Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 16.02.2012


BPatG 16.02.2012 - 30 W (pat) 33/11

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "smartbook" – Löschung einer Marke erfordert das zweifelsfreies Vorliegen absoluter Schutzhindernisse zu den maßgeblichen Zeitpunkten – beschreibende Verwendung eines der eingetragenen Marke entsprechenden Zeichens von Dritten erfolgt mehrere Jahre nach der Eintragung: strenge Anforderungen an die Feststellung, dass der Marke schon im Eintragungszeitpunkt jegliche Unterscheidungskraft fehlte - zur rückbezüglichen Feststellung eines bezogen auf den Eintragungszeitpunkt zukünftigen Freihaltebedürfnisses


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
30. Senat
Entscheidungsdatum:
16.02.2012
Aktenzeichen:
30 W (pat) 33/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Zitierte Gesetze

Leitsätze

smartbook

1. Die Löschung einer Marke wegen absoluter Schutzhindernisse kann nur erfolgen, wenn das Vorliegen solcher Schutzhindernisse zu den maßgeblichen Zeitpunkten zweifelsfrei feststeht. Ist eine solche Feststellung nicht möglich, so muss es - gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen - bei der Eintragung sein Bewenden haben (im Anschluss an BPatG GRUR 2006, 155 - Salatfix).

2. Wird ein einer eingetragenen Marke entsprechendes Zeichen erst mehrere Jahre nach der Eintragung von Dritten in beschreibendem Sinne verwendet, so sind an die Feststellung, dass der Marke schon im Eintragungszeitpunkt jegliche Unterscheidungskraft fehlte, strenge Anforderungen zu stellen.

3. Zur rückbezüglichen Feststellung eines - bezogen auf den Eintragungszeitpunkt - zukünftigen Freihaltebedürfnisses.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 305 06 417

(hier: Löschungsverfahren S 4/10)

hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Winter und Hartlieb

beschlossen:

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Dezember 2010 aufgehoben.

Der Löschungsantrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

 Die am 4. Februar 2005 durch die … GmbH angemeldete Wortmarke

2

  smartbook

3

 ist am 18. April 2005 unter der Nummer 305 06 417 für die Waren:

4

 "Laptops (Computer); Mäuse (Datenverarbeitung)"

5

 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden.

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 Am 28. März 2006 wurde die Marke auf die Antragsgegnerin umgeschrieben.

7

 Die Antragstellerin hat am 17. Dezember 2009 die Löschung der Marke beantragt, da der Eintragung absolute Schutzhindernisse entgegengestanden hätten und weiterhin entgegenstünden. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Marke werde in Verbindung mit den eingetragenen Waren von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres als beschreibender Hinweis auf einen tragbaren Computer mit gerätetechnischer Intelligenz aufgefasst. Der Bestandteil "smart" stehe neben der allgemeinen Bedeutung "hübsch, elegant, clever, gewitzt, geschäftstüchtig" im Bereich der Datenverarbeitung für "gerätetechnische Intelligenz"; der bei zusammengesetzten Begriffen angehängte Bestandteil "-book" habe sich, ausgehend von dem Begriff "Notebook" - eingeführt in den 1980er Jahren von der Firma Toshiba -, zur beschreibenden, gängigen Bezeichnung für tragbare Computer entwickelt, was auch die Geräteklassen "Subnotebook" und "Netbook" belegten. Vor diesem Hintergrund werde der Begriff " smartbook " als beschreibender Hinweis auf einen "tragbaren PC mit besonderen Funktionen" verstanden.

8

 Darüber hinaus handle es sich bei dem Begriff " Smartbook " um die Bezeichnung einer besonderen Klasse von Geräten, die die üblichen Funktionen eines Smartphones in einem Notebook-typischen Gehäuse mit vollständiger Tastatur böten und insoweit einen Hybriden aus Smartphone und Notebook darstellten. In diesem Sinne werde der Begriff nicht nur gegenwärtig in weitem Umfang verwendet (Anlagen L 14 - L 16). Bereits für das Jahr 2002 lasse sich eine beschreibende Benutzung in einem Artikel der Zeitung "WELT" nachweisen (Anlage L 26). Damit sei belegt, dass " Smartbook " bereits vor der Eintragung als Gattungsbezeichnung für eine Gerätekategorie aus Computer- und Mobilfunkindustrie verwendet worden sei. Zumindest aber habe der Entwicklungsstand auf dem Gebiet der - unter dieser Bezeichnung seit Ende der 1990er Jahre bekannten - "Smartphones" und der - noch länger bekannten - "Notebooks" klar den Trend zum Gerätetyp " smartbook " und auch zur konkreten englischsprachigen Wortschöpfung erkennen lassen. Das angesprochene Publikum verstehe die Bezeichnung " smartbook " daher lediglich als Hinweis auf die technische Beschaffenheit, nicht aber auf die betriebliche Herkunft. Dies belege auch eine von der GfK durchgeführte demoskopische Erhebung (Anlage L 29).

