Entscheidungsdatum: 13.10.2011
Schwarzwälder Schinken
1. Eine Änderung der Rechtslage kann einen Grund für die Änderung der Spezifikation für eine geschützte geografische Angabe im Sinne von Art. 9 Verordnung (EG) Nr. 510/2006 darstellen.
2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die in einer Spezifikation enthaltene Vorgabe gerechtfertigt ist, dass das Schneiden und Verpacken eines Erzeugnisses nur im Herkunftsgebiet durchgeführt werden darf.
In der Beschwerdesache
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betreffend die geografische Angabe „Schwarzwälder Schinken“
(hier: Antrag auf Änderung der Spezifikation)
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker und der Richterinnen Winter und Hartlieb
beschlossen:
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Markenabteilung 3.2. des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. Dezember 2008 insoweit aufgehoben, als der Antrag auf Änderung der Spezifikation der geschützten geografischen Angabe „Schwarzwälder Schinken“ vom 18. April 2005 zurückgewiesen worden ist.
II. Es wird festgestellt, dass der genannte Antrag in der Fassung der Spezifikation vom 10. August 2007 (Datum der Veröffentlichung im Markenblatt) den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 entspricht.
I.
Die Bezeichnung „Schwarzwälder Schinken“ ist auf Antrag des Schutzverbandes der Schwarzwälder Schinkenhersteller für „Fleischerzeugnisse“ mit Verordnung (EG) Nr. 123/97 der Kommission vom 23. Januar 1997 zur Ergänzung des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1107/96 der Kommission über die Eintragung der geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen gemäß dem in Art. 17 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 vorgesehenen Verfahren seit dem 25. Januar 1997 als geografische Angabe eingetragen. Die dem damaligen Antrag zugrunde liegende Beschreibung enthielt keine Vorgaben zum Schneiden und Verpacken des geschützten Erzeugnisses.
Mit Antrag vom 23. März 2005 (eingegangen im Deutschen Patent- und Markenamt am 18. April 2005) begehrt der Schutzverband der Schwarzwälder Schinkenhersteller die Änderung der Spezifikation der geschützten geografischen Angabe „Schwarzwälder Schinken“ gemäß Art. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, mit Wirkung vom 31. März 2006 ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 510/2006 vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (im Folgenden als „VO 510“ zitiert) aufgrund technischer Fortschreibung des Herstellungsprozesses; dazu hat er eine geänderte Spezifikation gemäß Art. 4 Abs. 2 VO (EG) Nr. 2081/92 eingereicht. Neben Änderungen zur Klarstellung und Anpassung der bisherigen Spezifikation an geänderte Produktionsmethoden und rechtliche Rahmenbedingungen beansprucht der Antragsteller eine zusätzliche Regelung, wonach zukünftig das gewerbliche Aufschneiden und Verpacken zum Zwecke des Verkaufs des aufgeschnittenen Produkts ebenfalls im Schwarzwald zu erfolgen habe. Ausnahmen sind lediglich für Einzelhandels-, Gaststätten- und Cateringbetriebe vorgesehen.
Die Markenabteilung 3.2. hat zur Prüfung des Änderungsantrages Stellungnahmen sachkundiger und interessierter Stellen gemäß § 133 i. V. m § 130 Abs. 3 MarkenG a. F. eingeholt. Die Stellungnahmen haben hinsichtlich der in die Spezifikation neu aufzunehmenden Vorgaben, wonach das Aufschneiden und Verpacken des Schinkens künftig nur noch im Herstellungsgebiet erfolgen dürfe, kein einheitliches Bild ergeben. Zum Teil wird die beabsichtigte Regelung für die Sicherung der Qualität und der Rückverfolgbarkeit nicht für erforderlich und für nicht verhältnismäßig, zum Teil auch als unzulässige Wettbewerbsbeschränkung angesehen. Zudem werden wirtschaftliche Nachteile für kleine und mittlere Unternehmen befürchtet.
Der Antragsteller hat in seiner Stellungnahme zum Ergebnis der Beteiligung ausgeführt, seit dem Zeitpunkt der Eintragung Anfang der 90er Jahre habe sich die Vermarktungssituation des Schwarzwälder Schinkens massiv geändert, insbesondere in Discountern werde immer mehr vorgeschnittene und verpackte Ware nachgefragt. Zum Zeitpunkt der Eintragung des Schwarzwälder Schinkens sei die Verarbeitungsmethode des sog. Slicens jedoch noch nicht bekannt gewesen und praktiziert worden. Wenn ein Slicen außerhalb des Schwarzwaldes erfolge, sei eine Kontrolle und Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit nicht möglich; die zuständige Kontrollbehörde befürworte die Änderung der Spezifikation daher ausdrücklich. Wirtschaftliche Nachteile für kleinere und mittlere Unternehmen seien nicht zu befürchten, da der Kostenaufwand für eine Slice-Anlage vertretbar sei. Es liege hier eine vergleichbare Sachlage vor wie bei der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Mai 2003 zur Ursprungsbezeichnung „Prosciutto di Parma“. Die beantragte Spezifikationsänderung sei zwingend erforderlich, es gebe keine milderen Mittel zur Erreichung der erforderlichen Qualitätssicherung. Das Schneiden und Verpacken des Schwarzwälder Schinkens stelle einen wesentlichen Teil des Produktionsprozesses dar, der Schwarzwälder Schinken sei ebenso wie Parmaschinken und Südtiroler Speck nicht resistent gegenüber Defekten. Zudem habe es in der Vergangenheit bereits Unstimmigkeiten bei der Menge des außerhalb des Schwarzwaldes verarbeiteten Schinkens gegeben, so dass die Rückverfolgbarkeit derzeit nicht gewährleistet sei.
