Entscheidungsdatum: 25.03.2010
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 395 28 772
(hier: Kostenentscheidung)
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 25. März 2010 unter Mitwirkung der Richterin Winter als Vorsitzende, des Richters Paetzold und der Richterin Hartlieb
beschlossen:
1 Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
I.
Für die Beschwerdegegnerin war - am 13. Juli 1995 angemeldet - am 28. Juli 2005 die Marke Nr. 395 28 772
für die Waren
„Aktive und passive Baueinheiten für stationäre Funk- und Fernsehempfangsanlagen, insbesondere Satellitenempfangsanlagen; Radio- und Televisionseinrichtungen sowie Zubehör dafür; elektrische und nichtelektrische Kontroll-, Meß- und Signalapparate und nachrichtentechnische Geräte; elektrisches und mechanisches Zubehör für Antennenanlagen; Meß-, Kontroll- und Prüfgeräte für Antennenanlagen; elektrische Anschlüsse und Verbindungen; elektrische Apparate und Schaltgeräte (soweit in Klasse 9 enthalten); elektrische Schalttafeln und Verteiler; elektrische und elektronische Rechen- und Datenverarbeitungsanlagen; Sendestationen und Sender; Geräte für Draht- oder drahtlose Übertragungs- und Empfangstechnik, Verstärkungsapparate; Gehäuse für die genannten Waren“
als Farbmarke - farbig in Signalblau (RAL 5005) und Silber (RAL 9006) konturlos - eingetragen worden mit folgender Beschreibung:
„Es wird Schutz begehrt für die Farbkombination blau/silber bei Gehäusen der im Warenverzeichnis genannten Waren, wobei das Gehäuse silber gemäß RAL 9006 ist und an dem Gehäuse stirnseitig blaue Gehäusedeckel gemäß RAL 5005 vorhanden sind.“
Auf den Löschungsantrag der Antragstellerin vom 18. August 2006 gestützt auf § 50 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 und § 8 MarkenG, hat die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts am 3. Januar 2008 beschlossen:
1. Die Eintragung der Marke 395 28 772 wird gelöscht.
2. Kosten werden weder auferlegt noch erstattet.
Die Markenabteilung hat unter Punkt 1. der Beschlussbegründung u. a. ausgeführt, Gegenstand des Löschungsverfahrens sei die Marke in der konkret eingetragenen Form, dabei handle es sich um eine bestimmte Farbkombination in einer konkreten Erscheinungsform und damit um eine Aufmachungsfarbmarke. Es sei allerdings festzustellen, dass die eingetragene Marke von der ursprünglich angemeldeten Marke abweiche. Auch wenn die Eintragung der Farbmarke von der angemeldeten Marke abweiche, sei entgegen der Ansicht der Antragstellerin eine Berichtigung nach § 45 MarkenG nicht möglich. Die Eintragung einer anderen als der angemeldeten Marke sei auch nicht im Wege des Löschungsverfahrens zu revidieren, da die Löschungsgründe des § 50 MarkenG abschließend seien.
Unter Punkt 2. der Beschlussbegründung hat die Markenabteilung ausgeführt, der eingetragenen Marke habe aber zum Eintragungszeitpunkt die erforderliche Unterscheidungskraft gefehlt und fehle noch und sei deswegen zu löschen. Es sei schon für die Zeit vor der Eintragung festzustellen, dass auf dem hier betroffenen Warenbereich der elektrischen Geräte, Anlagen und Apparate als Aufmachung der Gehäuse die regelmäßig nur dekorative Verwendung vor allem von Farbkombinationen mit Silber (vielfach blau/silber) nicht unüblich sei. Es sei nicht feststellbar, dass der Verkehr der farblichen Gestaltung dieser Gehäuse mehr als einen dekorativen Charakter entnehme. Die beanspruchte Kombination der Farben Blau und Silber falle in keiner Weise aus dem Rahmen der bereits verwendeten Farbzusammenstellungen und sei branchenüblich. Die eingetragenen Marke sei daher zu löschen. Für die Auferlegung der Kosten oder für die Rückzahlung der Löschungsantragsgebühr aus Billigkeitsgründen sei kein Anlass geboten.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Kostenentscheidung, die sie für unbillig hält, ebenso wie die unterbliebene Rückerstattung der Löschungsantragsgebühr und begehrt die Rückzahlung der Beschwerdegebühr. Sie ist der Ansicht, sie habe die vollständige Löschung der zwar als DE 395 28 772 eingetragenen, aber so nicht angemeldeten Marke beantragt. Die Eintragung einer anderen als der angemeldeten Marke sei als fehlerhafter Verwaltungsakt vom DPMA selbst zurückzunehmen, ein Löschungsantrag sei daher unzulässig und die Gebühren somit an sie zurückzuerstatten.
