Entscheidungsdatum: 12.10.2017
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2010 003 649
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 12. Oktober 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Januar 2015 aufgehoben.
Die Löschung der Marke 30 2010 003 649 wegen des Widerspruchs aus der Marke 30 2009 051 781 wird angeordnet.
I.
Die am 5. März 2010 angemeldete Wort-/Bildmarke
ist am 24. März 2010 - unter Berücksichtigung einer mit Wirkung vom 7. Mai 2010 vorgenommenen Teillöschung - unter der Nummer 30 2010 003 649 für die Dienstleistungen
„Klasse 35: Unternehmensberatung, betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung im Zusammenhang mit der Erbringung medizinischer Dienstleistungen
Klasse 44: Ambulante Pflegedienstleistungen; Aromatherapie-Dienste; Dienstleistungen einer Kurklinik; Dienstleistungen eines Heilpraktikers; Dienstleistungen eines Logopäden; Dienstleistungen eines medizinischen Labors; Dienstleistungen eines Psychologen; Dienstleistungen eines Sanitäters; Dienstleistungen eines Arztes; Dienstleistungen eines Chiropraktikers; Dienstleistungen eines Zahnarztes; Dienstleistungen von Polikliniken (Ambulanzen); Dienstleistungen von Kliniken; Dienstleistungen von Sanatorien; Dienstleistungen von Schönheitssalons; Durchführung medizinischer und klinischer Untersuchungen; Durchführung von Therapien; Durchführung von Massagen; Ernährungsberatung; Gesundheits- und Schönheitspflege; Gesundheitsberatung; Haarimplantation; In-vitro-Befruchtung; Krankenpflegedienste; physiotherapeutische Behandlungen; plastische und Schönheitschirurgie; psychosoziale Betreuung; Seniorenpflegedienste; Telemedizin-Dienste; therapeutische Betreuung und ärztliche Versorgung; Vermietung von medizinischen Geräten“
in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 23. April 2010.
Gegen die Eintragung ist am 23. Juli 2010 Widerspruch erhoben worden aus der am 29. August 2009 angemeldeten und am 19. Juli 2010 unter der Nummer 30 2009 051 781 eingetragenen Wort-Bildmarke
die u. a für die Dienstleistungen
„Klasse 35:
Werbung, insbesondere für Dienstleistungen eines Apothekers; Betreuung von Apotheken in Marketingfragen; Konzeption und Durchführung von Kundenbindungsmaßnahmen unter Werbe- und Marketing-Aspekten, Ausgabe von Kundenkarten ohne Zahlungs- und Rabattfunktion zur Durchführung von Kundenbindungsaktionen im Rahmen des Marketings; Zusammenstellung von Waren für Dritte zu Präsentations- und Verkaufszwecken; Großhandelsdienstleistungen, Einzelhandelsdienst-leistungen und Einzelhandelsdienstleistungen für den Versandhandel mit pharmazeutischen Erzeugnissen, veterinärmedizinischen Erzeugnissen, Hygienepräparaten für medizinische Zwecke, diätetischen Erzeugnissen für medizinische Zwecke, Babykost, Pflaster, Verbandmaterial, Desinfektionsmitteln, Hygieneprodukten für den persönlichen Gebrauch, Seifen, Parfümeriewaren, ätherischen Ölen, Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässern, Zahnputzmittel, Nahrungsergänzungsmitteln, orthopädischen Bandagen, medizinischen Tees, Getränken für medizinische Zwecke; Schaufensterdekorationen; Geschäftsführung, insbesondere einer Apotheke oder einer Kooperation von Apotheken; Vermittlung von Verträgen über den An- und Verkauf von Arzneimitteln und apothekerüblicher Ware, insbesondere mit Großhändlern und pharmazeutischen Herstellern; Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung über Arzneimittel und apothekenübliche Ware; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Rechnungsabwicklung von Verträgen mit Sozialversicherung
…..