Der Antragsteller hat eine überarbeitete Fassung der zu ändernden Spezifikation eingereicht, die am 10. August 2007 im Markenblatt veröffentlicht wurde.
Gegen die vorgesehene Änderung der Spezifikation in Abschnitt e), wonach die Verarbeitungsschritte des Schneidens und Verpackens ausschließlich im Herkunftsgebiet vorgenommen werden dürfen, sind Einsprüche eingelegt worden.
Die Einsprechende zu 1 hat mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2007, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 5. November 2007, Einspruch eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie sei in Stuttgart ansässig und verarbeite seit über 20 Jahren Schwarzwälder Schinken zu SB-Aufschnittpackungen; der dort geslicte Schinken stamme aus ihrer Betriebsstätte im Schwarzwald, wo die weitere Einsprechende zu 2 im Lohnverfahren Schwarzwälder Schinken fertige. Durch die Eintragung wie beantragt wäre ihr die Herstellung und der Verkauf von geslictem Schinken in SB-Packungen nicht mehr möglich. Die Qualitätskontrolle sei auch beim Slicen außerhalb des Herstellungsgebietes möglich.
Die Einsprechende zu 2 hat ihren mit Schriftsatz vom 8. November 2007 eingelegten und am 10. November 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen Einspruch damit begründet, dass die derzeit mit der Qualitätskontrolle und Mengenplausibilität betraute Firma auch Slicebetriebe außerhalb des Schwarzwaldes kontrollieren könne. Entscheidend für die Qualität des geslicten Produkts sei vorrangig die Qualität des Ausgangsproduktes, nicht hingegen der Standort des Slicebetriebes.
Die Einsprechende zu 3 hat mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2007, eingegangen beim Deutschen Patent- und Markenamt am 6. Dezember 2007, Einspruch eingelegt. Zur Begründung hat sie u. a. ausgeführt, Art. 9 VO 510 erlaube Änderungen der Spezifikation nur unter engen Voraussetzungen, was sich schon aus den Erwägungsgründen 12 und 15 zu der VO 510 ergebe. Zudem stütze sich der Antrag allein auf organisatorische Probleme der Überwachung der Einhaltung der Spezifikation; die Organisation ausreichender Kontrollen falle aber nach Art. 10 VO 510 in den Verantwortungsbereich der Mitgliedsstaaten und könne nicht durch eine entsprechende Spezifikationsänderung zu Lasten der Erzeuger und Verarbeiter des Produkts gehen. Die beabsichtigte Änderung führe zu einer Erweiterung des Schutzbereichs vergleichbar einer Ursprungsbezeichnung, ohne dafür den notwendigen Nachweis eines Qualitäts- oder Traditionszusammenhangs zu erbringen. Die nachträgliche Änderung der Spezifikation sei kein Mittel, unzureichende Qualitätskontrollen zu verbessern, vorliegend stelle die beabsichtigte Änderung eine ungerechtfertigte Wettbewerbsbeschränkung dar. Eine solche Beschränkung könne nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (zu „Prosciutto di Parma“ und „Grana Padano“) nur auferlegt werden, wenn sie zur Erhaltung des Ansehens der geografischen Angabe erforderlich, verhältnismäßig und geeignet sei. Der Europäische Gerichtshof habe dies formuliert auf der Grundlage der umfangreichen, substantiell begründeten und präzisen Kontroll- und Qualitätsanforderungen der Produktionsschritte von Parmaschinken bzw. Grana Padano. Diese typischen Merkmale fehlten aber beim Verarbeiten von Schwarzwälder Schinken. Die Verarbeitung sei nie ein qualitätsbildendes Merkmal des Schwarzwälder Schinkens gewesen, da sich keinerlei typische, örtliche Verfahren zum Schneiden und Verpacken entwickelt hätten. Es sei vielmehr geübte Praxis, dass der Schinken von Betrieben außerhalb des Schutzgebietes geschnitten und verpackt werde. Ein Erfordernis, die Spezifikation zu ändern, bestehe nicht; der Antragsteller habe auch keine detaillierteren Angaben zu den beim Aufschneidevorgang erforderlichen Kontrollmaßnahmen gemacht.
Der Antragsteller hat zu den Einsprüchen Stellung genommen und auf die Missbrauchsgefahr sowie die Kontrollschwierigkeiten beim Slicen außerhalb des Herkunftsgebiets hingewiesen. Wirtschaftliche Nachteile seien nicht zu befürchten, da jede größere, mittelständisch organisierte Metzgerei über eine eigene Sliceanlage verfüge. Das Slicen erfolge im Herkunftsgebiet ausschließlich auf einer für Schwarzwälder Schinken bestimmten Anlage, so dass die Kontamination mit einer für diesen Schinken unspezifischen Keimflora wie z. B. Hefen vermieden werde. Das Schneiden im Herstellerbetrieb habe auch den Vorteil, dass eventuelle Qualitätsabweichungen des zu schneidenden Schinkens vom fachkundigen Personal erkannt würden. Es seien dieselben Anforderungen wie beim Schneiden und Verpacken des Parmaschinkens zu beachten. Zur Einhaltung der sensorischen und hygienischen Qualität und zur Sicherung der Authentizität des Schwarzwälder Schinkens dürfe das Schneiden und Verpacken nur im Schutzgebiet erfolgen.
