Entscheidungsdatum: 07.11.2011
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 305 07 691
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2011 unter Mitwirkung der Richterin Winter als Vorsitzende und der Richterinnen Hartlieb und Bayer
beschlossen:
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die durch Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Januar 2010 angeordnete Löschung der angegriffenen Marke 305 07 691 wegen des Widerspruchs aus der Marke 302 10 213 MitoExtra richtet.
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zur Zeit gegenstandslos, soweit sie sich gegen die durch Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Januar 2010 angeordnete Löschung der angegriffenen Marke 305 07 691 wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 141 747 Mito-medac richtet.
I.
Die am 10. Februar 2005 angemeldete Wortmarke
Mito TAD
ist am 7. April 2005 unter der Nummer 305 07 691 für „Humanarzneimittel“ in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 13. Mai 2005.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin folgender Marken:
- 302 10 213 MitoExtra, eingetragen am 27. November 2002 für „Pharmazeutische Präparate“,
- 1 141 747 Mito-medac, eingetragen am 22. Juni 1989 für „Pharmazeutische Erzeugnisse“.
Die Benutzung beider Widerspruchsmarken ist im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 24. September 2010 bestritten worden. Die Widersprechende hat Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung beider Widerspruchsmarken im Zeitraum 2005 bis 2010 vorgelegt. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat daraufhin erklärt, dass der Nichtbenutzungseinwand aufrechterhalten bleibe, soweit er nicht Arzneimittel mit dem Wirkstoff Mitomycin betreffe.
Durch Erstbeschluss vom 11. Februar 2008 hat die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG verneint und gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG die Widersprüche zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen darauf Bezug genommen, dass der Übereinstimmung in dem Bestandteil Mito wegen Kennzeichnungsschwäche geringe Bedeutung zukomme, weil es sich um eine Anlehnung an die INNs „Mitomycin“, „Mitototan“ oder „Mitoxantron“ handele. Die sich gegenüberstehenden Bezeichnungen seien deshalb ausreichend unterschiedlich.
Auf die Erinnerung der Widersprechenden hat die Markenstelle in einem zweiten Beschluss vom 27. Januar 2010 eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Begründend ist im Wesentlichen darauf Bezug genommen, dass die Vergleichsmarken durch Mito geprägt würden. Zwar sei der Zeichenanfang Mito an die Wirkstoffangaben (INN) „Mitomycin", „Mitotan“ und „Mitoxantron“ angelehnt, aber er bezeichne diese Wirkstoffangaben nicht unmittelbar. Gegen eine relevante Reduzierung des Schutzumfangs von Mito spreche insbesondere, dass nach der Roten Liste 2009 - mit Ausnahme des Produkts Mito-extra, einem Erzeugnis der Widersprechenden - keine vergleichbar gebildeten Arzneimittelkennzeichnungen von Dritten Eingang in die Rote Liste gefunden hätten. Es bestünden damit keine sicheren Anhaltspunkte dafür, dass Mito von einem relevanten Teil der Verkehrskreise als übliche Abkürzung von „International Nonproprietary Names“ verstanden werde, zumal vorliegend drei Wirkstoffangaben in Betracht kämen. Demgegenüber träten die bekannten Unternehmenskennzeichen TAD und medac zurück; das Wort Extra sei ein beschreibender Hinweis auf zusätzliche Eigenschaften. Selbst wenn der Schutzumfang der Widerspruchsmarken etwas reduziert einzustufen wäre, müsste angesichts identischer Waren ein deutlicher Markenabstand eingehalten werden; diesen Anforderungen werde die jüngere Marke nicht gerecht. Selbst wenn Prägung der angegriffenen Marke durch das Element Mito zu verneinen wäre, nehme aber in Anwendung der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Bestandteil Mito eine selbständig kennzeichnende Stellung ein, so dass der Verkehr von wirtschaftlich verbundenen Unternehmen ausgehe und damit die Gefahr bestehe, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Sie hält die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken für unterdurchschnittlich, da Mito die Abkürzung für „Mitose“ (= Zellteilung) sei. Der Bestandteil weise auf Medikamente zur Beeinflussung der Zellteilung hin. Es handle sich um einen „common stem“, der gemäß Liste der WHO nicht durch Markenrechte geschützt werden solle. Außerdem sei Mito Bestandteil zahlreicher Drittmarken und von daher in der Kennzeichnungskraft geschwächt. Damit sei nur ein Gesamtvergleich der Marken möglich. Im Gesamteindruck bestehe keine Verwechslungsgefahr, auch nicht assoziativ. Die von der Widersprechenden genannten weiteren Marken würden nicht benutzt. Der Nichtbenutzungseinwand bleibe aufrechterhalten, soweit er nicht Arzneimittel mit dem Wirkstoff Mitomycin betreffe.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
den Erinnerungsbeschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Januar 2010 aufzuheben.