9

 Dem Begriff " smartbook " fehle daher für den Bereich Computer und Computerzubehör die erforderliche Unterscheidungskraft. Darüber hinaus unterliege er als beschreibende Angabe einem Freihaltebedürfnis. So habe das Deutsche Patent- und Markenamt schon 1999 die für die Klassen 9 (Datenverarbeitungsgeräte, EDV-Programme), 36, 38 und 42 bestimmte Markenanmeldung 399 19 453.3 "Smart Book" nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Vergleichbare Wortkombinationen seien in ständiger Praxis des Deutschen Patent- und Markenamts wie auch des Bundespatentgerichts und des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (HABM) bereits vor dem Eintragungszeitpunkt der angegriffenen Marke zurückgewiesen worden. Auch die Markenämter in Australien, Singapur, Portugal und weiteren Staaten hätten der Marke " smartbook " den Schutz verweigert.

10

 Dem am 15. Januar 2010 zugestellten Löschungsantrag hat die Markeninhaberin am 12. März 2010 widersprochen und ist dem Löschungsbegehren auch inhaltlich entgegengetreten. Bei ihrer Marke handele es sich um eine schutzfähige Wortneuschöpfung und fremdsprachige Phantasiebezeichnung, deren Bedeutungsgehalt sich dem Verkehr nicht ohne weiteres erschließe. Als die Marke " smartbook " im Jahr 2001 erstmals verwendet worden sei, seien "Smartphone" und "Netbook" keine üblichen Bezeichnungen gewesen, so dass eine Herleitung der angegriffenen Marke " smartbook " aus diesen beiden Begriffen nicht für einen beschreibenden Inhalt spreche. Auch wenn der Bestandteil "smart" neben "gewandt, schlau, intelligent" in der Datenverarbeitung mit "gerätetechnische Intelligenz" übersetzt werden könne, so liege jedenfalls eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit vor. Der Bestandteil "-book" würde in erster Linie im Sinn von "Buch" verstanden, ohne - auch bei einer Assoziation mit einer elektronischen Buchvariante - in der Gesamtbedeutung "Schlaubuch" beschreibend zu sein. Zu einem intelligenten, tragbaren PC gelange man allenfalls durch mehrere gedankliche Zwischenschritte, wobei die Marke dann eine Tautologie darstelle, da Computer von Haus aus intelligent seien. Da der Bezeichnung " smartbook " kein unmittelbar beschreibender Sachhinweis in Bezug auf die geschützten Waren entnommen werden könne, bestehe auch kein Freihaltebedürfnis. Die von der Antragstellerin angeführten Zurückweisungen von "smart"-Marken seien allesamt dadurch gekennzeichnet, dass der zweite Markenbestandteil rein generisch gewesen sei; "-book" indessen sei kein generischer Begriff für Computer.

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 Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 23. Dezember 2010 die Eintragung der Marke 305 06 417 gelöscht. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Marke sei im Umfang der Teillöschung im Zeitpunkt der Eintragung eine beschreibende, nicht unterscheidungskräftige Angabe im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gewesen, was auch für den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch gelte. "Smart" habe sich zum Synonym für die sogenannte "gerätetechnische Intelligenz" entwickelt, und "-book" sei durch den eingeführten Begriff "Notebook" die Bezeichnung für weitere Generationen von tragbaren Computern. In Verbindung mit diesen Waren weise " smartbook " damit darauf hin, dass diese "tragbare PCs mit gerätetechnischer Intelligenz" seien. Nahe liege auch eine Bedeutung von "-book" im Sinn von "digitales Buch". Auch daraus ergäbe sich indessen eine beschreibende Angabe, da e-books Lesegeräte benötigten, die ebenfalls tragbare Computer seien.

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 Die Markeninhaberin/Antragsgegnerin hat Beschwerde eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass der Löschungsantrag unbegründet sei, weil die Streitmarke im maßgeblichen Eintragungszeitpunkt am 18. April 2005 unterscheidungskräftig und nicht beschreibend gewesen sei, was auch heute noch zutreffe. Die Bezeichnung existiere weder im englischen noch im deutschen Sprachraum und sei nach wie vor ein erfundenes, nicht beschreibendes Phantasiewort, das sich auch nicht zum Gattungsbegriff für eine Kategorie tragbarer Computer entwickelt habe. Weder die Elemente "smart" und "book" wiesen eindeutige Sachbezüge auf, noch das neu gebildete Phantasiewort in der Gesamtheit. "Smart" sei nicht für alle Waren der Klasse 9 beschreibend, was zahlreiche Voreintragungen von Marken mit diesem Bestandteil belegten. Auch sei "book" keine Bezeichnung für tragbare Computer, denn bei Laptops werde nicht von "book" oder "Buch" gesprochen. Im Sinn von "schlaues Buch, Buch mit gerätetechnischer Intelligenz" ergäbe sich jedenfalls keine beschreibende Angabe. Das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft habe vorgelegen. Auch die von der Antragstellerin vorgelegte Verkehrsbefragung zur Bezeichnung " Smartbook " vom Juli 2010 (Anlage L 29) verdeutliche, dass der Verkehr überwiegend nicht wisse, was unter dem Begriff " Smartbook " zu verstehen sei. Zudem sei die Entwicklung zu einer bislang noch nicht existierenden Computerkategorie 2005 nicht absehbar gewesen. Der Artikel in "WELT  ONLINE " (Anlage L 26) sei kein Nachweis für eine beschreibende Verwendung, zumal es sich bei der darin genannten Firma Gericom um einen Vertragspartner ihrer Rechtsvorgängerin handele. Die Nennung der Firma Gericom als Hersteller müsse auf einem Irrtum beruhen. Im Übrigen gebe es keine einheitliche Entscheidungspraxis zur Zurückweisung von Marken mit dem Bestandteil "smart", was Eintragungen mit diesem Bestandteil belegten.