Mit Beschluss vom 5. Dezember 2008 hat die Markenabteilung 3.2. festgestellt, dass der Änderungsantrag der VO 510 entspreche, soweit er sich nicht auf die Angaben zum Schneiden und Verpacken in Abschnitt e) der Spezifikation gemäß Änderungsantrag beziehe. Hinsichtlich der Angaben zum Schneiden und Verpacken wurde der Änderungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Markenabteilung ausgeführt, für die damit angestrebte Beschränkung dieser Vorgänge auf das Herstellungsgebiet des Schwarzwälder Schinkens enthalte der Antrag keine ausreichende Rechtfertigung im Sinne der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu „Prosciutto di Parma“. Beim Aufschneiden und Verpacken eines Schinkens handle es sich zwar um wichtige Vorgänge, die gegebenenfalls die Qualität des Erzeugnisses mindern, die Garantie der Echtheit gefährden und damit auch dem Ansehen der geschützten geografischen Angabe schaden könnten. Der Antragsteller verfolge mit der Änderung der Spezifikation das Ziel, mittels einer durchgängigen Kontrolle des gesamten Produktionsablaufs, einschließlich des Slicens und Verpackens, durch die zuständige Kontrolleinrichtung die Einhaltung der Qualitätsmerkmale des Schwarzwälder Schinkens und seine Authentizität zu gewährleisten. Hierzu seien vorgesehen die Durchführung von Mengenplausibilitätskontrollen sowohl in den produzierenden wie auch in den schneidenden Betrieben sowie die Aufnahme bestimmter Qualitäts- und Produktionsmerkmale, die beim Slicen eingehalten werden müssten wie die Einhaltung der Produktspezifikation durch den zu verarbeitenden Schinken, die maximale Scheibendicke, die mikrobiologische Stabilisierung der Aromapackung durch einen X CO2 Anteil bei dünnen Scheiben, das Reinigen und Desinfizieren der Slice-Anlage, wenn zuvor andere Produkte geschnitten wurden, sowie die bakteriologische Betriebsüberwachung. Bei diesen Maßnahmen handle es sich jedoch weitgehend um Anforderungen und Hygienestandards, die beim Aufschneiden und Verpacken von Rohschinken allgemein gelten würden und keinen Bezug zum Produkt Schwarzwälder Schinken hätten. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass die Einhaltung dieser Vorgaben auch von anderen Kontrollstellen in Deutschland und auch in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wirksam überwacht werden könnten. Dies gelte auch hinsichtlich der in der Spezifikation genannten überprüfbaren Eigenschaften des ganzen Schinkens. Insbesondere erscheine eine nachhaltige Durchführung der für die Authentizität des Schinkens maßgeblichen Herkunftskontrollen auch außerhalb des Erzeugungsgebiets möglich, etwa durch Vergleich mit den in den Erzeugerbetrieben vorgenommenen Mengenplausibilitätskontrollen und entsprechenden weiteren Vorgaben, die die Rückverfolgbarkeit ermöglichten. Nach Art. 10 und 11 VO 510 müsse in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union flächendeckend eine effektive Kontrolle der Einhaltung der Spezifikation gewährleistet werden, auch im Erzeugungsgebiet liege die Kontrolle nicht in einer Hand. Der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich insoweit erheblich von den Bedingungen, die für die Verarbeitung des Prosciutto di Parma gelten. In der betreffenden Spezifikation seien nämlich die einzelnen Schritte der Verarbeitung und die damit einhergehenden ständigen (internen) Qualitätskontrollen sehr detailliert und streng geregelt. Deren Überwachung umfasse daher auch eingehende technische Maßnahmen und setze ein besonderes Fachwissen und spezielle Kenntnisse der Produkteigenschaften voraus, so dass eine Kontrolle außerhalb des Erzeugungsgebietes nicht die gleiche Garantie für die Qualität und Echtheit des Schinkens gebe. Vorliegend sei nicht der erforderliche Nachweis erbracht, dass die beantragte Beschränkung des Schneidens und Verpackens auf das abgegrenzte geografische Gebiet ein erforderliches und verhältnismäßiges Mittel darstelle, um das Ansehen des Schwarzwälder Schinkens zu erhalten. Dies könne auch durch weniger einschneidende Maßgaben für die Verarbeitung erreicht werden.
Gegen den die Änderung zurückweisenden Teil des Beschlusses hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt.
Zur Begründung hat der Antragsteller im Wesentlichen ausgeführt, für geografische Angaben und Ursprungsbezeichnungen müsse derselbe rechtliche Schutz gelten. Davon gehe auch der Beschluss der Markenabteilung aus, der die Grundsätze herangezogen habe, die der Europäische Gerichtshof für die Ursprungsbezeichnung „Prosciutto di Parma“ aufgestellt habe. Es sei inkonsequent, dem Antragsteller den begehrten Schutz zu verweigern, da in Bezug auf das Kontrollbedürfnis insbesondere der letzten Verarbeitungsstufe (Zuschneiden und Abpacken des Schinkens) wegen der hierbei bestehenden Manipulationsgefahren keine relevanten Unterschiede zum vorstehend genannten Fall bestünden.