Die Antragsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren zur Sache nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten des Verfahrens sowie das Vorbringen der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
A Kostenentscheidung
Die ausschließlich gegen die Kostenentscheidung der Markenabteilung gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG 9. Aufl. § 71 Rdn. 9), jedoch nicht begründet.
1. Das Markengesetz sieht für die Verfahren vor dem Patentamt grundsätzlich vor, dass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten trägt (§ 63 Abs. 1 Satz 3 MarkenG). Der Verfahrensausgang - also die bloße Tatsache des Obsiegens - schließt es nämlich noch nicht aus, dem Obsiegenden Kosten aufzuerlegen. Wenn es aber der Billigkeit entspricht, kann das Patentamt von diesem Grundsatz abweichen und die Kosten einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen. Für ein Abweichen bedarf es stets besonderer Umstände, die insbesondere dann gegeben sind, wenn ein Beteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgrundsätzen von vornherein aussichtslosen Situation eine nicht haltbare Rechtsposition weiter verfolgt und damit gegen seine prozessuale Sorgfaltspflicht verstößt (st. Rspr., vgl. Ströbele/Hacker MarkenG, 9. Aufl., § 63 Rdn. 7 i. V. m. § 71 Rdn. 11 m. w. N.). Es handelt sich dabei um eine Ermessensentscheidung, die im Beschwerdeverfahren in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Bundespatentgericht unterliegt (vgl. BPatGE 10, 310 (312) m. w. N.; Ströbele/Hacker a. a. O., § 71 Rdn. 9).
So entspricht es im Fall einer bösgläubigen Markenanmeldung, der stets ein rechtsmissbräuchliches oder sittenwidriges Handeln zugrunde liegt, im Regelfall der Billigkeit, dem Markeninhaber im Fall der Löschung die Kosten des Löschungsverfahrens aufzuerlegen. Ebenfalls der Billigkeit entspricht es, die Kosten des Löschungsverfahrens einem Markeninhaber aufzuerlegen, der trotz einer ersichtlich begründeten Löschungsaufforderung an einer gemäß § 8 MarkenG schutzunfähigen Marke festhält und damit den Löschungsantrag provoziert. Ein solcher Fall ist dagegen nicht gegeben, wenn sich im Zusammenhang mit einer glatt beschreibenden und damit originär schutzunfähigen Angabe zahlreiche erörterungswürdige Fragen im Zusammenhang mit einer möglichen Verkehrsdurchsetzung stellen (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 71 Rdn. 14).
2. Im vorliegenden Fall ergeben sich nach Auffassung des Senats keine Anhaltspunkte dafür, dass besondere Umstände vorliegen, die ein Abweichen vom obengenannten Grundsatz rechtfertigen würden.
So ist auch nichts dafür vorgetragen, dass der Antragsgegnerin ein über die bloße Kenntnis der mangelnden Schutzfähigkeit hinausgehendes rechtsmissbräuchliches Handeln des Anmelders bei der Anmeldung vorzuwerfen wäre, wie die Angabe falscher Tatsachen oder eine sonstige Täuschung des Patentamts bezüglich der angemeldeten Marke.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin trotz ersichtlich begründeter Löschungsaufforderung an ihrer schutzunfähigen Marke festgehalten und somit ein Löschungsverfahren provoziert hätte. Es waren vielmehr im Anmeldeverfahren wie auf S. 6 und S. 11 des Beschlusses der Markenabteilung ausgeführt, zumindest für einen Teil der Waren die Frage der Verkehrsdurchsetzung erörtert worden, so dass sich der Antragsgegnerin nicht der Eindruck aufdrängen musste, sie halte in einem völlig aussichtslosen Verfahren an einer schutzunfähigen Marke fest. Zudem gab es kontrovers diskutierte Fragen zum Schutz von Farbmarken, die dem EuGH durch zwei Vorlageverfahren zur Klärung angetragen waren und die zur Aussetzung des Eintragungverfahrens hier geführt hatten. Die Markenabteilung ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, dass das Verfahren für eine Kostenauferlegung keinen Anlass bot.