13

 Die Markeninhaberin/Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

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 den Beschluss der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Dezember 2010 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.

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 Die Beschwerdegegnerin/Antragstellerin beantragt,

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 die Beschwerde zurückzuweisen.

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 Die Antragstellerin hält die Entscheidung der Markenabteilung für zutreffend. Mit weiteren Ausführungen meint sie weiterhin, dass die Bezeichnung " Smartbook " ein beschreibender Begriff für eine Kategorie von tragbaren PCs sei, was sowohl der Artikel in der Zeitung "Die Welt" (Anlage L 26) als auch die zahlreichen Schutzverweigerungen im - auch englischsprachigen - Ausland belegten. Das Wort "Smartphone" werde seit Ende 1998 für eine Kombination Telefon/Organizer/Internet verwendet; das Wort "Notebook" stehe seit den 80er Jahren für tragbare Computer. Die Tendenz zum Zusammenwachsen der beiden Märkte für eine Gerätekategorie aus Computer und Mobilfunk habe bestanden (Anlage L 25). Der Verkehrsbefragung könne nicht entnommen werden, dass " Smartbook " nicht beschreibend sei; die Befragten hätten nur nicht gewusst, ob der Begriff beschreibend sei.

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 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss der Markenabteilung sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

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 Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und auch in der Sache begründet. Die Marke " smartbook " ist im Umfang der Teillöschung nicht entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG eingetragen worden. Die Markenabteilung hat auf den zulässigen Antrag auf Löschung der Eintragung der Marke wegen Nichtigkeit deshalb zu Unrecht die Löschung der Eintragung angeordnet (§§ 50 Abs. 1, Abs. 2, 54 MarkenG).

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 1. Für sämtliche absoluten Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1 MarkenG gilt, dass eine Löschung nur erfolgen kann, wenn das Vorliegen von Schutzhindernissen zu den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten zweifelsfrei feststeht. Wird geltend gemacht, die Eintragung habe gegen einen oder mehrere Tatbestände des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 verstoßen, so kann eine Löschung nur erfolgen, wenn das Eintragungshindernis sowohl im Zeitpunkt der Registrierung der Marke bestanden hat als auch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag noch besteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG). Ist eine solche Feststellung, auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten vorgelegten und von Amts wegen zusätzlich ermittelten Unterlagen nicht möglich, so muss es - gerade in Grenz- oder Zweifelsfällen - bei der Eintragung der angegriffenen Marke sein Bewenden haben (BPatG GRUR 2006, 155 - Salatfix; zur Feststellungslast des Löschungsantragstellers s. BGH GRUR 2010, 138, 142 [Nr. 48] - ROCHER-Kugel).

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 Insbesondere im Hinblick auf den Eintragungszeitpunkt ist die Feststellung von Schutzhindernissen umso schwieriger, je mehr das betreffende Schutzhindernis von der Verkehrsauffassung abhängt und je länger der Eintragungszeitpunkt zurückliegt. Zwar ist eine auf die Vergangenheit bezogene Bewertung der maßgeblichen Verkehrsauffassung nicht ausgeschlossen; davon geht auch der Gesetzgeber aus, der gerade bei den in besonderem Maße von der Verkehrsauffassung geprägten und auch im vorliegenden Fall allein einschlägigen Schutzhindernissen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG eine Löschung zulässt, wenn der Löschungsantrag innerhalb von zehn Jahren seit dem Tag der Eintragung gestellt wird (§ 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG). Das ändert aber nichts daran, dass die tatsächliche Feststellung der genannten Schutzhindernisse mit der Zeit zunehmend schwieriger wird. Insbesondere ist eine ex-post-Betrachtung grundsätzlich streng zu vermeiden (zu einer möglichen Ausnahme siehe unten 6.).