Art. 9 VO 510 erlaube eine Änderung der Spezifikation, ohne die insoweit erforderlichen Gründe abschließend zu benennen. Wesentliche neue Marktentwicklungen, die aus einem geänderten Verbraucherverhalten resultieren, seien zu den legitimen Änderungszwecken zu zählen.
Zudem sei eine nachhaltige Kontrolle außerhalb des Erzeugungsgebietes nicht möglich. Nach Art. 11 VO 510 habe die Kontrolle der Einhaltung der Spezifikation vor der Vermarktung zu erfolgen, danach sei eine Kontrolle nur noch schwer möglich. Bei dem portionierenden Schneiden und Verpacken des Schinkens handele es sich um Vorgänge, die vor der Vermarktung anzusiedeln seien, so dass die Kontrolle hinsichtlich Produktqualität und Mengenplausibilität des verarbeiteten Schinkens in Bezug auf die Einhaltung der Spezifikation im Herkunftsgebiet erfolgen müsse. Mengenplausibilitätskontrollen zur Rückverfolgbarkeit außerhalb des Erzeugungsgebiets könnten keinen ausreichenden Ersatz hierfür bieten. Die Verpflichtung zum Aufbau einer effektiven Kontrolleinrichtung treffe den Mitgliedsstaat, aus dem das Produkt mit der geschützten Herkunftsangabe oder Ursprungsbezeichnung stamme.
Die Kontrolle im Herkunftsgebiet sei verhältnismäßig und verletze die Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit nicht. Die Kontrolle außerhalb des Erzeugungsgebietes sei kein gleich geeignetes Mittel, da nur die zur Kontrolle berufene Behörde im Erzeugungsgebiet eine effektive präventive Kontrolle bieten könne. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sei die Kontrolle im Herkunftsgebiet auch erforderlich. Demnach seien Verarbeitungsvorgänge, die die Qualität des Produkts mindern könnten, wie das Abfüllen von Wein, das Reiben, Schneiden und Verpacken von Käse und Schinken im Erzeugungsgebiet gerechtfertigt zur Erhaltung des Ansehens der Ursprungsbezeichnung. Nach diesen Grundsätzen böten auch beim Schwarzwälder Schinken Kontrollen außerhalb des Erzeugungsgebiets weniger Garantien für die Qualität und Echtheit des Erzeugnisses, als diejenigen, die im Schwarzwald durchgeführt würden. Bei nicht ordnungsgemäßer Behandlung trete auch beim Slicen des Schwarzwälder Schinkens eine Geschmacksveränderung ein, die den spezifischen Geschmack nachhaltig negativ verändere. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lasse die Gefahr unzureichender Kontrollen außerhalb des Erzeugungsgebiets für die Rechtfertigung der Durchführung innerhalb des Gebiets ausreichen. Unzulässige Beimischungen oder Streckungen könnten bei einer Kontrolle vor Ort durch fachmännisch besonders geschulte Kräfte eher aufgedeckt werden. Gerade die Beteiligung internationaler Konzerne bei der Produktion und Verarbeitung ermögliche keine effektive Kontrolle mehr, die Beispiele von Vorgaben zum Schneiden im Herkunftsgebiet in Spezifikationen vergleichbarer Schinkenprodukte wie z. B. Tiroler Speck und Katenschinken zeigten die Notwendigkeit derartiger Regelungen.
Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluss insoweit abzuändern, als darin der Antrag auf Änderung der Spezifikation im Hinblick auf die Verarbeitungsschritte des Schneidens und Verpackens im Herkunftsgebiet zurückgewiesen worden ist.
Die Einsprechenden zu 2 und zu 3 beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung hat die Einsprechende zu 3 unter Bezugnahme auf ihre Einspruchsbegründung ausgeführt, der Antragsteller habe keinen Nachweis dafür erbracht, dass die von ihm begehrten gravierenden Wettbewerbsbeschränkungen erforderlich seien. Die vom Antragsteller beantragte Änderung habe zum Ziel, andere Wirtschaftsteilnehmer auszuschließen. Zweck einer geografischen Angabe sei es, die Verbrauchererwartung zu schützen. Die Verkehrsauffassung gehe hier aber nicht dahin, dass Schwarzwälder Schinken auch im Schwarzwald geslict werde; es bestehe vielmehr eine jahrelange Übung, auch außerhalb des Schwarzwalds zu slicen. Eine effektive Kontrolle zu gewährleisten, sei eine rein organisatorische Frage. Vermeintliche Kontrolldefizite außerhalb des Schutzgebietes bestünden nicht, das europäische Recht biete vielmehr ausreichende und effektive privatrechtliche und administrative Schutzmechanismen. Die behauptete Gefahr des Missbrauchs bei der Verarbeitung des Schwarzwälder Schinkens durch „Beimischungen oder Streckungen“ bestehe nicht.
Die vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten strengen Kriterien an die Rechtfertigung der beantragten Beschränkung seien nicht erfüllt. Der Gerichtshof fordere besondere, produktspezifische Anforderungen an die Verarbeitung, welche die Verarbeitung im Herkunftsgebiet zur Erhaltung der spezifischen Merkmale des Produkts unbedingt erforderlich machten. Der Antrag enthalte hingegen nur allgemein geltende lebensmitteltechnische Anforderungen. Schwarzwälder Schinken könne überall dort geschnitten werden, wo übliche Verarbeitungsstandards eingehalten würden. Selbst im Schutzgebiet seien Kontrollen bislang nur sporadisch erfolgt.