Klasse 44:
medizinische Dienstleistungen, insbesondere Dienstleistungen eines Apothekers; Beratung in der Pharmazie, nämlich durch einen Apotheker oder Drogeristen; Dienstleistungen eines Apothekers, nämlich Zubereitung von pharmazeutischen Zubereitungen sowie Arzneimitteln für Dritte aufgrund von ärztlichen Rezepten; Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere; Gesundheitsberatung, Ernährungsberatung; Dienstleistungen im Gesundheitsbereich, insbesondere Durchführen medizinischer Tests, medizinischer Laboruntersuchungen, Untersuchung über die Hygiene und Bewertung pharmazeutischer Erzeugnisse; Pflegedienstleistungen; physiotherapeutische Behandlungen; Dienstleistungen von medizinischen Versorgungszentren und ambulanten Pflegediensten im Zusammenhang mit der Behandlung von Patienten; Kurberatung zur Gesundheitspflege“
Schutz beansprucht. Ein gegen die Widerspruchsmarke gerichtetes Widerspruchsverfahren endete am 9. Oktober 2013.
Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 30. Januar 2015 den Widerspruch zurückgewiesen.
Auch soweit sich beide Marken nach der Registerlage bei identischen Dienstleistungen begegnen könnten, so dass unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr ein deutlicher Abstand zwischen beiden Marken erforderlich sei, genüge die angegriffene Marke diesen Anforderungen.
Aufgrund der abweichenden Wortbestandteile „main“ bzw. „Apotheke“, der Bildelemente bei der angegriffenen Marke sowie der graphischen Ausgestaltung der Wortbestandteile der Widerspruchsmarke komme eine die Gefahr von Verwechslungen begründende Markenähnlichkeit nur dann in Betracht, wenn der Gesamteindruck beider Zeichen durch den übereinstimmenden Bestandteil „medicon/MEDICON“ geprägt werde.
Dies sei zwar bei der Widerspruchsmarke der Fall, da der nachgestellte Wortbestandteil „APOTHEKE“ lediglich die Art und den Ort des Dienstleistungsangebots beschreibe. Ebenso seien bei der angegriffenen Marke die nachgestellten Wortbestandteile „Die Gesundheitswelt im twenty-M“ aufgrund der kleinen Schriftgröße sowie des die Dienstleistungen beschreibenden Inhalts dieser Wortfolge zu vernachlässigen.
Der Gesamteindruck der angegriffenen Marke werde jedoch nicht allein durch den Bestandteil „medicon“, sondern auch durch den weiteren vorangestellten Wortbestandteil „main“ mitbestimmt. Da der Bestandteil „main“ am Anfang des Gesamtzeichens steht, habe der Verkehr keine Veranlassung, diesen Wortbestandteil bei der Benennung wegzulassen. Eine eindeutig beschreibende Bedeutung komme diesem Zeichenbestandteil nicht zu. Als Hinweis auf den Fluss „Main“ sei er zu unbestimmt, um als geografische Herkunftsangabe den genauen Stand- oder Erbringungsort der Dienstleistungen zu bezeichnen.
Aber selbst wenn „main“ insoweit beschreibend sei, stünde dieser Wortbestandteil gleichgewichtig neben „medicon“ und präge den Gesamteindruck der angegriffenen Marke jedenfalls mit. Dazu trage auch die verbindende Wirkung des grafisch angedeuteten Kreuzes bzw. Plus-Zeichens zwischen den Wortbestandteilen bei. Schließlich könne der angesprochene Verkehr in der angegriffenen Marke ein Wortspiel i. S. v. „mein medicon“ hören. In diesem Fall würde die gesamtbegriffliche Einheit eine Prägung der angegriffenen Marke durch den Wortbestandteil „medicon“ ausschließen. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken scheide somit aus.
Auch eine Verwechslungsgefahr aufgrund gedanklichen Inverbindungbringens nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 HS MarkenG wegen der Übereinstimmung indem Wortbestandteil „MEDICON/medicon" komme nicht in Betracht.
Weder habe die Widersprechende geltend gemacht, dass sie den Verkehr bereits durch die Benutzung mehrerer eigener entsprechend gebildeter Serienmarken an diesen Stammbestandteil gewöhnt habe, noch habe sie irgendwelche Umstände vorgetragen, die darauf schließen ließen, dass dem Wortbestandteil „medicon" in der jüngeren Marke ein Hinweischarakter auf sie zukomme.
Umstände, die den übereinstimmenden Bestandteil als eine im Rahmen des Gesamtzeichens selbständige Kennzeichnung erschienen ließen, wie dies z. B. bei einer Kombination mit einem bekannten Unternehmenskennzeichen, einem Serienzeichen oder einer sonst bekannten Marke der Fall sein könnte, fehlten ebenfalls, zumal nicht zuletzt auch die charakteristische grafische Gestaltung der angegriffenen Marke einer solchen Annahme entgegenstehe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie macht geltend, dass sich beide Marken überwiegend auf identischen und ansonsten hochgradig ähnlichen Dienstleistungen begegnen könnten.
