten (Barcode-)Lesegeräte, Lesestifte, Lesepistolen und Kartenleser sowie die Barcode-Decoder, die allesamt zum Scannen geeignet sind. Dasselbe trifft auch auf die weiter beanspruchten Teile der oben genannten Apparate und Bauelemente zu.
Da die angemeldeten Dienstleistungen der Klasse 42 auf die Erstellung und Aktualisierung von Softwareprogrammen für die Parametrierung von den genannten Apparaten, Instrumenten und Sensoren gerichtet sind, können sie gleichermaßen durch die beanspruchte Marke beschrieben werden insofern, als sie auf die Erzielung eines hervorragenden Scans gerichtet sind.
Das Markenwort erschöpft sich somit ausschließlich in einer Bezeichnung, die in sprachüblicher Weise auf das fragliche Waren- und Dienstleistungsspektrum hinweist. Der Verkehr wird dies ohne weitere Überlegungen erkennen und die angemeldete Wortkombination nur in diesem Sinne und damit als beschreibenden Sachhinweis, nicht aber als betriebliches Herkunftszeichen im Sinne des Markenrechts verstehen.
Die Anmeldung entbehrt in Bezug auf die hier maßgeblichen Dienstleistungen aber auch jeglicher Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG. Sie beschreibt die Waren/Dienstleistungen nach Art und Zweck und erfüllt damit nicht die Funktion eines sich durch individuelle Merkmale von den Dienstleistungen anderer Anbieter unterscheidenden betrieblichen Herkunftshinweises (vgl. zur Unterscheidungskraft u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 (Rdn. 86) - Postkantoor; GRUR 2002, 804, 80 - Philips; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; WRP 2004, 1173 f. - URLAUB DIREKT). Wenn der Anmelder meint, es handle sich wegen des erforderlichen Bindestrichs zwischen den Einzelworten allenfalls um eine fantasievolle Abwandlung der beschreibenden Angabe, dann reicht diese „Abwandlung“ im vorliegenden Fall gerade nicht aus; denn angesichts des im Vordergrund stehenden Sinngehaltes kann dies nicht von einer beschreibenden Angabe wegführen; insoweit wären wesentlich umfassendere Verfremdungen erforderlich (vgl. Ströbele /Hacker, MarkenG, 9. Aufl. 2009, § 8 Rdn. 99, 265 m. w. N.). Dementsprechend wird nicht nur der Fachverkehr, sondern auch der Endverbraucher den beschreibenden Sinngehalt der Wortkombination ohne weiteres erkennen, so dass der Charakter einer Fantasiebezeichnung völlig in den Hintergrund gedrängt wird.
Nach alledem war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen, so dass auch die auf die Klassen 9 und 42 bezogenen Hilfsanträge keinen Erfolg haben konnten, wobei der nachträgliche Hilfsantrag 3 ohnehin unberücksichtigt bleiben musste, da er erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangen ist.
Soweit die Anmelderin auf ähnliche oder sogar identische Voreintragungen hinweist, ist dem entgegen zu halten, dass Voreintragungen möglicherweise vergleichbarer - möglicherweise auch löschungsreifer - Marken zwar ein zu berücksichtigendes Indiz darstellen können, für die Schutzfähigkeitsentscheidung aber keinesfalls verbindlich sind, zumal Änderungen der Rechtsprechung eine andere Entscheidung rechtfertigen können. Zudem lassen die eingereichten Unterlagen solche Voreintragungen nicht hinreichend sicher erkennen, nachdem teilweise bereits keine konkreten Warenangaben zu finden sind und überdies Vermerke wie „cancelled“, „removed“, „Denial“, „expired“ auftauchen.
Unabhängig davon können Voreintragungen für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde keine Bindungswirkung entfalten; vielmehr hat die Entscheidung bezüglich des konkreten Einzelfalls ausschließlich auf Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung zu erfolgen, wie dies in ständiger Spruchpraxis des EuGH zum Gemeinschaftsmarkenrecht und des BGH zum Markengesetz immer wieder bestätigt worden ist (vgl. etwa EuGH GRUR 2009, 667 - Schwabenpost; GRUR 2006, 229, 231, Rdn. 46 - 49 - BioID; BGH GRUR 2005, 578, 580 - LOKMAUS). Sowohl die Markenrichtlinie wie auch das Markengesetz gehen davon aus, dass - wenn auch vom System nicht beabsichtigt - schutzunfähige Marken Eingang ins Register erlangen können, und sehen deshalb ein eigenständiges Verfahren für die Löschung solcher zu Unrecht eingetragener Marken vor. Eine Bindungswirkung einzelner Voreintragungen scheidet daher ebenso aus wie der Aspekt einer möglicherweise „gefestigten“ Entscheidungspraxis, wie sie von der Anmelderin zwar sinngemäß geltend gemacht wurde, im vorliegenden Fall jedoch nach den Feststellungen des Senats nicht gegeben ist.