Ergänzend hat die Einsprechende zu 3 auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 3. März 2011 in der Rechtssache C-161/09 bezüglich getrockneter Weintrauben hingewiesen. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass es auch in der Praxis unüblich sei, in der Spezifikation von geografischen Angaben zu Schinkenprodukten Vorschriften über die Vorgänge des Schneidens und Verpackens vorzusehen. Hierzu verweist die Einsprechende zu 3 auf die geschützten Angaben „Prosciutto Amatriciano“, „Jambon de l’Ardèche“ und „Holsteiner Katenschinken“. Auch der Verbraucher stelle keine entsprechende Erwartung an geografische Angaben, die Schinkenprodukte zum Gegenstand hätten.
Die Einsprechende zu 2 hat sich den Ausführungen der Einsprechenden zu 3 angeschlossen und im Übrigen ausgeführt, dass die beabsichtigte Regelung dazu führe, dass die Geschäftsgrundlage für ihre Erwerbstätigkeit entfalle, da sie als Lohnräucherer für Betriebe tätig sei, die außerhalb des Schwarzwalds Schinken verarbeiteten.
Die Einsprechende zu 1 hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Beschluss der Markenabteilung ist insoweit aufzuheben, als darin der Antrag auf Änderung der Spezifikation der geschützten geografischen Angabe „Schwarzwälder Schinken“ zurückgewiesen worden ist, da der Antrag auch insoweit den Anforderungen der VO 510 entspricht.
1. Art. 9 VO 510 eröffnet die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung der Spezifikation der geschützten geografischen Angabe. Die allgemeinen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im vorliegenden Fall erfüllt.
a) Der Antragsteller verfügt als Vereinigung von Herstellern von Schwarzwälder Schinken über ein berechtigtes Interesse an der Änderung der Spezifikation und ist daher antragsbefugt (Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 i. V. m Art. 5 Abs. 1 und 2 VO 510).
b) Nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 VO 510 kann die Genehmigung einer Änderung der Spezifikation beantragt werden „insbesondere zur Berücksichtigung des Stands von Wissenschaft und Technik oder im Hinblick auf eine neue Abgrenzung des geografischen Gebiets“. Die möglichen Gründe für eine gerechtfertigte Änderung sind damit nicht abschließend genannt, so dass auch andere, in gleicher Weise gewichtige Gründe herangezogen werden können.
Im vorliegenden Fall hat sich der Antragsteller darauf berufen, dass aufgrund eines seit der Schutzgewährung im Jahre 1997 geänderten Nachfrageverhaltens rund zwei Drittel der Produktion des Schwarzwälder Schinkens geschnitten und portionsweise verpackt würden. Damit seien wesentliche Veränderungen bei der Vermarktung eingetreten, die sich entscheidend auf den Produktionsprozess auswirkten. Dadurch dass ganze Schinken in weitaus geringerem Umfang auf den Markt kommen, habe sich das Kontrollbedürfnis entsprechend verändert. Die Einsprechende zu 3 ist dem allerdings entgegengetreten. Darauf kommt es aber letztlich nicht an.
Die allgemeinen Voraussetzungen für die beantragte Änderung der Spezifikation sind nämlich bereits deswegen erfüllt, weil weder zum Zeitpunkt der Antragstellung für die geografische Angabe „Schwarzwälder Schinken“ im „Eilverfahren“ nach Art. 17 der damals geltenden VO 2081/92 noch zum Zeitpunkt der Schutzgewährung im Jahr 1997 absehbar war, dass die Verarbeitungsschritte des Schneidens und Verpackens durch entsprechende Vorgaben in der Spezifikation in das Herkunftsgebiet verlegt werden können. Dass dies überhaupt möglich ist, ist erst durch die Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Mai 2003 in den Rechtssachen „Prosciutto di Parma“ (GRUR 2003, 616 ff.) und „Grana Padano“ (GRUR 2003, 609 ff.) und die zeitgleich betriebene Änderung der VO 2081/92 durch die Verordnung (EG) Nr. 692/2003 ersichtlich geworden (s. hierzu Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 130 Rn. 62). Diese Änderung der Rechtslage ist den in Art. 9 Abs. 1 VO 510 explizit anerkannten Gründen für eine Änderung der Spezifikation ohne weiteres gleichzustellen.
2 Der Antrag, der eine wesentliche Änderung der Spezifikation im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Satz 1 VO 510 zum Gegenstand hat, ist auch in der Sache begründet.
a) Die Markenabteilung ist in dem angefochtenen Beschluss zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der beantragten Änderung, das Schneiden des Schinkens nur noch im Herkunftsgebiet zuzulassen, um eine Beschränkung des freien Warenverkehrs handelt, die nach Art. 8 der DurchführungsVO (EG) Nr. 1898/2006 besonders zu rechtfertigen ist. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch, dass sich die Markenabteilung insoweit an den Grundsätzen orientiert hat, die der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache „Prosciutto di Parma“ aufgestellt hat.