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 Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die zur Löschung nach § 50 Abs. 1 MarkenG führenden Schutzhindernisse zwar allesamt im Allgemeininteresse bestehen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 8 Rn. 5 und Rn. 58 mit zahlreichen Nachweisen), jedoch in unterschiedlichem Maße. Besonders ausgeprägt ist das Allgemeininteresse (im Sinne eines öffentlichen Interesses) bei den Schutzhindernissen nach § 3 Abs. 1 und 2 sowie § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 bis 10 MarkenG, was seinen Niederschlag darin gefunden hat, dass diese Löschungsgründe ohne zeitliche Begrenzung und zum Teil auch von Amts wegen geprüft werden können (§ 50 Abs. 3 MarkenG). Dagegen liegt den im vorliegenden Fall einschlägigen Löschungsgründen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG "nur" ein spezifisches Mitbewerberinteresse an der freien Verwendbarkeit des Zeichens zugrunde (vgl. Hacker, Markenrecht, 2. Aufl., Rn. 104 ff.). Ist daher eine Marke nach ihrer Eintragung von ihrem Inhaber - wie im vorliegenden Fall - über einen längeren Zeitraum unangefochten benutzt worden, so stellt dies einen Hinweis darauf dar, dass das Mitbewerberinteresse an der freien Verwendbarkeit des betreffenden Zeichens weniger ausgeprägt ist (vgl. zur Situation vor der Eintragung EuGH GRUR 2010, 228, 231 [Nr. 53, 59] - Vorsprung durch Technik). Das schließt die Feststellung eines absoluten Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG innerhalb der Zehnjahresfrist des § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG selbstverständlich nicht aus, lässt aber die Anforderungen an eine solche Feststellung steigen.

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 2. Die vergangenheitsbezogene Feststellung eines absoluten Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG bewegt sich auf sicherem Grund, wenn nachgewiesen werden kann, dass das betreffende Zeichen für einschlägige Waren oder Dienstleistungen bereits vor dem Zeitpunkt der Eintragung vom Verkehr in einem (vor allem beschreibenden) Sinne verwendet worden ist, der einer Eintragung entgegengestanden hätte. Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.

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 Der einzige nicht auf die Markeninhaberin bzw. ihre Rechtsvorgängerin zurückgehende Verwendungsnachweis ist der von der Antragstellerin als Anlage L 26 vorgelegte Artikel mit der Überschrift "Notebook zum Telefonieren" aus der elektronischen Zeitung "WELT  ONLINE " vom 10. März 2002. Darin heißt es unter der genannten Überschrift:

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 "Mit dem  Smartbook  von Gericom lassen sich parallel Daten verschicken und Gespräche führen.

26

 Zwischen dem Desktop-PC und dem Handy hat sich mittlerweile eine große Produktpalette ausgebreitet, zum Beispiel Notebooks, Organizer und Smartphones. Eine Lücke zwischen diesen Kommunikationsgeräten schließt jetzt Gericom. Das  Smartbook  bildet eine Kombination aus Notebook und Handy…".

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 Dass in dem zitierten Kontext die Bezeichnung " Smartbook " wie ein Gattungsbegriff für eine Produktkategorie verwendet wird, ist allerdings nicht mit hinreichender Sicherheit erkennbar, zumal die Überschrift - zweifelsfrei rein beschreibend - ein "Notebook zum Telefonieren" herausstellt, nicht aber den Begriff " Smartbook ". Vielmehr geht es in dem Bericht um ein neues Produkt der Firma Gericom, so dass es sich auch um die Wiedergabe des vom Anbieter gewählten Markennamens handeln kann. Die Firma Gericom war nach den Ausführungen der Antragsgegnerin ein Vertragspartner ihrer Rechtsvorgängerin, der Firma I…, die nach den weiteren Ausführungen der Antragsgegnerin schon vor Eintragung der Marke die Bezeichnung " smartbook " als Marke für ihre Produkte verwendet hat, wie den von ihr vorgelegten Anlagen W 2 und W 3 aus den Jahren 2002 und 2003 auch zu entnehmen ist. Im Übrigen wird im Verkehr - auch von Journalisten - nicht immer korrekt zwischen Marken und beschreibenden Markennennungen unterschieden. Das gilt besonders auf Märkten, die - wie im vorliegenden Fall - häufig neue Produktarten hervorbringen. In solchen Fällen wird nicht selten die vom Hersteller gewählte Markenbezeichnung mangels Alternative zugleich zur Benennung des Produkts verwendet (vgl. ÖsterrOGH WRP 2002, 841 -  SONY   WALKMAN  II). Die Benutzung des Begriffs " Smartbook " lässt daher auch ein markenmäßiges Verständnis zu.

28

 Als einzige weitere zeitnah zum Eintragungszeitpunkt liegende Verwendung des mit der Streitmarke zwar nicht identischen, aber sehr ähnlichen Begriffs " SMART   BOOK " konnte der Senat die in der mündlichen Verhandlung erörterte US-Patentschrift Nr. 6 974 081 ermitteln, die am 13. Dezember 2005 veröffentlicht worden ist. Diese betrifft jedoch einen gänzlich anderen Gegenstand, nämlich im Wortsinne ein Buch (vgl. Spalte 2 Zeile 66 mit Bezugsziffer 100 gemäß Figur 1), das mit einem elektronischen Chip ausgestattet ist. Im Übrigen ist die Schrift - bezogen auf den Eintragungszeitpunkt der Streitmarke - nachveröffentlicht.