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält mit näheren Ausführungen den Erinnerungsbeschluss für zutreffend. Ferner hat sie darauf hingewiesen, dass Mito Stammbestandteil einer Zeichenserie sei, zu denen ihre Marken „Mitosafe“, „Mitocyt“ und „Mitomas“ gehörten; bei der Widerspruchsmarke MitoExtra werde „extra“ abgespalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat hinsichtlich des Widerspruchs aus der Marke 302 10 213 MitoExtra in der Sache keinen Erfolg. Zwischen den Vergleichsmarken Mito TAD und MitoExtra besteht Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne. Die Markenstelle hat daher wegen des Widerspruchs aus dieser Marke die Eintragung der angegriffenen Marke zu Recht gelöscht und die im Erstbeschluss erfolgte Zurückweisung dieses Widerspruchs aufgehoben. Wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 141 747 Mito-medac ist die Beschwere zur Zeit gegenstandslos.
Ob Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke, des Grades der Ähnlichkeit der Zeichen sowie der Art der Waren und Dienstleistungen und der bei der Auswahl bzw. Auftragsvergabe zu erwartenden Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs umfassend zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; GRUR 2008, 343, Nr. 48 - BAINBRIDGE; GRUR 2006, 413 ff., Nr. 17 - ZIRH/SIR; GRUR 2006, 237 ff., Nr. 18 - Picaro/Picasso; BGH GRUR 2008, 903, Nr. 10 - SIERRA ANTIGUO; zur Wechselwirkung der genannten Einzelfaktoren vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG; 9. Aufl. § 9 Rdn. 32, 33).
Soweit allgemeine Verkehrskreise zu berücksichtigen sind, ist davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl. BGH MarkenR 2000, 140 - ATTACHÉ/TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li. Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239, Nr. 24 - Lloyd/Loint’s). Allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, pflegt der Verkehr eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen (vgl. BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).
1. Widerspruch aus der Marke 302 10 213 MitoExtra
Im Zusammenhang mit der Frage nach der Ähnlichkeit der vorliegend betroffenen Waren muss die von der Inhaberin der angegriffenen Marke nur nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG zulässig erhobene Einrede der Nichtbenutzung beachtet werden; da die Widerspruchsmarke 302 10 213 MitoExtra bei Veröffentlichung der angegriffenen Marke noch nicht fünf Jahre eingetragen war und sich daher für den Zeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG innerhalb der so genannten Benutzungsschonfrist befand, ist diese Einrede nicht zulässig erhoben.