B Löschungsantragsgebühr
Nach § 63 Abs. 2 MarkenG kann das Patentamt anordnen, dass die Gebühr für das Löschungsverfahren ganz oder teilweise zurückgezahlt wird, wenn dies der Billigkeit entspricht. Bei der Löschungsantragsgebühr wird eine Rückzahlung aus Billigkeitsgründen in Fällen angezeigt sein, in denen das Patentamt bei der Eintragung ersichtlich absolute Schutzhindernisse missachtet hat und deshalb dem Löschungsantrag ohne weiteres stattzugeben ist (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 63 Rdn. 13).
Auch nach Auffassung des Senats ergeben sich vorliegend keine Anhaltspunkte dafür, dass das Patentamt das hier der Löschungsanordnung zugrunde liegende Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft im Eintragungsverfahren missachtet hat und die Eintragung der Marke entgegen dem offensichtlich bestehenden Schutzhindernis vorgenommen hat. Die Fragen, die die Markenabteilung im Löschungsverfahren geprüft hat, nämlich ob schon in der Zeit vor der Eintragung auf dem hier betroffenen Warenbereich für Gehäuse die dekorative Verwendung von Farbkombinationen mit Silber üblich war und ob der Verkehr der farblichen Gestaltung dieser Gehäuse mehr als einen dekorativen Charakter entnahm und ob die beanspruchte Kombination der Farben Blau und Silber aus dem Rahmen der bereits verwendeten Farbzusammenstellungen fiel oder branchenüblich war, waren einer Fehleinschätzung zugänglich, ohne dass dies eine Missachtung ersichtlich bestehender Schutzhindernisse gewesen wäre. Bei der unzutreffenden Beurteilung durch die Markenstelle im Eintragungsverfahren zur Frage der fehlenden kennzeichnenden Wirkung bzw. des lediglich dekorativen Charakters der vorliegenden Farbkombination im fraglichen Warenbereich der betreffenden Branche handelte es sich zwar um eine Fehleinschätzung, nicht jedoch um eine völlig unvertretbare Rechtsanwendung.
Ohne Auswirkung hierauf ist der Umstand, dass eine andere Marke als angemeldet eingetragen worden war. Wie die Markenabteilung festgestellt hat, besteht eine Bindung an die Eintragung im Register, so dass die eingetragene Marke und nicht die Anmeldung Gegenstand des Löschungsverfahrens war.
Die Entscheidung der Markenabteilung, die Löschungsantragsgebühr nicht zurückzuzahlen, ist daher zur Recht ergangen. Die Zurückweisung der Beschwerde unter Punkt 1. des Tenors umfasst auch diese Entscheidung, so dass keine gesonderte Tenorierung zum Antrag auf Erstattung der Löschungsantragsgebühr erforderlich war.
C Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Der zulässige Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist unbegründet. Gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG kann das Patentgericht anordnen, dass die Beschwerdegebühr zurückgezahlt wird. Die Rückzahlung als Ausnahme gegenüber dem Grundsatz der vom Verfahrensausgang unabhängigen Gebührenpflichtigkeit der Beschwerde wird nur aus Billigkeitsgründen angeordnet, d. h. in Fällen, in denen es auf Grund der besonderen Umstände unbillig wäre, die Beschwerdegebühr einzubehalten. Hierbei kommt es weder auf den Ausgang des Beschwerdeverfahrens noch auf die Feststellung eines vorwerfbaren Fehlers der Vorinstanz an (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 71 Rdn. 31). Billigkeitsgründe für die Rückzahlung können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern wie der Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Vorinstanz ergeben. Fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts rechtfertigt die Rückzahlung an sich noch nicht. Diese kommt nur in Betracht, wenn die Rechtsanwendung als völlig unvertretbar erscheint, z. B. weil eindeutige gesetzliche Vorschriften oder eine gefestigte Amtspraxis bzw. eine ständige Rechtsprechung unbeachtet geblieben sind (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 71 Rdn. 32).
Anhaltspunkte für eine derart fehlerhafte Verfahrensbehandlung vor dem Patentamt ergeben sich nicht. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist daher nicht veranlasst.
D Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).