29

 Eindeutige Nachweise dafür, dass die Streitmarke bereits vor ihrer Eintragung im Verkehr schutzhindernd, insbesondere beschreibend benutzt worden ist, fehlen demzufolge. Eine beschreibende Benutzung von " smartbook " lässt sich erst ab 2009 feststellen, wobei diese Benutzungen offensichtlich - in zeitlichem Sinne - von der Antragstellerin selbst initiiert worden sind. Letzteres belegen zum einen das von der Markeninhaberin vorgelegte Interview vom 8. Dezember 2009 (Anlage W 68) und der Wikipedia-Eintrag zu " Smartbook " (enthalten in Anlage L 5), der - wie von der Markeninhaberin nachgewiesen - von einem Mitarbeiter der Antragstellerin verfasst worden und am 2. Juni 2009 eingestellt worden ist (Anlage W 70).

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 3. Bei dieser rechtlichen und tatsächlichen Ausgangslage sind an die Feststellung von absoluten Schutzhindernissen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG bezogen auf den Eintragungszeitpunkt strenge Anforderungen zu stellen. Diese sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Im Einzelnen:

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 4. Die Antragstellerin behauptet, dass es sich bei " smartbook " um die Bezeichnung einer bestimmten Geräteklasse, nämlich eines Hybriden aus Smartphone und Notebook, handele. Damit ist - wenn auch nicht explizit, so doch der Sache nach - (auch) das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG geltend gemacht worden. Wie jedoch bereits ausgeführt, gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Bezeichnung " smartbook " für solche oder irgendwelche anderen Geräte im Zeitpunkt der Eintragung der Marke im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten üblich geworden wäre.

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 5. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Streitmarke im Zeitpunkt der Eintragung jeder Unterscheidungskraft entbehrte.

33

 a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren (oder Dienstleistungen) als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 [Nr. 66 f.] - EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 [Nr. 13] - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 [Nr. 8] - Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 [Nr. 18] -  FUSSBALL  WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 [Nr. 45] - Standbeutel; GRUR 2006, 229, 230 [Nr. 27] - BioID; EuGH a. a. O. [Nr. 66] - EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 [Nr. 12] -  VISAGE ; GRUR 2009, 949 [Nr. 10] - My World; a. a. O. -  FUSSBALL  WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 [Nr. 8] -  STREETBALL ; GRUR 2009, 778, 779 [Nr. 11] - Willkommen im Leben; GRUR 2009, 949 f. [Nr. 10] - My World; a. a. O. -  FUSSBALL  WM 2006).

34

 Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise. Da es sich bei der Beurteilung der originären Unterscheidungskraft einer Marke um eine Rechtsfrage handelt, sind demoskopische Erhebungen zur Verkehrsauffassung weder geboten noch sachdienlich (vgl. BPatG GRUR 1996, 489, 490 - Hautactiv). Abzustellen ist vielmehr auf eine typisierte Sichtweise, nämlich die Wahrnehmung des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren (Dienstleistungen) (EuGH GRUR 2006, 411, 412 [Nr. 24] - Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 [Nr. 24] - SAT.2; BGH a. a. O. - Die Vision; GRUR 2010, 825, 826 [Nr. 13] - Marlene-Dietrich-Bildnis II; a. a. O. -  FUSSBALL  WM 2006). Die von der Antragstellerin vorgelegte Verkehrsbefragung (Anlage L 29) muss daher schon aus grundsätzlichen Erwägungen außer Betracht bleiben. Im Übrigen stammt die Erhebung vom Juli 2010, so dass sie mit Rücksicht auf den Eintragungszeitpunkt auch aus zeitlichen Gründen keine Aussagekraft hat.

35

 Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen (typisierten) Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 [Nr. 86] - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271 [Nr. 11] - Link economy; GRUR 2009, 952, 953 [Nr. 10] -  DeutschlandCard ; a. a. O. [Nr. 19] -  FUSSBALL  WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; a. a. O. - marktfrisch; GRUR 2001, 1153 - antiKALK ) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. -  FUSSBALL  WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten).

36

 Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (BGH GRUR 2010, 1100, 1102 [Nr. 23] -  TOOOR !; a. a. O. [Nr. 28 f.] -  FUSSBALL  WM 2006).

37

 Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist davon auszugehen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2003, 58, 60 [Nr. 24] - Companyline; BGH GRUR 1995, 269, 270 - U-KEY; BGH GRUR 2000, 502, 503 - St. Pauli Girl; GRUR 2001, 162, 163 -  RATIONAL   SOFTWARE   CORPORATION ; GRUR 2012, 270, 271 [Nr. 12] - Link economy). Ein der Annahme der Unterscheidungskraft entgegenstehender Aussagegehalt der Marke muss deshalb so deutlich und unmissverständlich hervortreten, dass er für die beteiligten Verkehrskreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist. Die bloße theoretische Möglichkeit, dass die eine oder andere Sachaussage durch die Marke vermittelt werden könnte, reicht zur Verneinung der Unterscheidungskraft nicht aus. Insoweit ist selbst bei der Verbindung an sich nicht unterscheidungskräftiger beschreibender Einzelelemente die Unterscheidungskraft nur zu verneinen, wenn auch der damit entstehenden Gesamtaussage die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung fehlt (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 f. [Nr. 28 bis 35] - SAT.2).