Weiterhin sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen.
Beide Marken seien auch hochgradig ähnlich, so dass eine unmittelbare Verwechslungsgefahr vorliege.
Zutreffend sei die Markenstelle zwar davon ausgegangen, dass bei der angegriffenen Marke aufgrund der Schriftgröße sowie der die Dienstleistung beschreibenden Inhalte die Wortfolge „Die Gesundheitswelt im twenty-M“ nicht zum Gesamteindruck der angegriffenen Marke beitrage. Gleiches gelte für den Bestandteil „Apotheke“ der Widerspruchsmarke, welcher lediglich die Art und den Ort des Dienstleistungsangebots beschreibe.
Zwischen den danach verbleibenden Wortbestandteilen „main medicon“ bzw. „MEDICON“ bestehe dann aber jedenfalls in klanglicher Hinsicht Ähnlichkeit. Zudem werde bei einem schriftbildlichen Vergleich der Gesamteindruck der angegriffenen Marke durch den übereinstimmenden Bestandteil „medicon“ geprägt. Der Begriff „main“ werde mit dem gleichnamigen Fluss assoziiert, welcher aber als geographische Herkunftsangabe den Gesamteindruck der angegriffenen Marke nicht mitprägen könne. Dementsprechend seien eine Reihe von Markenanmeldungen mit dem Bestandteil „main“ wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen worden.
Soweit die Wortbestandteile der angegriffenen Marke in klanglicher Hinsicht i. S. von „mein medicon“ verstanden würden, stehe dieser der Annahme einer Prägung durch den Wortbestandteil „medicon“ nicht entgegen. So werde der Verkehr, wenn er das Personalpronomen „mein“ höre, dieses in Bezug setzen zu dem Begriff, der diesem nachfolge.
Zumindest könnten die Vergleichsmarken vor dem Hintergrund, dass die Widersprechende über weitere benutzte Marken mit dem Bestandteil „Medicon“ verfüge und dieser Begriff auch von mehreren Gesellschaften firmenmäßig verwendet werde, gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, so dass jedenfalls eine mittelbare Verwechslungsgefahr bestehe (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz MarkenG).
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Januar 2015 aufzuheben und die Marke 30 2010 003 649 zu löschen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren weder einen Antrag gestellt noch sich zur Sache geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, da zwischen den Vergleichsmarken eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
A. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2010, 1098, Nr. 44 - Calvin Klein/HABM; GRUR 2010, 933, Nr. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2011, 915, Nr. 45 - UNI; BGH GRUR 2012, 1040, Nr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 - Bogner B/Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 235, Nr. 15 AIDA/ AIDU). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. BGH GRUR 2013, 833, Nr. 30 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2012, 1040, Nr. 25 - pjur/pure; GRUR 2012, 930, Nr. 22 - Bogner B/ Barbie B; GRUR 2012, 64, Nr. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 1103, Nr. 37 - Pralinenform II; EuGH GRUR 2008, 343 Nr. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM).
Nach diesen Grundsätzen ist eine markenrechtlich relevante unmittelbare Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichsmarken zu besorgen, weshalb die angegriffene Marke nach § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG zu löschen ist.
1. Ausgehend von der vorliegend maßgeblichen Registerlage können sich beide Marken auf identischen Dienstleistungen begegnen.
Durch die Eintragung der angegriffenen Marke in Klasse 35 für die Dienstleistungsoberbegriffe „Unternehmensberatung; betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung im Zusammenhang mit der Erbringung medizinischer Dienstleistungen“ - wobei die letztgenannten Dienstleistungen von dem weiteren Oberbegriff „Unternehmensberatung“ umfasst werden - wird Schutz auch für die von der Widerspruchsmarke beanspruchten Dienstleistungen „Betreuung von Apotheken in Marketingfragen; Konzeption und Durchführung von Kundenbindungsmaßnahmen unter Werbe- und Marketing-Aspekten“ beansprucht, da es sich dabei um spezielle Dienstleistungen aus dem Bereich der „Unternehmensberatung“ handelt bzw. eine von der angegriffenen Marke beanspruchte „betriebswirtschaftliche und organisatorische Beratung im Zusammenhang mit der Erbringung medizinischer Dienstleistungen“ eine „Betreuung von Apotheken in Marketingfragen; Konzeption und Durchführung von Kundenbindungsmaßnahmen unter Werbe- und Marketing-Aspekten“ zum Gegenstand haben kann.