b) Nach dieser Entscheidung (GRUR 2003, 616 ff.) handelt es sich beim Aufschneiden und Verpacken eines Schinkens um wichtige Vorgänge, die die Qualität des Erzeugnisses mindern, die Garantie der Echtheit gefährden und damit auch dem Ansehen der geschützten geografischen Angabe schaden können (a. a. O. Nr. 68). Daher können hierfür besondere technische Regeln festgelegt werden, um Qualität und Herkunftsgarantie zu gewährleisten (a. a. O Nr. 48, 49). So soll eine Spezifikation, mit der vorgeschrieben wird, dass das Aufschneiden und Verpacken im Erzeugungsgebiet erfolgen muss, es den Inhabern der geschützten Angabe ermöglichen, die Kontrolle über die jeweilige Aufmachungsform zu behalten. Voraussetzung ist allerdings der Nachweis, dass diese Vorgaben ein erforderliches und verhältnismäßiges Mittel darstellen, um das Ansehen der geschützten Angabe zu erhalten (a. a. O. Nr. 65, 66). Im dortigen Fall hat der Gerichtshof die Verlagerung des Schneidens und Verpackens in das Erzeugungsgebiet nach einem System von genau und streng geregelten technischen Maßnahmen und Kontrollen in Bezug auf Echtheit und Qualität als gerechtfertigt gesehen, insbesondere vor dem Hintergrund effektiver Kontrollen ausschließlich im Erzeugungsgebiet (a. a. O. Nr. 75, 76).
Ob die in dieser Entscheidung aufgestellten strengen Kriterien nach wie vor uneingeschränkt anwendbar sind, könnte allerdings zweifelhaft sein. Der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs lag die VO (EWG) Nr. 2081/92 in ihrer ursprünglichen Fassung zugrunde, die eine dem heutigen Art. 4 Abs. 2 Buchst. e, 2. Halbsatz VO 510 entsprechende Regelung noch nicht enthielt. Die Möglichkeit, in der Spezifikation Vorgaben für die Aufmachung eines Erzeugnisses wie z. B. das Schneiden und Verpacken von Schinken im Herkunftsgebiet zu machen, ist vom europäischen Gesetzgeber erst mit der - zeitgleich zum „Prosciutto di Parma“-Verfahren erlassenen - ÄnderungsVO (EG) Nr. 692/2003 vom 8. April 2003 explizit anerkannt worden. Vor diesem Hintergrund lag es nahe, entsprechende Vorgaben an enge Kriterien zu knüpfen.
Für eine weniger strenge Handhabung spricht auch die Praxis der Kommission, die auf der Basis der geltenden Regelung in entsprechenden Verfahren eine eher großzügige Verfahrensweise erkennen lässt; so ist die jeweilige Begründung in den geänderten Spezifikationen zu Fragen der Qualitätssicherung und Rückverfolgbarkeit eher kurz gehalten. Hierzu sei beispielsweise verwiesen
- auf den Änderungsantrag für „Südtiroler Speck“ (ABl. EU Nr. C 119 vom 16.4.2011, S. 22: „damit dem Endverbraucher die Beibehaltung des charakteristischen Geschmacksprofils und der feinen Note des Specks garantiert wird“),
- auf den Eintragungsantrag für „Coppa di Parma“ (ABl. EU Nr. C 37 vom 5.2.2011, S. 26: „Da dieses empfindliche Erzeugnis … beim Aufschneiden und Verpacken belastenden Einflüssen ausgesetzt sein kann, dürfen diese Vorgänge nur von Personal mit spezifischen Kenntnissen des Produkts durchgeführt werden.“),
- für „Salame Felino“ (ABl. EU Nr. C 19 vom 20.1.2011, S. 13: „Bei diesem empfindlichen Erzeugnis … müssen Aufschneiden und Verpacken, deren rasche Abfolge für das Personal mit Stress verbunden sein kann, von sachkundigen Mitarbeitern durchgeführt werden“),
- für „Bresaola della Valtellina“ (ABl. EU Nr. C 321 vom 26.11.2010, S. 25: „Aufschneiden, Portionieren und Verpacken müssen in dem … Erzeugungsgebiet erfolgen, damit die Integrität des Erzeugnisses und damit die Qualität des Endprodukts nicht durch Änderungen der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit während des Transports beeinträchtigt werden.“),
- auf den Änderungsantrag für „Prosciutto Toscano“ (ABl. EU Nr. C 322 vom 30.12.2009, S. 37: „Das Schneiden und die entsprechende Verpackung müssen am Ende des Reifungsvorgangs … im Herstellungsgebiet [erfolgen], um die Einhaltung der verschiedenen für das geschnittene Erzeugnis vorgesehenen Reifezeiten und die Bewahrung der Eigenschaften bezüglich der Feuchtigkeit und des Aspekts des Muskel- und Fettanteils der Scheibe zu garantieren …“), sowie
- auf den Eintragungsantrag für „Prosciutto di Sauris“ (ABl. EU Nr. C 188 vom 11.8.2009, S. 36: „Aufschneiden und Verpacken … erfolgen ausschließlich in Betrieben [im Herkunftsgebiet]. So wird den Verbrauchern garantiert, dass die typischen Eigenschaften des Erzeugnisses erhalten bleiben, insbesondere sein ganz besonderer Geschmack und der rauchige Duft“).