38

 b) Nach diesen Grundsätzen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Marke " smartbook " bei der Eintragung am 18. April 2005 jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlte.

39

 Aus den Ausführungen unter 2. ergibt sich, dass für die Bezeichnung " smartbook " ein bereits erfolgter beschreibender Gebrauch für den Eintragungszeitpunkt für in Rede stehende Waren nicht nachweisbar ist. Damit ist von einer neuen Wortbildung auszugehen.

40

 Entgegen der Annahme der Antragstellerin und der Markenabteilung kann aber auch anhand allgemeiner, insbesondere semantischer Kriterien nicht festgestellt werden, dass die Bezeichnung " smartbook " zur Zeit der Eintragung für die Waren "Laptops (Computer); Mäuse (Datenverarbeitung)" eine für den angesprochenen inländischen Verkehr auf der Hand liegende Beschreibung der Art oder der Beschaffenheit dieser Produkte aufwies.

41

 Die angegriffene Marke ist gebildet aus den zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehörenden Wörtern "smart" und "book", die im Deutschen allgemein "gewandt, schlau, intelligent" und "Buch" bedeuten; das begriffliche Verständnis der Gesamtmarke mit "kluges Buch", etwa im Sinn eines Buches mit anspruchsvollem Inhalt oder klugen Ratschlägen, bereitet dem angesprochenen Publikum somit keinerlei Schwierigkeiten. In dieser Bedeutung weist " smartbook " indessen keinen ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfassbaren beschreibenden Sinngehalt für die in Rede stehenden Waren auf, die nach der Fassung des Warenverzeichnisses nicht in einem erkennbaren Zusammenhang mit Druckwerken in der Form von Büchern stehen.

42

 Der englische Begriff "smart" bedeutet im hier einschlägigen Computerbereich allerdings auch "fähig zu unabhängigen und scheinbar intelligenten Operationen" und steht damit für die sogenannte "gerätetechnische Intelligenz" (vgl. BGH GRUR 1990, 517 - SMARTWARE; BPatG, 30 W (pat) 120/00 sm@rt c@rd). Aber auch hieraus lässt sich kein beschreibendes Verständnis der Gesamtbezeichnung " smartbook " herleiten, da Bücher keine Geräte sind, auch nicht bei bildlicher Wiedergabe etwa auf einem Bildschirm.

43

 Es kann auch nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sich der Markenbestandteil "-book" im Hinblick auf den eingebürgerten Begriff "Notebook" zum Kürzel für tragbare Computer etabliert hatte, und damit die Gesamtmarke im Sinn von "intelligentes Notebook" bzw. allgemein "intelligenter, tragbarer Computer" verstanden wurde. Angesichts niedriger Hürden zur Überwindung des Schutzhindernisses fehlender Unterscheidungskraft reicht allein die Annahme einer solchen Verkürzung ohne Nachweise nicht aus, um die hinreichende Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass "-book" in Alleinstellung oder Wortzusammensetzungen allgemein als Kurzform des Wortes "Notebook" bzw. "tragbarer Computer" verstanden wurde. Bei den weiter herangezogenen Begriffen "Powerbook" oder "Mac Book" handelt es sich um eingetragene Marken; auch "Netbook" war bis zum Verzicht durch die Inhaberin lange Zeit eine eingetragene Marke, wie dem Register zu entnehmen ist.

44

 Soweit die Antragstellerin und die Markenabteilung davon ausgehen, dass es sich bei der Marke um eine Wortbildung aus den Gerätetypbezeichnungen "Smartphone" und "Notebook" bzw. "Netbook" handele, und daher mit " smartbook " beschreibend auf ein diese beiden Technologien verbindendes Gerät hingewiesen werde, sind diese Ausführungen nicht geeignet, eine fehlende Unterscheidungskraft zu begründen. Denn selbst einem aus zwei Abkürzungen mit beschreibendem Inhalt zusammengesetzten Markenwort, das als solches nicht als bekannt nachweisbar ist, kann die Unterscheidungskraft regelmäßig nicht abgesprochen werden; denn Gegenstand der Beurteilung ist grundsätzlich allein die Marke in ihrer angemeldeten Form, nicht jedoch diejenigen Bestandteile, aus denen sie bei analysierender Betrachtung als zusammengesetzt erscheinen mag. Das beruht darauf, dass der angesprochene Verkehr, auf dessen Verständnis es allein ankommt, erfahrungsgemäß eine Marke in der Regel so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne dass eine analysierende, möglichen Bestandteilen und/oder deren Begriffsbedeutung nachgehende Betrachtungsweise Platz greift (vgl. BGH GRUR 1995, 408, 409 – PROTECH).