Allerdings ist, nachdem die Inhaberin der angegriffenen Marke nach Einreichung von Benutzungsunterlagen erklärt hat, der Nichtbenutzungseinwand bleibe aufrechterhalten, soweit er nicht Arzneimittel mit dem Wirkstoff Mitomycin betreffe, die Einrede hinsichtlich Arzneimittel mit dem Wirkstoff Mitomycin fallengelassen worden. Eine weitergehende Benutzung der Widerspruchsmarke hat die Widersprechende weder behauptet noch glaubhaft gemacht. Zugunsten der Widersprechenden ist im Rahmen der Entscheidung zu § 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG und der dort zu beantwortenden Integrationsfrage wegen der in ständiger Rechtsprechung des Senats angewendeten „erweiterten Minimallösung" allerdings nicht nur auf die konkrete Ware, sondern grundsätzlich auf die im Einzelfall maßgebende Hauptgruppe der „Roten Liste" abzustellen (vgl. BPatG GRUR 2004, 954 - CYNARETTEN/Circanetten). Arzneimittel mit dem Wirkstoff Mitomycin fallen in die Hauptgruppe 86 (Zytostatika) der Roten Liste, so dass entsprechend der „erweiterten Minimallösung" von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke für „Zytostatika“ auszugehen ist (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O., § 26 Rdn. 165), die unter den eingetragenen Warenbegriff „pharmazeutische Präparate“ fallen.
Die angegriffene Marke ist für „Humanarzneimittel“ registriert. Durch die Eintragung der jüngeren Marke für diesen Oberbegriff wird Schutz auch für „Humanarzneimittel, nämlich Zytostatika" und damit für Waren beansprucht, die auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigen sind. Damit ist von Warenidentität auszugehen.
Hinsichtlich der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke 302 10 213 MitoExtra geht der Senat zunächst davon aus, dass sie aus den Bestandteilen Mito und Extra gebildet und nicht als einheitliches Wort zu bewerten ist; zwar sind die Wortteile zusammengeschrieben; die Binnengroßschreibung bewirkt hier indessen das Verständnis als begrifflich mehrgliedrig. Von Bedeutung ist weiterhin, dass der Markenteil Extra aufgrund seines im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalts nicht schutzfähig ist. Glatt beschreibende Angaben wie „extra, forte, retard, liquid, aktiv", die pharmazeutischen Produktbezeichnungen vielfach nachgestellt als Mengen-, Wirk- und Beschaffenheitshinweise hinzugefügt werden, dienen der Unterscheidung verschiedener Angebotsformen einer Produktserie, nicht aber der betrieblichen Herkunftskennzeichnung und werden vom Verkehr nicht als Bestandteil der eigentlichen Warenkennzeichnung angesehen (vgl. BPatGE 10, 93 - EXTRAVERAL).
Bei dem weiteren Markenbestandteil Mito handelt es sich um eine Abwandlung des von der Weltgesundheitsorganisation vergebenen Internationalen Freinamens (INN) des Arzneimittelwirkstoffs Mitomycin, den die Widersprechende in dem mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Präparat auch tatsächlich verwendet, wie den von ihr vorgelegten Benutzungsunterlagen zu entnehmen ist. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Markenbestandteil Mito in Bezug auf Produkte mit dem Wirkstoff Mitomycin der Hauptgruppe 86 der Roten Liste beschreibende Anklänge aufweist. Zwar ist die Bezeichnung Mito selbst kein eingeführter Fachbegriff. Auch kann nicht festgestellt werden, dass Mito durch Verwendung in zahlreichen benutzten Arzneimittelbezeichnungen von Zytostatika in seiner Kennzeichnungskraft geschwächt wird; denn im Bereich der Hauptgruppe 86 mit dem Bestandteil Mito als Wortbildungselement sind in der Roten Liste 2005 nur die Produkte der Widersprechenden verzeichnet; unter Angabe der vollständigen Wirkstoffbezeichnung unter Hinzufügung des Firmennamens ist ein Produkt aufgeführt; ebenso verhält es sich mit der Nennung in der Roten Liste 2011. Jedoch liegt im Bereich der Waren, die auf Seiten der Widerspruchsmarke zu berücksichtigen sind, ein „sprechender“ Wirkstoffhinweis nahe. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Widerspruchsmarke 302 10 213 MitoExtra in ihrer Kennzeichnungskraft geschwächt ist, wobei die Schwächung noch nicht so ausgeprägt ist, wie im Fall der Annäherung des Namens „Pantozol“ - unter Auslassung der dritten Silbe - an die viersilbige Wirkstoffbezeichnung „Pantoprazol“ (vgl. dazu BPatG Mitt. 2011, 369 ff. - Panprazol/PANTOZOL). Für eine Steigerung der Kennzeichnungskraft sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Dass, wie die Widersprechende meint, auch weitere Wirkstoffnamen mit der Buchstabenfolge „Mito-“ bezeichnet werden könnten, spricht nicht gegen diese Beurteilung. Die Bedeutung eines Zeichens als betrieblicher Herkunftshinweis oder als Sachhinweis und damit die maßgebliche Kennzeichnungskraft ist immer in Bezug auf die konkret beanspruchten Waren zu beurteilen, hier also in Bezug auf Zytostatika (Hauptgruppe 86 der Roten Liste). Auch führt nach der Rechtsprechung des EuGH die Mehrdeutigkeit einer Bezeichnung oder Abkürzung nicht zwingend dazu, diese Bezeichnung als Phantasiewort mit wenigstens durchschnittlicher Kennzeichnungskraft zu behandeln (vgl. hierzu EuGH GRUR 2004, 124 - DOUBLEMINT; EuGH C-150/02 vom 5.2.2004 - Streamserve - soweit ersichtlich nicht veröffentlicht).
Ausgehend von identischen Waren, die einen deutlichen Markenabstand bedingen, und einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem etwas verminderten Schutzumfang der Widerspruchsmarke 302 10 213 MitoExtra, sind insgesamt nicht ganz strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen. Kollisionsmindernd ist zudem zu berücksichtigen, dass die Waren der Widerspruchsmarke bei schweren Erkrankungen eingesetzt werden, was Fachkreise in den Vordergrund rückt und auch bei allgemeinen Verkehrskreisen zu gesteigerter Aufmerksamkeit führt.
Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente (BGH GRUR 2008, 258, Nr. 26 - INTERCONNECT/T-InterConnect; GRUR 2008, 905, Nr. 12 - Pantohexal; GRUR 2008, 909, Nr. 13 - Pantogast), wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O., § 9 Rdn. 111). Das schließt es indessen nicht aus, dass ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtlich relevante Verwechslungsgefahr begründen können (vgl. m. w. N. BGH GRUR 2009, 772, 776, Nr. 57 - Augsburger Puppenkiste). Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, (Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 414, Nr. 19 - ZIRH/SIR; GRUR 2005, 1042, 1044, Nr. 28 - THOMSON LIFE; GRUR Int. 2004, 843, Nr. 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 2010, 235, Nr. 15 - AIDA/AIDU; GRUR 2009, 484, 487, Nr. 32 - METROBUS; GRUR 2006, 60 ff., Nr. 17 - coccodrillo; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Dabei kann für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht genügen (st. Rspr. vgl. z. B. BGH a. a. O. Nr. 18 - AIDA/AIDU m. w. N.; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 183 m. w. N.).
In der Gesamtwirkung der Vergleichsmarken besteht keine Zeichenähnlichkeit in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht. Durch die in den Vergleichsmarken neben Mito zusätzlich enthaltenen Markenbestandteile TAD bzw. Extra, die beide nicht überlesen oder überhört werden können, unterscheiden sich die Zeichen in jeder Hinsicht deutlich.