Für eine Beibehaltung der strengen Kriterien auch nach Veränderung der Rechtslage spricht allerdings der Umstand, dass der europäische Verordnungsgeber im Erwägungsgrund 8 zur DurchführungsVO (EG) Nr. 1898/2006 ausdrücklich auf die Rechtsprechung des EuGH Bezug genommen hat. Letztlich kann die Frage nach der Anwendbarkeit der vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Kriterien jedoch dahingestellt bleiben, da dem Antrag auch nach diesen strengen Kriterien stattzugeben ist.
c) Die zu ändernden Angaben der Spezifikation sind demgemäß daraufhin zu überprüfen, ob sie unter den Gesichtspunkten der Qualitätssicherung, der Kontrolleffektivität sowie der Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit gerechtfertigt sein können, wobei sich diese drei Gesichtspunkte teilweise überschneiden.
aa) Was den Gesichtspunkt der Qualitätssicherung angeht, ist den Feststellungen der Markenstelle zuzustimmen, dass die beabsichtigten Angaben in der Spezifikation nicht tragfähig sind. Der Antragsteller hat zwar die Aufnahme bestimmter Qualitäts- und Produktionsmerkmale, die beim Slicen eingehalten werden müssen und zur Einhaltung der Qualitätsmerkmale des Schwarzwälder Schinkens dienen sollen, vorgesehen. Es handelt sich dabei aber nicht um Vorschriften, die mit besonderen Qualitätsmerkmalen des Produkts in Zusammenhang stehen, sondern um Maßnahmen, die sich im Rahmen des Üblichen bewegen, was bei der Verarbeitung von Fleischerzeugnissen an Hygienemaßnahmen einzuhalten ist.
bb) Nicht zu überzeugen vermag der Beschluss der Markenabteilung dagegen, soweit die Fragen der Rückverfolgbarkeit und die Effektivität der Kontrolle zu bewerten sind. Hierzu hat die Markenabteilung lediglich allgemein ausgeführt, dass eine nachhaltige Durchführung der für die Authentizität des Schinkens maßgeblichen Herkunftskontrollen auch außerhalb des Erzeugungsgebiets möglich erscheine, etwa durch einen Vergleich mit den in den Erzeugerbetrieben vorgenommenen Mengenplausibilitätskontrollen und entsprechenden weiteren Vorgaben, die die Rückverfolgbarkeit ermöglichten. Soweit die Markenabteilung - wie auch von der Einsprechenden zu 3 vorgetragen - darauf abstellt, dass gemäß Art. 10 und 11 VO 510 in allen Mitgliedsstaaten der Union flächendeckend eine effektive Kontrolle der Einhaltung der Spezifikation gewährleistet werden müsse, kann dies der beantragten Änderung nicht entgegenstehen. Denn mit dieser Argumentation bleibt unberücksichtigt, dass Art. 4 Abs. 2 Buchst. e VO 510 die Gewährleistung des Ursprungs des Erzeugnisses, d. h. seiner Rückverfolgbarkeit (vgl. den entsprechenden Wortlaut der Vorläufernorm des Art. 4 Abs. 2 Buchst. e VO 2081/92 i. d. F. der ÄnderungsVO (EG) Nr. 692/2003), sowie die Gewährleistung einer effektiven Kontrolle explizit als Rechtfertigungsgründe für beschränkende Maßnahmen der auch vorliegend beantragten Art nennt. Der europäische Gesetzgeber geht somit offensichtlich davon aus, dass eine effektive Kontrolle nicht nur nach Maßgabe des in den Art. 10 und 11 VO 510 vorgesehenen Kontrollsystems, sondern auch durch zusätzliche Kontrollen im Herkunftsgebiet und entsprechende geeignete Angaben bzw. Beschränkungen in der Produktspezifikation gewährleistet werden kann. Die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus Art. 10 und 11 VO 510 stehen solchen Beschränkungen also nicht entgegen. In diesem Sinne wird auch der Erwägungsgrund 16 zu der VO 510 zu verstehen sein, wonach ein System von amtlichen Kontrollen durch Lebensmittelkontrollstellen die Grundlage der Überwachung geografischer Angaben bilden soll, einschließlich eines Systems von Kontrollen zur Sicherstellung der Einhaltung der entsprechenden Spezifikation.