45

 Im Übrigen bleibt nach den eigenen Ausführungen der Antragstellerin unklar, was sich der Verkehr unter einem solchen Hybridgerät hätte vorstellen sollen. Zum Eintragungszeitpunkt hätte es sich dabei um ein Notebook mit der Möglichkeit zum Telefonieren handeln sollen, heute dagegen um ein Notebook, in dem Bauteile aus der Mobilfunkbranche verbaut sind (vgl. Schriftsatz vom 2. Juli 2010, Bl. 19 = Löschungsakte Bd. II, Bl. S. 109).

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 Aus den oben unter 2. angeführten Gründen lässt sich auch weder aus dem von der Antragstellerin vorgelegten Artikel von "WELT  ONLINE " (Anlage L 26) noch aus dem US-Patent Nr. 6 974 081 etwas dafür herleiten, dass diese zur Zeit der Eintragung für die in Rede stehenden Waren das inländische Verkehrsverständnis von " smartbook " im Sinn einer beschreibenden Angabe geprägt haben könnten.

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 Gerade im Rahmen der im Löschungsverfahren erforderlichen nachträglichen Prognose zu der einer Marke von Haus aus innewohnenden Unterscheidungskraft ist es nicht gerechtfertigt, auf mehr oder weniger spekulative Erwägungen abzustellen. Als objektive und auch nachvollziehbare Entscheidungshilfe bietet sich vielmehr die Kontrollfrage an, ob und inwieweit eine Monopolisierung der Marke mit dem maßgeblichen Allgemeininteresse in Einklang zu bringen war, das den entscheidenden Auslegungsmaßstab des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG darstellt (vgl. BPatG GRUR 2004, 333, 334 -  ZEIG  DER WELT  DEIN   SCHÖNSTES   LÄCHELN ; Hacker GRUR 2001, 630, 634 f.). Anhaltspunkte dafür, dass der allgemeine Verkehr ein schutzwürdiges Interesse an einer von Ausschließlichkeitsrechten eines Dritten ungestörten Benutzung des Markenwortes gehabt haben könnte, sind jedoch nicht erkennbar. Maßgeblich spricht hiergegen schon, dass die Marke " smartbook ", die auch die Geschäftsbezeichnung der Markeninhaberin ist, und auch, wie den Anlagen W 2 und W 3 entnehmbar, tatsächlich schon in den Jahren 2002/2003 von ihrer Rechtsvorgängerin verwendet wurde, auch ab dem Eintragungszeitpunkt über Jahre im Geschäftsverkehr niemanden gestört hat; erst im Jahr 2009 kam es zum Streit mit der Antragstellerin, die die Bezeichnung für einen neuen Gerätetyp etablieren wollte.

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 Soweit die Markenabteilung weiter meint, dass "-book" auch als Kurzform des Wortes "e-book" verstanden werden konnte, fehlen hierfür die erforderlichen Nachweise. Zudem waren e-books im Eintragungszeitpunkt kein bedeutender Markt. Auch durch das Warenverzeichnis ist ein Bezug zum Medium "Buch" nicht nahegelegt gewesen.

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 Auch enge sachliche Bezüge zu den hier maßgeblichen Waren lassen sich für den Eintragungszeitpunkt nicht nachweisen. Die zur Begründung fehlender Unterscheidungskraft herangezogenen Bedeutungen wie die Kombination eines Gerätes aus Smartphone und Notebook, eines tragbaren Computers mit gerätetechnischer Intelligenz oder auch eines mit gerätetechnischer Intelligenz ausgestatteten e-book - was auch immer das gewesen sein soll - weisen vielmehr auf eingehende Überlegungen, mehrere gedankliche Schritte und damit eine analysierende Betrachtungsweise hin, die unzulässig ist, weil sich daraus keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres ersichtliche Beschreibung von Waren ergibt (vgl. BGH GRUR 2012, 270, 271 [Nr. 12] - Link economy; GRUR 2001, 162, 163 -  RATIONAL   SOFTWARE   CORPORATION ).

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 Auch auf der Grundlage allgemeiner Kriterien lässt sich damit ein beschreibendes Verkehrsverständnis der Bezeichnung " smartbook " zur Zeit der Eintragung für die betreffenden Waren nicht feststellen.

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 Die von der Antragstellerin vorgetragenen Zurückweisungen von Marken mit dem Bestandteil "smart" besagen nichts über die Schutzunfähigkeit der hier zu prüfenden Wortkombination " smartbook ", auf die ausschließlich die Prüfung zu beziehen war und ist. Insoweit hat die Markeninhaberin zutreffend darauf hingewiesen, dass die Zurückweisungen jedenfalls ganz überwiegend Kombinationen des Wortes "smart" mit einem generischen Begriff betrafen; "book" war jedoch, wie ausgeführt, auch in Wortzusammensetzungen kein Synonym für "kleiner, tragbarer Computer" und ist es bis heute nicht. Die Akte betreffend die Zurückweisung der Markenanmeldung 399 19 453.3 "Smart Book" im Jahr 1999 ist vernichtet, so dass daraus keine Erkenntnisse über die Gründe gewonnen werden können. Weitere Zurückweisungen identischer Marken (der Antragsgegnerin) im Ausland erfolgten nach dem hier maßgeblichen Zeitpunkt.