Unerheblich ist, dass sich die von der angegriffenen Marke zu Klasse 35 beanspruchten Dienstleistungsoberbegriff nicht auf diese von der Widerspruchsmarke beanspruchten Dienstleistungen beschränken. Weisen bei den jeweiligen Oberbegriffen der Vergleichsmarken nur einzelne Waren oder Dienstleistungen Identität oder Ähnlichkeit auf, führt dies bei Bestehen einer Verwechslungsgefahr gleichwohl zur Löschung der jüngeren Marke für den gesamten Oberbegriff, soweit er nicht vom Inhaber dieser Marke entsprechend eingeschränkt wird (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9 Rdnr. 77).
Was die von der angegriffenen Marke zu Klasse 44 beanspruchten Dienstleistungen betrifft, besteht insoweit Dienstleistungsidentität, als der für die Widerspruchsmarke eingetragene weite Oberbegriff „medizinische Dienstleistungen“ - wobei die mit „insbesondere“ eingeleitete Spezifizierung auf „Dienstleistungen eines Apothekers“ keine Einschränkung auf diese Dienstleistung nach sich zieht, sondern lediglich eine beispielhafte Benennung darstellt - seinem Gegenstand und Inhalt nach die von der angegriffenen Marke beanspruchten „ Dienstleistungen einer Kurklinik; Dienstleistungen eines Heilpraktikers; Dienstleistungen eines Logopäden; Dienstleistungen eines medizinischen Labors; Dienstleistungen eines Psychologen; Dienstleistungen eines Sanitäters; Dienstleistungen eines Arztes; Dienstleistungen eines Chiropraktikers; Dienstleistungen eines Zahnarztes; Dienstleistungen von Polikliniken (Ambulanzen); Dienstleistungen von Kliniken; Dienstleistungen von Sanatorien“ sowie die Dienstleistungen „Durchführung medizinischer und klinischer Untersuchungen; Durchführung von Therapien; ... Haarimplantation; In-vitro-Befruchtung; plastische und Schönheitschirurgie; …psychosoziale Betreuung; … therapeutische Betreuung und ärztliche Versorgung“ umfasst, da diese z. B. ärztliche Untersuchungen und Behandlungen und damit „medizinische Dienstleistungen“ zum Gegenstand haben können.
„ Medizinische Dienstleistungen“ können ferner als „Telemedizin-Dienste“ erbracht werden, wie sie die angegriffene Marke beansprucht, so dass sich beide Marken auch insoweit bei identischen Dienstleistungen begegnen können.
Die Dienstleistungen „Ernährungsberatung“, „Gesundheitsberatung“, „physiotherapeutische Behandlungen“ sowie „Gesundheits- und Schönheitspflege (für Menschen und Tiere)“ werden gleichermaßen von beiden Marken beansprucht.
Unter die für die Widerspruchsmarke eingetragenen „Pflegedienstleistungen“ fallen auch die von der angegriffenen Marke beanspruchten „Ambulante(n) Pflegedienstleistungen; …Krankenpflegedienste; Seniorenpflegedienste“.
Die für die Widerspruchsmarke eingetragenen „Dienstleistungen im Gesundheitsbereich“, welche ebenfalls nicht durch die nachfolgende, mit „insbesondere“ eingeleitete beispielhafte Aufzählung „Durchführen medizinischer Tests, medizinischer Laboruntersuchungen, Untersuchung über die Hygiene und Bewertung pharmazeutischer Erzeugnisse“ eingeschränkt werden, umfassen oberbegrifflich auch die von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen „Aromatherapie-Dienste“ und „Durchführung von Massagen“ für die angegriffene Marke Schutz beansprucht.
Ferner können die „Dienstleistungen von medizinischen Versorgungszentren und ambulanten Pflegediensten im Zusammenhang mit der Behandlung von Patienten“ der Widerspruchsmarke eine „Vermietung von medizinischen Geräten“ zum Gegenstand haben, wie sie angegriffene Marke beansprucht
Identität besteht auch zwischen den „Dienstleistungen von Schönheitssalons“ der angegriffenen Marke und der für die Widerspruchsmarke eingetragenen Dienstleistung „Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere“, da diese Dienstleistungen Gegenstand eines „Schönheitssalons“ sein können.