Der Gesamteindruck der Widerspruchsmarke 302 10 213 MitoExtra wird indessen allein durch das Markenwort Mito geprägt. Das Wort Extra ist hier, wie oben bereits ausgeführt, als beschreibender Hinweis auf eine besondere Abgabeform schutzunfähig. Sowohl das Bundespatentgericht als auch das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt haben solche Markenanmeldungen zurückgewiesen (vgl. BPatG 12 W (pat) 11/96 - extra; BPatG 29 W (pat) 97/00 - Extra; HABM R=566/04-4 - EXTRA; Zusammenfassungen veröffentlicht bei PAVIS PROMA). In der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts ist bei dem Wort „extra“ im Arzneimittelbereich von einer „Abspaltung“ ausgegangen worden (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 9 Rdn. 364 m. w. N.). Dieser Bestandteil tritt deshalb in den Hintergrund und bestimmt den Gesamteindruck des Zeichens nicht mit. Demgegenüber ist das Wort Mito auch bei Annahme einer gewissen Kennzeichnungsschwäche wegen beschreibender Anklänge schutzfähig und damit geeignet, den Gesamteindruck der angegriffenen Marke zu prägen. Dass diesem Markenbestandteil der Widerspruchsmarke von Haus aus ein etwas unterdurchschnittlicher Schutzumfang zukommt, steht der Schutzfähigkeit nicht entgegen, da einer Marke hierfür nur nicht jede Unterscheidungskraft zu fehlen braucht, also im Eintragungsverfahren bereits ein geringer Grad an Kennzeichnungskraft für die Registrierung genügt (st. Rspr. des BGH; vgl. z. B. GRUR 2007, 1066, Nr. 30 - Kinderzeit; GRUR 2008, 905, Nr. 20 - Pantohexal). Nur dann, wenn bei der nachträglichen Prüfung im Kollisionsverfahren die Schutzfähigkeit eines Bestandteils der älteren Marke verneint wird, kann dieser Bestandteil den Gesamteindruck der Marke nicht prägen (vgl. BGH GRUR 2004, 778, 779 - URLAUB DIREKT; GRUR 2003, 1040, 1043 - Kinder). Das ist hier, wie oben ausgeführt, nicht der Fall.
Stehen sich danach Mito TAD und Mito gegenüber, besteht nach Auffassung des Senats weder in klanglicher noch bildlicher Hinsicht Verwechslungsgefahr. Zwar gilt der Erfahrungssatz, wonach der Gesamteindruck von Marken eher von übereinstimmenden Elementen beeinflusst sein kann und hierbei Wortanfängen eine besondere Bedeutung zukommt. Der zusätzliche Bestandteil TAD der jüngeren Marke führt indessen zu einer weiteren, markanten Silbe, die weder überhört noch übersehen werden kann und deshalb in der Gesamtabwägung geeignet ist, der Gefahr von unmittelbaren Verwechslungen entgegenzuwirken. Anders wäre der Fall aber dann zu beurteilen, wenn der Bestandteil TAD in der angegriffenen Marke in den Hintergrund tritt. Bei diesem Bestandteil der angegriffenen Marke handelt es sich um das in Fachkreisen bekannte und infolge häufiger Verwendung auch für viele Verbraucher erkennbare Firmenschlagwort der Inhaberin der angegriffenen Marke. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei zusammengesetzten Zeichen ein Bestandteil, der für den Verkehr erkennbar Unternehmenskennzeichen ist, im Allgemeinen in der Bedeutung für den Gesamteindruck zurücktritt, weil der Verkehr die eigentliche Produktkennzeichnung in derartigen Fällen im anderen Bestandteil erblickt (BGH, WRP 2001, 165 - Wintergarten, m. w. N.). Dieser Erfahrungssatz besagt zwar nicht, dass die tatrichterliche Würdigung des Einzelfalls unter Heranziehung aller Umstände nicht zu einem abweichenden Ergebnis führen kann (BGH GRUR 1998, 1014, 1015 - ECCO II; GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud; BGH GRUR 2008, 258, Nr. 27 - INTERCONNECT/T-InterConnect; BGH GRUR 2002, 342 - ASTRA/ESTRA-PUREN; BPatG GRUR 1998, 821 - Tumarol/DURADOL Mundipharma). Für die Annahme eines in den Hintergrund tretenden Unternehmenshinweises besteht insbesondere dann kein Anlass, wenn der weitere Bestandteil eher eine produktbeschreibende Bedeutung, weniger aber eine das Produkt markenmäßig kennzeichnende Bedeutung hat. Dabei kann nicht nur eine Schutzunfähigkeit des fraglichen Bestandteils, sondern bereits eine durch warenbeschreibenden Gehalt deutlich reduzierte Kennzeichnungskraft zu dem Ergebnis führen, dass eine die Gesamtmarke prägende Bedeutung dieses Bestandteils und ein Zurücktreten des Unternehmenshinweises zu verneinen ist.