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 6. Ein Schutzhindernis nach § 8 Abs 2 Nr. 2 MarkenG ist für den maßgeblichen Eintragungszeitpunkt ebenfalls nicht feststellbar. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren/Dienstleistungen dienen können. Es genügt mithin, dass die angemeldete Marke in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als beschreibende Angabe geeignet ist (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 726 [Nr. 30 f.] - Chiemsee; GRUR 2004, 674, 676 [Nr. 56] - Postkantoor). Für die Eignung als beschreibende Angabe ist auf das Verständnis des Handels und/oder des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 726 [Nr. 29] - Chiemsee; GRUR 2006, 411, 412 [Nr. 24] - Matratzen Concord/Hukla). Dabei kommt es in erster Linie auf die im Eintragungszeitpunkt aktuellen Verhältnisse in dem Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an; jedoch ist auch das Allgemeininteresse an der Freihaltung der betreffenden Angabe im Hinblick auf deren künftig beschreibende Verwendung zu berücksichtigen (vgl. EuGH GRUR 1999, 723, 726 [Nr. 35] - Chiemsee; GRUR 2004, 674, 676 [Nr. 56] - Postkantoor). Insoweit kann auch ein künftiges Freihaltebedürfnis Bedeutung erlangen. Ein (echtes) künftiges Freihaltebedürfnis (zur Problematik dieses Begriffs s. Hacker, Markenrecht, 2. Aufl., Rn. 125; Ströbele in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rn. 284 f.) kommt (wohl nur) in Betracht, wenn bereits im Eintragungszeitpunkt Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es künftig eine neue Art von Waren (oder Dienstleistungen) geben wird, für welche die betreffende Bezeichnung beschreibenden Charakter hat.

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 Dass der Verkehr der Bezeichnung " smartbook " im Hinblick auf die beschwerdegegenständlichen Waren im Eintragungszeitpunkt aktuell eine ausschließlich beschreibende Angabe entnehmen konnte, lässt sich nicht feststellen. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Unterscheidungskraft Bezug genommen werden. Es kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Streitmarke im Eintragungszeitpunkt einem zukünftigen Freihaltebedürfnis in dem vorgenannten Sinne unterlegen hat. Zwar hat die Antragstellerin nachgewiesen, dass - wenn auch auf ihre Initiative hin, aber doch nicht nur in ihrem Einflussbereich - im Verkehr seit 2009 bestimmte Kleincomputer unter der Gerätebezeichnung " Smartbook " angeboten werden; dabei handelt es sich um Notebooks, die in technischer Hinsicht auf Erkenntnisse aus der Mobilfunktechnologie zurückgreifen (vgl. Anlagen L 14, L 15, L 16). Es gibt jedoch keinerlei Hinweise, dass diese Entwicklung schon im Eintragungszeitpunkt der Streitmarke absehbar gewesen wäre. Dagegen spricht schon der Zeitraum von über vier Jahren zwischen der Eintragung am 18. April 2005 und den ersten Angeboten solcher Geräte in der zweiten Jahreshälfte 2009. Vier Jahre sind in der sich überaus rasch entwickelnden Hardwarebranche eine sehr lange Zeit. Die Antragstellerin hat zwar plausibel dargelegt, dass sich die Computer- und die Mobilfunkindustrie seit längerem - schon vor der Eintragung der Streitmarke - aufeinander zu bewegt haben. Sie hat aber - wie auch die Markenabteilung und der Senat im Wege der Amtsermittlung - keinen Anhaltspunkt dafür aufweisen können, dass das Aufkommen des speziellen, später als " Smartbook " bezeichneten Gerätetyps schon im April 2005 irgendwie absehbar war und dass und warum sich hierfür gerade die Bezeichnung " Smartbook " zur Beschreibung des Gerätetyps etablieren sollte. Wie ausgeführt, hatte diese Bezeichnung im Eintragungszeitpunkt keinen konkreten sachlichen Aussagegehalt. Von daher ist nicht ersichtlich, wie es seinerzeit hätte absehbar sein sollen, dass gerade diese Bezeichnung zur Beschreibung von Geräten dienen konnte, die erst vier Jahre später auf den Markt kamen.

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 7. Weitere absolute Schutzhindernisse sind weder dargelegt noch ersichtlich. Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat damit Erfolg.

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 III. Nebenentscheidungen

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 1. Eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

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 2. Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen. Die Frage, welche Anforderungen im Löschungsverfahren an die nachträgliche Prognose für die Feststellung der Unterscheidungskraft für einen länger zurückliegenden Zeitpunkt gelten und unter welchen Voraussetzungen die nachträgliche Annahme eines künftigen Freihaltebedürfnisses in Betracht kommt, ist von grundsätzlicher Bedeutung (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).