2. Die Widerspruchsmarke weist in ihrer Gesamtheit eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf (vgl. BGH GRUR 2017, 914, Nr. 18 ff. - Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke).
3. Die Vergleichszeichen weisen eine zumindest mittlere Zeichenähnlichkeit auf.
a. In ihrer Gesamtheit sind die Vergleichsmarken allerdings durch die keine klanglichen wie schriftbildlichen Gemeinsamkeiten aufweisenden Bestandteile „main“ bzw. „Apotheke“, welche auch im Gesamtbild beider Marken gegenüber dem gemeinsamen Wortbestandteil „Medicon/MEDICON“ weder überlesen noch überhört werden, leicht zu unterscheiden, zumal der übereinstimmende Bestandteil „medicon“ bei der Widerspruchsmarke voran- und bei der angegriffenen Marke nachgestellt ist. In schriftbildlicher Hinsicht trägt zudem auch die graphische Ausgestaltung der jüngeren Marke zur Unterscheidung bei.
Jedoch ergibt sich eine jedenfalls durchschnittliche Zeichenähnlichkeit aus der Übereinstimmung beider Marken in dem Bestandteil „medicon/MEDICON“.
b. Der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Gesamteindrucks zwingt nicht dazu, die Vergleichsmarken stets in ihrer Gesamtheit miteinander zu vergleichen. Vielmehr ist nicht ausgeschlossen, dass ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtlich relevante Verwechslungsgefahr begründen können (vgl. m. w. N. BGH GRUR 2013, 1239, Nr. 32 - VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; GRUR 2013, 833, Nr. 45 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2009, 772, Nr. 57 - Augsburger Puppenkiste). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile für die angesprochenen Verkehrskreise weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (vgl. BGH GRUR 2012, 64, Nr. 15 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2010, 729, Nr. 31 - MIXI; GRUR 2009, 1055, Nr. 23 - airdsl), so dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. EuGH GRUR 2016, 80, Nr. 37 - BGW/Scholz; GRUR 2007, 700, Nr. 42 - HABM/Shaker, GRUR Int. 2010, 129, Nr. 62 - Carbonell/La Espanola; GRUR 2010, 1098, Nr. 56 - Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2004, 778, 779 - URLAUB DIREKT; GRUR 2008, 719, Nr. 37 - idw Informationsdienst Wissenschaft; GRUR 2010, 828, Nr. 45 - DiSC).
Ausgehend davon wird zunächst der Gesamteindruck der Widerspruchsmarke durch den Bestandteil „MEDICON“ geprägt, weil neben der nicht ins Gewicht fallenden farblichen Ausgestaltung der Wortbestandteile vor allem auch der weitere Bestandteil „Apotheke“ als kennzeichnungsschwacher Bestandteil in den Hintergrund rückt.
So wird dieser auch optisch im Gesamtbild der Widerspruchsmarke hinter „MEDICON“ zurücktretende Wortbestandteil in Zusammenhang mit denjenigen Dienstleistungen der Widerspruchsmarke, welche in oder durch eine Apotheke erbracht werden können, als glatt beschreibender Hinweis auf den Erbringungsort der jeweiligen Dienstleistungen verstanden.
Dies betrifft neben den Dienstleistungen „ Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen ...; Gesundheitsberatung, Ernährungsberatung; Dienstleistungen im Gesundheitsbereich, insbesondere Durchführen medizinischer Tests, medizinischer Laboruntersuchungen, Untersuchung über die Hygiene und Bewertung pharmazeutischer Erzeugnisse“ auch die „medizinische(n) Dienstleistungen“, jedenfalls soweit diese in oder durch eine Apotheke erbracht werden können, was z. B. im Rahmen einer Beratung zu Fragen der Gesundheit, Ernährung bzw. in Zusammenhang mit der Verabreichung von Medikamenten oder auch bei der Durchführung und Auswertung medizinischer Tests der Fall sein kann.