Dass die Verlagerung der weiteren Verarbeitungsschritte des Schneidens und Verpackens in das Herkunftsgebiet unter dem Gesichtpunkt der Rückverfolgbarkeit und der Kontrolleffektivität sinnvoll ist, zeigt auch die ab 1. Juli 2012 geltende Verordnung (EU) Nr. 931/2011 vom 19. September 2011 über die mit der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates festgelegten Rückverfolgbarkeitsanforderungen an Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. EU Nr. L 242 vom 20.9.2011, S. 2), auf die hier lediglich noch ergänzend hingewiesen wird. Im Erwägungsgrund 4 zu dieser VO ist ausgeführt, dass sich in Lebensmittelkrisen der Vergangenheit gezeigt habe, dass die Buchführung nicht immer ausreiche, um verdächtige Lebensmittel vollständig verfolgen zu können. Die Erfahrung mit der Durchführung der einschlägigen Verordnungen habe gezeigt, dass Lebensmittelunternehmer nicht grundsätzlich über die Informationen verfügten, die erforderlich seien, um zu gewährleisten, dass ihre Systeme zur Ermittlung der Handhabung oder Lagerung von Lebensmitteln angemessen seien, vor allem im Bereich der Lebensmittel tierischen Ursprungs. Dies habe in diesem Sektor zu unnötig hohen wirtschaftlichen Verlusten geführt, weil die Lebensmittel nicht rasch und uneingeschränkt rückverfolgbar gewesen seien.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat es bei der grundsätzlichen Klarstellung des Europäischen Gerichtshofs zu verbleiben, wonach Kontrollen vor Ort unter der Verantwortung der Inhaber der Bezeichnung grundsätzlich vorzugswürdig sind, da Kontrollen außerhalb des Erzeugungsgebiets weniger Garantien für die (Qualität und) Echtheit des Erzeugnisses bieten (vgl. EuGH GRUR 2003, 616, 620 [Nr. 75] - Prosciutto di Parma). Das gilt auch im vorliegenden Fall. Wenn Schwarzwälder Schinken außerhalb des Erzeugungsgebietes geschnitten und verpackt werden darf, so erfolgt der Transport des Produkts an beliebige Verarbeitungsstätten, wobei auch mehrfache Verkäufe dazwischengeschaltet sein können. Die Handelswege können dadurch sehr unübersichtlich werden, was eine effektive Kontrolle nahezu unmöglich machen kann. Nach der geltenden Rechtslage ist es nicht einmal ausgeschlossen, dass Schwarzwälder Schinken in einem Drittstaat geschnitten und verpackt wird. Hinzu kommt, dass es einem geschnittenen Produkt kaum mehr anzusehen ist, ob es sich um echten Schwarzwälder Schinken handele oder nicht. Es erscheint vor diesem Hintergrund nicht möglich, die Echtheit des Produkts zweifelsfrei zu gewährleisten. Die vom Antragsteller vorgesehene Rückverlagerung dieser Schritte in das Herkunftsgebiet zusammen mit den entsprechenden Kontrollen vor Ort ist daher eine erforderliche und unter den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen auch verhältnismäßige Maßnahme zur Gewährleistung der Echtheit des verarbeiteten Schwarzwälder Schinkens.
cc) Die von der Einsprechenden zu 3 noch ergänzend herangezogene Entscheidung des Europäischen Gerichthofs vom 3. März 2011 in der Rechtssache C-161/09 rechtfertigt keine andere Sichtweise. Dort ging es um die Vereinbarkeit eines zum Schutz einer Ursprungsbezeichnung vorgesehenen nationalen Verbots der Verbringung getrockneter Weintrauben innerhalb bestimmter Zonen mit den primärrechtlichen Regeln des Art. 29 EG bzw. nunmehr Art. 35 AEUV. Vom vorliegenden Fall unterschied sich der dortige Sachverhalt schon dadurch, dass für die geschützte Ursprungsbezeichnung keine Spezifikation vorlag; es gab somit keine Beschreibung bzw. Definition des Erzeugnisses. Ohne definiertes Erzeugnis kann es naturgemäß keine Rechtfertigung von Verbringungsbeschränkungen zur Sicherung der Qualität oder Rückverfolgbarkeit des Erzeugnisses geben (vgl. a. a. O. Nr. 43). Darüber hinaus war die dortige nationale Regelung nicht frei von Widersprüchen, weil zwar die Verbringung getrockneter Weintrauben geringerer Güte von einer Zone B in eine Zone A zum Schutz der dortigen höherwertigen Erzeugnisse untersagt war, nicht aber die umgekehrte Verbringung von A nach B mit dem Bestreben, durch Beimischung von höherwertigen Erzeugnissen aus der Zone A die Qualität der Erzeugnisse aus der Zone B zu heben (a. a. O. Nr. 45 i. V. m. Nr. 8). Dass diese merkwürdige Regelung keinen Bestand haben konnte, lag auf der Hand, besagt aber für den vorliegenden Fall nichts.
dd) Nicht zielführend ist schließlich der Hinweis der Einsprechenden zu 3 in der mündlichen Verhandlung, dass der Endverbraucher nicht erwarte, dass Schwarzwälder Schinken im Herkunftsgebiet geschnitten und verpackt werde, und die daran anknüpfende Mutmaßung, dass allein wirtschaftliche Interessen die Zielsetzung der beabsichtigten Änderung wären. Diese Ausführungen mögen zutreffen. Jedoch übersieht die Einsprechende zu 3 insoweit, dass es ausweislich des 2. Erwägungsgrundes zu der VO 510 ein legitimes Ziel des Schutzes von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen ist, die wirtschaftliche Situation der ortsansässigen Produzenten zu fördern und ihr Einkommen zu steigern.
3. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand kein Anlass. Eine grundsätzliche Rechtsfrage (vgl. § 133 Satz 3 i. V. m. § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) steht nicht im Raum. Von grundsätzlicher Bedeutung wäre zwar die Frage, ob die strengen Grundsätze der „Prosciutto di Parma“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes nach der Änderung des Art. 4 Abs. 2 Buchst. e VO 2081/92 bzw. nunmehr der VO 510 noch uneingeschränkt Geltung beanspruchen. Darauf kommt es aber vorliegend nicht an, da der Änderungsantrag auch auf der Grundlage dieser strengen Grundsätze Erfolg hat. Für das Vorliegen der weiteren Zulassungsgründe des § 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist weder etwas ersichtlich noch von den Beteiligten vorgetragen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die endgültige Entscheidung über die Berechtigung des Änderungsantrags ohnehin nicht bei den nationalen Instanzen, sondern bei der EU-Kommission liegt.