Vorliegend geht der Senat - wie oben ausgeführt - indessen nicht von einer deutlich reduzierten Kennzeichnungskraft des Bestandteils Mito aus; dies spricht dafür, dass in der angegriffenen Marke das Unternehmenskennzeichen TAD zurücktritt und der Verkehr die eigentliche Produktkennzeichnung im anderen Bestandteil erblickt; das hätte zur Folge, dass sich für den Markenvergleich die identischen Wörter Mito gegenüberstehen, so dass die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen zu bejahen wäre.
Ob Mito hier den maßgeblichen Gesamteindruck so prägt, dass TAD demgegenüber vernachlässigt werden könnte, kann indessen dahingestellt bleiben. Zwar lässt sich die von der Widersprechenden geltend gemachte Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens nicht bejahen, da zur Benutzungslage der hierzu angeführten Zeichen auch nach dem Bestreiten der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht vorgetragen worden ist. Indessen begründet die Übereinstimmung in Mito eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn.
Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne liegt vor, wenn ein mit einer älteren Marke übereinstimmender Bestandteil in eine komplexe Marke aufgenommen wird, in der er neben einem weiteren Bestandteil eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, und wenn wegen der Übereinstimmung dieses Bestandteils mit der älteren Marke bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck hervorgerufen wird, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH GRUR 2005, 1042 Tz. 30 ff. - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2008, 258, 261 - Tz. 34 - INTERCONNECT).
Dies ist vorliegend der Fall. Bei dem Bestandteil TAD der angegriffenen Marke handelt es sich, wie ausgeführt, um das Unternehmenskennzeichen der Inhaberin der angegriffenen Marke. Bei Verbindung eines bekannten oder zumindest erkennbaren Unternehmenskennzeichens mit der Verkürzung einer Wirkstoffbezeichnung ist der Bundesgerichtshof selbst bei einer Zusammenfassung zu einer Einwortmarke von einer eigenständig kennzeichnenden Stellung des auf den Wirkstoff hinweisenden Bestandteils ausgegangen und hat deshalb bei Übereinstimmung insoweit eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne für den Bereich identischer Waren in Betracht gezogen (vgl. BGH GRUR 2008, 905, 907 Nr. 38 - Pantohexal/PANTO). Da der Verkehr aus den genannten Gründen bei der angegriffenen Marke allein in Mito den produktkennzeichnenden Bestandteil sehen wird, besteht die naheliegende Gefahr, dass der Verkehr bei Wahrnehmung dieser Marke aufgrund der vollständigen Übereinstimmung mit der allein durch diesen Bestandteil geprägten Widerspruchsmarke der Annahme unterliegen wird, dass die jeweils so gekennzeichneten Produkte aus demselben Betrieb oder wenigstens aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammten. Die bloße Hinzufügung des Unternehmenskennzeichens TAD kann daher nicht aus dem Schutzbereich der älteren Marke herausführen.
Die Beschwerde hat daher hinsichtlich des Widerspruchs aus der Marke 302 10 213 MitoExtra keinen Erfolg.
2. Widerspruch aus der Marke 1 141 747 Mito-medac
Nachdem die Löschung der angegriffenen Marke bereits aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 302 10 213 MitoExtra Bestand hat, ist die Beschwerde hinsichtlich der durch Beschluss vom 27. Januar 2010 (Erinnerungsbeschluss) erfolgten Anordnung der Löschung der angegriffenen Marke 305 07 691 wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 141 747 Mito-medac und der Aufhebung der Zurückweisung dieses Widerspruchs im Erstbeschluss zur Zeit gegenstandslos.
3. Kosten
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).