Soweit unter diesen für die Widerspruchsmarke eingetragenen weiten Oberbegriff mehrheitlich auch solche „medizinische Dienstleistungen“ fallen, die typischerweise nicht durch eine Apotheke erbracht werden - wie es z. B. bei den unter diesen Oberbegriff fallenden und im Identitätsbereich zu den „medizinischen Dienstleistungen“ der Widerspruchsmarke liegenden (spezielleren) „ Dienstleistungen eines Heilpraktikers; Dienstleistungen eines Logopäden; Dienstleistungen eines medizinischen Labors; Dienstleistungen eines Psychologen; Dienstleistungen eines Sanitäters; Dienstleistungen eines Arztes; Dienstleistungen eines Chiropraktikers; Dienstleistungen eines Zahnarztes; Dienstleistungen von Polikliniken (Ambulanzen); Dienstleistungen von Kliniken; Dienstleistungen von Sanatorien; …. Durchführung medizinischer und klinischer Untersuchungen; Durchführung von Therapien; ….. Haarimplantation; In-vitro-Befruchtung; plastische und Schönheitschirurgie; …psychosoziale Betreuung; …Telemedizin-Dienste;… therapeutische Betreuung und ärztliche Versorgung“ der angegriffenen Marke der Fall ist -, ist der Begriff „Apotheke“ zwar nicht glatt beschreibend; jedoch besteht ein enger Bezug zwischen einer „Apotheke“ und solchen medizinischen Dienstleistungen insoweit, als eine Apotheke z. B. spezielle, auf die jeweilige medizinische Dienstleistung ausgerichtete Medikationspläne erstellen oder die entsprechenden Dienstleistungen mit einer darauf abgestimmten Medikation begleiten und/oder ergänzen kann. Der Verkehr wird diesem Begriff daher auch in Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen nicht für eine Individualisierung geeignet halten.
Dies gilt auch für die weiteren von der Widerspruchsmarke beanspruchten „Pflegedienstleistungen“ sowie den „ Dienstleistungen von medizinischen Versorgungszentren und ambulanten Pflegediensten im Zusammenhang mit der Behandlung von Patienten“, welche ebenfalls durch einen von einer Apotheke erstellten Medikationsplan ergänzt und/oder begleitet werden können.
Aber auch in Zusammenhang mit den zu Klasse 35 beanspruchten Dienstleistungen „ Betreuung von Apotheken in Marketingfragen; Konzeption und Durchführung von Kundenbindungsmaßnahmen unter Werbe- und Marketing-Aspekten“ tritt der Begriff „Apotheke“ im Gesamteindruck der Widerspruchsmarke als glatt beschreibender Hinweis auf den Gegenstand der Dienstleistung in den Hintergrund. So sind im Apothekenwesen Kooperationen nicht unüblich, welche sich z. B. auf Einkauf und Marketing oder auch auf Fachkonzepte o. ä. beziehen können. Dies kann beispielsweise im Rahmen eines Franchisesystems geschehen, wobei ein solches Kooperationssystem auch durch eine Apotheke selbst erstellt und aufgebaut werden kann. Die von der Widerspruchsmarke zu Klasse 35 beanspruchten Betreuungs- und Beratungsdienstleistungen gegenüber Marketing- und Werbefragen können sich aber auf eines solches Kooperations- und Vertriebssystem beziehen, so dass der Begriff „Apotheke“ sich auch in Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen in einem Hinweis auf Gegenstand und Inhalt der Dienstleistungen erschöpft.
Weiterhin wird entgegen der Auffassung der Markenstelle auch der rechtlich maßgebliche Gesamteindruck der angegriffenen Marke allein durch den Begriff „medicon“ geprägt, da sowohl das Bildelement wie auch die weiteren Wortbestandteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können.
Das Bildelement der angegriffenen Marke in Form eines Kreuzes wird lediglich als einfaches dekoratives Element wahrgenommen, dem der Verkehr keine kennzeichnende Bedeutung beimessen wird. Insoweit gilt der Erfahrungssatz, dass sich der Verkehr bei einer Wort-/Bildmarke an dem Wortbestandteil orientiert, wenn - wie vorliegend - der Bildbestandteil keine ins Gewicht fallende graphische Gestaltung aufweist (vgl. BGHZ 167, 322, Nr. 30 - Malteserkreuz; BGH GRUR 2008, 258, Nr. 23 - INTERCONNECT/T-InterConnect).
Bei den Wortbestandteilen tritt zunächst die Wortfolge „Die Gesundheitswelt im twenty-M" im Gesamteindruck zurück, da diese so klein geschrieben ist, dass sie im Gesamtbild der Marke vor allem gegenüber den weiteren Wortbestandteilen „main“ und „medicon“ kaum wahrgenommen wird. Sie erschöpften sich zudem in einem anpreisenden Werbeslogan, welcher jeder individualisierenden Unterscheidungskraft entbehrt.
Der weitere Wortbestandteil „main“ ist zwar optisch gegenüber „medicon“ gleichgewichtig ausgestaltet und zudem auch noch durch das graphisch angedeutete Kreuz mit diesem verbunden. Jedoch wird der Verkehr darin naheliegend den Namen eines der bekanntesten Flüsse Deutschlands erkennen, welcher als Seitenfluss des Rheins durch Oberfranken, Unterfranken und Südhessen fließt und bei Mainz in den Rhein mündet. Ein Verständnis von „main“ als auch im Inland bekanntes englisches Wortbildungselement mit der Bedeutung „Haupt-; hauptsächlich“ (vgl. dict cc Deutsch-Englisch-Wörterbuch, https://www.dict.cc/ englisch-deutsch/main.htm) ist hingegen in Kombination mit dem Kunstwort „medicon“, welches weder der englischen Sprache zugeordnet werden kann noch eine sinnvolle gesamtbegriffliche Bedeutung mit „main“ aufweist, fernliegend.
Namen von Flüssen, Seen oder Bergen sind zwar nicht ohne weiteres selbst als Angaben über die geographische Herkunft von Waren oder Dienstleistungen anzusehen; sie können aber gleichwohl als beschreibende Herkunftsangaben zu bewerten sein, wenn sie zugleich die angrenzenden Gebiete, Regionen oder Landschaften hinreichend deutlich bezeichnen (vgl. EUGH GRUR 1999, 723 Tz. 34 - Chiemsee; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8 Rdnr. 443). Dies ist bei der Bezeichnung „main“ der Fall, welche nicht nur den gleichnamigen Fluss benennt, sondern gleichzeitig als Gebietsbezeichnung eine geografische Herkunftsangabe bezüglich der beanspruchten Dienstleistungen darstellt, wobei der Flusslauf des Mains die regionale Zuordnung hinreichend konkretisiert (vgl. BPatG 26 W (pat) 111/05 v. 29. November 2006 - Mainbahn, veröffentlicht in PAVIS PROMA). In diesem Sinne hat sich etwa die Bezeichnung “Main-Region“ eingebürgert, die ohne weiteres als geografische Angabe verstanden wird. Der Verkehr wird daher diesem Begriff in Zusammenhang mit den vorliegend maßgeblichen Dienstleistungen lediglich den glatt beschreibenden Hinweis entnehmen, dass diese aus der Region um den Fluss Main stammen bzw. dort angeboten werden. In diesem Wortbestandteil wird der Verkehr daher ebenso wenig einen Herkunftshinweis erkennen wie in der einfachen und werbeüblichen grafischen Ausgestaltung der Marke.
Dem steht auch nicht entgegen, dass der Begriff „main“ bei mündlicher Wiedergabe auch als Possessivpronomen „mein“ verstanden werden kann – was wohl auch bei der Verwendung des Begriffs „main“ beabsichtigt ist. Durch das Possessivpronomen „mein“ wird in der Werbesprache vielfach ein besonderer Bezug zwischen dem Anbieter eines Produkts oder einer Leistung und dessen Abnehmer hergestellt, der verdeutlichen soll, dass ein Produkt bzw. eine Leistung in besonderer Weise auf die Bedürfnisse des Abnehmers zugeschnitten ist und/oder dieser sich in besonderer Weise mit dem Produkt oder der Leistung identifizieren kann (vgl. BGH GRUR 2009, 949 (Nr. 28) - My World). Der Verkehr wird daher auch bei einem solchen Verständnis die eigentliche Kennzeichnung in dem Bestandteil „medicon“ sehen.
Werden beide Marken daher in Zusammenhang mit den im Identitätsbereich liegenden Dienstleistungen jeweils durch übereinstimmenden Bestandteil „medicon/MEDICON“ geprägt, ist von einer zumindest durchschnittlichen Zeichenähnlichkeit auszugehen
4. Ausgehend davon kann in der Gesamtabwägung angesichts der Identität der Dienstleistungen, der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der zumindest durchschnittlichen Ähnlichkeit der Kollisionszeichen eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken nicht verneint werden.
B. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG, da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.